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Seelensplitter

Rufe aus der Vergangenheit
von

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"Lebendig"

"Lebendig"
 

(Hríðarbylur - Súnnanvindur - Inu no Taishou)
 

Die Winter auf den Inseln im Norden, besonders auf Hokkaidō, sind hart und bitterkalt; eisige Stürme fegen über das gebirgige Relief hinweg, tragen das schimmernde Weiß von den hohen Gipfeln der Berge bis tief in die Täler hinab.

Dieses Jahr liegt der Schnee besonders hoch, und der erschöpfte Hundedämon hat immense Schwierigkeiten mit den widrigen Umständen, kommt kaum mehr voran.
 

Es ist nicht nur die Kälte, die merklich an seinen Kräften zehrt.
 

In seiner geschwächten Verfassung ist jenes Unterfangen nicht ungefährlich und birgt einige Risiken, vor allem für ihn selbst.
 

Wieso tut er das?

Ist ihm bewusst, was sein Handeln letztlich bedeutet…?
 

„Halt an… bitte…“
 

In nebeligen Wölkchen kondensiert der gepresste Atem des Hundes in der kühlen, leicht bewegten Luft.

Er zögert. Dann jedoch hält er inne, geht in die Knie, um den Kleinen vorsichtig absetzen zu können.
 

Mühsam sammelt der junge Luftdrache das verbliebene Youki in seinem Körper zusammen, sucht zwischen Schwindel und Übelkeit seine Konzentration.

Gleichzeitig frischt der Wind auf, und die humane Gestalt des Jugendlichen beginnt sich zu verzerren und verformen – bis sich allerdings sein Hennyou endlich offenbart, dauert es eine ganze Weile, und sein miserabler Zustand verhindert geflissentlich, dass er sich aufrichten kann.
 

Daraufhin schallt ein schriller Klageschrei durch die verschneite Gebirgslandschaft, verhallt zwischen den schroffen Granithängen und Schieferwänden.
 

In seiner verzweifelten Not ruft er nach seinem Vater…
 

Mehrere glockenhelle Stimmen aus dem Himmel antworten ihm, manche aus der Ferne, andere scheinen greifbar nahe; mitunter täuschen ihn seine abermals schwindenden Sinne über die Tatsachen hinweg.
 

Das zunächst undefiniert wirkende Dröhnen, das jegliches andere Geräusch um ihn herum plötzlich übertönt, lässt den Luftdrachen abrupt aufhorchen. Es dringt ihm durch Mark und Bein, ängstigt und erleichtert ihn gleichermaßen.
 

Faðir…
 

Wie entferntes Donnergrollen rollt der guttural ausklinge Laut über die beiden matten Dämonen hinweg. Im nächsten Moment teilen sich die gräulichen Wolkenmassen als hätte man einen Keil dazwischen getrieben, und der Blick auf ein tintenblaues, von blassen Sternen gespicktes Firmament wird frei.
 

Zwei Flügelpaare, die eine enorme Spannweite aufweisen, und ein schlanker, von blaugrauen Schuppen bedeckter Leib, der sich kaum von der Umgebung und dem Horizont abhebt, nahezu mit diesen verschmilzt, in Kontrast zu den kristallenen, schneeweißen Iriden, die jeden Widerstand zu penetrieren vermögen…
 

Dem Hundedämon schluckt unwillkürlich, und instinktiv weicht er zurück.

Keine Chance…
 

Ein solches Wesen, das gewiss mehrere Jahrtausende überdauerte, trägt eine Macht in sich, die selbst ihm fremd und widernatürlich erscheint – gegen einen Kontrahenten wie diesen hätte sogar der ehemalige Daiyoukai des Westens nicht bestehen können.

Und das erste Mal in seinem Leben verspürt er wahrhaft Angst.
 

Das gigantische Ungetüm landet knapp vor ihnen, in einer surreal graziösen Manier, die seiner baren Größe spottet und schlichtweg bizarr zu nennen ist.

Trotz dessen hinterlassen die riesigen Pranken – entgegen aller verqueren Erwartungen - deutliche Spuren im Schnee.
 

Den Schädel senkend, stößt der Drache ein uncharakteristisches, leises Grollen aus, schließt die Kiefer behutsam um die vage Silhouette des zierlichen und wesentlich kleineren Artgenossen.

Ähnlich einer Katzenmutter hebt er ihn vom Boden empor, beachtet den Fremden währenddessen nicht.
 

Aus Súnnanvindurs Kehle löst sich ein klägliches Grummeln.
 

„Wenn ich nur stärker gewesen wäre, ein besserer Krieger…“
 

Er ist dankbar dafür, dass er in seiner Drachengestalt nicht imstande ist, Tränen zu vergießen oder vor Scham die Miene zu verziehen.
 

„Dann hätte das auch nichts geändert. Er hätte dich trotzdem beschützt.“
 

Natürlich weiß er es längst…

Nur, aus welchem Grunde ist er so ruhig?
 

