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Diener der Nacht

von

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Kapitel 3 - Ritter des Glaubens

Also dann, auf zu neuen Ufern. Hier muss ich eine kleine Warnung anbringen: Es kommt Rape vor, zwar nur angedeutet, aber er kommt vor. Für zart besaitete gilt: Lest das lieber nicht.
 

Ansonsten wünsche ich, wie immer, viel Spaß. ^^
 

+++++++++++++++
 


 

Kapitel 3

Ritter des Glaubens
 

Die Adventszeit brach an. Überall in der ganzen Stadt blinkten die Lichter, dröhnte Weihnachtsmusik aus Lautsprechern, drängelten die Menschen in den Straßen.

"Ich hasse Weihnachten", maulte Jérôme. "Alle sind nur noch gehetzt und gestresst. Das beeinträchtigt die Qualität des Blutes. Außerdem ist das alles sowieso nur noch Kommerz. Die Menschen haben die Bedeutung von Weihnachten komplett vergessen."

"Nur zu wahr", stimmte Gabriel zu, schlürfte seinen Tee und wickelte sich weiter in die Decke, die er um sich geschlagen hatte. Jérôme war früher von der Jagd nach Hause gekommen und sie saßen gemütlich zusammen – soweit das mit einer ausgefallenen Heizung möglich war. Die Temperatur in der Wohnung betrug mittlerweile lauschige 15 Grad.
 

"Frierst du gar nicht?", fragte der Sänger den Vampir.

"Nein. Mir ist nicht kalt. Sobald ich getrunken habe geht's mir gut. Aber ich sag's dir noch mal: wenn du frierst, darfst du dich gerne ankuscheln. Stört mich nicht, aber Körperwärme hilft am besten."

"Na ich weiß nicht. Wie sähe das denn aus wenn ich mich an dich kuscheln würde?"

"Na und? Sieht doch keiner. Du sagtest doch, das kann bis morgen dauern bis die Heizung wieder läuft. Jetzt komm schon her", forderte Jérôme ihn auf.
 

Gabriel zog die Nase kraus, nippte noch einmal an seinem Tee und verließ schließlich seinen Sessel, um sich neben Jérôme aufs Sofa zu mümmeln. Er legte einen Teil der Decke um seinen Mitbewohner und schmiegte sich zaghaft an. Sofort spürte er die Wärme, die von dem kräftigen Körper ausging. "Na siehst du?", raunte der Vampir. "Ist doch gleich besser." Der Musiker nickte. "Erzählst du mir was aus deinem Leben?", fragte er vorsichtig.

"Aus welchem? Dem sterblichen oder dem unsterblichen?"

"Dem sterblichen. Ich möchte den Mann besser kennen lernen, an den ich mich gerade ankuschele."
 

Jérôme legte einen Arm um ihn und zog ihn ein wenig näher an sich. Gabriel störte es nicht, denn immerhin war es in den Armen des Vampirs lauschig warm.
 

"Also, wo fang ich an", überlegte Jérôme. "Na ja. Wie ich schon mal gesagt hab, wurde ich um das Jahr 1170 geboren. Genau weiß ich es nicht. Meine Eltern bezeichneten meine Geburt, oder besser die Tatsache, dass ich am Leben blieb, als ein Wunder, denn ich wurde im tiefsten Winter geboren. Mein Vater war ein Baron und wenn auch nicht unter den reichsten Männern Frankreichs, so auch nicht unter den ärmsten. Ich wuchs auf einer kleinen Burg in der Bretagne auf. Noch heute erinnere ich mich, dass es darin im Winter weitaus kälter war als im Moment hier drin. Ständig pfiff der eisige Wind vom Meer durch die Ritzen der Mauern und so was wie Glasfenster gab es noch nicht. Zwar wurden in den Gemächern der Frauen Ledertücher vor die Fenster gespannt, das brachte mir, der ich doch ein Junge war, jedoch ziemlich wenig. Da hatten meine beiden älteren Schwestern mehr Glück. Ich war das jüngste von fünf Kindern. Sofern man eine unbeschwerte Kindheit haben konnte in diesen Zeiten, hatte ich sie. Doch das änderte sich, als ich elf war.
 

Meine Eltern sahen es tatsächlich als den Willen Gottes an, dass ich den ersten Winter meines Lebens überlebt hatte und schickten mich, um Gott zu danken vermute ich, in eine Komturei der Templer, nicht weit weg von der Burg meines Vaters. Obwohl, eigentlich war das damals ziemlich üblich. Der erste Sohn erbte alles, der zweite ging zum Militär und der dritte gehörte der Kirche. Na ja, ich war der dritte. Sie hatten wohl sämtliche Ersparnisse zusammengekratzt, um mir die Ausbildung zu ermöglichen. Dort lernte ich Lesen und Schreiben, ein unheimlicher Luxus zu dieser Zeit, zudem Latein und ein wenig Englisch. Viele Tempelritter allerdings sprachen Französisch, was mir sehr gelegen kam. Ich erlernte den Umgang mit verschiedenen Kriegswaffen und den Kampf zu Pferde. Das alles machte mir weitaus mehr Spaß als das Beten oder die Gartenpflege. Dennoch gehörte auch das zu meinem Tagesablauf.
 

