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Seelensplitter

Rufe aus der Vergangenheit
von

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"Drachenkrallen"

"Drachenkrallen"
 

(Bundori - Ryuukotsusei)
 

„Du stehst mir in der Sonne.“
 

Kurz darauf trifft der mit rotgolden schimmernden Schuppen besetzte Schweif den Jugendlichen hart in die Flanke, schleudert ihn mehrere Schrittlängen weit zur Seite. Der harte Aufprall auf dem felsigen Grund presst ihm die Luft aus den Lungen; die verräterisch schmerzenden Rippen in seiner Brust sind ohne Zweifel gebrochen.

Keuchend richtet er sich wieder auf.
 

„Bundori…“
 

Der riesige Lindwurm lässt ein warnendes Knurren verlauten.

Seine helle, von schwarzen Strähnen durchsetzte Mähne reflektiert grell leuchtend das Sonnenlicht.
 

„Ich habe Neuigkeiten für ihn, und er wird böse werden, wenn du ihn deswegen nicht weckst.“
 

Betont langsam hebt die massige Drachengestalt ihren Kopf, die Augen geschlossen, während das zweite, maskengleiche Gesicht ihn fixiert. Ein boshaftes Grinsen stiehlt sich auf die menschenähnlichen Züge.
 

„Du willst wirklich, dass ich dir die verdammten Eingeweide bei lebendigem Leib herausreiße, oder?“
 

Selbstbewusst verschränkt der Junge die Arme vor der Brust.
 

„Traust du dich das?“
 

Sein herausforderndes Grinsen wird hämisch, und weicht auch nicht von seinen Lippen, als der sich der Drache vor ihm in voller Größe präsentiert, und ihn dann blitzschnell mit einer krallenbewährten Klaue erbarmungslos zu Boden drückt.

In diesem Augenblick öffnet das eigentliche Antlitz des Dämons die tiefrot glühenden Augen.

Und dass ihn die momentane Situation nicht im Geringsten amüsiert, belegt das aggressive Fauchen, dass sich augenblicklich aus seiner Kehle löst.

Der Druck des Gewichts, der gerade eben noch seinen Körper zu zerquetschen drohte, verringert sich allmählich.

Um den monströsen, schlangengleichen Drachenleib beginnt die Luft zu flimmern, die Konturen werden unscharf; Bundori hat die Kontrolle zurückerlangt und nimmt nun sein humanes Äußeres an, das den Einfluss der Maske auf seiner Stirn stark beschränkt.
 

„Ryuukotsusei.“
 

Der Jüngere schiebt entschlossen die Hand seines Bruders, die noch immer auf seinem Brustbein ruht, von sich, und setzt sich auf.

Bundori hockt, selbstgefällig grinsend, vor ihm, mustert die leicht zerschundene Erscheinung des Jugendlichen. Er genießt den Trotz, den ansatzweise vorwurfsvollen Blick, den der Kleine ihm zuwirft.
 

„Du solltest einen verflucht guten Grund haben, mich beim Sonnenbaden zu stören.“
 

Mit einer beiläufigen Geste streicht Ryuukotsusei die halblangen blaugrauen Haare zurück – weswegen sein älterer Bruder ihn schon oftmals aufgezogen hat, er benehme sich wie ein eitles Weib - seine Miene wird ernst.
 

„Es geht um Sou’unga.“
 

Bundori horcht auf.
 

„Ich habe es gefunden.“
 

Ein Leuchten erfasst die karmesinfarbenen Iriden, ein fanatischer Ausdruck flackert über die ebenmäßigen Gesichtszüge.
 

„Wo ist es?“
 

Eine raue Tendenz durchzieht seine sonst so sonore Stimme, er klingt abwesend, jedoch nicht in Gedanken versunken.

Seine gesamte Haltung ist gespannt, als er sich nach vorne lehnt, den Jungen auf diese Weise zum Fortfahren auffordert.
 

„Es ist im Besitz der Hunde.“
 

Verstimmt mahlen die Kiefer des Mannes gegeneinander.
 

„Was soll das heißen?“
 

Ihm gefällt nicht, was er da hört.

Er hasst es, wenn seine sorgfältig geplanten Vorhaben nicht so ablaufen wie beabsichtigt.
 

„Der weiße Hund aus dem Westen hat es vor einem halben Monat an sich gebracht. Seitdem herrscht Ruhe.

Offenbar hat er Sou’unga das Schweigen gelehrt…“
 

Ungehalten schnellt Bundoris rechte Hand vor, packt den Jüngeren am Hals und festigt gnadenlos seinen Griff.

Ryuukotsusei hält still – er weiß, dass er ohnehin keine Chance hat sich zu befreien. Erst recht nicht, wenn sein Bruder wütend ist.

Doch so plötzlich, wie er aus der Fassung geraten ist, beruhigt sich Bundori auch wieder; seine zweite Bewegung erfolgt derart überraschend, dass sich der Jugendliche auf die Zunge beißt.

Blut quillt aus der Wunde, der metallene Geschmack füllt seinen Mund, und ein dünnes rubinfarbenes Rinnsal der Flüssigkeit bahnt sich einen Weg von seinem Mundwinkel über sein Kinn.

Der Sonnenweberdrache mit dem bronzefarbenen Haar beobachtet, sichtlich fasziniert, den Weg des unscheinbaren Tropfens.

Sein Gegenüber kann nicht dechiffrieren, was in seinem Verstand vor sich geht. Manchmal flößt der undurchsichtige Charakter seines Bruders ihm Angst ein.

Ehe er sich versieht, spürt er die Lippen, die Zunge des anderen auf der Haut - genau dort, wo sie von seinem eigenen Blut benetzt ist - sodass ihm ein erschrockener Laut entfleucht.

Erbost stößt er den Älteren von sich.
 

„Bundori!“
 

Dieser bricht daraufhin in höhnisches Gelächter aus, stützt sich mit der Linken an einem flachen Felsen ab.

Indes fühlt sich der verdutzte Jungdrache davon verspottet – zu Recht.
 

„Du stellst dich wirklich wie ein Weib an.“
 

Und Ryuukotsusei ist nicht zu jung um zu verstehen, was damit gemeint ist.

Grummelnd wischt er sich mit dem Handrücken über den Mund, spuckt in den Staub. Ihm ist es mehr als unangenehm, wenn Bundori so etwas tut.
 

„Beweg deinen Hintern.“
 

Er sieht zu dem Mann auf, schenkt ihm einen fragenden Blick, als der ihn maliziös angrinst.
 

„Was?“
 

Unlängst ist ihm die Laune vergangen.

Seine lädierten Rippen pochen dumpf.
 

„Ich habe Lust auf eine kleine Treibjagd, um ein paar dreckigen Tölen eigenhändig das Fell abzuziehen…“
 

Ryuukotsusei hat für heute keine Widerworte mehr übrig.
 

Sein Bruder hat im wahrsten Sinne des Wortes Blut geleckt
 

***---***---***
 

[Anm. der Autorin]

Irgendwie ist die Vorstellung eines jugendlichen Ryuukotsusei merkwürdig, oder?

Obwohl ich zugeben muss, dass ich größere Probleme habe, mir Bundori als Kind vorzustellen. o.O

Naja, eigentlich wollte ich an dieser Stelle nur erwähnen, dass sich Bundoris "zwei Persönlichkeiten" im Grunde nicht viel voneinander unterscheiden, ihre Reaktion kommt so ungefähr auf dasselbe hinaus (trotzdem sehe ich die beiden nicht als ein Wesen).
 

Die Widmung dieses Werkes gilt Lizard!

Ich hoffe, es inspiriert dich. ^-^

"Vergessen"

"Vergessen"
 

(Flúgar - Hríðarbylur)
 

„Sieh es dir gut an, Flúgar.“
 

Lediglich für einen kurzen Moment streift der Blick des Loftsdreki den kühlen Ausdruck des Kindes, das in teilnahmsloser Haltung neben ihm steht, die farblosen Augen ins Nichts gerichtet.
 

„Wieso?“
 

Die Stimme des jüngeren Drachen ist emotionslos, kalt – die Frage zeugt von Unverständnis und Desinteresse.

Im Grunde möchte er keine Antwort, denn seine Erwiderung basiert auf reiner Höflichkeit und dem tiefen Respekt, den er dem Älteren gegenüber empfindet.
 

„Wenn du das nächste Mal hierher kommst, wird alles anders sein. Diese Welt verändert sich rasch, dir mag es wie ein einzelner Atemzug erscheinen, jedes andere Wesen durchlebt derweil eine Ewigkeit.“
 

Das Kind merkt nicht, dass seine Miene vage ins Nachdenklich abdriftet, es den Kopf währenddessen leicht zur Seite neigt.

Es ergab keinen Sinn, sich an etwas zu erinnern, dass kurzerhand ohnehin nicht mehr in dieser Form existierte. Wozu also der unnötige Aufwand, es sich einzuprägen?

Langsam schüttelt er den Kopf.
 

„Ich verlange nicht, dass du es verstehst. Noch nicht. Aber vergiss es nicht.“
 

Unwillkürlich umspielt ein sachtes Lächeln die Lippen des Drachen, der bereits Jahrhunderte überdauerte. Er ist der letzte aus der alten Generation und erlebte bereits einiges – sein Enkel schafft es dennoch, ihm eine deutliche Gefühlsregung zu entlocken.

Der stoische Charakter des Jungen amüsiert ihn, er erkennt sich selbst in ihm wieder. Nicht nur sein Äußeres entspricht dem ursprünglichen, nordischen Typus seiner Sippe, sondern vor allem sein einfacher Charakter zeigt die edle Abstammung. Möglicherweise trägt er ein Vielfaches mehr des Clanerbes in sich als sein Vater.
 

„Das werde ich nicht.“
 

Natürlich nicht.

Behutsam legt er dem Jungdrachen die linke Hand auf den Kopf, vergräbt die Finger in den samtweichen Strähnen seines beinahe gänzlich weißen Schopfes.

Doch auch jene liebevolle Geste bewegt den Jüngeren nicht zur Reaktion, er verharrt in seiner abwesenden Position, und lässt die Liebkosung über sich ergehen; für einen Augenblick versteifen sich seine Schultern, doch das ist alles.

Eine Erwiderung bleibt gleichermaßen aus.

Ja, führwahr, das Kind ist sonderbar, jedoch stört ihn das nicht. Emotionen eignen sich nicht für Drachen.
 

„Du bist ein guter Junge, Flúgar.“
 

Abrupt entzieht sich der Angesprochene der Berührung, seine Züge werden von bitteren Schatten überlagert, sodass er älter aussieht, als er wahrhaft ist.
 

„Nein…“
 

Gewöhnlich widerspricht er nicht, gleichgültig, wie sehr ihm ein Umstand missfallen sollte, aber diese Aussage ist anders, und trotz ihrer aufrichtigen Bedeutung wiegt sie schwerer.

Angesichts dessen schmerzt es ihn, dass er manchmal glaubt, das Kind mehr zu lieben als seinen eigenen Sohn. Dennoch ist es wahr und nicht zu bestreiten.

Súnnanvindur trägt große Verantwortung, was den Fortbestand des Clans betrifft, und er weiß das – ob das ausreichen wird, um seine Aufgabe als zukünftiges Oberhaupt erfolgreich wahrzunehmen, steht in den Sternen.

Er verlässt sich zu sehr auf andere, bemüht sich um verbale Auseinandersetzungen; zuweilen vermeint er einen Menschen vor sich sitzen zu sehen, mit ihm sprechen zu hören. Und das erbost ihn, es ist verdrießlich.

Der animalische Bestandteil seines Egos ist ihm offenbar in den Jahren nach dem Tod seines älteren Bruders abhanden gekommen.

In Flúgar hingegen ist sie umso stärker ausgeprägt, sein Potenzial nahezu beängstigend.
 

„Halte Bitterkeit und Hass von deinem Herzen fern, sonst verlierst du dich selbst.“
 

Demütig neigt der Junge den Kopf, er bereut seine Unhöflichkeit.
 

„Verstanden.“
 

Letztendlich tritt das Schweigen ein, das sich das Kind so ersehnte, und es entspannt sich.

Neutralität beherrscht die stumme Atmosphäre, und während der Altdrache die Augen geschlossen hält und in Konzentration versinkt, beobachtet sein Enkel wachen Blickes die Umgebung.

Er tut, was man ihm befiehlt, er ist gehorsam. Zumindest seinem Großvater gegenüber.

Das Felsplateau auf dem sie sich befinden, ist karg, lebensfeindlich, doch der Ausblick ist überwältigend. Ringsum, wohin man auch schaut, eröffnen sich lichte Mischwälder dem Auge des Betrachters.

Sanft streichelt die milde Brise die blassen Wangen des Jungens, verfängt sich in seinem Haar und verschwindet leise raschelnd zwischen dem ausgedehnten Blätterdach des ozeangleichen Waldes.

Mit all seinen Sinnen nimmt er die Wildnis um sich herum wahr, versucht jeden Eindruck akribisch zu erfassen und in sein Gedächtnis einzuordnen. Er wird es nicht vergessen, er hat es versprochen.
 

Am Himmel wandert die Sonne, ihrem vorbestimmten Lauf folgend, in Richtung des Horizonts, und schickt ihre letzten Strahlen auf die Erde. Wie ein fein gewobener Orientteppich erstreckt sich der nun in rote und goldene Lichtmuster getauchte Wald vor den beiden Drachen – von Interesse ist es für sie allerdings nicht.

Dieser Ort wird sich verändern, bald schon, und wird nie wieder so aussehen wie jetzt. Es hat einen Sinn sich daran zu erinnern, wie es einstmals war. Werte und Traditionen liegen immer in der Vergangenheit verwurzelt, und nur der, der dem Vergangenen gedenkt, wird sie bewahren können.

Der Jungdrache wird die Lektion begreifen, wenn er älter ist, er wird sich an die Worte seines Großvaters erinnern.

Das ist die Gabe der Drachen: Sie werden es nicht vergessen.
 

***---***---***
 

[Anm. der Autorin]

Ich wollte schon seit Ewigkeiten etwas über die beiden schreiben, und ich muss zugeben, dass es mir sehr leicht von der Hand gegangen ist und mir dabei noch unheimlich gut gefällt.

Flúgar und sein Großvater sind sich so verdammt ähnlich, was die Grundzüge ihres Charakters, kleine Eigenarten und das Aussehen betrifft, allerdings sind sie in ihrer Entwicklung und ihrem Sein vollkommen verschieden - das macht es so reizvoll, über sie zu schreiben.
 

Ich will euch nicht mit meinem Geschwafel langweilen.^-^

"Brüder"

"Brüder"
 

(Flúgar - Blaka - Blævar)
 

Klein, zerbrechlich… schwach.

Er kann sich nicht daran erinnern, den Säugling jemals schreien gehört zu haben. Vielleicht ist ihm das Glück einmal hold und das Balg stirbt innerhalb der nächsten Tage.

Kritisch mustert er das in mehrere Lagen gewickelte Bündel, verengt verstimmt die Augen zu schmalen Schlitzen.

Was ist an diesem blassen schmächtigen Winzling so besonders?

Obwohl es der erste Blick ist, den er auf seinen kleinen Bruder erhaschen kann, so ist er sich bereits über eines im Klaren: er hegt keinerlei Sympathien für das Baby.

Es macht ihm die Umstände nur noch schwieriger zu ertragen als zuvor.

Seine Mutter hat von Anfang an Schwierigkeiten mit ihm gehabt; sie trägt ihm bitterlich nach, dass sie es fast ihr Leben gekostet hatte, ihn auszutragen. Zudem war sie zu diesem Zeitpunkt noch eher ein Mädchen als eine Frau gewesen, somit viel zu jung, um ein Kind auf die Welt zu bringen und fürsorglich aufzuziehen.

Oftmals gelingt es ihm nicht, den Ausdruck in ihren Augen, wenn sie ihn anblickt, zu deuten, und er weiß nicht, wie er damit umgehen soll.

Sie hingegen tut sich schwer damit, seine kühle, unkindliche Art zu akzeptieren, zuweilen ist er ihr unheimlich.

Auf ihr zweites Kind hat sie sich lange gefreut, den tiefen, mütterlichen Wunsch verspürt, es endlich im Arm halten zu können. Ihr Erstgeborener reagiert nicht auf solche Gestiken, er wirkt angespannt und fehl am Platz, wenn man ihn berührt. Und dennoch wehrt er sich nicht.

Er treibt sie noch in den Wahnsinn, Flúgar ist nicht normal.

Aufgrund dessen fährt sie fürchterlich erschrocken zusammen, als sie ihn in ihren Gemächern, vor der Krippe ihres Neugeborenen knien sieht.

Panik, ja gar Hysterie, dass der Junge dem Baby etwas angetan hat, steigt augenblicklich in ihr auf.
 

„Flúgar!“
 

Ihre Stimme klingt wesentlich höher und schriller als sonst, überschlägt sich nach der ersten Silbe seines Namens.

Doch er hebt nur unmerklich den Kopf, weil ihm ihr gellender Aufschrei in den empfindsamen Ohren schmerzt.

Sein Interesse erlischt in diesem Moment und er wendet sich ab.
 

„Raus hier.“
 

Bedrohlich leise erreicht ihn das warnende Wispern der Frau, die nun keine Schrittlänge mehr von ihm entfernt ist.

Er versteht, dass er hier nicht erwünscht ist – die Gründe dafür kennt er nicht. Dem Kleinen ist nichts geschehen, er hat ihn von allen Seiten betrachtet, die Beschaffenheit der zarten Haut an seiner Wange in Erfahrung gebracht, indem er sie mit dem Zeigefinger der linken Hand angetippt hat. Der Säugling hat dabei keinen Laut von sich gegeben.

Doch er fügt sich dem Befehl seiner Mutter, taxiert ihren Rücken aus dem Augenwinkel mit einem gleichgültigen Blick, ehe er den Türrahmen passiert.

In diesem Augenblick beginnt das Baby zu schreien, der kleine Körper verkrampft sich sichtlich unter den Tücherlagen, die ihn bedecken und schützen sollen.
 

„Shhhht… ist schon gut, ist gut…“
 

Sie versucht es zu beruhigen, zuerst mit Worten, dann nimmt sie es auf den Arm, wiegt es behutsam hin und her.

Aber es hilft nicht, das Weinen und Jammern hält an.

Nach kurzer Zeit ist die junge Mutter mit ihrem Latein bereits am Ende – Flúgar ist kein weinerliches Kleinkind gewesen und hatte sich zumeist damit begnügt, ihr und seinem Vater mit bösen Blicken zu strafen, wenn ihn etwas gequält hatte.

Ja, ein sonderbares Kind, in der Tat.

Sie ist hoffnungslos überfordert, und der Verzweiflung nahe, als sie zufällig wieder auf Flúgar trifft, der teilnahmslos vor einer der äußeren Balustraden des Hauptkomplexes steht und offenbar ins Nichts starrt. Stundenlang kann es gehen, dass er keinen Muskel rührt – sie hat dieses Verhalten bei Súnnanvindurs Vater beobachtet, sich damals genauso gewundert, wie jetzt. Er hat viele Ähnlichkeiten mit seinem Großvater…

Erst nach einer Weile wird ihr bewusst, dass der Kleine nicht mehr weint und schreit. Sie ist dankbar dafür, denn ihre Nerven zehren sich rasch auf, Geduld war noch nie eine ihrer Stärken.

Als sie sich dann wieder in Bewegung setzt, um sich zurück ins Innere ihres Quartiers zu begeben, fängt das Baby abermals an zu quäken. Es ist ihr offensichtlich, was passieren wird, wenn sie noch einen weiteren Schritt tätigt.

Jede andere Richtung entpuppt sich als ebenso falsch wie diese.

