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Seelensplitter

Rufe aus der Vergangenheit
von

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"Sand" [II]

"Sand"
 

(Kyouran - Ísvængur: Szenario 2)
 

Nebelschwaden verschleiern das Schlachtfeld, als wollen sie den Beteiligten jenen grausigen Anblick ersparen.

Der Himmel ist grau, insofern man ihn entdecken kann, die Sonne scheint nicht. Ein trister Tag in der Chronik eines Krieges, der viele Opfer fordern wird, aber das ist nicht alles. Inmitten der trüben Misere des Gefechts werden neue Bunde geknüpft, die mit den Jahrhunderten an Bedeutungen gewinnen werden.
 

Erschöpft wandert der Krieger aus dem Clan der Wasserdrachen durch die im Dunst liegenden Dünen. Jeder Schritt fällt ihm schwer, seine Wahrnehmung ist maßgeblich beeinträchtigt – dabei ist er weder schwer verletzt noch sind die Reserven seines Youkis ernstlich angegriffen. Er kann sich nicht erklären, was mit seinem Körper nicht stimmt.
 

Gezwungenermaßen hält er inne, sinkt in die Knie.
 

Das Rauschen der Wellen, wenn sie auf den Strand treffen, ist allgegenwärtig, und der Wind, der vom Meer her weht, verfängt sich in seinem zusammengebundenen Haar, wiegt die Immortellen und den Hafer in seinen zärtlichen, unsichtbaren Armen.

All diese Nebensächlichkeiten sind ihm viel zu präsent, er hat das Wichtige aus den Augen verloren: den Feind, ebenso wie seine Artgenossen und Verbündeten.
 

Trotz seiner miserablen Verfassung hat er nicht das Gefühl, dass ihm das Bewusstsein zu entgleiten droht.

Nein, es schwächt ihn lediglich, und betäubt seine Sinne.

Ob er hier elendig daran zugrunde gehen wird?

Entschlossen beißt er die Zähne zusammen, zwingt sich wieder auf die Beine.

Er wird nicht sterben.

Nicht jetzt, nicht an diesem Ort…
 

„Beweg dich nicht.“
 

Ein Keuchen entrinnt seiner Kehle; mittlerweile ist er so durcheinander, dass er den Besitzer jener tiefen, kühlen Stimme weder eindeutig lokalisieren noch richtig zuordnen kann.

Die Muskeln in seinem Leib schmerzen.

Bevor er das Gleichgewicht verliert und stürzt, fassen ihn kräftige Hände an den Schultern.
 

„Wer…?“
 

Der Atem des Anderen verfängt sich in seinem Haar – offenbar ist der Fremde größer als er.
 

„Du hast ein schlechtes Gedächtnis für einen Drachen.“
 

Kyouran blinzelt mäßig irritiert, seine versteiften Schultern entspannen sich unter der Berührung.

Ísvængur.
 

„Irgendwas ist mit mir nicht in Ordnung…“
 

Seine Atmung geht schwerfälliger als zuvor.
 

„Leg dich hin.“
 

Gegenwehr braucht er gar nicht in Erwägung zu ziehen, er ist hilflos, und hat unverschämt viel Glück gehabt, dass es der Luftdrache ist, der hinter ihm steht und nicht einer der feindlich gesinnten Feuerdrachen.
 

Ohne Protest leistet er dem leichten Druck auf seinen Schultern Folge, kniet sich in den Sand, zögert danach jedoch, sich auf den feuchten Boden zu legen.

Mit Ísvængurs rabiater Verfahrensweise ist er nicht vertraut, und dementsprechend schaut er ziemlich verdutzt drein, als er sich einen Wimpernschlag später auf dem Rücken wieder findet. Er hat die Bewegung nicht einmal kommen sehen.

Mit einer beiläufigen Geste zieht der Luftdrache das Schwert aus dem Gürtel des Wasserdrachen, lagert es mit dem eigenen neben sich.
 

„Ruh dich aus.“
 

Musternd gleitet sein Blick über den Liegenden.
 

„Es wird eine Weile dauern, bis das Gift vollständig neutralisiert ist.“
 

Gehorsam schließt er die Augen.

Gift? Hat ihn irgendetwas gebissen oder gestochen?