Tempelritter hatten seit jeher eine Doppelfunktion als Mönch sowie auch als Ritter. Sie wurden auch die Arme Ritterschaft Christi genannt. Aber ich will ja jetzt hier keine Geschichtsstunde machen.

Also, wo war ich? Ach ja. Im Orden hab ich auch so nützliche Dinge wie beispielsweise Kochen gelernt. Ich hab den Küchendienst gehasst. Oh ja, und wie. Aber er hat sich als nützlich erwiesen.
 

Als ich etwa 20 war erreichte uns der Aufruf König Philipp II. von Frankreich, dass wir uns ihm bei einem gemeinsamen Kreuzzug mit den Engländern unter Richard I., auch Löwenherz genannt, anschließen sollten. Unser primäres Ziel war Akkon. Gegen Ende des Jahres kamen wir nach Sizilien, wo wir überwinterten. Was war ich froh, dass wir das taten. Wenn du dich wochen-, ja monatelang nicht waschen kannst ist das ziemlich Ekel erregend. Aber wenn der Kerl neben dir genauso stinkt wie du selber, fällt es dir irgendwann nicht mehr auf. Zudem, wenn es sehr eng ist. Aber wenn du dann wieder frische und saubere Luft bekommst. Unvergleichlich."
 

"Nicht sehr reinlich damals, was?", bemerkte Gabriel.

Jérôme rümpfte die Nase. "Da kann ich dir nur zustimmen. Wir jedenfalls setzten unsere Reise direkt nach Palästina fort, wo wir im April ankamen, während die Engländer, diese Trottel, in einen Sturm gerieten und erst einige Wochen nach uns eintrafen."
 

"Du warst also echt ein Tempelritter?", unterbrach ihn Gabriel misstrauisch. "Und dann auch noch auf einem Kreuzzug im Heiligen Land dabei?"
 

"Genau das. Erwarte aber nicht, dass ich dir von großen Heldentaten oder so was erzähle. Auch über Schlachten und dergleichen kann ich dir wenig sagen. Weißt du, Akkon, unser Ziel, war schon seit drei Jahren belagert und die Verteidiger leisteten erbitterten Widerstand. Erst mit unserem Eintreffen und dem der Engländer kam Schwung in die Sache, allerdings nicht im Kampf Mann gegen Mann. Es war eher so, dass wir die Stadtmauern untergruben und sie somit fast zum Einsturz brachten. Zudem gruben wir den Verteidigern schlicht und ergreifend das Wasser ab. Fies, aber effektiv. Das Ganze dauerte ein paar Monate. Dann wurde uns die Stadt übergeben und es geschah etwas, das ich nie mehr vergessen werde." Sein Gesicht verfinsterte sich.
 

"Die Könige hatten Lösegeld für die Gefangenen verlangt, doch als die Zahlung nicht schnell genug erfolgte, wurden über tausend Menschen einfach öffentlich hingerichtet. Noch heute sehe ich ihre Köpfe rollen. Ich verstand diese Grausamkeit nicht. Damals hatte ich erste Zweifel an meinem Tun.
 

Daraufhin jedenfalls wurden wir in Akkon zweimal angegriffen, doch wir hatten die Mauern mittlerweile wieder instand gesetzt, wär ja auch blöd gewesen, wenn nicht, und unsere Feinde traten den Rückzug an. Wir verfolgten sie nicht und blieben, wo wir waren. Auch die Brüder meiner Komturei. Doch bald fühlte ich mich dort nicht mehr wohl. Ich wollte nach Jerusalem, wollte die Grabeskirche sehen und dort beten. Gemeinsam mit drei französischen Brüdern und einem jungen Deutschen, Hans-Otto von Berg, machte ich mich also auf den Weg in die Stadt des Herrn."
 

"Ihr wart nur zu fünft im Feindesland unterwegs? Ganz schön leichtsinnig von euch."
 

"Oh, wie wahr. Dennoch, wir waren alle jung und kräftig und vertrauten darauf, dass das Tatzenkreuz der Templer unseren Feinden im Voraus schon soviel Angst einjagen würde, dass sie es nicht wagen würden, uns anzugreifen.
 