So hält sie inne.

Eine vage Vermutung beschleicht sie, und sie kann sich ihrer Neugier nicht erwehren.
 

„Flúgar, komm her.“
 

Dieser dreht sich bloß ein wenig zur Seite, und seine finstere Miene verbirgt den in ihm aufwallenden Missmut keinesfalls.

Doch das schreckt sie nicht ab, und aus der Kehle des Jungen löst sich ein untypischer Laut, als er mit einem Mal das Gewicht des Bündels auf seinen Armen lasten spürt.

Perplex blinzelnd fixiert er die bläulich schimmernden Iriden des Säuglings.

Kurz darauf findet er sich im Schoß seiner Mutter wieder, wird sich ihrem Zaudern gewahr, bevor sie einen Arm um seine Taille legt. Ihre freie Hand streichelt bald zögerlich über seinen Nacken, und unbewusst weicht jedwede Anspannung aus seinem Leib.
 

***---***---***
 

[Anm. der Autorin]

Eigentlich war die Szene ganz anders geplant, ursprünglich kam Blaka darin gar nicht vor - allerdings gefällt es mir so wesentlich besser, da von Flúgars kleinem Babybrüderchen nicht allzu viel Aktion ausgeht.

Ich sollte mehr über Blaka und die Beziehung zu ihren Söhnen und Súnnanvindur schreiben!

"Bedenken"

"Bedenken"
 

(Fárviðri - Súnnanvindur)
 

Seit mehreren Stunden liegt er wach, starrt, innerlich von Bedenken und tiefen Selbstzweifeln geplagt, an die aus weißem Marmor gefertigte Gewölbedecke seines Privatquartiers.

Die Hälfte der Nacht ist bereits vergangen, bald wird die Sonne aufgehen und somit das Startzeichen für die Mission geben.

Er fürchtet sich davor.

Nervosität und Übelkeit machen ihm zu schaffen, unruhig wälzt er sich auf die Seite. Langsam dämmert ihm jedoch, dass es ein sinnloses Unterfangen seinerseits ist, auch nur versuchen einzuschlafen. Es wird nicht funktionieren, die Angst hält ihn unbarmherzig in ihrer eisigen Umarmung gefangen.

Sein gesamter Leib zittert.

Ruckartig richtet er sich auf, schleicht auf leisen Sohlen aus seinen Räumlichkeiten und durch das verzweigte Netz der unzähligen Korridore.

Auf Zehenspitzen erreicht er sein Ziel, zögert dennoch, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Er traut sich weder anzuklopfen noch das Quartier zu betreten.

Gespenstische Stille beherrscht den Gebäudekomplex und die Dunkelheit verwehrt ihm weitestgehend die Sicht; vor allem die Regungslosigkeit der Konturen und Schatten lassen das Bild, das ihm seine Augen vermitteln, unscharf und verschwommen wirken.

Dann dringt plötzlich das Rascheln von Stoff an seine Ohren, seine Muskeln spannen sich unwillkürlich an.
 

„Ich kann dich atmen hören, Súnnanvindur.“
 

Überrascht zuckt der Angesprochene zusammen – die tiefe, weiche Stimme seines Bruders hat ihn ernstlich erschreckt.
 

„Komm schon zu mir.“
 

Nach kurzem Zaudern gehorcht er, tritt einige Schritte vor, bis seine bloßen Fußspitzen an den Rand der einem Futon ähnelnden Schlafmatratze stoßen.

Vorsichtig geht er auf die Knie, sucht in der Finsternis nach den Augen des Älteren.

Er kann den gleichmäßigen Fluss seines Youkis spüren, direkt vor sich, die Umrisse seiner aufrecht sitzenden Gestalt vermag er hingegen nicht richtig zu erfassen. Für einen winzigen Augenblick befällt ihn die Ungewissheit, ob er das Richtige getan hat.

Doch dann schiebt er diesen Gedanken beiseite, die sanften Berührungen an Schulter und Stirn geben ihm Rückhalt, versichern ihm, dass er hier jederzeit willkommen ist.
 

„Alles in Ordnung?“
 

Sein älterer Bruder schließt ihn in seine Arme, zieht den verschwitzten Körper des Jungen zu sich. Er kann die Furcht, die Unsicherheit wittern, die den Jüngeren quälen – so aufgelöst erkennt er ihn kaum wieder.

Womöglich ist die Verantwortung, die ihnen ihr Vater für die anstehende Aufgabe übertragen hat, einfach eine zu schwere Bürde für den jungen Drachen. Er hat Angst zu versagen, und die Beteiligten zu enttäuschen.
 

„Mach dir keine Sorgen, ich werde aufpassen, dass dir nichts geschieht.“
 

Fárviðri ist ein fähiger Krieger, und der Jungdrache weiß sicher, dass er seinen Worten blind vertrauen kann.

Aber das ist es nicht, er kann das nagende, schlechte Gefühl, das ihn martert, nicht benennen. Und da er nicht an Vorausahnungen glaubt, tut er es als Nebeneffekt seiner zerrütteten Verfassung ab.

In regelmäßigen Böen streift der Atem seines Bruders seine linke Wange, seinen Hals, und wenn er sich konzentriert, kann er dem geruhsamen Schlagen seines Herzens lauschen.

Trotz der Tatsache, dass er die entspannte Ruhe des älteren Luftdrachen nicht nachvollziehen oder gar verstehen kann, lockert sich innerhalb weniger Momente die Verkrampfung seines Leibes, seine Atmung pendelt sich auf einen normalen, stabilen Rhythmus ein - nahezu synchron zu dem seines Gegenübers.

Und obgleich keiner von ihnen eine physikalische Wärme ausstrahlt, fühlt er sich geborgen, behütet, warm. Er nimmt an, dass es dem Begriff eher entspricht als eine bestimmte Gradzahl, die die Temperatur angibt.
 

„Danke, Fárviðri…“
 

Das Murmeln ist gedämpft und undeutlich, viel mehr in Stoff und dichtes, weißes Haar gesprochen als an den Anderen gerichtet, verklingt dennoch nicht ungehört.

Durch die unmittelbare Nähe wird er sich der Vibrationen gewahr, die die Worte aus dem Mund seines Bruders begleiten.
 

„Du musst dich nicht bedanken.“
 

Mit dem Zeigefinger tippt er dem Kleinen ins Zentrum der Stirn; ein halbherziges Schmollen stellt dessen Reaktion darauf dar.
 

„Du sollst das nicht machen, Broðir.“
 

Abwehrend hebt Fárviðri die Hände, ein amüsiertes Lächeln erhellt seine sonst eher neutralen Züge. Im Schattensein der Nacht erscheinen selbst die farblosen Iriden seiner Augen dunkel und tiefgründig.
 

„Tut mir leid, ich konnte nicht anders. Dein Gesicht ist eben etwas zu niedlich geraten.“
 

Súnnanvindurs Wangen färben sich augenblicklich rot, und er wendet den Kopf ab.
 

„Ich bin kein Mädchen! Also behandele mich auch nicht so.“
 

Schweigen kehrt ein.

Während das Schmunzeln des Älteren nicht weicht, verliert die Miene des Jüngeren an Härte und Trotz, die verräterische Röte besteht.
 

„Darf ich trotzdem… nur für heute…“
 

Erwartungsvoll hebt Fárviðri eine Augenbraue – natürlich kann er sich denken, auf was der Junge anspielt, allerdings möchte er die Frage von ihm hören, und zwar vollständig.

Fürwahr, er ist schüchtern und meist sehr zurückhaltend, aber er sollte eigentlich gelernt haben, dass er sich vor seinem Bruder wegen nichts zu schämen braucht.
 

„Darf ich für heute Nacht hier, bei dir, bleiben…?“
 

Dabei schaut er nicht auf, fixiert einen undefinierten Punkt an der Wand.

Behutsam legt sich daraufhin eine Hand unter sein Kinn, zwingt ihn zaghaft zum Aufsehen.
 

„Danke, Fárviðri…“
 

***---***---***
 

[Anm. der Autorin]

Wie man bereits weiß, wird Súnnanvindur mit seinen Bedenken Recht behalten, und er wird ohne seinen Bruder wieder nach Hause zurückkehren.

Falls es für euch von Interesse ist: vom Alter her sind die beiden ziemlich weit auseinander, Fárviðri ist bereits erwachsen, Súnnanvindur noch ein Jugendlicher. ^-^

Ich mag dieses Brüderpaar, insbesondere auch Fárviðri, und ich bereue es zuweilen, ihn schon im Vorhinein aus dem Weg geräumt zu haben...

"Feueratem"

"Feueratem"
 

(Flúgar - Aska)
 

Er hat bereits aufgehört zu zählen, wie viele es heute waren.

Bis zum Horizont, an dem gerade die Sonne ihren alltäglichen Weg über den Himmel beginnt, ist der einstig reinweiße Sand des Strandes rubinrot gefärbt.

In der Luft hängt der Geruch von Salz und Blut, von Strandhafer und Angst.

Seine Lippen sind trocken und spröde, er ist erschöpft, und müde, wie lange nicht mehr. Nur zu gerne würde er sich ein wenig ausruhen, doch die Schlacht ist noch unentschieden.

Es waren noch nicht annähernd genug, dessen ist er gewiss, denn das hitzige Youki des Feindes scheint so präsent wie am Tage zuvor, das tiefe Grollen der unterirdischen Vulkane im Meer ist längst nicht erloschen.

Für einen Moment schließt er die Augen, überprüft die Youkiquellen in der Umgebung, und es beruhigt ihn ungemein, dass er mehr vertraute Energien erspüren kann, als er angenommen hat.

Ihre Verluste sind beängstigend hoch, der plötzliche, unerklärliche Rückzug der Wasserdrachen hat den Kriegern vorerst die Moral geraubt.

Aufgeben kommt nicht in Frage, eher gehen sie im Kampf unter.

Unangenehm bezeugt seine durch getrocknetes Blut erhärtete Kleidung jedwede Bewegung, die er tätigt, und reibt seine Kniekehlen und Ellbeugen wund.

Die Verletzung an seinem Oberarm sendet fortlaufend einen stechenden Schmerz durch seine Nervenbahnen, und die feuchte Meeresluft ist nicht förderlich für die Wundheilung.

Zudem hat er den Großteil seines Youkis aufgebraucht.

Außer dem Rauschen der Wellen durchbricht kein noch so leiser Laut die beklemmende Stille; das monotone, penetrante Geräusch verursacht ein dumpfes Pochen in seinen Schläfen.

Dass ihn die Fußspuren, die seine schweren Stiefel im Sand hinterlassen, verraten werden und zu einer leichten Beute machen, interessiert ihn nicht wesentlich. Falls ihn jemand wirklich finden will, dann wird er das – mit oder ohne die offensichtlichen Hinweise.

Und tatsächlich dauert es nicht lange, bis er eine flammende Präsenz hinter sich spürt: ein Feuerdrache. Trotz der Distanz, die noch zwischen ihnen liegt, vermeint er den heißen schwefeligen Atem des Drachens spüren zu können.

Betont langsam dreht er sich halbseitig um, die rechte Hand an der Tsuka seines Schwertes und die Muskeln gefechtsbereit angespannt.

Er ist unterschwellig überrascht, als er in seinem Gegner eine Frau erkennt.

Ihr hasserfüllter Blick entstellt die überaus weiblichen Züge ihres Gesichtes, das nun mehr eine fratzengleichen Maske darstellt, unter der die silberfarbenen Augen einem rötlichen Glühen weichen.
 

„Du wirst dafür büßen, meinen Bruder getötet zu haben.“
 

Kurzzeitig mustert er sie eindringlicher.

Insgesamt ist ihre Statur schmal und zierlich, die relativ kurzen zweifarbigen Haare kleben an ihrer schweißnassen Haut, an der Stirn, im Nacken.

Sie droht ihm, erhöht den Pegel ihrer Dämonenergie drastisch.

Ja, er erinnert sich, das Muster ihres Youkis weist Übereinstimmungen mit dem des männlichen Feuerdrachen auf, den er in dieser Nacht getötet hat. Die Auseinandersetzung ist hart und anstrengend gewesen, aber fair, und er hat selten einen solch guten Kämpfer in den Reihen der Feuerdrachen entdeckt. Knapp war kein angemessener Begriff für den Ausgang ihres Kampfes, und die Wunde an seinem Arm, sowie zahlreiche weitere Blessuren, gehen auf das Konto des außergewöhnlich talentierten Kontrahenten.

Hraunar, so hieß er.

Ihre Rache ist für ihn bestimmt.
 

„Du hast die Zukunft unsere Clans zerstört…“
 

Ihre Stimme versiegt und wechselt zu einem aggressiven Knurren.

Ohne darüber nachzudenken, stürmt sie auf ihn zu, unbewaffnet, und attackiert ihn mit ihren bloßen Klauen.

Sie ist so blind vor Wut und Hass, dass sie nicht einmal mehr ordentlich Kämpfen kann – ihre überschäumenden Emotionen verwandeln sie in einen tobenden Berserker, der wild um sich schlägt und nach dem sühnenden Blut ihres Opfers giert.

Er jedoch lässt sich nicht darauf ein, umgeht mühelos ihre voraussehbaren Manöver – das Schwert hat er nicht gezogen.

Eben dies schürt ihren Zorn umso mehr, ihre Bemühungen verzeichnen dennoch keinen Erfolg.

Eher das Gegenteil ist der Fall.

Bald hat er sie in die Ecke gedrängt, und sie ist mittlerweile so erschöpft, dass sie sich kaum mehr auf den Beinen halten kann. Schwankend taumelt sie einen halben Schritt zurück. Während dessen schließt sich seine recht Hand fester um den Griff seines Katanas.

Sie schluckt und senkt den Kopf.

Dann stockt der Luftdrache unvermittelt, wendet sich ab, und starrt, wie in Trance verfallen, in die Ferne.

Das Schwert entgleitet seinem Griff, und er kann kaum mehr atmen. Seine Kehle ist wie zugeschnürt.
 

„Nein…“
 

Als sie aufblickt, ist er verschwunden.

Zähneknirschend richtet sie sich auf, so wird er ihr nicht davonkommen.
 

Bis sie ihn eingeholt hat, vergehen etwa zwei Stunden.

Er kniet neben dem leblosen Körper eines seiner Artgenossen, hält dessen rechte Hand in den seinen. Offenbar trauert er, und bemerkt nicht, dass sie direkt hinter ihm steht, die Klinge, die er vorhin beabsichtigte gegen sie zu richten, zielt jetzt auf sein Herz.

Das Auflodern seiner Aura erfolgt dermaßen plötzlich und unverhofft, dass sie nicht einmal an Abwehr oder Ausweichen denken kann und sein Angriff ist lediglich ein undeutlicher Schemen in ihrem linken Augenwinkel.
 

***---***---***
 

[Anm. der Autorin]

Oder: wie Aska zu ihren Narben kam.

Kurz und knapp, so sind sich Flúgar und Aska das erste Mal über den Weg gelaufen.

Eigentlich hatte ich nicht vor, Hraunar durch Flúgars Hand sterben zu lassen, hat sich so während des Schreibens ergeben, und warum auch nicht?

Außerdem: "Effi Briest" ist absolut nicht meine Lieblingslektüre gewesen, allerdings ist von Fontanes Werk doch etwas hängen geblieben. Der Strandhafer, der in Kessin in der Nähe des Chinesengrabes wächst, taucht auch in diesem One-Shot auf.

"Idol"

"Idol"
 

(Neisti - Hraunar)
 

Das Tapsen von kleinen nackten Füßen auf dem steinernen Boden folgt ihm hartnäckig durch die labyrinthartigen Gewölbegänge des aktiven Vulkans. Mental seufzend verlangsamt der Feuerdrache seine Schritte, bleibt schließlich stehen. Das Geräusch hinter ihm verstummt ebenfalls; dumm ist der Kleine jedenfalls nicht.
 

„Neisti.“
 

Es klingt mahnend und gleichzeitig resigniert.

Daraufhin lässt der Jüngere schuldbewusst den Kopf sinken, tritt aus dem Schatten heraus ins Licht und nähert sich dem anderen.

Die Art und Weise, wie er seine Hand in die des Älteren schiebt, hat etwas Bittendes, ja Flehendes an sich, doch eine verständnisvolle Antwort erhält er nicht.
 

„Du weißt so gut wie ich, dass die Besprechung heute Nacht wichtig ist. Also sei ein braver Junge und geh ins Bett.“
 

Mit einer kühlen Geste entzieht er sich der zaghaften Berührung des Kindes, lässt es in seinem Kummer allein.

Wehmütig schaut ihm der Jungdrache nach und es wird eine ganze Weile dauern, bis er seinen Posten dort aufgibt. Er wird auf ihn warten, gleichgültig, wie viele Stunden bis zu seiner Rückkehr vergehen mögen.
 

Der Kleine hängt zu sehr an ihm, und er wird es nicht verkraften, wenn er im Gefecht fällt.

Und nichtsdestotrotz fühlt er sich durch die anhängliche Zuneigung des Kindes bestätigt und es erfreut ihn im Grunde seines Herzens, als er den leuchtend kupferfarbenen Schopf – mäßig verborgen hinter einer Säule am Fuße der Treppe – erspäht.

Drei Tage war er fort, und es ist abermals mitten in der Nacht. Außer ihm hat niemand auf ihn gewartet…

Gemächlich nähert er sich dem Versteck des Jungen, taucht dann aber so plötzlich hinter diesem auf, dass ihm ein erstauntes Quieken entfleucht. Der ältere Feuerdrache kniet halbseitig hinter ihm, präsentiert ihm die rechte Handfläche.

Zögern akzeptiert er das offenbare Angebot, und lässt zu, dass sein Gegenüber ihn auf den Arm nimmt. Ungehemmt klammert er sich nun mit den Händen in dessen Kleidung fest, presst das Gesicht beinahe gewaltsam in die sich anbietende Halsbeuge. Das Schluchzen und seine bitteren Tränen hält er nicht mehr zurück.

Nach einer Weile ebbt das Wimmern ab, und das Kind gewinnt langsam seine Fassung zurück.
 

„Du blutest, großer Bruder…“
 

Verwirrung und Fassungslosigkeit begleiten seine heisere Stimme, die winzigen Finger tasten behutsam über die Stelle an seiner rechten Schulter, wo der Stoff sich dunkel verfärbt hat.
 

„Halb so wild.“
 

Er ist verletzt und unterdrückt geflissentlich den Schmerzenslaut, der sich seiner Kehle formt, und dennoch spricht aus seinem breiten Grinsen, welches eine Reihe weißer Zähne entblößt, nichts als Ehrlichkeit.
 

„Tut es nicht weh?“
 

Sorgenvoll streichelt der Jungdrache über die Blessur, schenkt ihm einen mitleidigen Blick. Sein Verstand sagt ihm, dass eine solche Verletzung nicht durch die Klinge eines Schwertes verursacht worden sein kann.
 

„Hast du sie überzeugt?“
 

Nach einer gewalttätigen Ausschreitung hat er sein Anliegen mehr oder minder mit schlagkräftigen Argumenten in die Schädel seiner Besprechungspartner prügeln müssen, der Erfolg jedoch, den das mit sich gebracht hat, kann er nicht leugnen.
 

„Yup.“
 

Erneut ziert ein Grinsen das weitestgehend unversehrte Antlitz.
 

„Lass uns zu Hrafntinna gehen und noch ein wenig Karten spielen, bevor ich dich wieder ins Bett schicke.“
 

Neisti bejaht diesen Vorschlag eifrig nickend und gibt seinem Bruder zu verstehen, ihn abzusetzen. Dann eilt er freudestrahlend voraus, wirft ihm beständig einen ungeduldigen Blick aus großen, blau durchwobenen Kinderaugen zu.