Im hintersten Eck seines Verstandes wachsen Zweifel, ob er den anderen seit ihrem ersten Aufeinandertreffen falsch eingeschätzt hat.
 

Wie viel Zeit vergangen ist, weiß er nicht.

Es riecht nach Blumen und Kräutern aus dem Hochland; sicherlich spielt ihm sein verwirrtes Hirn einen Streich.

Sein Zustand hat sich verschlechtert, er hat Muskelschmerzen, überall, trotz seiner stabilen Lage ist ihm schwindelig und mulmig zumute.
 

„Halt durch.“
 

Jemand drückt seine Hand.

Nur zu deutlich spürt er, wie er immer wieder das Gesicht vor Schmerz verzieht, seine Klauen gleichenden Finger sich in den nassen Untergrund graben.
 

Wenigstens ist er nicht alleine, ihm ist dieser Fakt einiges wert; er rechnet es dem distanzierten Drachen hoch an, dass er bei ihm bleibt. Das hat er ihm nicht zugetraut.
 

„Ist es sehr schlimm?“
 

Kyouran beißt sich auf die Unterlippe.
 

„Ich habe Sand in meinen Stiefeln.“
 

Gequält lächelnd hebt er die Lider, erhascht einen verschwommenen Blick auf Ísvængurs von Skepsis und Unverständnis geprägte Züge. Die emotionale Reaktion macht ihn sympathisch, mit einem Mal wirkt er wesentlich lebendiger.
 

„Wenn du ansonsten keine Probleme hast.“
 

Das verkappte Lächeln, das sich nun in seinem linken Mundwinkel abzeichnet, wird bloß von dem in seinen Augen leuchtenden Amüsement übertroffen.

Er sieht gut aus, wenn er lächelt. Und die japanischen Gewänder passen besser zu ihm als die westliche Tracht, in der er bereits mehrmals in Ryûgu erschienen ist.
 

Nichtsdestotrotz überrascht es den Wasserdrachen, als ihm bewusst wird, dass der Luftdrache tatsächlich auf seine behutsam verborgene Bitte eingeht und die Schnürsenkel seiner Stiefel löst.

Die vage Berührung an seinen bloßen Knöcheln fühlt sich eigenartig an, und er ist dem Erröten gefährlich nahe. Als unangenehm würde er das Gefühl nicht beschreiben, eher im Gegenteil – dass Ísvængur die Schuld daran trägt, beschämt ihn.

Jene abstrakten Gedankengänge schiebt er seinem gepeinigten Gehirn zu, das wohl auf diese Art und Weise rebelliert und ihn betrügt.

Aber es bedeutet mehr, als er zugeben will…
 

***---***---***
 

[Anm. der Autorin]

Ein weiteres Strandszenario, wobei der Eindruck vom Wind im Hafer und den Immortellen abermals auf "Effi Briest" von Fontane zurückgeht, obwohl der Roman nicht wirklich zu meinen liebsten zählt. Trotzdem empfinde ich die Assoziation von den Drachen und den Immortellen als hübsch und äußerst passend.

Der OS ist schon fast vier Monate alt, damals aus dem Effekt heraus gleich nach dem vorigen geschrieben, der dritte, der ein wenig jünger ist, folgt nächste Woche.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Carcajou
2007-10-03T12:44:27+00:00 03.10.2007 14:44
Ebenfalls!
Sehr neugierig auf den dritten Teil!
Das Verhältnis zwischen Luft- und Wasserdrache verspricht interessant zu werden- fragt sich nur, in welcher Hinsicht.
Der Luftdrache hat auch mich mit seinem fürsorglichen verhalten etwas überrascht-und Kyoran wird rot?
Ja, sehr neugierig auf den dritten teil^^°!

LG,
Carcajou
Von:  Hotepneith
2007-10-02T19:00:55+00:00 02.10.2007 21:00
Trotz der Wiederholung ist es einfach ein wunderschönes Strandszenario.

Aber was macht ein Luftdrache in der Schlacht zwischen Feuer und Wasser?Oder habe ich überlesen und vergessen, dass sich diese beidne Clans so verbündet hatten?
Oder mal wieder was ganz anderes?

Jedenfalls bin ich auf den dritten Teil neugierig.

bye

hotep





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