Wie naiv wir doch waren. Wir kamen nicht sehr weit. Nur ein paar Tage später wurden wir überfallen. Ich weiß nicht, ob es nur Banditen waren oder ob es sich eventuell um einen Angriff von Assassinen handelte, fest stand jedenfalls, dass wir in einer Nacht- und Nebelaktion umkreist wurden. Ein Versuch, auszubrechen, scheiterte. So nahmen wir einen unfairen Kampf auf, denn unsere Gegner waren uns zahlenmäßig überlegen. Der Mythos, ein gut ausgerüsteter Templer könne zehn Heiden in Schach halten, ist wirklich nur ein Märchen. Wir jedenfalls hatten keine Chance. Nach einem langen, jedoch aussichtslosen Kampf standen nur noch Hans-Otto und ich, Rücken an Rücken. Dann wurde der Deutsche von einem Pfeil in den Hals getroffen, ich bekam einen in die Brust."
 

Gabriel erinnerte sich an die Narbe, die er gesehen hatte.
 

Jérôme fuhr fort: "Aber das war nicht der einzige Pfeil, der mich getroffen hatte. Schließlich brach ich zusammen. Ich dachte, ich würde in der eisigen Kälte der Wüste sterben und meinem Schöpfer gegenüber stehen. Doch ich starb nicht.
 

Ich erinnere mich nur sehr schwach an die folgende Zeit. Ich schwebte irgendwo zwischen Leben und Tod. Dennoch, als es mit meiner Gesundheit besser ging, so erinnere ich mich, tauchten immer wieder Gesichter vor mir auf. Tagsüber das eines Jungen. Er mag vielleicht sechzehn, siebzehn Jahre alt gewesen sein, nachts das eines Mannes. Beide waren ganz klar Araber und ich fragte mich, warum sie mich gerettet hatten, schließlich war ich ihr Feind. Ich sollte es bald genug erfahren.
 

Als ich zum ersten Mal wieder zu mir kam, war es vermutlich Tag, denn an meinem Bett saß der Junge. Mir war damals nicht klar, warum er mich so feindselig anstarrte. Er gab mir zu essen und zu trinken, doch er sprach kein Wort mit mir. Ich fragte ihn nach seinem Namen, doch er gab mir keine Antwort. Tagelang sah ich nur ihn. In dem einfachen Zelt, in dem ich lag, war das jedoch eine willkommene Abwechslung. Der Mann, der in meiner Erinnerung immer wieder auftauchte, kam nicht mehr. Langsam aber sicher gewöhnte ich mich daran, dass der Junge nicht mit mir sprach, doch dann, eines Tages sagte er: "Akin." Ich wusste nicht, was er meinte, doch dann zeigte er auf sich und sagte "Akin." Ich verstand. Es war sein Name. Ich wiederum deutete auf mich und nannte ihm meinen Namen. Er versuchte, ihn auszusprechen, doch er musste es ein paar Mal versuchen.
 

Akin brachte mir langsam aber bestimmt Arabisch bei. Dabei war er ein sehr ungeduldiger Lehrer. Wenn ich etwas falsch sagte, scheute er sich nicht, mir eine Ohrfeige oder Kopfnuss zu verpassen, was Tag für Tag mehr an meinen Nerven zehrte, aber ich wusste, würde ich ihn angreifen, ich brächte ihn vermutlich um, war ich doch um einiges stärker und auch größer als er.
 

Unterdessen hatte ich festgestellt, dass ich mich bei einer Karawane befand, die nur in einer Oase Rast gemacht hatte. Offenbar, bis es mir besser ging und ich fragte mich, nicht zum ersten Mal, warum. Nachdem meine Gesundheit von Tag zu Tag besser wurde, brach die Karawane wieder auf und wir zogen durch die Wüste, Akin immer an meiner Seite. Da ich nicht wusste, wie man auf einem Kamel reitet, fuhren mein Lehrer und ich auf einem Wagen. Akin erklärte mir, dass dies die Karawane eines reichen Händlers war. Womit er handelte fragte ich ihn. Er antwortete: "Mit allem, was Geld bringt." Für mich bedeutete das im Klartext: Stoffe, Gewürze, Tongeschirr, aber, wie ich feststellen musste, auch Sklaven. Ich fragte mich, was das wohl für ein Mann sei. Irgendwann kam Akin zu mir und hatte eine Schere und ein Rasiermesser dabei. Er sagte, ich würde ungepflegt aussehen mit dem Bart und dem zotteligen, schulterlangen Haar, also wurde ich schnurstracks rasiert und mein Haar geschnitten. Dabei war er äußerst sanft, was ich ihm nie zugetraut hätte und ich fragte mich, ob er tief in seinem Inneren nicht doch ein netter Junge war.
 