Er ist bemüht, sich den ziehenden Schmerz, der bei jeder Treppenstufe erneut droht, seine Züge zu verzerren, nicht anmerken zu lassen; er möchte die harsche Abweisung, die er dem Jüngeren am Tag seiner Abreise erteilt hat, wieder gut machen.

Ihn plagt ein schlechtes Gewissen, was diesen Vorfall betrifft.
 

Hrafntinna spart sich einen Kommentar bezüglich seiner Verfassung, sie hat geahnt, dass sich so etwas ereignen würde.

Murrend, wie leichtsinnig er doch mit Leib und Leben verfahre, versorgt die Frau seine Verwundungen; indes löst er sein Versprechen ein und überantwortet Neisti die Wahl des Kartenspiels.

Zu seinem Leidwesen muss er ein weiteres Mal feststellen, dass der Kleine nicht nur sensibel, sondern vorrangig hochintelligent ist – er kann keinen einzigen Sieg für sich erringen, trotz der sichtlichen Müdigkeit, die ihm zu schaffen macht.
 

„Du wirst nicht einfach verschwinden… so wie Vater und Mutter…“
 

Ohne jeglichen Kontext stellt er die Aussage in den Raum.

Seine Tonlage schwankt dabei leicht, geprägt von abwesender Nachdenklichkeit – das imaginäre „oder?“ muss sein Bruder nicht einmal hinzufügen, um die Frage, die darin steckt, zu enttarnen.
 

„Nein Neisti, das werde ich nicht. Ich verspreche es dir.“
 

Und mit einem Mal hat er das Gefühl, gerade einen schwerwiegenden Fehler begangen zu habe. Er hat sich selbst belogen – es liegt nicht wirklich in seiner Macht zu entscheiden, wie lange er auf dieser Welt existieren wird.

Neistis Ausdruck wagt er in jenem Moment nicht zu deuten.

Ob er bereits weiß, dass es ein leeres Versprechen ist?

Aber noch ist er nicht tot, und insgeheim hat er nicht vor, in jungen Jahren zu sterben.
 

Die Zeit wird Hraunar Lügen strafen…
 

***---***---***
 

[Anm. der Autorin]

Hierzu gibt es nicht allzu viel zu sagen, ausgenommen, dass ich neuerdings einen Faible für Brüderbeziehungen zu haben scheine und diese längst verstorbenen Charaktere gerne weiter entwickelt hätte.

Ich liebe Hraunar. Er ist so herrlich locker und ganz anders als die meisten anderen Drachen, die so strikt auf das Befolgen von Regeln aus sind.

Zu seiner Position als Clanführer ist er eher auf unkonventionelle Weise gekommen, da er den Tod seines Vaters nicht abgewartet, sondern ihn persönlich 'abgelöst' hat, wovon Neisti natürlich zu dem Zeitpunkt nichts weiß.

Die Vorlage für ihn stammt aus Naruto, vom Yondaime Hokage (daher das breite Grinsen, falls das jemandem etwas sagen sollte ^-^°).

"Barmherzigkeit" [I]

"Barmherzigkeit"
 

(Inu no Taishou - Súnnanvindur: Szenario 1)
 

Weich…

Das ist das erste, und einzige, was er spüren kann, als er wieder zu Sinnen kommt.

In seinem Kopf herrscht eine unheimliche Leere, er kann nicht denken, und ihm fehlt jedwedes Gefühl für seinen Körper.

Wirr und ungerichtet geistern befremdliche Gedanken durch seinen Verstand, und es mag ihm einfach nicht gelingen, sie festzuhalten oder gar zu erfassen.

Ein stechender Schmerz pulsiert in seinen Schläfen.

Nur langsam, schleichend, kehrt seine Besinnung wieder, lässt ihn sich seines Leibes allmählich gewahr werden; seine Gliedmaßen sind weitestgehend taub, dafür bereitet ihm seine linke Flanke eine quälend heiße, glühende Pein, die wie flüssiges Metall durch seine Nervenbahnen wogt und diese zu zerreißen droht.
 

„Bist du wach, Kleiner?“
 

Daraufhin zuckt er zusammen, und ein gequältes Keuchen entrinnt seiner Kehle.

Er beherrscht die Sprache der Menschen und Dämonen nicht allzu gut, versteht sie jedoch einigermaßen. Trotzdem beschränkt es sich bei seinem Verständnis darauf, dass er angesprochen ist und eine Frage gestellt wurde.
 

„Oi.“
 

Der Besitzer jener tiefen, angenehmen Stimme lässt sich neben ihm nieder, er kann das gedämpfte Rascheln von Stoff hören.

Allerdings beschleicht ihn dabei weder Angst noch Unwohlsein.
 

„Nicht sterben, verstanden?“
 

Dem schließt sich eine flüchtige Berührung an seiner Stirn an, der Fremde streicht ihm die verschwitzten Strähnen aus dem Gesicht.
 

Mühsam zwingt er sich, die Augenlider zu heben, und ins Antlitz der besorgten Person blicken zu können, die unmittelbar neben ihm sitzt und über ihn wacht.
 

Sein Nacken ist steif und verspannt, wie er malträtiert stöhnend feststellen muss, als er den Kopf leicht dreht.

Und er behält mit seiner schwammigen Vermutung recht: es ist der Hundedämon, der seinen Bruder tötete, ihn besiegte und danach daran hinderte, seinem Leben ein Ende zu setzen.
 

Warum hat er ihn gerettet und sich seiner angenommen?

Woher stammt die Barmherzigkeit des Dämons? Oder hegt der etwa ganz andere Hintergedanken?
 

Erneut brennen Tränen in seinen Augenwinkeln und er kann nicht verhindern, dass er abermals zu weinen beginnt.

In seiner Verzweiflung und geistigen Verwirrung weiß er keinen Ausweg, im Grunde will er bloß eines: Fárviðri folgen, sterben.
 

Die Rachegefühle in ihm sind schwach, kaum ausgeprägt, und eigentlich interessiert ihn der Hundeyoukai wenig, doch in seiner widrigen Lage überkommt ihn eine ungerichtete Frustration, und kurzerhand, aus dem Affekt heraus, beißt er dem in weiß gekleideten Dämon in die Hand.
 

Jener Impuls kommt so unvermittelt über ihn, dass er selbst darüber erschrickt, als er Blut auf der Zunge schmeckt.

Zwar ist ihm nicht bewusst, was in ihn gefahren ist, aber locker lässt er trotz dessen nicht, presst die Kiefer noch fester aufeinander.
 

Der Hundedämon rührt keinen Muskel, billigt sein mehr als unangebrachtes Verhalten.

Auf seine eigene Art und Weise ist ihm nur allzu gegenwärtig, welcher Schmerz den jungen Drachen plagt, denn er erlebte vor kurzer Zeit selbst, wie weh es tut, jemanden, den man verehrt und über alles liebt, zu verlieren.
 

„Er hat dir sehr viel bedeutet, nicht wahr?“
 

Noch immer ignoriert er die spitzen Zähne, die sich unbarmherzig durch seinen rechten Handrücken gebohrt haben, vergräbt anstatt dessen mit einer liebevollen Gestik die linke im Haar des Jugendlichen.
 

Der Junge ist mit einem Mal hellwach, gibt sein vermeintliches Opfer frei. Feine rote Rinnsale bahnen sich einen Weg von seinen Mundwinkeln über das Kinn.
 

„Wieso…?“
 

Er liegt auf dem Fell des Hundes, wie ihm seine Nase verrät – dieser wiederum begutachtet für einen Augenblick schweigend die Verletzung, ehe er wieder den Jungdrachen fixiert, ihm ein warmes Lächeln schenkt.

Warum schimpft er nicht einmal mit ihm?

Der einzige, der ihm das ebenfalls ohne Verwarnung oder gar Schläge hätte durchgehen lassen, ist sein Bruder…
 

War, korrigiert er sich bitter in Gedanken.
 

„Hier.“
 

Etwas Glattes streift seine Finger, und im nächsten Moment trifft ihn blitzartig die Erkenntnis.

Fárviðris Herz…
 

„Es tut mir leid, was ich in deinem Beisein tun musste. Glaub mir, es ging nicht anders.

Hätte ich nicht eingegriffen, wäre er durch Sou’unga zu einem willenlosen Untoten geworden, und seine Seele der Dunkelheit anheim gefallen.“
 

Der Youkai wirft einen unauffälligen Seitenblick zu dem Schwert, das an der gegenüberliegenden Höhlenwand lehnt, und den Anschein erweckt, kein Wässerchen trüben zu können.
 

„Ich verlange nicht von dir, dass du mir verzeihst.

Wie auch immer, ich habe es nicht übers Herz bringen können, dich deinem Schicksal zu überlassen, du bist zu jung zum Sterben. Nutze dein Leben – falls du ihn rächen willst und stärker geworden bist, bin ich jederzeit für ein Duell mit dir bereit.“
 

Erschöpft schließt der Jungdrache die Augen, genießt die nachgiebige, flauschige Textur des Hundefells unter seinen Fingerspitzen, so anschmiegsam und nahezu zärtlich.

Er will nicht über das nachdenken, was geschehen ist, den gestrigen Tag am liebsten aus seinem Gedächtnis löschen.
 

Die Schwierigkeit besteht darin, seine Lebensschuld abzutragen und das Antlitz des Hundedämons zu vergessen – für letzteres soll sich der junge Luftdrache in Zukunft nicht in der Lage sehen, dafür wird der Fremde ihm zu wichtig werden.
 

***---***---***
 

[Anm. der Autorin]

Wie der Untertitel bereits andeutet, der erste Teil von zweien.

Die Szene hatte ich grob schon sehr, sehr lange im Kopf, bin aber nie dazu gekommen, sie niederzuschreiben, von daher bin ich verdammt froh, dass es letztendlich doch noch geklappt hat und mir auch gefällt. ^-^

Zeitlich gesehen geschieht das hier direkt nach dem kurzen Flashback, das Súnnanvindur in der Residenz des Tennô hat.

"Heimkehr" [II]

"Heimkehr"
 

(Inu no Taishou - Súnnanvindur: Szenario 2)
 

Er trägt weder Rüstung noch Schwert, der einstmals reinweiße Haori ist mit Blut und Dreck besudelt; das silbrige Haar fällt ihm offen über die Schultern.
 

Bis jetzt hat er seine Aufmerksamkeit kein einziges Mal schweifen lassen, und obwohl er ihn nicht permanent direkt ansieht, kann er die wachsamen, bernsteinfarbenen Augen des Mannes auf sich spüren.
 

Was soll das?

In seinem Zustand ist an Flucht oder gar gewalttätige Rebellion nicht zu denken, jedwede Bewegung verursacht ihm Schmerzen.

Ebenso langsam wie sein Körper erholt sich auch sein Youki, das nach der kurzen Auseinandersetzung mit dem Hund nahezu erschöpft war.
 

„Ich werde mit dir kein Risiko eingehen.

Wer einmal versucht, sich das Leben zu nehmen, wird es wieder tun.“
 

Seine Gedanken dem Fremden gegenüber gestalten sich zwiespältig und verworren; einerseits hat er ihn gerettet und davor bewahrt, eine schwerwiegende Dummheit zu begehen, und dafür ist er dankbar, andererseits jedoch hat er mehr oder weniger seinen Bruder auf dem Gewissen, und hat sich in Angelegenheiten eingemischt, die ihn nichts angehen.
 

Nein, er hat nicht um Hilfe gebeten – Drachen regeln ihre Schwierigkeiten untereinander selbst, ohne Fremdeinwirkungen.
 

„Sag mal Kleiner, ignorierst du mich oder verstehst du mich nicht?“
 

Trotzig wendet der junge Drache den Blick ab, presst die Zähne aufeinander.

Ein Quäntchen von beidem, muss er sich stumm eingestehen.
 

Sein Gegenüber lächelt lediglich müde.
 

„Ich habe wegen dir seit drei Tagen nicht geschlafen, obwohl mein Youkispiegel so niedrig ist, dass ich mich kaum auf den Beinen halten kann.

Und mir vergeht sehr schnell die Laune, wenn ich übermüdet bin.

Ruf dir ins Gedächtnis, dass du nichts als Ballast für mich bist, und somit meiner Gnade ausgesetzt.“
 

Der scharfe Unterton schüchtert den Jungen ein, und so nickt er reserviert.

Zufrieden mit dieser Reaktion schenkt der Unbekannte ihm anerkennend ein breites Grinsen. Dumm ist das Drachenkind nicht, nur stur und misstrauisch; zusätzlich wohl verwirrt und von seelischem Kummer belastet.
 

Schweigen kehrt zwischen den beiden ein, und der Ältere zieht nachlässig eines seiner Beine an, richtet sein Augenmerk wieder in die Ferne.

Lange werden sie hier nicht mehr verweilen können, die Dämonen des Festlands haben sie lokalisiert und sammeln sich. In seiner miserablen Verfassung wird er nicht einmal in der Lage sein, sich selbst zu verteidigen.

Für Sou’unga wäre es dann ein Kinderspiel, sich seiner zu bemächtigen und ihn zu einer puppengleichen Schachfigur zu degradieren.
 

„Woher stammst du?

Sicherlich von den Inseln, allerdings habe ich noch nie einen von euch zu Gesicht bekommen.“
 

Der Angesprochene wälzt sich träge auf die Seite, wendet ihm den Rücken zu, und dem undeutlichen Nuscheln, das jenen Prozess begleitet, ist nur der Begriff „Norden“ deutlich zu entnehmen.
 

„Der Daiyoukai des Westens fiel vor einigen Tagen – durch Sou’unga, das in die Hände eines deiner Clangenossen geraten ist.

Wir haben beide jemanden verloren, der uns nahe stand und wichtig war…“
 

Abermals droht in die Trauer zu übermannen, und er muss das Schluchzen unterdrücken, das sich in seiner Kehle formt.

Sein gesamter Leib bebt, und er schämt sich für seine Schwäche.

Fárviðri…
 

Er kann sich nicht daran erinnern, eingeschlafen zu sein, möglicherweise war er zu entkräftet, um das Bewusstsein zu halten.

Umso mehr erstaunt es ihn, dass er den Herzschlag, den Atem einer anderen Person vernimmt, und das derart nahe…
 

„Fárviðri.“
 

Dieses weiche Haar, das seine Schläfen kitzelt, der nachgiebige, flauschige Stoff unter seinen Handflächen – darunter erkennt er das An- und Entspannen von Muskeln, und mit einem Mal ist er sicher, getragen zu werden.

Solch einen Gefallen hat sein Bruder ihm oft getan…
 

Natürlich hat er die minimale Regung des Drachen wahrgenommen, das heisere Flüstern dicht an seinem Ohr gehört, doch er hält es für besser, dem nichts zu entgegnen.
 

Die Stille des Waldes um ihn herum beruhigt sein Herz, er wird noch eine Weile durchhalten können.

Denn seine Mission ist erst erfüllt, wenn er den Kleinen wohlbehalten bei seinem Clan abgeliefert hat. Hintergedanken hat er dabei keine, er verspricht sich nichts davon, da es ihm mehr als seine Pflicht erscheint.

Unter Umständen wird es ihm irgendwann in der Zukunft zugute kommen.
 

Sie haben beide gelitten, sind sich insofern ähnlich.

Wie herzlos wäre er gewesen, ihn hier, fernab seiner Heimat, wissentlich elendig krepieren zu lassen?
 

Dämonenblut hin oder her, Gnade auszusprechen ist seiner Meinung nach keine menschliche Tugend.

Ein ehrenvoller Krieger sollte nicht selbstsüchtig handeln und seinen Stolz zu etwas gebrauchen, das nicht nur ihm von Nutzen ist.
 

Ihm ist, als verstünde er nun allmählich, was sein Vater ihn über viele Jahre hinweg lehrte und was er damit bezweckte.

Ob das jedoch ausreicht, um die Herausforderung zu meistern, die ihm bevorsteht, wenn er in den Westen zurückgekehrt ist?

Welche Wahl bleibt ihm schon?

Als Sohn und Erbe des ehemaligen Daiyoukai, als Kämpfer und jetziger Herrscher, Verfechter der Provinzen, die ihm gehören und unterstehen…

Eine weitaus schwierigere Aufgabe, als ein Balg zu hüten.
 

„Ich bringe dich nach Hause.“
 

***---***---***
 

[Anm. der Autorin]

Im Grunde sollte diese Begegnung nicht in einem One-Shot enden, ursprünglich wollte ich dazu eine kleine, zusätzliche Story schreiben.

Irgendwie hat das nicht so geklappt, obwohl sogar eine Einleitung dazu existiert.

Hm, ich weiß auch nicht recht, ich wollte es einfach endlich niederschreiben, damit ich es nicht vergesse.

"Abschied"

"Abschied"
 

(Kyouran - Shiosai)
 

Vage streichen die Fingerspitzen des anderen über seinen bloßen Rücken, zeichnen verschlungene Muster auf seine Schulterblätter, ehe sie dem Lauf seiner Wirbelsäule bis zum Nacken folgen.

Es ist eine liebevolle, beruhigende Berührung, deren Intimität ihm Gänsehaut bereitet.
 

„Ich habe meine Entscheidung getroffen. Du kannst mich nicht davon abhalten.“
 

Darüber hinaus ist ihm bewusst, dass sich die Person hinter ihm nicht nach seiner Nähe und Zuneigung verzehrt – seine Sehnsucht gilt einem Fremden, und die Vertraulichkeiten zwischen ihnen beruht lediglich auf der Projektion des Älteren.

Er stört sich nicht daran, denn in seinen Augen ist es unbedeutend.
 

„Ich weiß.“
 

Ein weiteres Murmeln verliert sich in seinem Haar, das ihm ungebunden über die Schultern fällt.

Die Sorge hingegen, die sich in jenen leise gewisperten Worten verbirgt, entspricht der Wahrheit. Sein Bruder hat Angst, natürlich liebt er ihn.
 

„Mein Verstand ist derart zermürbt, dass ich mich selbst nicht wieder erkenne. Es ist besser so, glaub mir.

Du kannst dir nicht vorstellen, was für eine grauenvolle Sache es ist, die eigene Seele in seinem Leib vergehen zu spüren…“
 

Mittlerweile hat der Hass sein Innerstes zerfressen und irreparable Schäden angerichtet; ein langsamer, aber steter Prozess, der seine Persönlichkeit konsumiert und ihn zu einer willenlosen Bestie werden lässt.

Klare Momente, wie diesen, hat er nur noch selten.
 

„Kyouran…

Es tut mir leid, dass ich euch wieder Kummer machen werde.

Nur noch dieses eine Mal…“
 

Seufzend lehnt er sich zurück, akzeptiert nun schließlich das Angebot eines vergänglichen, körperlichen Halts.

Er wird bald sterben, wahrscheinlich heute, oder morgen; dies hier sind seine letzten Stunden, und gleichgültig, wie bitter dieser Gedanke auch erscheinen mag, es wird ihn endlich erlösen und aus seinem Dilemma befreien.
 

„Sag das nicht.“
 

Natürlich sind die Tatsachen nicht zu ändern, dennoch weigert sich sein gesamtes Wesen dagegen, sich damit arrangieren zu müssen.

Shiosais Leben, einstmals für die Ewigkeit bestimmt, wird unwiderruflich verlöschen, und ihm selbst bleibt nicht einmal die Illusion eines Jenseits bestehen, wo er ihn möglicherweise noch einmal sehen könnte.

Drachen ist der Zutritt verwehrt, ihre Seelen zerbersten in Abertausende von Splittern, die niemals wieder zusammen gefügt werden können, verdammt als ruhelose Geister zu existieren und niemals Frieden zu finden.
 

