Zum Inhalt der Seite

Final Fantasy X-3

Rebirth of the Spirits
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Journey To The Farplane

Fassungslos starrte Wakka auf die Stelle, wo vor wenigen Minuten noch sein Freund gestanden hatte. Doch jetzt war er weg, fort... er selbst befand sich alleine am Rand dieser verdammten Schlucht.

Yuna und Lulu waren ebenfalls nicht mehr hier. Sie wollten Brüderchen mit der Celsius holen, um ihn von diesem Vorsprung herunterzubekommen. Seymors Zauber hatte nämlich ganze Arbeit geleistet und den Gang, durch den Tidus und er gekommen waren, verschüttet.

Und auch wenn ihn das im Moment herzlich wenig interessierte, musste er schließlich irgendwie hier weg...

Yuna hatte nicht gut ausgesehen. Sie hatte nichts weiter getan, nicht geschrien, soweit er es von hier aus beurteilen konnte, auch nicht geweint, sich kaum gerührt. Sie hatte nur in den Abgrund gestarrt. Es hatte eine Weile gedauert, bis Lulu schließlich den Arm um sie gelegt und sie den Felsweg zurück geführt hatte.

Wakka wusste nicht was er davon halten sollte. Unwillkürlich fragte er sich, wie Lulu reagiert hätte... oder er selbst, wenn seine Frau...

Er brach ab, wollte sich weiteres nicht einmal vorstellen und das musste er auch nicht... ihm war derartiges schließlich nicht geschehen.

Yuna jedoch passierte es schon zum zweiten Mal. Warum nur?

Sie und Tidus hatten es verdient, glücklich zu sein. Warum passierten solche Dinge?

Tidus war weg! Für immer?

Durch den Aufruf der Bestia war er verschwunden.

Das war ihm klar, doch genau wie damals konnte er sich nicht vorstellen, dass er ihn nie wiedersehen würde. Zudem gab es noch mehr Asthra, wieso also gerade jetzt?

Was war mit ihm geschehen? Wieso konnte er überhaupt beschwören? Wo war er jetzt?

Wakka stellte sich eine Frage nach der anderen und konnte keine von ihnen beantworten. Er dachte immer weiter über sie nach, bis ihm klar wurde, dass er nur nach einer Möglichkeit suchte, einem Hinweis darauf, dass Tidus nicht fort war und wo sie ihn wiederfinden könnten, wie damals...

Und wenn es eine solche Möglichkeit nicht gab? Wenn er tatsächlich weg war, für immer. Er konnte sich mit dem Gedanken nicht anfreunden.

Wenn er schon so an seinem Freund hing, wie musste es dann Yuna gehen?

Sie liebte ihn! Sie hatte ihn schon immer geliebt, das war deutlich zu spüren gewesen.

Dennoch hatte sie sich vor vier Jahren, nachdem er verschwunden war, auch wieder aufraffen können und war wieder fröhlich geworden. Nicht ganz sie selbst, aber dennoch fröhlich und schließlich hatte sie ihn wiedergefunden... und nun wieder verloren.

Würde sie ein zweites Mal die Kraft dazu haben, einfach weiterzuleben?

Wakka setzte sich auf den Boden. Er streckte sich kurz nach vorne, um einen Blick auf den Abgrund zu erhaschen. Yunas Erlebnissen zufolge war dies einer der Wege ins Abyssum. Ob Tidus wohl dort war? Schließlich waren die Illumina dort hinein geschwebt, überhaupt gingen die Seelen aller Verstorbenen dort hin.

Nur...

Tidus war nicht gestorben. Er war nicht tot... er war einfach weg!

Nur ein Traum der Asthra, der verschwunden war, als eben diese aufgehört hatten zu träumen, nachdem [Sin] besiegt worden war, nachdem sie nicht mehr gebraucht wurden, nachdem sie alle endlich Ruhe finden konnten. So hatte Tidus sich ihm damals erklärt, als er zurückgekommen war. Wie hatte er zurückkommen können?

Das hatte Wakka ihn damals auch gefragt. Als Antwort hatte er jedoch nur ein Grinsen seitens Tidus erhalten und die Aussage, dass er seine Rückkehr wohl den Asthra zu verdanken hatte. Schließlich sei es eine von ihnen gewesen, die Yuna gefragt hatte, ob sie ihn wiedersehen wolle...

Er hatte es nicht gewusst.

Er nicht und Yuna ebensowenig... oder sie hatten ihm nichts sagen wollen. Doch welchen Grund könnten sie haben, ihm eine solche Information vorzuenthalten?

Tidus konnte er schlecht danach fragen und Yuna... sie war bestimmt im Moment nicht dazu aufgelegt, mit ihm über derartiges zu sprechen. Allerdings ging es bei dem Ganzen doch darum irgendwie auf eine Möglichkeit zu stoßen, Tidus wiederzubekommen. Wakka nahm sich vor, mit ihr zu reden, wenn auch nicht sofort.