Eines Abends, mein Aufbruch aus Akkon war Monate her, die Sonne war schon untergegangen, da machte ich wieder einen schwerwiegenden Fehler und Akin setzte zu einer Ohrfeige an, da holte ich aus und wollte mich wehren, denn ich hatte genug von seiner Behandlung, doch eine Stimme am Eingang des Zeltes, in dem wir rasteten, unterbrach mich: "Lass ihn in Ruhe", sagte die Stimme in einem Ton, als wäre ihr Besitzer es gewohnt, Befehle zu erteilen. Ich zog sofort die Hand zurück, doch es war Akin, der reagierte. Er verbeugte sich und sagte leise und demütig: "Verzeiht, Meister." "Geh jetzt", befahl sein Herr und Akin verschwand, nicht jedoch, ohne mir einen giftigen Blick zuzuwerfen, den ich damals nicht verstand, heute jedoch nur allzu gut deuten kann."
 

"Wer war der Mann?" Gabriel wurde ganz hibbelig. Kalt war ihm überhaupt nicht mehr.
 

"Mein schlimmster Alptraum", sagte Jérôme süffisant. "Aber im Ernst. Ohne diesen Mann wäre ich besser dran gewesen. Ich drehte mich um und da stand er. In einem weißen Kaftan. Es war der Mann, den ich so oft gesehen hatte. Er kam auf mich zu und ließ sich auf dem Kissen nieder, auf dem gerade eben noch Akin gesessen hatte. "Er hat dich gut unterrichtet?", fragte er mich.

"Ich verstehe vieles, doch noch lange nicht alles", antwortete ich.

"Vermutlich hast du viele Fragen", sagte er und schaute mir fest in die Augen. Sein Gesicht werde ich nie vergessen. Ein kantiges Gesicht, dennoch nicht hässlich. Er hatte einen fein geschnittenen Bart, ungewöhnlich in dieser Region, doch es sah gut aus. Sein Haar war schulterlang und lockig. Auf seine Frage nickte ich nur.

"Dann stelle sie mir", forderte er mich auf.

"Wer seid Ihr und warum habt Ihr mich gerettet?", fragte ich, damals noch etwas unbeholfen, doch er verstand mich.

"Man nennt mich Ibliis. Mehr brauchst du nicht zu wissen. Du wurdest aus demselben Grund gerettet, aus dem dir Akin in den letzten Wochen unsere Sprache beigebracht hat. Du bist ein Sklave, Abendländer." Ibliis bedeutet nichts anderes als "Satan" und der Name passte zu ihm. Ich denke, es war eine Art Künstlername. Seinen richtigen Namen hab ich nie erfahren. Jedenfalls sprang ich damals auf und schrie ihn an: "Niemals werde ich ein Sklave sein! Ich bin ein Ritter des wahren Glaubens und werde auf gar keinen Fall einem Heiden dienen!"
 

"Setz dich wieder", befahl er mir, noch mit ruhiger Stimme, doch ich sah gar nicht ein, warum. Ich blieb einfach erhobenen Hauptes stehen. "Setz dich", wiederholte er, diesmal bestimmter, doch mein Stolz ließ es nicht zu, dass ich mich seinem Willen beugte. Er atmete tief ein. "Wenn du glaubst, du könntest dir einen Machtkampf mit mir liefern, Abendländer, dann irrst du dich. Dein Orden ist weit weg, du bist der einzige weiße Mann weit und breit. Um uns ist nur Sand und Hitze und des nachts eisige Kälte. Ich kann dich auch gerne hier zurücklassen, wenn dir das lieber ist…"

Ich sah ein, dass seine Argumente recht überzeugend waren, dennoch wollte ich mich keinesfalls wie eine Ware behandeln lassen. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und setzte einen überlegenen Blick auf. "Gott wird mich beschützen", behauptete ich. Da lachte er auf. "Gott? Gott kann dich hier nicht hören. Du bist im Niemandsland. Dein Gott meidet diesen Ort. Du würdest elendig verrecken und das wäre wirklich schade. Also, setz dich, damit wir wie zivilisierte Menschen miteinander reden können."
 

Als ich immer noch keine Anstalten machte, sprang er auf und drückte mich selbst nach unten auf mein Sitzkissen. Ich wunderte mich über seine ungeheuren Kräfte. Er hatte mich nicht stark berührt, dennoch ging ich in die Knie. "So. Nachdem du wieder Platz genommen hast, lass mich dir erklären, was in Zukunft deine Aufgaben sein werden", sagte er und ein fieses Lächeln umspielte seinen schmalen Mund. "Du wirst mein persönlicher Diener sein. Das heißt, du wirst mir zur Verfügung stehen wann und wie ich es will." Ich wollte protestieren, doch er hob die Hand und ich schwieg. "Deine Dienste werden nicht schwer sein und wenn du dich gut anstellst, bin ich sicher, du wirst deinen Spaß daran haben. An mir soll es nicht liegen."