„Wie ungerecht…“
 

Was erwartet man, wenn man mit dem Geschenk der Unsterblichkeit gesegnet ist?

Ein zusätzliches Mitgift umsonst?
 

„Vielleicht.

Trotzdem ist es allein meine Schuld. Ich habe diesen Pfad betreten, also muss ich ihn auch bis ans Ende gehen.“
 

Etwas Nasses benetzt seine Schulter, und ihm ist vollkommen einsichtig, dass Kyouran weint. Um ihn .
 

„Du solltest eigentlich mit mir schimpfen, großer Bruder.

Mach nicht denselben Fehler wie ich, halte deine Emotionen im Zaum oder der Irrsinn verschlingt dich.“
 

Für gewöhnlich hätte er solch hochtrabende, belehrende Aussagen nicht über seine Lippen gebracht, jetzt empfindet er es als angemessen. Niemand hat es verdient, sein Schicksal zu teilen – ausgenommen die Bastarde aus dem Clan der Luftdrachen.
 

„Shiosai, sieh mich bitte an.“
 

Widerwillig wendet er sich ihm zu, und billigt, dass sich die Hände des älteren Wasserdrachen auf seine Wangen legen, seine Fingerspitzen die blasse Haut kosen.

Doch es beläuft sich nicht allein auf seinem fahlen Teint; das Symbol des Wasserclans auf seiner Stirn wirkt wie verwischt, seine Augen sind stumpf und wie von Nebel verschleiert.
 

„Vergiss mich nicht.“
 

Kyouran ringt um seine Fassung, schluckt hart.
 

„Das werde ich nicht.“
 

Mit einer knappen Bewegung entzieht sich der Jüngere seinem Bruder, richtet seinen Hakama und streift anschließend den Haori wieder über seine Arme, als er sich umdreht.

Leichten Schrittes durchquert er die Hälfte des Raumes, dann hält er kurz inne, um die Wasserlanze der Vatnsdrekar, Sui no Rinrou, die er sich zuvor aus dem heiligen Schrein ohne Erlaubnis aneignete, aufzunehmen.
 

„Pass für mich auf Suika auf. Bitte.“
 

Der Angesprochene öffnet den Mund, um eine Bestätigung zu erwidern, doch er bekommt keine Silbe heraus, nicht ein Ton will sich aus seiner Kehle lösen.

Fürwahr, es ist lächerlich, dennoch…

Durch seinen Kopf schwirren so viele unbeantwortete Fragen, konfuse Erinnerungen und Schuldzuweisungen, dass er vor Verwirrung und Anspannung kaum mehr ruhig atmen kann.

Hinzu addiert sich die Verzweiflung, die aus seinem Mitwissen resultiert, lähmt ihm Körper und Geist.
 

Er mustert für einen Augenblick Shiosais Rücken, und es versetzt ihm einen schmerzhaften Stich mitten ins Herz.
 

„Shiosai…“
 

Dieser schweigt, hebt anstatt dessen die rechte Hand, während seine Schultern sich unwillkürlich entspannen.

Ein stummer Abschiedsgruß, nicht mehr, und auch nicht weniger.
 

Verzagt presst der andere die Zähne aufeinander, und seine Finger krampfen sich in den Stoff seiner Kleidung, als sein jüngerer Bruder nunmehr vor den Shouji tritt und den Arm ausstreckt.

Seine Paralyse dauert an bis sich die Schiebetür lautlos wieder schließt und erst in diesem Moment kann er einen Teil davon erfolgreich abschütteln.
 

Es ist zu spät, er ist allein, er wird ihn niemals wieder sehen.
 

Der schwarze Tee, der noch immer unberührt in dem perlmuttfarbenen Geschirr vor ihm weilt, ist unlängst kalt geworden.
 

***---***---***
 

[Anm. der Autorin]

Der OS ist mir schwer gefallen.

Ich wollte Shiosai aus seinem Image als rachsüchtiges, von Hass erfülltes Monster heraus holen und ihn von seiner ursprünglichen Seite zeigen. Umso deutlicher wird dann nämlich, was starke Emotionen mit einer Drachenseele anrichten und wohin dieser Weg am Ende führt.

Die Szene spielt sich ein oder zwei Tage vor der Begegnung mit Flúgar im Wald der Kitsune ab.

"Lebendig"

"Lebendig"
 

(Hríðarbylur - Súnnanvindur - Inu no Taishou)
 

Die Winter auf den Inseln im Norden, besonders auf Hokkaidō, sind hart und bitterkalt; eisige Stürme fegen über das gebirgige Relief hinweg, tragen das schimmernde Weiß von den hohen Gipfeln der Berge bis tief in die Täler hinab.

Dieses Jahr liegt der Schnee besonders hoch, und der erschöpfte Hundedämon hat immense Schwierigkeiten mit den widrigen Umständen, kommt kaum mehr voran.
 

Es ist nicht nur die Kälte, die merklich an seinen Kräften zehrt.
 

In seiner geschwächten Verfassung ist jenes Unterfangen nicht ungefährlich und birgt einige Risiken, vor allem für ihn selbst.
 

Wieso tut er das?

Ist ihm bewusst, was sein Handeln letztlich bedeutet…?
 

„Halt an… bitte…“
 

In nebeligen Wölkchen kondensiert der gepresste Atem des Hundes in der kühlen, leicht bewegten Luft.

Er zögert. Dann jedoch hält er inne, geht in die Knie, um den Kleinen vorsichtig absetzen zu können.
 

Mühsam sammelt der junge Luftdrache das verbliebene Youki in seinem Körper zusammen, sucht zwischen Schwindel und Übelkeit seine Konzentration.

Gleichzeitig frischt der Wind auf, und die humane Gestalt des Jugendlichen beginnt sich zu verzerren und verformen – bis sich allerdings sein Hennyou endlich offenbart, dauert es eine ganze Weile, und sein miserabler Zustand verhindert geflissentlich, dass er sich aufrichten kann.
 

Daraufhin schallt ein schriller Klageschrei durch die verschneite Gebirgslandschaft, verhallt zwischen den schroffen Granithängen und Schieferwänden.
 

In seiner verzweifelten Not ruft er nach seinem Vater…
 

Mehrere glockenhelle Stimmen aus dem Himmel antworten ihm, manche aus der Ferne, andere scheinen greifbar nahe; mitunter täuschen ihn seine abermals schwindenden Sinne über die Tatsachen hinweg.
 

Das zunächst undefiniert wirkende Dröhnen, das jegliches andere Geräusch um ihn herum plötzlich übertönt, lässt den Luftdrachen abrupt aufhorchen. Es dringt ihm durch Mark und Bein, ängstigt und erleichtert ihn gleichermaßen.
 

Faðir…
 

Wie entferntes Donnergrollen rollt der guttural ausklinge Laut über die beiden matten Dämonen hinweg. Im nächsten Moment teilen sich die gräulichen Wolkenmassen als hätte man einen Keil dazwischen getrieben, und der Blick auf ein tintenblaues, von blassen Sternen gespicktes Firmament wird frei.
 

Zwei Flügelpaare, die eine enorme Spannweite aufweisen, und ein schlanker, von blaugrauen Schuppen bedeckter Leib, der sich kaum von der Umgebung und dem Horizont abhebt, nahezu mit diesen verschmilzt, in Kontrast zu den kristallenen, schneeweißen Iriden, die jeden Widerstand zu penetrieren vermögen…
 

Dem Hundedämon schluckt unwillkürlich, und instinktiv weicht er zurück.

Keine Chance…
 

Ein solches Wesen, das gewiss mehrere Jahrtausende überdauerte, trägt eine Macht in sich, die selbst ihm fremd und widernatürlich erscheint – gegen einen Kontrahenten wie diesen hätte sogar der ehemalige Daiyoukai des Westens nicht bestehen können.

Und das erste Mal in seinem Leben verspürt er wahrhaft Angst.
 

Das gigantische Ungetüm landet knapp vor ihnen, in einer surreal graziösen Manier, die seiner baren Größe spottet und schlichtweg bizarr zu nennen ist.

Trotz dessen hinterlassen die riesigen Pranken – entgegen aller verqueren Erwartungen - deutliche Spuren im Schnee.
 

Den Schädel senkend, stößt der Drache ein uncharakteristisches, leises Grollen aus, schließt die Kiefer behutsam um die vage Silhouette des zierlichen und wesentlich kleineren Artgenossen.

Ähnlich einer Katzenmutter hebt er ihn vom Boden empor, beachtet den Fremden währenddessen nicht.
 

Aus Súnnanvindurs Kehle löst sich ein klägliches Grummeln.
 

„Wenn ich nur stärker gewesen wäre, ein besserer Krieger…“
 

Er ist dankbar dafür, dass er in seiner Drachengestalt nicht imstande ist, Tränen zu vergießen oder vor Scham die Miene zu verziehen.
 

„Dann hätte das auch nichts geändert. Er hätte dich trotzdem beschützt.“
 

Natürlich weiß er es längst…

Nur, aus welchem Grunde ist er so ruhig?
 

„So sind ältere Brüder eben.“
 

Einmal mehr bricht der Schmerz aus ihm heraus, er brüllt gequält und windet sich vor seelischer Pein, und in den hinteren, finsteren Gefilden seines Verstandes hofft er darauf, dass sein Vater ihn erlöst, alles beendet, indem er ihn einfach zwischen den gewaltigen Fängen zermalmt.
 

„Es tut mir so Leid… ich…“
 

Er verstummt, die Dunkelheit der Bewusstlosigkeit verschlingt seinen Geist.
 

„Sein Leben für deines.

Du solltest das zu schätzen wissen, Súnnanvindur.“
 

Die eigene Trauer über den herben Verlust seines Erben äußert sich nicht sichtlich, und die Agonie seines Herzens malträtiert lediglich sein Innerstes – und eben dieses droht unter dem unterschwelligen Druck der psychischen Qual zu zerreißen.

Es tut weh, und es ist eine bittere Erfahrung.
 

Fárviðri…
 

Viele Hoffnungen haben auf seinem älteren Sohn geruht, möglicherweise zu viele.

Mit seinem Potential hätte er sich in dem bevorstehenden Chaos und dem kommenden Widerstreit der Clans behaupten können, den Loftdrekar somit eine sichere Zukunft beschert.
 

Nun sieht es düster für sie aus, und seine verlassene Existenz beeinflusst das Gleichgewicht der Elementarmächte im Negativen.

Nicht mehr lange, die Zeit verrinnt…
 

Schließlich kehrt das Augenmerk des DrachenOberhauptes auf den in der Eiseskälte kauernden Hundeyoukai zurück, und er schnaubt unwirsch, als er sich von ihm abwendet.
 

„Súnnanvindurs Leben gehört dir, Hund.“
 

Der nickt verhalten, wagt dennoch nicht, anderweitig einen einzelnen Muskel zu rühren.
 

Vor ihm manifestieren sich aus bläulichen Eiskristallen augenblicklich die Umrisse einer menschlichen Frau.
 

„Eskortier ihn nach Kyûshu.“
 

***---***---***
 

[Anm. der Autorin]

So, da Hotep das hier zu verantworten hat, gilt die Widmung dieses OS natürlich ihr (und wehe, es gefällt dir nicht!).

Des Weiteren: ich hatte Mühe damit, Hríðarbylur nicht allzu sentimental werden zu lassen, und ja, er weiß, dass es seine Zeit ist, die verrinnt, und den Loftsdrekar keine rosige Zukunft blüht (Flúgar existiert zu diesem Zeitpunkt noch nicht, logisch oder?).

Und die Person, die am Ende auftaucht, ist ebenfalls ein Luftdrache, nur so als Zusatzinformation. ^-^

"Bettlägerig"

"Bettlägerig"
 

(Flúgar - Blævar)
 

Der metallene Geschmack des Blutes liegt ihm schwer auf der Zunge – ob es sich jedoch um sein eigenes oder das seines letzten Gegners handelt, vermag er nicht mehr zu sagen.

Möglicherweise ist es Súnnanvindurs.

Zugegeben, die Erinnerung ist vage und verschwommen, doch er ist sich sicher, dass die Begebenheiten nicht als willkürliches Produkt seinem vom Fieberwahn verzehrten Bewusstsein entsprungen sind.

Sein Vater hat ihn nach Hause getragen, den gesamten Weg, und das, obwohl er ihm in Größe und Gewicht nicht mehr nachsteht.

Ist er dankbar dafür?

Sogar er ist erstaunt, dass er darauf keine rechte Antwort findet.
 

Ein melodisches Summen erfüllt den Raum, und der Verursacher ist nicht weit entfernt von ihm; sein charakteristisches Youkimuster verrät ihn. Blævar.

Mental fügt er ein abschätziges Schnauben hinzu.

Sein Körper ist dermaßen strapaziert, dass ihm selbst das Atmen als anstrengend erscheint. Zumindest spürt er seine Schmerzen momentan nicht, genießt die Taubheit in seinen Gliedmaßen und die angenehme Leere, die sich rasch seines Verstandes bemächtigt.

Dementsprechend wird er sich der negativen Aspekte seiner Machtlosigkeit in ihren Konsequenzen bewusst, als Blævars Handfläche seine Stirn berührt.

Ja, er hegt Antisympathien gegen den schmächtigen Jungdrachen.

Glücklicherweise driftet er bald wieder in einen komatösen Schlaf ab, der ihn alles um sich herum vergessen lässt – wenigstens für eine Weile.
 

Seit mehr als zwei Tagen, nunmehr über fünfzig Stunden, befindet er sich in diesem jämmerlichen Zustand, in dieser verdammt lächerlichen Lage. Und es macht ihn wahnsinnig.

Er kann sich noch immer kaum rühren, sein Leib erholt sich erschreckend langsam von der hohen Belastung, die ihn nahezu den letzten Rest seines Youkis kostete. Dem Tod näher als dem Leben – Súnnanvindur glaubte an seine starke Willenskraft.

Für wahrscheinlicher hält er persönlich, dass sein Vater stumm an seine Sturheit appelliert hat, nicht bereits vor ihm zu krepieren.

Blævar ist ihm die ganze Zeit über nicht von der Seite gewichen und allmählich wächst in ihm der eigenartige Drang, dem penetranten Jungen mit aller Gewalt ins Gesicht zu schlagen.

Denn Ignoranz erzielt nicht das von ihm gewünschte Resultat; sein jüngerer Bruder begegnet ihm weiterhin mit einem Lächeln, zeigt ihm gegenüber Respekt und Höflichkeit.

Er hasst diese astreinen, aalglatten Eigenschaften, die ihr Vater so sehr schätzt.

In ungewohnter Intensität durchbohrt sein finsterer Blick die gewölbte Marmordecke, seine Aufmerksamkeit jedoch ruht auf Blævar, der in routinierter Manier die Hand nach seinem linken Arm ausstreckt.

Diesmal ist er schneller, packt den Jüngeren am Handgelenk, bevor dieser sein Vorhaben gänzlich in die Tat umsetzen kann.
 

„Fass mich nicht an.“
 

Wenn er den Griff um das blasse, schmale Handgelenk nur noch ein wenig festigt, wird es brechen. Auch Blævar muss sich dem gewahr sein, aber seine Reaktion besteht aus einem Lächeln.
 

„Es freut mich, dass es dir besser geht, Broðir.“
 

Der Angesprochene blickt ihn nicht an, und unterdrückt im Angesicht der Gelassenheit des anderen ein Zähneknirschen.

Weder Furcht noch Gegenwehr wallen in dessen Körper auf.
 

„Verschwinde.“
 

Barsch schlägt er Blævars Hand von sich und alsbald räumt der Junge seinen Platz.
 

Der scharfe Geruch von Kräutern steigt ihm in die Nase, und er verzieht für einen Augenblick angeekelt die Miene, als er aus seinem dösigen Halbschlaf erwacht.

Seine Schulter schmerzt.

Mühsam wälzt er sich nach links, stützt sich mit dem entsprechenden Unterarm hat.
 

„Bist du schwer von Begriff?“
 

Sein verärgertes Grollen ist an, oder eher gegen, Blævar gerichtet, der am Fenster sitzt, mit dem Rücken zu ihm.

Ja, er ist nun ernstlich verstimmt, und die leere Tonschale verfehlt den Hinterkopf des Jungdrachen bloß um Haaresbreite. Dennoch regt er sich nicht.

Ein tonloser Fluch löst sich von seinen Lippen, ehe er sich ächzend in eine aufrechtere Position begibt.
 

„Ich kann nachvollziehen, warum du mich nicht leiden kannst, Broðir, und es stört mich nicht.

Ich mag dich für diese Ehrlichkeit – und dafür, dass du nichts von mir erwartest. Dafür möchte ich dir meine Dankbarkeit zeigen, ich fühle mich wohl in deiner Nähe…“
 

Der Ältere muss derweil - teils enttäuscht, teils ärgerlich - feststellen, dass keiner der in seiner Reichweite befindlichen Gegenstände schwer genug ist, um Blævar aus dieser Entfernung zum Schweigen zu bringen.
 

„Und trotzdem tut es weh, nicht beachtet und abgelehnt zu werden.“
 

Er weint.

Seine schmalen Schultern zittern, und die dünnen Finger krampfen sich zu Fäusten zusammen, sodass die Knöchel weiß hervortreten; das linke Handgelenk hat sich bläulich verfärbt und hebt sich auffallend von der hellen Haut ab.
 

„Ist das alles?“
 

In seiner tiefen Stimme schwingt ein enervierter Unterton mit, der eines deutlich vermittelt: seine Anwesenheit ist unerwünscht.

Resigniert nickt er, es gibt nichts mehr zu sagen.
 

„Ja, Broðir.“
 

Mit gesenktem Kopf und tränennassen Wangen verlässt Blævar den Raum. Als er den Türrahmen passiert, ergreift sein Bruder noch einmal das Wort.

Ob ihm jene Entwicklung langfristig gefallen wird, ist fraglich, doch sein Interesse ist geweckt. Neugier regt sich selten in ihm, er wird die Angelegenheit aus den Augenwinkeln weiter betrachten.
 

„Flúgar.“
 

***---***---***
 

[Anm. der Autorin]

Ich bin zwar immer noch der Meinung, dass sich 'bedridden' besser anhört als das deutsche 'bettlägerig', aber ich wollte keine englischen Kapiteltitel verwenden.

Naja, jedenfalls hoffe ich, dass das Ende des One-Shots ersichtlich für den Leser ist - vage beschreibt es wohl am besten, doch ich habe es als sehr passend empfunden; es ist nur ein kleines Zugeständnis, zugegeben, von Flúgar kann man allerdings nicht viel mehr erwarten (natürlich ist er derjenige, der seinen eigenen Namen nennt, und seinen Bruder so etwas näher an sich heran lässt).

"Arbeit"

"Arbeit"
 

(Súnnanvindur - Blaka)
 

Sætur…“
 

Ihre absichtlich gedämpft gehaltene Stimme, ihr Atem ist mit einem Mal so nahe an seinem Ohr, dass es ihm einen heißkalten Schauer über den Rücken jagt.
 

„Blaka, ich bin beschäftigt.“
 

Der halbherzige Versuch, sich aus ihrer Umarmung zu befreien, scheitert kläglich, und veranlasst sie lediglich dazu, sich fester an ihn zu pressen und eine Hand in seinem pragmatisch zurückgebundenen Haar zu vergraben.

Er mag es nicht, wenn sie so penetrant Aufmerksamkeit einfordert - vor allem nicht, wenn er sich in seine Arbeit vertieft hat und die Materie des Buches seinen Verstand beansprucht.
 