„So sind ältere Brüder eben.“
 

Einmal mehr bricht der Schmerz aus ihm heraus, er brüllt gequält und windet sich vor seelischer Pein, und in den hinteren, finsteren Gefilden seines Verstandes hofft er darauf, dass sein Vater ihn erlöst, alles beendet, indem er ihn einfach zwischen den gewaltigen Fängen zermalmt.
 

„Es tut mir so Leid… ich…“
 

Er verstummt, die Dunkelheit der Bewusstlosigkeit verschlingt seinen Geist.
 

„Sein Leben für deines.

Du solltest das zu schätzen wissen, Súnnanvindur.“
 

Die eigene Trauer über den herben Verlust seines Erben äußert sich nicht sichtlich, und die Agonie seines Herzens malträtiert lediglich sein Innerstes – und eben dieses droht unter dem unterschwelligen Druck der psychischen Qual zu zerreißen.

Es tut weh, und es ist eine bittere Erfahrung.
 

Fárviðri…
 

Viele Hoffnungen haben auf seinem älteren Sohn geruht, möglicherweise zu viele.

Mit seinem Potential hätte er sich in dem bevorstehenden Chaos und dem kommenden Widerstreit der Clans behaupten können, den Loftdrekar somit eine sichere Zukunft beschert.
 

Nun sieht es düster für sie aus, und seine verlassene Existenz beeinflusst das Gleichgewicht der Elementarmächte im Negativen.

Nicht mehr lange, die Zeit verrinnt…
 

Schließlich kehrt das Augenmerk des DrachenOberhauptes auf den in der Eiseskälte kauernden Hundeyoukai zurück, und er schnaubt unwirsch, als er sich von ihm abwendet.
 

„Súnnanvindurs Leben gehört dir, Hund.“
 

Der nickt verhalten, wagt dennoch nicht, anderweitig einen einzelnen Muskel zu rühren.
 

Vor ihm manifestieren sich aus bläulichen Eiskristallen augenblicklich die Umrisse einer menschlichen Frau.
 

„Eskortier ihn nach Kyûshu.“
 

***---***---***
 

[Anm. der Autorin]

So, da Hotep das hier zu verantworten hat, gilt die Widmung dieses OS natürlich ihr (und wehe, es gefällt dir nicht!).

Des Weiteren: ich hatte Mühe damit, Hríðarbylur nicht allzu sentimental werden zu lassen, und ja, er weiß, dass es seine Zeit ist, die verrinnt, und den Loftsdrekar keine rosige Zukunft blüht (Flúgar existiert zu diesem Zeitpunkt noch nicht, logisch oder?).

Und die Person, die am Ende auftaucht, ist ebenfalls ein Luftdrache, nur so als Zusatzinformation. ^-^



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Carcajou
2007-08-17T19:51:15+00:00 17.08.2007 21:51
Kann mich nur anschließen- sehr bewegend.
Die Trauer des Lofts- Drekar- Oberhauptes war, eben weil sie nur in seinem Inneren stattfindet, sehr eindringlich. Auch Sunnanvindurs Verzweiflung wird noch einmal sehr deutlich.
Und vor allem auch die Unterlegenheit eines Youkai gegenüber einem Drachen. die ja bei dir die Verkörperung der Elemente darstellen- was kann ein Dämon schon dagegen ausrichten?

LG,
Carcajou
Von: abgemeldet
2007-08-16T14:28:27+00:00 16.08.2007 16:28
WoW das war wie immer sehr bewegeng.........

So schön hat noch nie jemand die Trauer dargestellt, Respekt. Ich war wirklich sehr beeindruckt. ^_^

Es war sehr gut zu verstehen und man konnte auch deutlich den Unterschied zwischen Youkai und Drachen heraus lesen.


Also meine Hochachtung..g*


24
Von:  Lizard
2007-08-15T11:53:42+00:00 15.08.2007 13:53
Mir gefällt's auch. Am besten der Auftritt und die Darstellung des alten Luftdrachen-Oberhaupts. Drachen sind für mich so eine Art Symbolfigur für das Elementare und das kommt hier sehr schön rüber.

Ich hatte ganz vergessen, dass Sunnanvindur jetzt ja eine Lebensschuld beim neuen Inu no Taishou hat. Stimmt ja, das ist ja wie bei Midoriko und Flugar...

Ach ja, und wenn man sich hier weiterhin was wünschen darf... ich fänd noch einen One Shot zu Sunnanvindur und seinem Vater nicht schlecht.^^

Noch eine Frage: was heißt/bedeutet Hennyou?
Von:  Hotepneith
2007-08-14T19:08:48+00:00 14.08.2007 21:08
Wieso sollte mir das um Himmels Willen nicht gefallen?

Wunderschön, wie du die Trauer des Vaters um seinen hoffnungsvollen Erben rüberbringst. Und auch den Unterschied zwischen Drachen und Youkai wieder einmal sehr deutlich bekräftigst.
Ich bin froh, dass ich dich zu diesem Kapitel genötigt habe.

bye

hotep


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