"Wie meint Ihr das?", fragte ich ihn.

Seine Stimme klang so schleimig als er antwortete: "Dein Körper gehört mir. Und ich werde dich nehmen. Mein Lager ist dein Lager."

"Niemals!" Das war das einzige Wort, das ich herausbrachte.
 

"Du hast doch nicht etwas zugestimmt, oder?", unterbrach ihn Gabriel erneut. Jérômes Gesicht wurde traurig.
 

"Er grinste damals nur und sagte dann: "Ich lasse dir genau zwei Möglichkeiten: Entweder du tust es freiwillig und hast sogar noch deine Freude daran oder ich lasse dich kastrieren und nehme dich trotzdem, wobei eine Kastration in deinem Alter noch schmerzhafter ist, als in jungen Jahren. Also, wie entscheidest du dich?"
 

"Also hast du von ihm das Zwei-Möglichkeiten-Spiel?", wollte Gabriel wissen. Jérôme nickte.
 

"In dieser Nacht wurde mein Keuschheitsgelübde gebrochen. Und es tat nicht wirklich gut. Um meinen Stolz zu brechen ließ er mich so wenig Spaß daran haben wie nur irgend möglich. Schmerzen wollte er mir nicht zufügen, oh nein, er wollte ja, dass ich weiterhin mit ihm schlief. Er nahm mich einfach, ohne mich groß vorzubereiten. Fiel einfach über mich her. Natürlich, er benutzte Öl, doch das war das einzige Zugeständnis. Lust empfand ich dabei keine. Es war so demütigend."
 

Jérôme schwieg eine Weile und Gabriel drängte ihn nicht. Er legte seine Arme um die Taille des Vampirs und streichelte sanft über seinen Rücken um ihm Trost zu spenden. Dieser beruhigte sich wieder ein wenig. Dann fuhr er fort.
 

"Fünf Jahre ging das so. Mit der Zeit brachte er mir alles bei. Wie man einem Mann Lust bereiten konnte, Stellungen rauf und runter, einfach alles. Er war ungemein zärtlich wenn er wollte. Er nannte mich seinen "Prinzen des Abendlandes". Das fand er wohl romantisch, ich hingegen fand es lächerlich, doch ich hütete mich, ihm das zu sagen. Irgendwann begann ich sogar, Lust dabei zu empfinden, wenn wir es taten, doch ich schämte mich dafür. Jedes Mal wenn er gegangen war, betete ich. Das Kreuz, das ich immer getragen hatte, hatte er mir gelassen, wohl, weil er es für lächerlich hielt, doch mir gab es Halt. Wir zogen durch die Wüste von Stadt zu Stadt, doch wenn wir in den Städten waren, wurde ich in einem Wagen eingeschlossen um nicht davonlaufen und mich zu meinen Brüdern flüchten zu können.
 

Eines Nachts, er hatte gerade seinen Höhepunkt erreicht und lag schwer atmend auf mir, da sagte er plötzlich: "Nun, mein Prinz. Wieder einmal hast du zwei Möglichkeiten."

'Was will er denn jetzt wieder?', fragte ich mich.

Er rollte sich von mir und stützte sich neben mir auf seinen Ellbogen. "Das war unsere beste Nacht bisher. Entweder ich töte dich jetzt gleich und du kannst deinem Gott, zu dem du immer betest, gegenüber treten als das, was du bist: Die wollüstige Hure eines Heiden, der du doch einmal ein Mann Gottes, ein Mönch warst. Oder…" Er grinste bösartig. "Oder was?", hakte ich nach. "Oder ich gebe dir das ewige Leben. Du wirst dich niemals Gott stellen müssen in deiner ganzen Unreinheit und deinem Schmutz. Entscheide dich."
 

Ich bekam Angst. Ich holte das Kreuz hervor und drückte es fest an mich. Ich wusste, was ich getan hatte, könnte selbst das Fegefeuer nicht mehr reinigen. Ich hatte eine der sieben Todsünden, die Wollust auf mich geladen, und nicht nur das. Ich war ein Mann, ein Mönch und ich hatte mich einem anderen Mann, einem Heiden hingegeben. All diese Sünden hatte ich auf mich geladen. Ich würde von einem Satan hinab gestoßen zum nächsten. Ich begann, zu schluchzen und trotz der Hitze in dem Zelt wurde mir eiskalt. In Gedanken begann ich mit dem Vaterunser, doch ich kam gerade zwei Zeilen weit. Ich konnte nicht mehr. Der Zweifel, den ich damals schon in Akkon gespürt hatte, hatte sich tief in mein Herz gefressen.
 