„Ich hab dich seit fast drei Wochen nicht mehr zu Gesicht bekommen, Súnnanvindur . Sind dir deine Bücher etwa wichtiger als ich?“
 

Jetzt sitzt er in der Falle, denn er weiß, was ihm blüht, sollte er in Richtung seiner hochgeschätzten Bibliothek antworten.

Nein, einen solch folgenschweren Fehler wird er nicht noch einmal begehen – die Art und Weise, wie sie seinen Namen dehnt, vernichtet jedweden Zweifel an ihren Absichten.
 

„Hör auf…“
 

Innerlich schmunzelnd schmiegt sie ihre Wange in seine Halsbeuge, genießt das unschlüssige Zaudern, das ihr Verhalten bei ihm auslöst.

Seine widersprüchliche Körpersprache passt nicht zu seinen Worten, er wehrt sich nicht, und dennoch versteifen sich seine Schultern.
 

Er sperrt sich oftmals gegen ihre Berührungen, er liebt sie nicht. Zugegeben, sie empfindet nicht wesentlich anders, doch über die Jahrzehnte hinweg hat sie ihn zu akzeptieren gelernt; im Grunde hat sie Glück gehabt, Súnnanvindur ist rücksichtsvoll und anständig, aber gleichermaßen still und zuweilen unnahbar.

Sonderlich viel über seine Vergangenheit hat sie bis jetzt nicht in Erfahrung bringen können, wobei sich seine rätselhafte Verschlossenheit hinsichtlich dessen als schlichthin frustrierend erwiesen hat und sein Vater eine Persönlichkeit ist, um die sie einen weiten Bogen beschreibt.
 

Nun, man kann über derlei Widrigkeiten hinwegsehen, zumindest ab und an…
 

„Leg endlich das langweilige Buch weg…“
 

Verhalten kosen ihre Lippen die empfindsame Haut an seinem Hals, während zarte Fingerspitzen in seinen Nacken wandern, seinen rechten Arm hinab streicheln.
 

„Komm schon. Bitte.“
 

Mit einem fügsamen Seufzen gibt er nach und zieht sie auf seinen Schoß – das kostbare, gebundene Werk im aufwallenden Eifer des Gefechtes unachtsam beiseite geschoben, vergessen.
 

Ihre Scheu schwindet nach dem ersten vorsichtigen Kuss rapide, und er kann ihr geradezu gieriges Verlangen mit all seinen Sinnen wahrnehmen und erfassen – davon, dass er die Liebkosungen mindestens ebenso begierig erwidert, ganz zu schweigen.

Blaka hat eine genaue Vorstellung von dem, was sie will.
 

„Du hast zugenommen.“
 

Apropos stimmige Atmosphäre…
 

Die Quittung dafür erhält er postwendend in Form eines groben Ellbogenstoßes in die Rippen und einem schmerzhaften Biss in den Oberarm.
 

„Charmeur… wenn einem von uns etwas mehr Fleisch auf den Knochen gut täte, dann dir .“
 

Grummelnd zerrt sie an seinem Haori, und sein Faible für japanische Gewändern ärgert sie einmal mehr.

Ihre verklärten Züge gewinnen an Verbissenheit, ihre Lust eskaliert in barsche Ungeduld.
 

„Ich wollte dich nicht beleidigen, nur eine zufriedene Feststellung meinerseits.“
 

Sie errötet, und wendet den Kopf ab.

Ungeschickt, durchaus, doch immerhin ein Kompliment.
 

Dadurch realisiert er abermals, wie erheblich der Altersunterschied zwischen ihnen, wie jung und unerfahren sie noch ist.

Viel eher ein Mädchen als eine Frau, zierlich und schmal, beinahe fragil; nicht unbedingt das, was er bevorzugt, die Wahl hat er jedoch nicht gehabt.
 

Behutsam berührt er die verräterisch rot gefärbte Wange, legt dieselbe Hand anschließend an ihr Kinn.

Diesmal hat er gewonnen, sie gehorcht seiner stummen Anweisung und lässt sich küssen, sanfter und kontrollierter als zuvor.
 

Manchmal vermeint er mit zwei unterschiedlichen Persönlichkeiten auskommen zu müssen, Blakas Stimmungsschwankungen tragen immense Auswirkungen.

Das eine Mal zeigt sie sich temperamentvoll und stürmisch, das andere nachgiebig und anhänglich.
 

In gewissem Maße ist er für seine Situation selbst verantwortlich, denn es war seine Entscheidung, Fárviðris Gefährtin zu verstoßen oder zurück an seine Seite zu holen, indem er ihren menschlichen Geliebten tötete.

Er hat sie nicht ins Unglück stürzen wollen, demgemäß die Konsequenzen auf sich genommen…
 

„Sieh mich an.“
 

Selten erfährt er ihren Blick derart intensiv und konzentriert, sodass er sich für einen Augenblick darin verliert, in ihren Bann gerät.
 

Kurz darauf findet er sich auf seinen Knien, über ihr, wieder, und stellt gedanklich fest, dass sich eine Bibliothek für solche Aktionen schlecht eignet – hüfthohe Bücherstapel, leeres Pergament und diverse Schreibutensilien bedecken die größte Fläche des verstaubten Bodens und bieten auf diese Weise kaum Freiraum für eine andere Aktivität als lesen oder schreiben.
 

Mit einer flinken Handbewegung streift er den Haori und das Untergewand von seinen Schultern, betrachtet neugierig ihre blasse Hand, die mit dem Knoten in seinem Obi spielt.
 

Dass er kurzzeitig aufblickt, geschieht eher zufällig, bringt ihn aber effektiv zum sofortigen Innehalten.
 

„Faðir…“
 

Trotz der abwartenden Haltung und den vor der Brust verschränkten Armen scheint etwas wie Amüsement über die neutrale Miene zu flackern.
 

„Súnnanvindur. Sobald du mit deiner ‚Arbeit’ hier fertig bist, trittst du zum Training an.

Deine Kondition war übrigens noch nie erwähnenswert.“
 

***---***---***
 

[Anm. der Autorin]

Die schönen Zeiten ohne nervige Kinder sind bald vorbei, denn Blaka ist wirklich schwanger. ^-^

Ich weiß gar nicht, wer mich hierauf gebracht hat, ich meine mich aber zu entsinnen, dass jemand etwas mehr über Blaka und Súnnanvindurs Beziehung wissen wollte (es existiert noch einen weitern OS dieser Art).

Und ja, Hríðarbylur ist gemein - zumindest hat er seinen Spaß.
 

'Sætur' ist übrigens ein Kosename, bedeutet frei übersetzt etwa "Liebling" (das 'Süßer' hab ich nicht verantworten wollen, zu kitschig).

"Nachglühen"

"Nachglühen"
 

(Eldsvoði - Aska)
 

„Wie sollen wir das nur Neisti erklären…?“
 

Sanft spielt der Wind in den halblangen, roten Haaren des Feuerdrachen, der gedankenverloren in die Ferne starrt, die Gesichtszüge bar jedweder Emotion.
 

Am Horizont senkt sich die goldgelbe Sonne ihrem Untergang entgegen und taucht das stille Meer in warme Orangetöne, die vereinzelten Wolken am Himmel schimmern in den verschiedensten Nuancen von zartem Rosa bis Dunkelviolett.
 

„Verdammt… verdammt… verdammt!!“
 

Der weibliche Eldursdreki tobt und flucht – eine Hand verkrampft gegen die lädierte linke Gesichtshälfte gepresst, die andere so fest zur Faust geballt, dass die Knöchel weiß hervortreten.

Frust und Wut wühlen ihr Innerstes auf, und ihr Rachedurst ist unlängst geweckt.

Sie wird es diesem elenden Luftdrachen heimzahlen…
 

„Aska. Hör mit diesem Theater auf und antworte mir.“
 

Er sitzt mit dem Rücken zu ihr, die Beine überkreuz, die Hände in seinem Schoß gefaltet.

Ruhig, nahezu apathisch wirkt seine reglose Gestalt im Vergleich zu der seiner Schwester, die stetig in Bewegung ist und offenbar nie zur Ruhe kommt.
 

„Was weiß ich, wieso fragst du mich sowas?

Hraunar ist tot, wir sind gescheitert. So einfach ist das.“
 

Seufzend schließt Eldsvoði die Augen.
 

„Wahrscheinlich weiß er ohnehin bereits, was geschehen ist. Fraglich, ob er das verkraftet…“
 

Einer heftigen Schimpftirade aus dem Hintergrund folgt ein unwirsches Schnauben, als sich Aska hinter ihm aufbaut und die Arme vor der üppigen Brust verschränkt.
 

„Unheimlich, wie du anfängst Unsinn zu reden, wenn du nüchtern bist, Eldsvoði. Willst du hier sentimental werden?

Wenn Neisti nicht stark genug ist, das zu überwinden und als Krieger nichts taugt, dann ist es besser für uns, ihn aus dem Weg zu räumen.“
 

Seine Fingerspitzen streichen beinahe zärtlich über die marmorierte kleine Kugel, die seit Stunden in seiner Rechten ruht.

Hraunar…
 

„Denkst du wirklich wir könnten ihn so einfach entbehren? Spürst du es nicht?

Neisti ist unsere einzige Chance…“
 

Von Ungeduld ergriffen packt sie ihn an der Schulter, zwingt ihn gewaltsam dazu, sie anzusehen.

Er wehrt sich nicht gegen den harschen Griff, stellt sich anstatt dessen die Frage, ob sie aufgrund der Erkenntnis, dass ihr linkes Auge gänzlich erblinden und das verletzte Gewebe in ihrem Gesicht vernarben wird, so ungehalten agiert.

Mit Bestimmtheit kann er das nicht behaupten, vermutlich handelt sie aus dem Affekt heraus.
 

„Was willst du damit andeuten?

Dieses weinerliche Kleinkind ist auf dem Schlachtfeld keinen Pfifferling wert.“
 

Eldsvoði lächelt daraufhin milde.
 

„Du täuschst dich, Schwesterherz.

Anscheinend ist dir unser unterschwelliger Triumph tatsächlich verborgen geblieben.

In diesem Kampf haben wir mit Hríðarbylur die Alte Generation komplett ausgelöscht, jetzt bricht eine neue Ära an.“
 

Ihr Blick driftet ins Nachdenkliche ab, sie versteht nicht, worauf er hinaus will.

Natürlich ist ihr bewusst, dass im Clan der Eldursdrekar seit Jahrhunderten keine Repräsentanten der Alten Generation mehr existieren. In den vielen Sippenfehden überleben oftmals nicht ausschließlich die Stärksten, sondern die, die sich als gerissen, flexibel und ausdauernd erweisen.

Und zu dieser Sorte Drachen zählen die Jungen.
 

„Der Machtausgleich zwischen den Elementen hat sich mit der Zeit verschoben, aber gerade, in diesem Moment, sind wir an einem Punkt angelangt, an dem die Karten wieder gemischt werden.

Die Kräfte pendeln sich sozusagen neu ein, was eine perfekte Okkasion für uns darstellt.

Neisti hat das gewisse Etwas, das dazu nötig ist.“
 

Sie lässt von ihm ab, perplex blinzelnd, und entfernt sich einige Schritte.
 

„Das gewisse Etwas?“
 

Unmerklich schweift sein Augenmerk gen Westen.
 

„Hríðarbylurs Macht war allgegenwärtig, man konnte sie manchmal bis in unsere Heimat fühlen – das war bei allen Drachen der Alten Generation der Fall.

Ihre Nachfolger sind die, die über dasselbe Potential verfügen, und davon gibt es lediglich wenige.

Hraunar trug es in sich; ich nicht, du nicht. Dafür wohnt es Neisti ebenso inne wie ihm.“
 

Verwirrt hebt Aska eine Augenbraue, taxiert ihn mit einem fragenden Ausdruck.
 

„Was ist mit den Loftdrekar?“
 

Die Neugierde ist ihre Schwäche, doch Eldsvoði stört sich nicht an speziellen Charaktereigenschaften seiner Geschwister.

Zudem schmeichelt es ihm, dass sein Wissen geschätzt wird – hinsichtlich dessen zollt ihm kaum jemand einen gebührenden Respekt.
 

„Súnnanvindur nicht, dafür sein Sohn.“
 

Er prahlt nicht mit seiner Überlegenheit, also muss er wohl oder übel einräumen, selbst Schuld daran zu tragen, für einen faulen, dauerhaft berauschten Idioten gehalten zu werden.

Mit seinem Ruf ist es nicht weit her.
 

„Die Vatnsdrekar?“
 

Erschöpft lehnt er sich zurück, schaut ins Zwielicht der aufkommenden Dämmerung am Firmament auf.

Was wird die Zukunft ihnen bringen?
 

„Aranami und ihr Erstgeborener.“
 

Insgesamt wohl ein Dutzend, womöglich weniger – Neisti wird rasch lernen müssen, um sich behaupten zu können, und darin vermeint er seine Aufgabe zu erkennen.

Alles für die Eldursdrekar, und wenn es sein Leben kosten wird.
 

„Wie steht es mit den übrigen? Jörðardrekar? Ísdrekar?“
 

Eldsvoði zuckt ratlos die Achseln. Dem kann er nichts erwidern.

Die Clans, die sich im Schatten verbergen, werden die Gelegenheit nicht unangetastet vorüber ziehen lassen, dessen ist er sich sicher.
 

„Der wahre Krieg um die absolute Machtdominanz beginnt erst.“
 

***---***---***
 

[Anm. der Autorin]

Tja, ursprünglich für später, für das Ende der Reihe geplant, aber ich bin zu dem Schluss gekommen, dieser OS passt ganz gut zum aktuellen SA-Kapitel.

Wieder mal hätte mir die englische Variante "afterglow" besser gefallen, hätte sich allerdings zu arg vom Rest abgegrenzt; trotzdem einer meiner Favoriten. Spielt direkt nach der Niederlage der Feuerdrachen im Kampf gegen die Luftdrachen.

"Eiskristalle"

"Eiskristalle"
 

(Flúgar - Ísdreki)
 

Schneeflocken treiben vom grau bewölkten Himmel hinab in die Monotonie der riesigen Eiswüste, die sich darunter bis zum Horizont erstreckt, lassen sich vom böigen Wind ein Stück begleiten, ehe sie zu Boden fallen.

Eis und Schnee, das ist alles, was in dieser lebensfeindlichen Einöde existiert – oder nicht?

Dort, wo sich unzählige bläuliche Eisspitzen dem trüben Firmament entgegen recken, befindet sich seit Urzeiten ein zerklüfteter Felszug, einstmals aus Magma entstanden, weswegen die Feuerdrachen Anspruch darauf erheben.

Eben in jenem Gebirge halten sich derweil zwei Drachen auf, der eine noch ein Kleinkind, der andere der letzte Repräsentant der Alten Generation.

Hríðarbylur und sein Enkel, Flúgar.

Beide sind an diesem Ort zur Welt gekommen, beide schätzen ihn mehr als ihr Leben, und beide werden für die künftige Ewigkeit darauf achten, dass weitere Luftdrachen von hieraus ihren Lebensweg antreten werden können. Koste es, was es wolle.

Nicht umsonst lehrt der Ältere den Jungen die Anerkennung traditioneller Werte.
 

Das Gebirge ist schroff, und seine steilen Klippen gefährlich, dessen ist er sich bewusst. Aber nicht die Neugier veranlasst ihn dazu, derart nah an eine der Schluchten heranzutreten.

Er hat etwas gehört, ein vages, triviales Geräusch - doch er weiß zu gut, dass eben dies nicht zu vernehmen sein dürfte. Nicht hier.
 

„Feigling.“
 

Wieder das Rascheln von aneinander reibenden Seidenstoffen.

Irritiert ist er von der Tatsache, dass er keine Schritte, weder das charakteristische Schneeknirschen noch das Bersten von Eis, ausmachen kann. Nichts, es ist still.

Zu still, denn er traut dem illusorischen Frieden nicht.

Abgesehen davon, dass sich sein Großvater nicht auf diese alberne Art und Weise an ihn heranschleichen würde, ist sein Youki noch zu weit entfernt; es dauert knapp einen halben Tag, die gesamte Insel fliegend zu umrunden, und zwölf Stunden sind längst nicht vergangen seit er zu warten begonnen hat.

Urplötzlich schrillen sämtliche Alarmglocken seines Instinktes, und er fährt herum.

Beinahe hätte er die weiße Gestalt, die nahezu perfekt mit ihrer Umgebung verschmilzt, übersehen – es ist pures Glück, dass sie metallenen Schmuck am Körper trägt, der das blasse Sonnenlicht ein wenig anders reflektiert als die Eiskristalle.

Skepsis prägt seinen Ausdruck.

Sein Gegenüber ist ein Mädchen, und wenn er seiner Witterung trauen darf, handelt es sich bei ihr um einen Eisdrachen.

Ein Kind, kaum älter als er selbst.

Dann kehrt er ihr abermals den Rücken zu, wendet seinen Blick in die Ferne. Er hat kein Interesse an ihr, nicht einmal an dem Versuch, wie schwer, oder leicht, es wäre, sie zu vertreiben oder gar zu töten.

Eine Weile geschieht nichts, mit einem Mal fühlt er sich jedoch zu Boden gerissen, sodass er und der unbekannte Angreifer um Haaresbreite in den Abgrund hinab gestürzt wären.

Ein erschrockenes Keuchen löst sich aus seiner Kehle, als er so plötzlich ins schiere Nichts starrt.
 

„Wage es nie wieder mich einen Feigling zu nennen.“
 

Mit deutlicher Verachtung in der hohen, kindlichen Stimme spuckt sie das Wort förmlich aus.

Er wehrt sich gegen ihren – erstaunlich festen – Griff, erreicht allerdings lediglich, dass sein Gesicht nicht mehr ganz so misslich halbwegs in den Schnee gedrückt, und halbwegs über den kantigen Rand die Felskluft geneigt verweilen muss.

Ihre Augen sind eisblau und funkeln ihm herausfordernd entgegen.

Von einem Mädchen gefoppt. Das kann er unmöglich auf sich sitzen lassen.
 

„Runter von mir.“
 

Sein Grollen ist tief und von Wut verzerrt. Noch unterdrückt er die in ihm aufwallenden Aggressionen.

Selbstbeherrschung ist nicht seine Stärke.
 

„Zwing mich doch.“
 

Die provokative Herausforderung ist offensichtlich, und dennoch zögert er keinen Augenblick, sie anzunehmen.

Mit zusammengebissenen Zähnen stemmt er sich auf die Unterarme, gegen sie und im Nu ist eine ernste Auseinandersetzung im Gange, die nur einer von ihnen für sich entscheiden wird; der Verlierer ist dazu verdammt, sich der Willkür des Siegers beugen zu müssen.

Doch zum Versagen sind beide zu stolz, an aufgeben oder einlenken verschwendet keiner einen einzigen Gedanken.
 

Erbittert und fest entschlossen bestreiten die beiden Jungdrachen die Rangelei, die nicht viel mehr als ein Dominanzspielchen im Punkto Macht darstellt und nicht viel mehr als ein Herumwälzen im Schnee bedeutet.

Schließlich gelingt es dem Eisdrachen, ihren Kontrahenten festzusetzen, seine Schultern mit einer Gewalt niederzudrücken, der er nicht gleichwertig entgegen wirken kann.

Physisch ist sie ihm deutlich überlegen.
 

„…“
 

Niemand sagt ein Wort, obschon sie beide wissen, was Tatsache ist.

Bevor er den Kopf zur Seite abwendet, und seine Niederlage persönlich vor ihr besiegelt, ruht sein Blick mehrere Momente auf ihren bläulich aufblitzenden Augen, die absolute Aufmerksamkeit artikulieren und ihn eindringlich betrachten, auf ihrem Mund, der aufgrund ihrer situationsbedingten Atemlosigkeit leicht geöffnet ist und die Konturen ebenmäßiger, weißer Zähne preisgibt.