Sie würden schon eine Lösung finden... es musste doch irgendetwas geben, dass sie tun konnten, außer herumzusitzen und abzuwarten.

Das Geräusch eines Motors ließ Wakka aufspringen und nach oben sehen. Die Celsius flog über dem Abgrund, näherte sich seinem Vorsprung und schwebte schließlich direkt vor ihm.

Lulu war auf dem Außendeck.

„Wakka, komm hier rüber. Wir kommen nicht dichter heran, aber du müsstest hinüberspringen können!“

Er warf einen weiteren Blick in den Abgrund, fixierte dann jedoch das Flugschiff. Lulu hatte Recht. Der Abstand betrug gerade mal zwei Meter. Auch wenn er nicht viel Platz zu Anlaufen hatte, dürfte das keine Herausforderung werden.

Wakka machte sich bereit, lief an und sprang.

Er kam etwas unglücklich auf der nun doch schwankenden Celsius auf und purzelte über den Boden, vom Abgrund weg. Lulu half ihm hoch. Sie sah ihn ernst an.

„So schlimm?“

Sie nickte bedächtig.

„Sie hat kein Wort gesagt, überhaupt nicht auf mich reagiert. Wir sollten ihr Zeit lassen.“

Wakka nickte und behielt all seine Fragen und Vermutungen, um die sich seine Gedanken noch immer drehten, für sich. Zusammen gingen sie ins Innere des Flugschiffes.
 

***
 

Rikku hatte sich feiern lassen, wie geplant. Seit dem Blitzballspiel war sie von Fans umringt gewesen, die sie in verschiedene Bars geschleift hatten und ihr ein Getränk nach dem anderen ausgaben.

Seit einiger Zeit war auch Leylis mit von der Partie, was dieser jedoch sichtlich unangenehm war. Sie schien so viel Aufmerksamkeit nicht gewohnt zu sein, war bescheiden und vorsichtig mit dem, was sie sagte. Rikku hingegen lachte viel und machte ihrerseits Witze.

Fröhlich und ein wenig aufgedreht, so würde sie jemand in diesem Augenblick wohl beschreiben. Rikku grinste kühl bei dem Gedanken daran. Die einzige echte Mimik, die ihr zur Zeit abzuringen war.

Wo zum Teufel steckten Yuna, Tidus, Wakka, Lulu und Brüderchen nur?

Sie hatten ihr versprochen, sich zu melden, sobald sie eine Möglichkeit dazu fanden. Nun waren sie schon über zweieinhalb Stunden unterwegs. Das dauerte ihr alles zu lange!

War etwas passiert? Wenn ja, was?

Rikku umklammerte das Mini-Sphärofon in ihrer Gürteltasche, nach welchem sie immer wieder ihre Hand ausstreckte.

„Meldet euch!“, wisperte sie.

Doch nichts passierte.

Auch von Gippel hatte sie keine weitere Mitteilung erhalten. Hoffentlich war er vernünftig genug, in Raes Cuhha zu warten... bis Yuna und die anderen mit einem ausführlichen Bericht zurückkamen.

„Ist das nach einem Spiel immer so?“

Leylis besah sich mit fragendem Blick einen Typen, der ihr vom anderen Ende der Bar aus zuwinkte.

„Jep, wirst dich dran gewöhnen müssen.“, antwortete Rikku lachend.

Leylis wusste nichts vom Ernst der Lage... falls sie wirklich so ernst war, wie sie im Moment befürchtete. Anders als Rikku hatte sie nämlich den entscheidenden Auslöser, Rikkus piependes Sphärofon verschlafen und hatte von ihr nur die Kurzfassung erfahren...

Gippel hat sich gemeldet - Lager in der Stillen Ebene – Yuni und Co sind hingeflogen – Kommen bald wieder.

Klang ansich schließlich auch nicht bedrohlich. Dennoch... irgendwie hatte sie ein schlechtes Gefühl bei der Sache.

Ein Geräusch, das an einen pfeifenden Wasserkessel erinnerte, zwang Rikku, ihren halbherzigen Smalltalk mit einem gutaussehenden Al Bhed zu unterbrechen.

Hastig zog sie ihre Hand, die sich immer noch um das Mini-Sphärofon schloss, aus ihrer Tasche und schaute auf das Display.

„Rikku?“

Gippel blickte ihr in Miniaturform entgegen.

„Hi! Wie sieht's aus?“

Er sah nicht unbedingt unglücklich aus, doch schien ihn irgendetwas zu bedrücken.

„Gippel, Fyc ecd bycceand?“

Sie sah ihn auffordernd an und schließlich nickte Gippel leicht.

„Hih... fen rypih tea ryahtman kavihtah.“

„Und..?“

Gippel räusperte sich.

„Dud... bis auf zwei, die uns aber nichts sagen wollen.“

Rikku verkrampfte sich.