Ibliis spürte es. "Du hast dich entschieden", raunte er mir zu. Dann versenkte er seine Reißzähne in meinem Hals und trank mein Blut. Ich spürte, wie ich starb, doch er ließ es nicht zu. Er riss die Ader an seinem Handgelenk auf und gab mir zu trinken. Ehe ich mich versah, war ich zu einem Geschöpf der Nacht geworden. Dann ließ er mich allein. In der Kälte der Nacht weinte ich stille, heiße Tränen. Mein altes Leben war vorbei und mein neues hatte eben erst begonnen, doch ich wusste, ich hätte sterben sollen. Die Erlösung, nach der ich mich gesehnt hatte, würde ich nie mehr bekommen. Mein Weg ins Paradies war versperrt. In dieser Nacht war mein Glaube für immer zerbrochen." Für eine Weile verfiel der Vampir in Schweigen, doch schließlich, damit hatte Gabriel nicht gerechnet, sprach er weiter:
 

"Mein Elend wurde allerdings noch schlimmer. Nachdem ich erst einmal zum Vampir geworden war, war die logische Konsequenz, dass ich töten musste, um überleben zu können und das lehrte er mich gründlich. Ich fühlte mich schrecklich wenn ich getötet hatte und er ließ mich in Ruhe. Doch ich nahm meine Rache an ihm, indem ich mich ihm verweigerte. Immer wenn er kam, und versuchte, mir nahe zu kommen, wies ich ihn zurück. Das ging eine ganze Weile gut, doch dann, in einer Nacht, in der der Mond und die Sterne von Wolken verdeckt waren und ein eisiger Wind wehte, kam er zu mir und nahm mich einfach mit Gewalt.
 

Diesmal machte er sich nicht einmal die Mühe, Öl zu benutzen. Ich spürte, dass er mich verletzte als er gewaltsam in mich eindrang, spürte das Blut zwischen meinen Schenkeln, doch ich wusste, nachdem ich ein Vampir war, würden meine Wunden innerhalb kurzer Zeit heilen. Dennoch, der Schmerz zerriss mich. Niemals werde ich es vergessen. Immer und immer wieder rammte er sein Glied in mich. Ich war wie zerfetzt. Er tat es nicht nur, um Befriedigung zu erlangen, nein. Er wollte meinen Stolz brechen, mir meine Würde nehmen, wollte, dass ich ihn anflehte, aufzuhören, doch das tat ich nicht. Ebenso wenig schenkte ich ihm die Genugtuung, auch nur eine Träne zu vergießen. Nachdem er fertig war, verließ er mich ohne ein Wort zu sagen.
 

Danach verließ ich ihn. Quer durch die Wüste lief ich davon. In der nächsten Stadt versuchte ich nicht einmal, mit den Templern Kontakt aufzunehmen. Für die war ich tot, doch auch so hätte ich ihnen nicht mehr in die Augen sehen können. Ich heuerte auf einem Schiff an und kam irgendwie zurück nach Europa. Eine Weile irrte ich ziellos in Frankreich, England und anderen Ländern umher bis ich in die neue Welt kam. Aber wenn ich das jetzt auch noch erzähle, ertrinke ich noch wirklich in Depressionen."
 

"Musst du nicht", meinte Gabriel mitfühlend. "Was du mir erzählt hast, zeigt, dass du mir vertraust. Ich werde dich nicht mehr danach fragen. Es ist so schlimm, was dir angetan wurde. Ich wünschte, ich könnte es dich vergessen lassen…"

"Vielleicht werde ich es eines Tages vergessen. Aber im Moment reicht es mir, so hier mit dir zu sitzen. Weißt du, ich mag dich, Gabriel. Sehr sogar."

"Ich dich auch, irgendwie…", antwortete Gabriel und schmiegte sich an Jérômes Brust. Eine Zeit lang schwiegen sie beide.
 

Jérôme hatte geglaubt, er hätte es überwunden, doch es schien, dass er immer noch nicht darüber hinweg war. Wohl, weil er nie zuvor darüber gesprochen hatte. Hatte sich Gabriel schon so tief in sein Herz hineingebohrt, dass er ihm ohne zu zögern sein Innerstes offenbarte? Es schien so. Von Anfang an hatte es nie Geheimnisse zwischen ihnen gegeben, was das hier eindeutig von seinen bisherigen "Beziehungen" unterschied. Vielleicht war es deshalb so einfach gewesen. Eine gähnende Leere breitete sich in ihm aus, eine Traurigkeit, so tief, dass er glaubte, in ein endloses Loch zu fallen. Er brauchte jetzt Halt und… "Du, Gabriel?", fragte er vorsichtig. Dieser antwortete mit einem leisen "Hm?" "Darf ich…" Er stockte.