Ihre Lippen sind rosig, trotz der Kälte – und eben diese Lippen sind es, die keinen Wimpernschlag später die seinen berühren, flüchtig, unschuldig.
 

„Ich werde es niemandem verraten.“
 

Ob sie nun von der Schmach, die sie zu verschulden hat, oder von ihrem deplatzierten Kuss spricht, kann er nicht beurteilen.
 

***---***---***
 

[Anm. der Autorin]

Fragt mich nicht, wie ich auf die Idee für diesen OS gekommen bin, ich weiß es wirklich nicht mehr.

Was den Inhalt und bestimmte Referenzen angeht: dürfte euch bis jetzt noch nichts sagen, das wird eine Weile dauern, bis der Sinn dahinter offensichtlich wird; allerdings wollte ich den dreiteiligen OS erst nächste Woche beginnen. ^-^

"Eindrücke" [I]

"Eindrücke"
 

(Kyouran - Ísvængur: Szenario 1)
 

Es ist das erste Mal, dass das Oberhaupt der Luftdrachen seinen verbliebenen Sohn und seine Enkel mit in den Drachenpalast Ryûgu bringt.

Das Vertrauen zwischen den beiden Clans festigt sich – langsam, aber beständig.
 

Ísvængur begleitet sie als Vertreter des Westclans, und obwohl man es dem Kind, das sich seit ihrer Abreise dicht neben ihm hält, nicht ansieht, freut es sich über diesen überraschenden Besuch ungemein. Bis jetzt haben sich die Halbbrüder nur selten zu Gesicht bekommen und kennen sich nicht gut – dem Jugendlichen ist der Kleine bisweilen suspekt.
 

Die Wände des Palastes, der in den Untiefen des Ozeans erbaut wurde, sind aus bunten Korallen gefertigt, der dunkelgrün schimmernde Fußboden wirkt wie ein zugefrorener See.

Mit einem säuerlichen Blick fokussiert das weißhaarige Kind sein Spiegelbild auf dem Flurgrund, und es irritiert ihn.
 

Glockenhelle Stimmen schallen durch die langen Gänge, und den Gästen ist unlängst aufgefallen, dass ihnen die Sprösslinge des Meeres folgen, kichernd und feixend. Es ist schlichtweg unmöglich, sie zu überhören.

Einzig der älteste Sohn des Wasserdrachenfürsten, Kyouran, erwartet sie in der Empfangshalle, so wie es sich gehört.
 

Während sich die Erwachsenen in formellen Begrüßungen ergehen und sich bald zurückziehen, um über politische Angelegenheiten zu diskutieren, verbleibt die junge Generation in dem großen Saal.

Dass Ísvængur der Zutritt zu den Besprechungen zunächst verwehrt wird, macht ihn stutzig und ärgerlich zugleich.

Abwesend postiert er sich vor der riesigen Panoramafront, die einen atemberaubenden Ausblick auf das Meer ringsum zulässt, blickt abwesend in die Ferne.
 

Nicht weit von ihm entfernt kniet Kyouran auf einem der ausgelegten Sitzkissen, eine Schale Tee in den Händen haltend, und beobachtet das Treiben seiner Geschwister. Die Zwillinge, Shiosai und Suika, hecken etwas aus, er kann es in ihren schadenfrohen Mienen lesen als wäre es ihnen mitten auf die Stirn geschrieben.

Hoffentlich arten ihre unsinnigen Spielchen nicht wieder in Streitereien aus.

Bei Rakuchou und Irie braucht er sich darum nicht zu sorgen, die zwei lösen ihre Konflikte mit Worten. Meistens zumindest.
 

Dann wendet er den Kopf nach rechts, mustert den jugendlichen Luftdrachen sorgfältig von oben bis unten. Der Altersunterschied zwischen ihnen ist gering.

Kyouran stellt die Teeschale vor sich ab und steht auf, nähert sich mit vorsichtigen Schritten; absichtlich bewahrt er eine Distanz, er will den Luftdrachen nicht einengen.
 

„Darf ich dich nach deinem Namen fragen?“
 

Höflich und leise löst sich die Frage von seinen Lippen, was den tendenziell rauchigen Klang seiner Stimme verstärkt. Es hört sich selbst für ihn etwas merkwürdig an. Beabsichtigt hat er das nicht.
 

„Ísvængur.“
 

An Manieren scheint es ihm zu mangeln, denn er rührt keinen Muskel – Kyouran schluckt seinen Unmut darüber hinunter.

Ihm fällt auf, dass der etwas taktlose Jungdrache größer ist als er, obgleich es nicht von Bedeutung ist.
 

„Was willst du?“
 

Sein Akzent ist stark, und der kalte Ton jagt dem Wasserdrachen einen wechselwarmen Schauer über den Rücken.

Schlecht gelaunt, der Gute.
 

„Entschuldige bitte. Ich wollte dir nicht zu nahe treten.“
 

In diesem Moment hallt ein Schrei durch den Raum, woraufhin er ein genervtes Seufzen ausstößt und herumfährt.

Damit hat er nicht gerechnet.

Der kleine Luftdrache hat Suika am Kragen gepackt, das Youki in seinem Körper zirkuliert schneller durch seinen Körper, drohend, kampfbereit; sein feindseliger Blick bohrt sich derweil in Shiosais Augen.

Zu perplex um seiner Schwester zu helfen stiert dieser einfach zurück. Das hat er nicht in Betracht gezogen.
 

„Flúgar.“
 

Offenbar ist es eine Mahnung, vielleicht sogar eine Drohung, denn das Kind lockert seinen Griff und strebt den Kontakt zu den Augen seines Halbbruders an, der sich leicht zur Seite gedreht hat und ihn fixiert.

Die Gedanken des Jungen kreisen noch einen Moment lang weiter um das Verhalten der Wasserdrachenkinder. Seiner Meinung nach benehmen sie sich allesamt wie Mädchen. Nicht, dass er auf dem Gebiet viel Erfahrung hätte, zu einer differenzierteren Beschreibung ist er jedoch nicht fähig.
 

Ísvængurs Körpersprache ist Maßregelung genug, er wagt keinen offenen Protest.

Insgeheim bewundert Kyouran jene Art von stiller Autorität – würde der Luftdrache nicht so kalt und distanziert auftreten, wäre er mit Sicherheit ein interessanter Gesprächspartner.
 

Schweigen senkt sich über die Situation.
 

Die eisige Präsenz der Luftdrachenbrüder flaut in regelmäßigen Schüben ab, und die übrigen Personen atmen hörbar auf. Niemand will sich auch nur vorstellen, zu was die Lage hätte eskalieren können.
 

Indes realisiert Kyouran, dass er unschlüssig ist, vor wem er mehr Angst hegen soll – dem finster dreinblickenden, unheimlichen Kind oder seinem kühlen, Furcht einflößenden Bruder - und ob das ein akzeptabler Grund für ernsthafte Antipathien gegen den artfremden Clan ist.
 

Schlau wird er aus seinen Überlegungen nicht, allerdings belaufen sich seine Empfindungen fernab von Hass oder Verachtung.

In Zukunft wird er sich in asketischer Schweigsamkeit üben, wenn sie zu Besuch hier sind. Es wäre fatal, es sich mit ihnen zu verscherzen.

Unter Umständen bringt ihm das Glück auf seinem weiteren Lebensweg – und damit soll er nicht einmal Unrecht haben, wie er später lernen wird.
 

***---***---***
 

[Anm. der Autorin]

Ich konnte einfach die Finger nicht von diesen beiden lassen; ich weiß nicht, inwiefern es euch interessiert, aber ich hab an Kyouran und Ísvængur einen Narren gefressen, und da ich das in SA wohl nicht ausleben können werde (ihr Auftritt wird vergleichsweise kurz ausfallen, jedenfalls plane ich das so ^-^°), mache ich das hier.

Dieser One-Shot ist dreiteilig!

"Sand" [II]

"Sand"
 

(Kyouran - Ísvængur: Szenario 2)
 

Nebelschwaden verschleiern das Schlachtfeld, als wollen sie den Beteiligten jenen grausigen Anblick ersparen.

Der Himmel ist grau, insofern man ihn entdecken kann, die Sonne scheint nicht. Ein trister Tag in der Chronik eines Krieges, der viele Opfer fordern wird, aber das ist nicht alles. Inmitten der trüben Misere des Gefechts werden neue Bunde geknüpft, die mit den Jahrhunderten an Bedeutungen gewinnen werden.
 

Erschöpft wandert der Krieger aus dem Clan der Wasserdrachen durch die im Dunst liegenden Dünen. Jeder Schritt fällt ihm schwer, seine Wahrnehmung ist maßgeblich beeinträchtigt – dabei ist er weder schwer verletzt noch sind die Reserven seines Youkis ernstlich angegriffen. Er kann sich nicht erklären, was mit seinem Körper nicht stimmt.
 

Gezwungenermaßen hält er inne, sinkt in die Knie.
 

Das Rauschen der Wellen, wenn sie auf den Strand treffen, ist allgegenwärtig, und der Wind, der vom Meer her weht, verfängt sich in seinem zusammengebundenen Haar, wiegt die Immortellen und den Hafer in seinen zärtlichen, unsichtbaren Armen.

All diese Nebensächlichkeiten sind ihm viel zu präsent, er hat das Wichtige aus den Augen verloren: den Feind, ebenso wie seine Artgenossen und Verbündeten.
 

Trotz seiner miserablen Verfassung hat er nicht das Gefühl, dass ihm das Bewusstsein zu entgleiten droht.

Nein, es schwächt ihn lediglich, und betäubt seine Sinne.

Ob er hier elendig daran zugrunde gehen wird?

Entschlossen beißt er die Zähne zusammen, zwingt sich wieder auf die Beine.

Er wird nicht sterben.

Nicht jetzt, nicht an diesem Ort…
 

„Beweg dich nicht.“
 

Ein Keuchen entrinnt seiner Kehle; mittlerweile ist er so durcheinander, dass er den Besitzer jener tiefen, kühlen Stimme weder eindeutig lokalisieren noch richtig zuordnen kann.

Die Muskeln in seinem Leib schmerzen.

Bevor er das Gleichgewicht verliert und stürzt, fassen ihn kräftige Hände an den Schultern.
 

„Wer…?“
 

Der Atem des Anderen verfängt sich in seinem Haar – offenbar ist der Fremde größer als er.
 

„Du hast ein schlechtes Gedächtnis für einen Drachen.“
 

Kyouran blinzelt mäßig irritiert, seine versteiften Schultern entspannen sich unter der Berührung.

Ísvængur.
 

„Irgendwas ist mit mir nicht in Ordnung…“
 

Seine Atmung geht schwerfälliger als zuvor.
 

„Leg dich hin.“
 

Gegenwehr braucht er gar nicht in Erwägung zu ziehen, er ist hilflos, und hat unverschämt viel Glück gehabt, dass es der Luftdrache ist, der hinter ihm steht und nicht einer der feindlich gesinnten Feuerdrachen.
 

Ohne Protest leistet er dem leichten Druck auf seinen Schultern Folge, kniet sich in den Sand, zögert danach jedoch, sich auf den feuchten Boden zu legen.

Mit Ísvængurs rabiater Verfahrensweise ist er nicht vertraut, und dementsprechend schaut er ziemlich verdutzt drein, als er sich einen Wimpernschlag später auf dem Rücken wieder findet. Er hat die Bewegung nicht einmal kommen sehen.

Mit einer beiläufigen Geste zieht der Luftdrache das Schwert aus dem Gürtel des Wasserdrachen, lagert es mit dem eigenen neben sich.
 

„Ruh dich aus.“
 

Musternd gleitet sein Blick über den Liegenden.
 

„Es wird eine Weile dauern, bis das Gift vollständig neutralisiert ist.“
 

Gehorsam schließt er die Augen.

Gift? Hat ihn irgendetwas gebissen oder gestochen?

Im hintersten Eck seines Verstandes wachsen Zweifel, ob er den anderen seit ihrem ersten Aufeinandertreffen falsch eingeschätzt hat.
 

Wie viel Zeit vergangen ist, weiß er nicht.

Es riecht nach Blumen und Kräutern aus dem Hochland; sicherlich spielt ihm sein verwirrtes Hirn einen Streich.

Sein Zustand hat sich verschlechtert, er hat Muskelschmerzen, überall, trotz seiner stabilen Lage ist ihm schwindelig und mulmig zumute.
 

„Halt durch.“
 

Jemand drückt seine Hand.

Nur zu deutlich spürt er, wie er immer wieder das Gesicht vor Schmerz verzieht, seine Klauen gleichenden Finger sich in den nassen Untergrund graben.
 

Wenigstens ist er nicht alleine, ihm ist dieser Fakt einiges wert; er rechnet es dem distanzierten Drachen hoch an, dass er bei ihm bleibt. Das hat er ihm nicht zugetraut.
 

„Ist es sehr schlimm?“
 

Kyouran beißt sich auf die Unterlippe.
 

„Ich habe Sand in meinen Stiefeln.“
 

Gequält lächelnd hebt er die Lider, erhascht einen verschwommenen Blick auf Ísvængurs von Skepsis und Unverständnis geprägte Züge. Die emotionale Reaktion macht ihn sympathisch, mit einem Mal wirkt er wesentlich lebendiger.
 

„Wenn du ansonsten keine Probleme hast.“
 

Das verkappte Lächeln, das sich nun in seinem linken Mundwinkel abzeichnet, wird bloß von dem in seinen Augen leuchtenden Amüsement übertroffen.

Er sieht gut aus, wenn er lächelt. Und die japanischen Gewänder passen besser zu ihm als die westliche Tracht, in der er bereits mehrmals in Ryûgu erschienen ist.
 

Nichtsdestotrotz überrascht es den Wasserdrachen, als ihm bewusst wird, dass der Luftdrache tatsächlich auf seine behutsam verborgene Bitte eingeht und die Schnürsenkel seiner Stiefel löst.

Die vage Berührung an seinen bloßen Knöcheln fühlt sich eigenartig an, und er ist dem Erröten gefährlich nahe. Als unangenehm würde er das Gefühl nicht beschreiben, eher im Gegenteil – dass Ísvængur die Schuld daran trägt, beschämt ihn.

Jene abstrakten Gedankengänge schiebt er seinem gepeinigten Gehirn zu, das wohl auf diese Art und Weise rebelliert und ihn betrügt.

Aber es bedeutet mehr, als er zugeben will…
 

***---***---***
 

[Anm. der Autorin]

Ein weiteres Strandszenario, wobei der Eindruck vom Wind im Hafer und den Immortellen abermals auf "Effi Briest" von Fontane zurückgeht, obwohl der Roman nicht wirklich zu meinen liebsten zählt. Trotzdem empfinde ich die Assoziation von den Drachen und den Immortellen als hübsch und äußerst passend.

Der OS ist schon fast vier Monate alt, damals aus dem Effekt heraus gleich nach dem vorigen geschrieben, der dritte, der ein wenig jünger ist, folgt nächste Woche.

"Heimat" [III]

"Heimat"
 

(Kyouran - Ísvængur: Szenario 3)
 

Im Dämmerlicht des schwindenden Tages entscheidet sich die Schlacht, doch Gewinnern wie Verlierern präsentiert sich dasselbe Bild; Zerstörung, Tod und Verzweiflung ertrinken an manchen Stellen knöchelhoch im Blut.

Die verheerenden Konsequenzen dieses Krieges hat niemand vorausgesehen, und selbst die, die sich als die Sieger bezeichnen können, haben verloren. Mancher seine Angehörigen oder gar das eigene Leben, andere ihren Verstand.
 

Es nieselt.

In ihm erhärtet sich die Vermutung, dass die Sonne an jenem Ort nie wieder scheinen wird. Nichts kann das Unrecht, das hier verübt wurde, jemals aufheben oder sühnen.

Unbewusst streichen seine Fingerkuppen über die glatte Oberfläche der Schwertscheide, in der eine Klinge, die tödliche Waffe, ruht, mit der er bereits unzählige Male mordete.

Ja, er bekennt sich schuldig im Angesicht seiner Gräueltaten, Reue verspürt er jedoch nicht. Ob ungerechtfertigt oder nicht, er war und ist noch immer von der Notwendigkeit seines Handelns fest überzeugt. Die Gerechtigkeit, die zweifelsohne nicht dahinter steht, ist zweitrangig.

Alles für den Clan, alles für seine Blutlinie…

Unlängst haben seine Knochen wieder zu schmerzen begonnen, denn den Wechsel zwischen den warmen Gefilden des Westens und den nasskalten Regionen im Osten belastet seinen Organismus schwerer als ihm lieb ist.
 

Seufzend legt er den Kopf in den Nacken und blickt zum von schiefergrauen Wolken verhangenen Himmel auf.

Er muss aufs Festland zurückkehren, schon bald, aber sein gesamtes Wesen sträubt sich gegen diesen Gedanken.
 

„Ísvængur.“
 

Obwohl er sich der Präsenz des Wasserdrachen durchaus bewusst gewesen ist, zuckt er unwillkürlich zusammen.

Wirklich, er muss sich ausruhen.
 

„Was willst du hier?“
 

Trotz dem beträchtlichen Schwanken seiner Stimme, stellt sich der ärgerliche, nahezu drohende Unterton überdeutlich heraus.

Die Wasserdrachen haben ihre Verbündeten im Stich gelassen, mitten im Gefecht, ohne ersichtlichen Anlass.

Kyouran kann sich glücklich schätzen, ihn in einem solch miserablen Zustand vorzufinden; anderenfalls hätte er nicht gezögert, ihn auf der Stelle ins Jenseits zu schicken, auf die brutalste Art und Weise, die ihm gerade in den Sinn gekommen wäre.
 

„Mich bedanken, dafür, dass du bei mir warst, und mich entschuldigen, dafür, dass mein Clan nicht ebenso entschieden hat.

Allerdings kann ich mich unmöglich gegen meinen Vater sperren…“
 

Eine vage Gestik des Luftdrachen gebietet ihm zu schweigen, und er gehorcht.
 

„Wieso?“
 

Gesenkten Hauptes verweilt der Wasserdrache in seiner demütigen, leicht beschämten Haltung.

Die angespannte Atmosphäre zehrt an seinen Nerven.
 

„Ich bin mir nicht sicher. Ich verstehe es nicht…“
 

Ísvængur schließt die Augen, verzichtet geflissentlich auf eine Erwiderung.
 

„Wir werden uns nicht wieder sehen, oder?“
 

Zu spät bemerkt er, dass er laut gedacht hat. Eigentlich möchte er keine Antwort.
 

„Nein.“
 

Dies ist ihr letztes Aufeinandertreffen, und die Gewissheit bezüglich der Endgültigkeit dieses Umstandes betrübt und erzürnt Kyouran gleichermaßen.

Doch er ist machtlos, und obwohl er es niemals akzeptieren wird, kann er dem nicht alternierend entgegen wirken.
 

„Darf ich mich zu dir setzen?“
 

Mit einem Mal fühlt er sich so einsam, verlassen.

Der Ursprung der Pein, die nunmehr seine Seele quält, liegt in seinem Herzen – nur verwehrt er der Wahrheit noch immer das Recht, sich manifest in seinem Verstand zu äußern.

Und auch das ist eine Form der Verzweiflung.
 

„Mach was du willst.“
 

Vorsichtigen Schrittes nähert er sich dem distanzierten Luftdrachen, dessen Kleidung sich an den sichtbaren Stellen mit Wasser voll gesogen hat.

Zusätzlich fallen ihm die mäßig verzerrten Gesichtszüge auf.
 

„Bitte, hasse mich nicht für etwas, das ich nicht zu verantworten habe…“
 

Seine Schulter streift versehentlich die des anderen.
 

