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Es steht geschrieben

von

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Der Brief

Der Brief war an den Ecken geknickt und übersät mit braunen Flecken, die von seiner langen Reise stammten. Der Bote hatte sich beeilt ihn hierher zu bringen und dabei sogar sein Pferd zu Tode geritten. Elisabeth hatte vom Fenster aus sehen können, wie das arme Tier qualvoll zusammengebrochen war und nun stand sie in ihrem Schlafzimmer und hielt die Nachricht in ihren zitternden Händen. Ihre Finger fuhren über das Siegelwachs mit dem Familienwappen. Eine Nachricht ihres Vaters.

Unruhig begann Elisabeth auf und ab zu gehen. Ihr Vater war kein großer Freund von Papier und Feder, auch lagen ihm große Worte nicht. Er war Major, er musste Befehle nur brüllen und nicht schmuckvoll verpacken. Konversationen waren nicht seine Stärke, auch vermied er es mit seiner Tochter zu reden. Sie wäre ihm zu ungestüm und eigensinnig, hatte er Elisabeth vor seiner Abreise beschrieben, es würde schwer werden einen Mann für sie zu finden.

Der Brief wurde gegen das gepuderte Kinn der jungen Dame getippt, bevor ihre Augen ihn noch einmal genau musterten. Elisabeth war unschlüssig, ob sie ihn öffnen sollte. Ihre Neugier war groß, aber sie war nicht dumm. Sie ahnte, welche wichtige Nachricht ihr Vater geschrieben hatte.

Energisch marschierte sie zu ihrem Sekretär, riss den Stuhl zurück und ließ sich darauf nieder. Den Brief warf sie auf die Arbeitsfläche und ertappte sich kurz darauf dabei, wie sie mit den polierten Fingernägeln auf dem Siegelwachs trommelte.

Es war eine Grenze, die Elisabeth nicht überschreiten wollte. Das Rot hielt Worte verschlossen, die sie sich denken konnte, aber noch nicht lesen wollte. Jetzt noch nicht. Die Reste ihres kindlichen Verstandes bildeten sich noch ein, dass nichts passieren würde, solange dieses Wachs nicht zerbrechen würde. Die Majorstochter hingegen wusste zu genau, dass das dumme Gedanken waren. In ein paar Tagen würde ihr Vater zurück kommen, samt Bräutigam, und dann war es egal, ob das Siegel noch intakt war oder nicht.

Resignierend seufzte die junge Dame, bevor sie den Brief in eine der Schubladen legte. Sie wagte es sogar sich ein verschmitztes Lächeln zu gönnen. Wenigstens bis zur Rückkehr des Majors wollte sie in verlogener Unwissenheit die Reste der Kindheit genießen.

Ein letzter Blick auf das rote Siegel, dann schloss Elisabeth die Schublade. Noch wollte sie sich dem Gedanken hingeben, dass sich nichts ändern würde, solange das Wachs ungebrochen war und die verborgenen Worte ungelesen blieben.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  SweeneyLestrange
2008-01-29T18:42:06+00:00 29.01.2008 19:42
Wahnsinn.
Wirklich toll. Dieser Moment beschreibt dieses man-weiß-zwar-was-es-ist-aber-solange-man-es-noch-nicht-gesehen-hat-kann-man-sich-in-Unwissenheit-wi​egen wirklich wundervoll.

lg -Hakura
Von:  Mikmo
2007-11-11T20:39:32+00:00 11.11.2007 21:39
auf alle fälle weiterschreiben ;___;
Von: abgemeldet
2007-11-07T18:39:55+00:00 07.11.2007 19:39

Ich spreche jetzt mal aus, was dem einen oder anderem Leser bestimmt auch schon mal durch den Kopf gegangen ist:

Hast du schon mal ernsthaft darüber gedacht, eine Geschichte zu schreiben und sie probehalber an einem waschechten Verlag zu schicken?

Es wäre eine Schande, wenn du es nicht tun würdest. Darüber nachzudenken.
Von:  Satnel
2007-11-05T11:15:00+00:00 05.11.2007 12:15
Ich mag die Story.
Erinnert mich an mich selbst. Solange ich etwas nicht sehe passierte es auch nicht.^^
Vor allem ist das Thema gut getroffen. Es wird kurz erwähnt und damit ist den Teilnahmebedingungen Genüge getan. ^^ Ich hab mir endlos den Kopf darüber zerbrochen.

Lg Satnel


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