"Was denn?", hakte der junge Mann nach und legte den Kopf leicht nach hinten, um Jérôme ansehen zu können.

"Darf ich… dich küssen?"
 

Gabriel war verblüfft. Mit dieser Frage hätte er nicht gerechnet, doch Jérôme sah so verletzt aus und er hatte so schüchtern gefragt. Aus Gründen, die er selbst nicht ganz verstand, antwortete er einfach: "Okay."

"Okay?", wiederholte der Blondschopf fassungslos. Gabriel nickte nur und schloss erwartungsvoll die Augen.
 

Eine schier endlose Zeit schien zu vergehen, doch dann spürte er die warmen, sinnlichen Lippen des Vampirs auf seinen. Er zog erst einmal scharf den Atem ein, doch Jérôme war so zärtlich, ja fast schüchtern, dass er sich wieder entspannte. Leicht erwiderte er den sanften Druck. Jérôme zog ihn fest an sich und leckte zaghaft über seine Lippen.
 

Es hätte noch viel leidenschaftlicher werden können, hätte nicht in diesem Moment das Telefon geklingelt und den verzauberten Gabriel in die Wirklichkeit zurückgeholt. Er schob Jérôme von sich und starrte ihn fassungslos an.

"Lass es einfach klingeln", schlug der Vampir vor und wollte sich wieder zu ihm hinunter beugen, doch Gabriel antwortete nur: "Nichts da", und schnappte sich das Mobiltelefon vom Tisch.
 

Als er abhob, drang ihm sofort eine nur allzu vertraute Stimme ans Ohr.

"Hallo, Brüderchen! Na, wie geht's uns denn?", fragte die fröhliche Stimme einer Frau.

"Hi, Vivi. Bei mir ist alles senkrecht und bei dir?"

"Mein Gott, du keuchst ja als hättest du einen Marathon hinter dir. Oder war das etwa eine Frau? Oh nein, ich hab doch nicht gestört, oder?" Gabriel sah ihr Gesicht förmlich vor sich. Eine Mischung aus Schock und Neugierde.

"Aber nein. Was gibt's denn so spät, Schwesterchen?"

"Oh, ich bin gerade in der Stadt und wollte wissen, ob du morgen schon was vor hast. Ich muss dir nämlich was Wichtiges sagen." Sie kicherte wie ein kleines Mädchen.

"Trifft sich gut. Ich glaube, ich muss dir auch was sagen."

"Klasse. Dann sehen wir uns, sagen wir um acht bei Tino?"

"Ja, klar. Acht ist gut. Ich hab morgen Abend frei, aber ich glaube nicht, dass es den guten Tino stört, wenn ich auch neben der Arbeitszeit rein schneie."

"Glaub ich auch. Also dann, bis morgen. Ach ja, und sieh zu, dass du mal wieder etwas positive Energie tankst bevor du kommst. Letztes Mal hast du meinen ganzen Energiefluss durcheinander gebracht mit deiner miesen Aura."

"Ist gut, ich werd' s versuchen. Bis morgen. Bye."

"Bye, Schätzchen." Sie schickte ihm noch einen Kuss durchs Telefon und legte auf.
 

"Wer war das denn?", wollte Jérôme wissen und schaute beleidigt.

"Meine Schwester", antwortete Gabriel. "Sie möchte sich mit mir treffen."

"Dann wird das für mich wohl 'ne ziemlich langweilige Nacht."

"Warum denn? Eigentlich wollte ich dich fragen, ob du mitkommen willst. Ich würde sie dir nämlich gerne vorstellen."

"Echt? Du willst mich deiner Schwester vorstellen? Holla, das wird ja richtig ernst zwischen uns", meinte Jérôme übermütig.

"Wo wir gerade davon reden", sagte Gabriel ernst. "Das gerade eben, dieser Kuss. So was wird nicht mehr passieren, klar? Es war eine einmalige Ausnahme, also bild' dir nichts darauf ein. Ich war nicht ganz Herr meiner Sinne."

"Ich hatte nicht den Eindruck als ob es dir nicht gefallen hätte…", grinste der Vampir.

"Wie ich schon sagte, es wird keine Gelegenheit mehr geben, das herauszufinden. Ich gehe jetzt schlafen. Gute Nacht." Er schnappte sich seine Decke und verschwand im Schlafzimmer wo er die Tür hinter sich zuknallte.

"Wollen wir wetten?", fragte Jérôme leise und grinste in sich hinein.
 

+++++++++++++++
 

So, ein bisschen was aus Jérômes Vergangenheit.
 