„Hn.“
 

Kyourans Puls beginnt zu rasen, als er die Bewegung des kaum älteren Drachen spürt, der sich zaghaft an ihn lehnt.

Er schluckt, lässt sich seine Verwirrung dennoch nicht anmerken.
 

„Wie ist es dort im Westen, auf dem Festland?“
 

Ja, er beabsichtigt sich abzulenken, er stuft die Lage – für sich – als äußerst heikel ein.

Außerdem interessiert ihn Ísvængurs Herkunft wirklich.
 

„Mild, und die Winde sind weicher.

Am schönsten ist es, wenn die Zitronen und Orangen blühen; ihr Geruch hat etwas Besonderes an sich…“
 

Eine verräterische Röte färbt die Wangen des Jüngeren, als sich die rechte Hand seines Gesprächspartners in seine linke stiehlt.
 

„Klingt traumhaft.“
 

Verbissen zwingt er sich zur Ruhe.

Sein dümmlicher Kommentar ist ihm augenblicklich peinlich.
 

„Mag sein.

Aber mir bekommt die Wärme nicht, das Blut meiner Vorfahren, das durch meine Adern fließt, stammt hierher, aus dem Norden, und das ist meine eigentliche Heimat.“
 

Mit einem Mal kommt ihm der Luftdrache wesentlich älter vor, als er ist, seine tatsächliche Jugend zerstäubt und verweht, wie Asche im Wind.

Er ist nicht glücklich, sein Leben bereitet ihm Kummer.

Zum Leidwesen des Wasserdrachen steht ihm nicht die Möglichkeit offen, eine tröstende Position einzunehmen, dafür kennt er ihn nicht gut genug.

Die Hilflosigkeit übermannt ihn, und seine einzige aktive Handlung besteht darin, zögerlich den Arm um den erschöpften Jungdrachen aus dem Westen zu legen.
 

Und warum erzählt er ihm das überhaupt?

Vertraut er ihm? Oder ist es lediglich ein stummer Hilfeschrei, den er frei, ungerichtet artikulierte?
 

***---***---***
 

[Anm. der Autorin]

Na, jetzt ist wohl offensichtlich, wo Ísvængur mit dem Westclan lebt.

Ist natürlich kein Zufall, dass ich teilweise Goethe zitiere, wobei ich die ausschlaggebende Zeile nicht einmal einbinden konnte ("In Höhlen wohnt der Drachen alte Brut").

Viel mehr gibt es nicht zu sagen, ich hoffe, der Dreiteiler hat euch gefallen!

"Gedanken"

"Gedanken"
 

(Bundori - Ryuukotsusei: Inu no Taishou)
 

Es ist bereits später Nachmittag, als der Halbwüchsige seinen älteren Bruder antrifft, am äußersten Grenzwall, der die westlichen Gebiete und das Territorium der Sonnenweberdrachen voneinander trennt.
 

Die Sonne am Horizont neigt sich karmesinrot ihrem unmittelbaren Untergang entgegen.
 

„Bundori…?“
 

Einige Schrittlängen entfernt hält er inne, wohlweislich angemessene Distanz wahrend, mustert die ungewöhnlich ruhig und abwesend wirkende Gestalt seines einzigen Blutsverwandten.
 

Was er hier tut, weiß er nicht.

Bundori ist niemand, der schweigsam in seinen Gedanken versinkt, und dazu die Einsamkeit sucht.
 

„Ich denke.“
 

Diese Antwort hat er nicht erwartet.

Beileibe nicht.
 

„Oh.“
 

Er starrt, ebenso unbeabsichtigt, wie seiner Kehle die von Überraschung zeugende Silbe entfleucht ist.
 

Mental schalt er sich für jene geistreiche Erwiderung seinerseits; ein tonloser Fluch löst sich von seinen Lippen, ehe er murrend den säuerlichen Blick in die Ferne abwendet.
 

Mit einem Mal fühlt er sich unwohl, und fehl am Platz.
 

Für eine Weile herrscht Stille zwischen den beiden Drachenbrüdern, und der Jüngere wird sich den Umständen bewusst, die Bundori an Ort und Stelle bannen.
 

Er beobachtet jemanden.

Nein, viel weniger jemanden, als wesentlich eher den Hüter des Westens, den Inu no Taishou, höchstpersönlich; eine bodenlose Dreistigkeit, die nahezu nach einer gebührenden Bestrafung zu schreien scheint.
 

Sein Interesse wurde entfacht, eben dadurch, dass er die Privatsphäre eines anderen verletzt – zugegeben, ohne, dass der es bemerkt, rechtens ist es trotz dessen nicht.
 

Sicher ist ein solches Verhalten unverschämt.

Bloß kümmert Ryuukotsusei das nicht im Geringsten.
 

Nach einer Weile des Schweigens bricht der Ältere die Stille.
 

„Wer ist das Mädchen?“
 

Dabei klingt seine sonore Stimme beherrscht und nahezu ausdruckslos, was für gewöhnlich Unheil verheißt.
 

Ryuukotsusei rätselt derweil, wie er dem begegnen soll, und hofft, nicht auf schmalem Grat zwischen Leben und Tod zu wandeln, wenn er etwas unkonventionell antwortet.
 

„Ist das nicht offensichtlich?“
 

Als Bundori ihn aus den Augenwinkeln fragend anblickt, zuckt er zusammen, weicht einen Schritt zurück.
 

Versteht er das wirklich nicht?
 

Nein, augenscheinlich mangelt es ihm dazu das notwendige Einfühlungsvermögen. Emotionen dieser Art sind ihm fremd, ihm fehlt schlichtweg der Sinn dafür.
 

Dem Jugendlichen ist wenig aus der Kindheit seines Bruders bekannt, doch ist er sich sicher, dass sein Charakter in jenen längst vergangenen Jahrzehnten stark geprägt wurde – nicht unbedingt zum Guten, aber das ist nicht seine Schuld.
 

Unter den Sonnenwebern gestalten sich die Sitten und Umgangsformen rau, nur die Stärksten überleben.

Empfindungen stehen dem Trieb des Einzelnen im Weg, wenn sie überleben, sich einen Pfad an die Spitze der Hierarchie bahnen wollen.
 

Bundori war schon als Kind übermäßig ehrgeizig.
 

„Die beiden treffen sich hier heimlich, in der Abenddämmerung, um beisammen sein zu können. Sie ist seine Geliebte, vielleicht sogar seine Gefährtin.“
 

Mit dem Szenario deutlich überfordert, legt das Oberhaupt der Lindwürmer den Kopf schief, woraufhin ein verzerrtes Grinsen über die zuvor vollkommen neutral erscheinende Miene huscht.
 

„Ist das so…“
 

Ein frostiger Schauer läuft dem Jungdrachen die Wirbelsäule hinab, und er schluckt hart.
 

Da ist er wieder, jener an Wahnwitz grenzende Fanatismus, der Bundori inne wohnt und ihn zu den obskursten Absurditäten anspornt.

Manchmal flößen ihm die trivialsten Worte aus dem sadistischen Munde seines Gegenübers die größte Angst ein.
 

„…jetzt?“
 

Unsicher fixiert er das in harmlose Liebeleien verstrickte Hundepärchen, ballt während dessen unterbewusst die Hände zu Fäusten.
 

„Nein.“
 

Hintergründig lachend korrigiert er seine nachlässige Haltung und setzt sich aufrecht.
 

„Zu früh.

Sollen sich die beiden Narren in Sicherheit wähnen – ich werde zuschlagen, wenn sie es am wenigsten erwarten, wenn es sie an der empfindlichsten Stelle trifft.

Davon werden sie ihr gesamtes Leben etwas haben…“
 

Das Youki in seinem Leib zirkuliert rascher, spiegelt den Zustand erregter Euphorie wieder, einem Rausch gleichend, in den der hochrangige Fürst verfallen ist.
 

Nunmehr gilt zu befürchten, dass die beiden Hundedämonen sie entdecken; die schwarze Energie seines Bruders ist alles andere als unauffällig.
 

Zeit, zu verschwinden.
 

„Bundori…“
 

Für einen Augenblick zögert er.
 

„Kommst du… mit nach Hause?“
 

Einem unverständlichen Murmeln schließt sich ein desinteressiertes Schulterzucken an.
 

Verlegen spielt der Jugendliche mit dem Saum seines linken Ärmels. Natürlich hat er einen triftigen Grund gehabt, die geschützten Felsschluchten ihrer Heimat zu verlassen und nach dem Anderen zu suchen.
 

„Wozu?“
 

Langsam färben sich die Wangen des Angesprochenen rötlich.

Die Wahrheit ist ihm peinlich.
 

Seine Artgenossen tragen ihren Unmut über Bundoris Abwesenheit ungeniert an ihm aus; noch ist er zu jung, und dementsprechend nicht stark genug, sich wirkungsvoll zur Wehr zu setzen.

Zeuge seiner hoffnungslosen Unterlegenheit sind die zahllosen Blutergüsse und Prellungen, die nicht nur sein Gesicht zieren.
 

„Bitte…“
 

Seufzend richtet sich der Drachensouverän auf.
 

„Du bist selbst Schuld, Ryuukotsusei.

Du benimmst dich wie ein weinerliches Weib.“
 

Beschämt senkt der den Blick, und beißt sich auf die Unterlippe, als Bundori an ihn herantritt und seine schlanken Finger mit einem unangenehmen Druck über die Schwellung unterhalb seines linken Wangenknochens dirigiert.
 

„Trotzdem sollen sie nicht glauben, ungestraft davon zu kommen, wenn sie sich offen gegen mich und mein Blut stellen…“
 

***---***---***
 

[Anm. der Autorin]

Für Lizard!

Ich konnte um diesen OS nicht herum, ihre Charakterschöpfung Bundori lässt mich einfach nicht mehr los. Und dann ist da natürlich noch meine Schwäche für Brüderbeziehungen und das Drama ist perfekt... ^-^°

Ich habe durchaus einige Zeit daran gebastelt, ehe ich zufrieden war.

Wer mag, kann von mir aus Spoiler aus diesem OS für spätere Mangakapitel ziehen; zu meiner Verteidigung kann ich nur sagen, zum Glück ist es nicht allzu offensichtlich.

"Stimmungsschwankungen"

"Stimmungsschwankungen"
 

(Loftsdrekar)
 

„Wenn du mich noch einmal schwängern solltest, dann, mein Lieber, ist hier oben die Hölle los, dann gnaden dir deine Vorfahren, dass ich dich nicht in die Finger bekomme!“
 

Benommen hebt der junge Luftdrache den Kopf, presst die Hände auf die Ohren.

Es ist wieder einer dieser Tage.

Verflucht, wie sehr er es hasst, wenn die schrille, hysterische Stimme seiner Mutter durch den gesamten Gebäudekomplex schallt, und noch dazu in einer Lautstärke, die einem das Trommelfell zu zerreißen droht.
 

Dass die meisten Formulierungen für ihn nichts sagend oder zu vage ausfallen, und er Schwierigkeiten hat, sie zu erfassen, ist nebensächlich.
 

„Hörst du mir zu, du langweiliger Bücherfetischist?!

Ich rede mit dir!“
 

Mühselig rafft das Kind sein Bewusstsein zusammen, tapst auf leisen Sohlen aus seinem Quartier.

Auch ohne es konkret vor Augen zu sehen, ist er sich sicher, dass Blaka wie eine aufgebrachte Furie durch die verzweigten Flure stürmt und sich rücksichtslos ihren Weg zur Büchersammlung seines Vaters bahnt.

Und dabei hat der sie heute nicht einmal provoziert.
 

Für jene Art von widersprüchlicher Beziehung, die seine Eltern führen, fehlt ihm jegliches Verständnis.

Vielmehr besteht zwischen ihnen eine wechselhafte Hassliebe, die auf beiden Seiten beruht, und eine bunt schillernde Variation von Facetten der Interaktion und Kommunikation kreiert.

Interessant immerhin, dass sich zwei so unterschiedliche Individuen derart ablehnen und gleichzeitig zueinander hingezogen fühlen können.
 

Ein Königreich für einen Wissenschaftler?

Nein. Dafür fehlt es dann doch noch an Komplexität.

Seinen Spaß hätte ein Verhaltensforscher trotzdem – was nicht ausschließen soll, dass ansonsten niemand Vergnügen an dem sonderbaren Betragen findet.
 

Schematisch würden Laie und Experte wohl auf ein ähnliches Resultat stoßen:
 

Grundsätzlich existieren nur drei Stimmungslagen zwischen Súnnanvindur und Blaka.
 

Flúgar – und die restlichen Affektierten - genießt es, wenn sie sich aus dem Weg gehen und mitunter wochenlang kein Wort miteinander sprechen. In dieser Zeit ist es ruhig in Himinngarður, nahezu idyllisch.
 

Oftmals gestaltet sich die Atmosphäre dort oben jedoch anders.

Blaka zetert, schreit und schimpft ohne Unterlass, während sich Súnnanvindur in seiner Bibliothek verbarrikadiert und sich seinen Pflichten als Gefährte, sein Weib im Zaum zu halten und zu züchtigen, wenn es nötig ist – wie Hríðarbylur es gerne auszudrücken pflegt – entzieht.

Solche Situationen sind Nerven aufreibend, anstrengend und vor allem laut.
 

An anderen Tagen wiederum kann man etwas vollkommen Gegensätzliches beobachten.

Dann findet man die beiden nämlich entweder überhaupt nicht oder sie können die Finger nicht voneinander lassen, gleichgültig, wo sie sich gerade aufhalten, beziehungsweise, wer sich derzeit in unmittelbarer Nähe befindet.
 

Dem Jungdrachen ist letzteres Phänomen besonders rätselhaft.

Das ist nicht normal. Nie und nimmer.

Um von den verdächtigen blauen Flecken und Blutergüssen am Hals und im Nacken seines Vaters einmal ganz zu schweigen…
 

„Erwachsene…“
 

Ein leicht säuerlicher Ausdruck stiehlt sich auf die kindlichen Züge, als er nach draußen blickt.

Dort herrscht die Dunkelheit der Nacht vor, die Sonne wird erst in einigen Stunden aufgehen – wie kann einem dieses infantile Theater so früh am Morgen nicht die Laune verderben?
 

Die dezenten Marmorwände mit vernichtenden Blicken bedenkend, tritt er auf einen der Balkone hinaus, lehnt sich an die niedrige Brüstung.
 

Seine selbst gewählte Einsamkeit währt nicht lange.
 

„Afi.“
 

Der Ältere wirkt gelassen und gewissermaßen entspannt, und eine unergründliche Milde spielt auf seinem Antlitz. Für einen Augenblick vermeint der Jungdrache gar den Hauch eines zaghaften Lächelns auf seinen Lippen zu erkennen.
 

Das Mädchen tut ihm gut…
 

Seine Gedanken behält er jedoch für sich, und schweigt.
 

Flúgar zieht daraus eigene Schlüsse.

Vermutlich bereitet Hríðarbylur sich mental darauf vor, Súnnanvindur und Blaka ordentlich die Leviten zu lesen und sie den entsprechenden Konsequenzen ihres Betragens zuzuführen.
 

Ob er darüber Schadenfreude empfindet?

Ja, durchaus, wenn auch nicht überschwänglich.
 

Dass das eine heimliche Respektlosigkeit seinerseits illustriert, möchte er nicht leugnen. Dennoch stört es ihn nicht.

Sie wissen nicht, was er denkt.
 

„Flúgar.“
 

Gehorsam hebt er den Kopf, begegnet den blanken, weißen Iriden des zeitlosen ClanOberhauptes, denen die seinen so sehr gleichen, viel mehr als denen seiner Eltern.

Manchmal fragt er sich, ob das etwas Besonderes zu bedeuten hat, zumeist fällt es ihm nicht auf.
 

„Komm.“
 

Ohne zu zögern leistet er der ungewöhnlich sanften Aufforderung seines Großvaters Folge, heftet sich an seine Fersen.
 

Nachsichtig, wie es sonst nicht seine Art ist…
 

Hríðarbylur muss sich für seine Entscheidungen nicht rechtfertigen, vor niemandem – höchstens vor sich selbst.

Und das Kind hat nie den Drang verspürt, etwas zu hinterfragen, nicht bei ihm. Stumm nimmt es die Umstände hin, neigt fügsam das Haupt, und tut, was er ihm sagt.
 

Denn der Kleine kann sich dem bewusst sein, dass er die Anerkennung des Altdrachen bedingungslos genießt.
 

In Súnnanvindurs Nähe hingegen plagen ihn Unsicherheiten und Selbstzweifel, jedes Mal, wenn er ihm gegenüber sitzt. Sein Bild von ihm ist verklärt, vermutlich misst er die Ausstrahlung der absoluten Autorität, an der es seinem Vater mangelt.
 

Damit vermag er nicht umzugehen, es überfordert ihn heillos und stürzt ihn in einen beängstigenden Kontrollverlust.
 

***---***---***
 

[Anm. der Autorin]

Wieder mehr ein Bastel-OS als sonst etwas.

Das eher offene Ende war nicht beabsichtigt, und insgesamt kann ich sagen, dass wenig so geworden ist, wie ich es geplant bzw. mir vorgestellt hatte.

Im großen Ganzen bin ich zufrieden, da ich ausgedrückt habe, was ich eigentlich wollte, und auch wenn mich das Unfertige an diesem OS geringfügig stört, hat es etwas (ja, ich folge damit dem Rat meines ehemaligen Kunstlehrers, der meinte, dass auch unbeendete Projekte ihren Wert haben, so, wie sie sind).

"Vergangenheit"

"Vergangenheit"
 

(Hríðarbylur - Alte Generation)
 

Als Kind blickte er wie gebannt zu den Fünf Sternen auf, die unter ihren mächtigen Schwingen das Geschick des Weltgeschehens lenkten und so ihr eigenes und das Schicksal der Geschöpfe, die sie umgaben, woben.
 

Feuer, Luft, Wasser, Erde, und Eis…
 

Das legendäre Fünfgestirn herrschte eisern über die Kontinente, im stetigen Wettstreit miteinander, um das Gleichgewicht zu wahren, und mit einem argwöhnischen Blick auf ihre eigene Schöpfung, die neue, aufstrebende Rasse der Menschen .
 

Im Osten rumorten die aktiven Vulkane, behütet vom sengenden Atem des Roten Schattens, Taika, der seine Gegner ohne einen Augenblick zu zögern zu Asche verbrannte.

Ein einziges Mal war er dem mächtigen Eldursdreki begegnet, unsicher, ob er panische Angst oder Faszination empfinden sollte – eine solch hitzige, aggressive Aura hatte nicht einer seiner Nachfolger besessen.
 

Damals war er in Begleitung seiner Mutter, Rok, die sie die Unberührbare nannten, dort an der östlichen Grenze gewesen, die sich im Laufe der Jahrhunderte zu einem gefährlichen Krisenherd entwickelt hatte.

Zu einer direkten Konfrontation zwischen den beiden Drachen war es trotz einiger böser Worte und vielfältigen ernsten Drohgebärden glücklicherweise nie gekommen.
 

Rok und der Clan der Loftsdrekar hielten den Westen, das spätere Europa, fest in ihren Klauen – und das seit zeitloser Ewigkeit.
 

Dank der Standfestigkeit und resoluten Art der Frau, die ihr Leben lang einen unspezifischen, geschlechtsneutralen Namen trug, was oftmals Irrungen verursachte.

In seiner kindlichen Naivität und Unwissenheit nahm er sie immer als direkte Inkarnation des Luftelements wahr, verehrte sie für ihre maskulinen Züge und kriegerischen Talente.

Seinen Vater sowie seine Großeltern kannte er nicht.
 