Noch eine kleine Info am Ende: Ich hab nichts gegen Muslime oder Menschen aus der arabischen Welt. (Obwohl Ibliis eigentlich kein richtiger Moslem ist... Nicht so wirklich zumindest. Der glaubt an gar nichts.) Aber in Zeiten von Krieg gegen den Terror muss man das einfach mal sagen.
 

Im Übrigen bin ich IMMER für Kommis dankbar. ^^
 

Bis zum nächsten Chap



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Kommentare zu diesem Kapitel (9)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Ciura
2008-08-24T08:38:27+00:00 24.08.2008 10:38
woaaaaaaaa...
*das kapi anglubsch*
hilfe... *Drop*
das ist jawohl mal ziemlich viel info jetzt XD"
ich find du hast es gut rüber gebracht.. aber hin und wieder störts mich an der erzählung das jerome so.. alt? beschreibt? *drop* naja, vllt hast du das ja extra gemacht, weil der ja an sich auch ne alte sprache haben müsste, bei seinem alter...
das was mich dann noch gestört hätte, wäre, dass er einfach gleich soviel erzählt hat... ich mein, wer erzählt denn einem ingewisser weise 'fremden' einfach alles von sich selbst und zwar ziemlich detailliert! und insbesondere müsste er sich an verschiedenen teile gar nicht mehr so genau erinnern können?
naja egal *drop* *lach* ich hoffe ich hab jetzt nicht zuviel kritisiert, das kapitel ist nämlich trotzdem super geworden!
Von:  silvermoonstini
2008-02-16T01:41:50+00:00 16.02.2008 02:41
Armer Jérôme! Was der schon so alles erlebt hat udn da war ja anscheinend noch mehr....Der arme! *Jérôme tröst* Gabriel ist ja auch fies erst lässt er sich küssen und dann sagt er "nie wieder", erst Jérôme gierig machen und dann das...
Von: abgemeldet
2007-08-01T17:15:55+00:00 01.08.2007 19:15
*vorm pc kleb*
*aufn bildschirm starr*
...
oh, schon zu ende...?
WEITERSCHREIBEN!
Von:  YuMorino
2007-07-01T18:28:48+00:00 01.07.2007 20:28
Hi!!^^
danke für deine ens!!!^^
das kapi war einfach nur super!!
ich will...ich brauche mehr!!*süchtig sei*
seine geschichte war so traurig und das war so super gut beschrieben!!
das ende war auch super ich bin gespannt ob er ihm wirklich wiederstehen kann und wie seine schwester ausssieht!!^^
hoffe du schreibst schnell weiter!!^^
bis dann yu


Von: abgemeldet
2007-06-30T12:04:50+00:00 30.06.2007 14:04
cool^^ der schluss war ja süß ^^
cooles kappi^^ war interessant ma zu hören wie er so zum vampir wurde un so... naja, der arme tut mir voll leid -.-
bin ja ma auf gabriels schwester gespannt^^ die hört sich voll goldig an XD
naja, schreibsel ma schon weiter
glg
Awis
Von:  BLVCKMORAL
2007-06-30T10:52:00+00:00 30.06.2007 12:52
Ui ô,o
das Kapitel war super
so viel Infos auf einmal eh xD
man der Typ hat aber auch ne schlimme Vergangenheit -.-
hast aber auch super Einfälle xD
hah der Satz am Ende war ja mal geil XD!
Man ich kann mir schon irgendwie vorstellen was
da demnächst noch passieren wird xD
woah freu mich jetzt schon total aufs nächste Kapitel

Von:  jean1384
2007-06-29T19:48:16+00:00 29.06.2007 21:48
klasse ksp schreib schnell weiter schick mir doch bitte ne ens wenns weiter geht
Von:  KillaKyo
2007-06-29T18:42:08+00:00 29.06.2007 20:42
awwwwwwwwww
rape

füa misch
:3
*anluv*

du bist soooooooo tollig..
*das schon 1000Mal gesagt hat*
moumou
die sind knuffisch
ich will meaaaaaaaaaa
*süchtig ist*
ich würd dir ja gerne geistreiche Kommentare dalassen aber irgendwie...
schwanke ich beim lesen immer zwischen Quietschen und heulen..
und dann kann ich mir nie merken was ich eigentlich schreiben wollte
oO
vergib mir..
abaaa

danach machsu weita ^^
ja?
*anbambi*
hach... du Flauschi
<3
Von:  -hEtAnA-
2007-06-29T16:40:19+00:00 29.06.2007 18:40
Ich liebe deine Charaktere. ^^ Die sind so individuell.
Jeder einzelne ist faszinierend auf seine Art.
Ich will mehr lesen. Bekomm einfach nicht genug von deinen
Geschichten.
Hoffe doch es geht bald weiter.


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