Der stärkste Krieger, den die Loftsdrekar jemals hervorbringen sollten, war eine Frau. Rok.

Es würde ihm in der Zukunft nicht gelingen, sie zu übertreffen.
 

Ebenso legendär ging Ryûjin, der als Wassergott titulierte Vatnsdreki, in die Geschichte ein.

Unscheinbar begann er seinen Einfluss auszuweiten, bis er und seinesgleichen schließlich alle Meere, die das Festland voneinander trennten, beherrschten, wodurch Amerika unzugänglich für die anderen Clans wurde.
 

Wer sich auf den Ozean wagte, wurde von den hohen Wogen zerschmettert oder verschwand lautlos in der schwarzen Tiefe.
 

Das Gegenstück dazu bildete þurrkur, der Sandteufel , der in den lebensfeindlichen Wüsten Afrikas hauste und sein Unwesen trieb.

Durch die Jahrhunderte verkannt, sollte er der einzige aus der riesigen Sippe der Jörðardrekar bleiben, der ein ehrliches und geschätztes Weltansehen erlangte.
 

Über die Pole, im äußersten Norden und Süden, herrschte das Weiße Gespenst, der Ísdreki Fubuki, den ein nahezu brüderliches Band mit dem temperamentvollen Taika verband – entgegen aller Befürchtungen ihrer gegensätzlichen Herkunft wegen, übten sie ein unheimliches Verständnis füreinander, und ihre enge Allianz funktionierte einwandfrei.
 

Bis sich die Menschen einmischten.

Sie säten Hass und Zwietracht zwischen den beiden Drachen, und das Gleichgewicht der Welt brach zusammen.
 

Fubuki starb durch Taikas Fänge, und der Eldursdreki verging danach an seiner geschädigten Seele.
 

Der Osten wurde fortan von schwerwiegenden Kriegen erschüttert, der Clan des Feuers zersplitterte.

Das war der Anfang vom Ende.
 

Rok scheiterte an dem Versuch, Asien in ihre Gewalt zu bringen um das Territorium der Luftdrachen zu erweitern, þurrkur verlor sein Leben gegen einen als ‚Pharao’ bezeichneten Feuerdrachen und Ryûjin unterschätzte das Wachstum und Fortschreiten der menschlichen Technik.
 

Die Ära der Fünf Sterne war von Beginn an ihrem Untergang geweiht gewesen, und endete nun im absoluten Chaos.
 

Hríðarbylur riss alsbald Roks Erbe an sich, gezwungen, seine Heimat zu verlassen und mit der Hälfte des kläglichen Rests ihres Clans auf eine kleine Insel im Osten zu fliehen.
 

Zu arg in interne Streitigkeiten und Fehden verstrickt, konnten die Feuerdrachen dagegen zunächst nichts unternehmen.

Ruhe kehrte in ihre Reihen erstmals wieder ein, als eine weibliche Genossin aus der alten Elite mehrere der verfeindeten Stämme unter sich einte. Glóð, eine geschickte, aber herrische Persönlichkeit, die ihren Posten bis zum großen Umsturz durch den jungen Revolutionär Hraunar, einen Sohn des südlichen Herrschers, begleitete.
 

Die Jörðardrekar waren seit þurrkurs Tod wie vom Erdboden getilgt, ihr Oberhaupt agierte im Verborgenen, ließ lediglich selten eine Demonstration seiner Würdigkeit verlauten.

Wer oder was ihm das Leben raubte, verblieb ebenfalls im Unklaren.
 

Bei den Vatnsdrekar führte Kanshou, ein unbekannter, aber erfahrener Konservativer aus dem südlichen Eismeer, den Clan.

Das neue Oberhaupt der Luftdrachen tötete ihn in der letzten ihrer zahlreichen Auseinandersetzungen, und Uminari trat an seine Stelle.
 

Der Führungswechsel innerhalb der Ísdrekar vollzog sich in einer Nacht und Nebelaktion, gänzlich unerwartet und plötzlich, durch die sich eine feministische Splittergruppe, eine winzige Partei aus dem großen Rat der Eisdrachen, an die Spitze ihres Clans kämpfen konnte; Hálka setzte sich als Oberhaupt durch und besann sich auf Tradition und interne Angelegenheiten, bis sie ein Attentat aus der eigenen Fraktion das Leben kostete.
 

Seitdem wankte das Gleichgewicht der Mächte, Hríðarbylur stand zahllose Jahrhunderte auf verlorenem Posten, als letzter Repräsentant der Alten Generation – als einziger Zeuge einer unlängst vergangenen Epoche, ein Abkömmling aus der Blütephase unter den Fünf Sternen.
 

Dem gilt seine Sehnsucht, und er spürt, dass seine Zeit verrinnt…
 

***---***---***
 

[Anm. der Autorin]

Für Hotepneith.

Ein kleiner Ausflug in die Geschichte der Drachen, aber kein Kitschszenario - das habe ich dann doch nicht über mich bringen können.

Als vorerst abschließendes Kapitel finde ich es persönlich sehr passend und hoffe natürlich, dass es Anklang findet. ^-^
 

Noch ein paar Namensbedeutungen: 'rok' bedeutet 'Sturm, Windstärke 10'; 'þurrkur' ist 'die Dürre'; 'glóð' heißt 'Glut'; 'hálka' steht für 'rutschiges Eis oder Schnee' und 'kanshou' ist Japanisch für 'Atoll, kreisförmiges Korallenriff'.

"Fehlkalkulation"

"Fehlkalkulation"
 

(Kali - Vatnsdrekar)
 

Stimmen…

Gedämpft, wie aus weiter Ferne dringen sie, in geschäftiges Flüstern verstrickt, an seine Ohren, bruchstückhaft und zusammenhangslos, jedoch gleichsam derart lebendig, dass es surrealistisch erscheint. Möglicherweise ist es ein Nachruf, das pulsierende Echo der realen Welt, des Lebens, das er verwirkte – tadelnd und in einem unverständlichen Ton wispert es ihm hinterher, kichert dann und wann, bespöttelt ihn wohl.

Er verdient es; wie hat er nur so leichtfertig seine Existenz verspielen können? Wann, und vor allem wie, ist ihm das letzte Bisschen Vernunft abhanden gekommen…?

Ja, er ist ein Narr, und er bereut seine Entscheidung. Freiwillig gegen einen Krieger von Bundoris Ausmaßen anzutreten kann man allenfalls als Größenwahnsinn bezeichnen.

Im Nachhinein mit Mut oder Ehrgefühl zu argumentieren, ist lächerlich. Er hat aus einem Impuls heraus gehandelt, ist seinen Instinkten gefolgt; nun, jeder irrt sich einmal, er aber sicher kein zweites Mal.

Dummheit kennt wahrlich keine Grenzen, und für Besserungsgelübde ist es bereits zu spät. Anstatt dessen wühlt eine tiefgehende Wut seine Gedanken auf, Erbitterung über die vermeintliche Fairness des Schicksals, seine eigene Torheit, über das Auftauchen des Sonnenweberdrachens und den Verlauf des Kampfes. In seiner wahren Gestalt hätte er womöglich bessere Chancen auf einen Sieg verzeichnet…

Seinem Missmut zum Trotz löst sich anstatt des beabsichtigten Fluches lediglich ein Ächzen von seinen Lippen, woraufhin das penetrante Stimmgewirr abrupt abreißt.

Ist das nun als ein gutes oder schlechtes Omen zu deuten?

Gleichgültig, es macht ohnehin keinen Unterschied mehr, der Tod verbucht in seiner Endgültigkeit keinerlei Konkurrenz – und betrügen lässt er sich in dieser Hinsicht ebenfalls nicht.
 

Das leise Rascheln von Stoff, begleitet von vagem Wasserplätschern, zieht seine Aufmerksamkeit auf sich. Irgendwie empfindet er das Geräusch als äußerst unpassend, gerade in seiner derzeitigen Situation, es ist so… belanglos und alltäglich.

Unsicherheit beschleicht ihn, ein flaues Gefühl breitet sich in seiner Magengegend aus. Was geht hier vor sich? Und wo befindet sich überhaupt dieses ‚Hier’?

Da stimmt doch etwas nicht… zugegeben, er hat nie sonderlich viel über das nachgedacht, was sich nach seinem Tod ereignen wird, dementsprechend keine Erwartungen gehegt, dennoch erklärt er sich insgeheim nicht einverstanden mit dieser Variante.
 

Mühevoll wälzt er sich auf die linke Seite, von der bleiernen Schwere in seinen Gliedern verwirrt. Sollte er solche physischen Gebundenheiten nicht hinter sich gelassen haben?

Wahrscheinlich bloß die Macht der Gewohnheit, eine Art nachweltlicher Phantomschmerz…

Den Versuch, sich auf die Unterarme zu stemmen, bricht er schlagartig wieder ab – der Schmerz, der durch eben jene Bewegung plötzlich seine Nervenbahnen durchfährt, entspricht sicherlich nicht der Einbildung eines Toten.
 

Das Atmen fällt ihm schwer.

Dann trifft ihn die Erkenntnis wie ein Blitzschlag.

Er atmet…?

Unmöglich…

Mit einem gequälten Keuchen schlägt er die Augen auf, stützt sich mit dem Ellbogen auf der weichen Unterlage ab. Das Stechen in seiner rechten Schulter ebenso geflissentlich wie die sachte Berührung an der anderen ignorierend, richtet er sich schwerfällig auf, mustert mit trübem Blick seine unmittelbare Umgebung. Erfolglos, wie er befürchtet hat – für eine Orientierung reicht es nicht. Alles, was er sehen kann, sind farblose Schatten und unscharfe Konturen, die sich zu einem skurrilen Bild ohne Aussagekraft zusammensetzen.
 

„Du solltest nicht so töricht sein, deinen Körper in diesem Zustand zu überanstrengen.

Es ist nicht meine Aufgabe, dich zu belehren, doch… ein Krieger wie du sollte in der Lage sein, den Schmerz, den er empfindet, als sicheres Zeichen dafür zu deuten, dass er noch am Leben sein muss.

Tote leiden nicht, sie ersehnen sich den Schmerz – leben zu wollen ist das einzige Bestreben, das sie mit den Lebenden gemein haben.“
 

Ohne jeglichen Protest lässt er sich zurück in die Kissen sinken, akzeptiert schweigend die Hand auf seiner Brust, die ihn einfühlsam in eine liegende Position dirigiert.
 

„Ruh dich aus.

Alles andere können wir erst einmal auf später verschieben.“
 

Was ist nur geschehen, seitdem er das Bewusstsein verloren hat? Wie viel Zeit ist seitdem vergangen?

Offenbar nicht allzu viel, denn seine rebellierenden Muskeln erinnern ihn noch zu deutlich an die strapaziöse Auseinandersetzung mit Bundori.
 

„Wo bin ich…?“
 

Seine Kehle fühlt sich trocken und rau an, der salzige Geschmack von Meerwasser haftet ihm unangenehm an Zunge und Gaumen.
 

„In Ryûgu.

Wir haben dich halb ertrunken aus dem Meer gefischt.“
 

Sicherlich hat der Sonnenweber versucht, ihn auf diese Art bequem aus dem Weg zu räumen, doch unglücklicherweise nicht in Erwägung gezogen, dass er das überleben könnte – ob unwahrscheinlich oder nicht, das spielt keine Rolle.

Liederlich hat er das vermeintlich minimale Risiko auf sich genommen… und einen Fehler begangen.

Und als erfahrener Krieger weiß er, was das bedeutet.

Der mächtige Dämonenfürst hat sich verkalkuliert, demnach besteht die gute Möglichkeit, dass er es wieder tun wird.
 

„Auf welchen Namen hört unser mysteriöser Unbekannter?“
 

Er ist bereits in einen dösigen Dämmerschlaf abgedriftet, in seine Gedanken versunken, sodass er nicht mehr als ein Wort herausbringt.
 

„Kali.“
 

Bundori wird für seine bornierte Torheit bestraft werden, wenn auch nicht durch Kali…
 

***---***---***
 

[Anm. der Autorin]

Ich habe gehadert, den OS über Kalis Verbleib hochzuladen, da ich es eigentlich als passender empfand, offen zu lassen, ob er nun wirklich tot oder lebendig ist, wobei ersteres wohl näher lag.

Ja, und anfangs hatte ich ernsthaft vor, ihn sterben zu lassen. Warum ich meine Meinung geändert habe, weiß ich auch nicht so genau... ^-^°



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Von:  Carcajou
2008-04-10T22:50:43+00:00 11.04.2008 00:50
Irgendwie find ich es schön, das du deine Meinung geändert hast!
Und über den OS freu ich mich natürlich auch besonders...
Es ist tröstlich zu erfahren, das auch Bundori Fehler begeht- Nachlässigkeit kann tödlich sein, auch für einen Drachenfürsten. Nun, in diesem Fall natürlich nicht, aber was einmal passiert, kann auch wider geschehen...
Arroganz läutet oft genug den Anfang vom Ende ein.

Augenblicklich bin ich jedoch einfach froh, das Kali noch lebt- es ist gemein, wenn man einen Charakter erst kennen lernen darf, nur um ihn dann sterben zu sehen.

LG,
der Marder
Von:  Hotepneith
2008-04-05T12:47:10+00:00 05.04.2008 14:47
Ich bin froh, dass er noch lebt...^^
Seine Gedanken über das Leben nach dem Tod waren recht amüsant...wenn man noch ein bisschen weiter gelesen hatte. Zuerst war ich mir wirklich nicht sicher, warum er noch am Leben sein sollte. Bundori macht eigentlich keine halben Sachen. Aber nun gut. Jeder begeht einmal einen Fehler.

Schön, dass du trotz Lernerei ans Schreiben denkst.
bye

hotep
Von:  Carcajou
2007-10-31T10:43:00+00:00 31.10.2007 11:43
Wunderschön.
Aber auch traurig.
Wieder sehr atmosphärisch geschrieben, in einem so kleine Rahmen eine derartige Stimmung zu erzeugen, das ist schon Kunst^^°
Unwiederbringlich verlorene Vergangenheit, ein unaufhaltsamer Abstieg einer so mächtigen Rasse- durch den Menschen.
DAs Gleichgewicht der Kräfte zerstört, und die Drachen versinken in einem Strudel aus Machtgier und Gewalt. Und keiner der Nachkommen besitzt die Stärke der Vorfahren...
Flugar?

LG,
Carcajou
Von:  Hotepneith
2007-10-31T07:01:57+00:00 31.10.2007 08:01
Danke.

Dieser kleine Ausflug in die Geschichte der Drachen klingt sehr interessant, wenn auch traurig. Aber so wird auch eher klar, warum in deiner Hauptgeschichte die Drachen sich immer wieder eigentlich nach der Vergangenheit sehnen, sie aber nicht merh erreichen können.
Und die Menschen sind daran schuld, dass sich die DRachen nciht merh verstehen? Sehr interessante Theorie. V.a., wie sie das wohl geschafft haben, eine jahrhudnertelange Freundschaft zu zerstören..? Das wäre doch sicher auch eine kliene Story wert.

bye

hotep
Von:  Carcajou
2007-10-23T19:43:02+00:00 23.10.2007 21:43
Ähem.
Das Kind gebraucht gegenüber seinen Eltern die Bezeichnung "Infantil"?
Deutlicher gehtd wohl nicht.
Und wieder wird klar, warum das Verhältnis zwischen Sunnanvindur und Flugar so gestört ist... wohl auch deswegen, weil sein Sohn ihm gegenüber niemals den tiefen Respekt empfinden kann, den er gegenüber seinem Großvater verspürt. Und sein Großvater hat ja diese wesentlich engere Bindung zu seinem Enkel, as natürlich die Autorität Sunnanvindurs weiter untergräbt- und dessen Unsicherheit gegenüber seinem Sohn erklären könnte- ein Teufelskreis.
Blaka und Sunnanvindur- ist ja auch so ein Affentheater... Drachentheater?^^°

Ich musste echt grinsen, als ich mir das vorgestellt habe...

LG,
Carcajou
Von:  Hotepneith
2007-10-23T19:21:24+00:00 23.10.2007 21:21
Dein Kunstlehrer hatte recht...
Nun, das lässt etwas tiefer in Flugars Seele blicken. Spätestens nach dem Tod seines Grossvaters hat er niemanden mehr, den er so anerkennt. Dennsein ater schient ja auch später diese Bewunderung ..oder auch nur den Respekt nicht bekommen zu haben, obwohl er ischer uaf seine Art ein guter Herr der Drachen ist...

bye

hotep
Von:  Lizard
2007-10-20T20:25:50+00:00 20.10.2007 22:25
Äh, hmmm...
*schüchtern reinschleich*

Wird ja höchste Zeit, dass ich mich mal wieder bemerkbar mache, sonst glaubst du am Ende noch, ich interessiere mich für deine Kurzgeschichten gar nicht mehr... Das Gegenteil ist der Fall! Ich verfolge sehr wohl so einiges, was hier läuft, und das mit großer Freude. Nur mach ich mich momentan eben nur selten bemerkbar. Tut mir leid.

Wenigstens hierzu möchte ich mich jetzt aber doch mal äußern.
Immerhin hast du dich erneut meiner Schöpfung angenommen und mich haut das einfach nur noch um. Ich krieg schon regelrecht Angst. Wie kann das sein, wie kann jemand eine Figur sogar noch besser hinkriegen als der Erfinder? Du verleihst Bundori noch weiteres Potential, von dem ich nicht ahnte, dass es in ihm schlummerte. Danke, danke, danke.
Auch wenn's mir schon fast peinlich ist, dass es gerade Bundori ist... (ich geh in die Geschichte ein, ich habe das perfekte Monster erschaffen...oje, da sieht's ja rosig für meine Zukunft aus, Frankenstein lässt grüßen...)

Nun ja, also ich muss, glaube ich, nicht viel sagen, du hast mich mal wieder beeindruckt. Aber das tust du eh jedes Mal... jeder One Shot ist erste Sahne. Weiter, weiter, ich krieg nicht genug...
Von: abgemeldet
2007-10-17T17:02:49+00:00 17.10.2007 19:02
HOho wie immer geht es sehr rau zu, aber anscheinend liegen diese rauen Sitten in der Familie.........

Ich muss zugeben am Anfang war ich etwas irritiert. ^^°

Aber nachdem ich mir nun alles durchgelesen haben, kann ich es verstehen. ^-^

24
Von:  Hotepneith
2007-10-16T17:55:47+00:00 16.10.2007 19:55
Sonnenweberdrachen scheinen ja reizende Umgangsformen zu haben...
Und keine Ahung, was andere Wesen empfinden. Irgendwie sollte man sie zur Schule schicken....
Der jüngere Bruder Bundoris hat es nicht leicht. Auich seine Jungend wird geprägt werden.
Apropos: was hat Bundori eigentlich so gemacht, wie er ist?

bye

hotep


Von:  Carcajou
2007-10-16T16:50:13+00:00 16.10.2007 18:50
Bundori....Da spannt der Kerl und realisiert es noch nicht mal richtig, denn es lässt ihn ja völlig kalt- lediglich sachliches Interesse daran, etwas über seinen Gegner zu erfahren, Schwächen und Verletzliche Stellen herauszufinden...nun, das ist wohl gelungen. Sesshoumarus Mutter...?
Was den Spoiler betrifft, tappe ich nach wie vor zufrieden im Dunkeln. Ich warte ab, bis ich das Manga in Ruhe lesen kann- nach Ansicht der dritten Staffel.^^
Ryukotsusei ist wirklich noch sehr jung, wirkt noch sehr weich- ändert er sich durch den Einfluss seines Bruders oder liegt es einfach an den rauen Sitten innerhalb der Sonnenweber - Hierarchie?

LG,
Carcajou


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