„Fea?!“

„Jemand scheint uns zuvor gekommen zu sein. Cea rypih ac helrd pec win Cdemmah Apaha kaclryvvd.“

„Danke für die Nachricht.“

Gippel nickte erneut und lief dann aus ihrem Bild.

Rikku seufzte und ging dann den Typen links und rechts bedeutsame Blicke zuwerfend aus der Bar.

Leylis rief sie im Vorübergehen noch zu, sie müsse für eine Weile an die frische Luft.

Draußen ließ sie den Wind durch ihre Haare wehen. Es war ruhiger hier, so ruhig wie es in Luca sein konnte.

Ein erneutes Fiepsen aus ihrer Gürteltasche veranlasste sie, das Sphärofon wieder hervorzukramen.

Es war Wakka.

Schon an seinem Gesichtsausdruck war zu erkennen, dass etwas passiert sein musste. Rikku schluckte innerlich. Warum musste sie mit sowas Recht haben.

„Erzähl schon!“, forderte sie ihren rothaarigen Freund auf.

Nach kurzem Zögern seinerseits, erfuhr Rikku den Grund für seine Stimmung.

Sie ließ ihn ausreden, stellte nicht eine Zwischenfrage.

„Rikku?“

Es hörte sich an, als wollte er sich vergewissern, dass sie noch da war, dass sie alles gehört hatte und er nichts wiederholen musste.

„Das glaube ich nicht!“

Sie ließ sich auf dem steinernen Geländer einer Treppe nieder.

Es war keine Sache, ob sie Wakka vertraute oder nicht. Auf den Gedanken, dass er sie anlügen würde, wäre sie nie gekommen. Hier ging es weniger um Glaube als um Verständnis...

„Er kann nicht einfach weg sein! Wir werden ihn schon finden!“

Wakka lächelte ihr müde zu.

„Sicher... aber wo anfangen?“

Sie setzte schon zu einer Antwort an, doch ein Blick in sein Gesicht zeigte ihr, dass er sich wahrscheinlich ebenso den Kopf darüber zerbrochen hatte, wie sie im Moment.

Lange Zeit schwiegen sie sich an.

„Yuna..?“

Rikku war unfähig, die Frage ganz auszuformulieren, doch Wakka schien zu verstehen.

„Sie zeigt nach außen nichts. Doch gerade das macht mir Sorgen. Wer weiß, wie es in ihrem Inneren aussieht.“

„Wo seid ihr?“, fragte Rikku schon wieder direkt vor dem Eingang der Bar.

„In kürzester Zeit bei Rin in der Mi'hen Straße.“

„Ich komm hin!“

Rikku winkte kurz zum Sphärofon, stopfte es dann zurück in die Tasche und stürmte in das Gebäude, um Leylis mitzunehmen.

Drinnen rief sie ein paar sinnlose Entschuldigungen, von wegen ihr sei etwas dazwischengekommen und sie würde ja wirklich gerne bleiben, aber man würde sich ja nach dem nächsten Spiel wiedertreffen und alles nachholen und so weiter.

An ihrem Ziel angekommen, rettete sie Leylis vor einem schon nicht mehr ganz nüchternem Fan, der sich an sie heranschmiss, und zerrte sie aus der Bar Richtung der Grenze Lucas.

Kurz darauf rannte sie die Mi'hen Straße entlang und zog Leylis weiterhin mit sich. Sie hatte nur eine knappe Erklärung von sich gegeben und achtete nicht auf das Schnaufen der Beschwörerin.

Im Moment wollte sie nur so schnell wie möglich zu ihrer Cousine... zu Yuna.
 

***
 

Die Celsius setzte gerade zur Landung an. Im Moment schwebte sie noch über der freien Fläche vor Rins Reisebedarf, doch sie kam dem Erdboden stetig näher.

Yuna sah aus dem Fenster, sie konnte immer mehr Einzelheiten erkennen.

Niemand sprach ein Wort.

Brüderchen steuerte das Flugschiff und konnte sich im Moment nicht zu jemandem umdrehen, auch wenn ihm anzusehen war, dass er genau das wahrscheinlich liebend gern getan hätte.

Lulu war inzwischen auch still geworden. Anfangs hatte sie noch versucht, sich mit ihr zu unterhalten, es dann aber schnell aufgegeben, worüber Yuna eigentlich auch ganz froh war.

Als letzter im Bunde hatte Wakka über die Sphärofone mit mehreren Leuten geredet und schien nun nicht recht zu wissen, ob er ein Gespräch anfangen sollte, und wenn ja wie.

Yuna wusste nicht, wem er etwas von ihrer „Entdeckung“, von ihren „Problemen“ erzählt hatte.

Es war ihr egal.

Zumindest zur Zeit interessierte es sie nicht, was andere Leute dachten, taten oder sich wünschten. Für diesen einzigen Moment waren die Gefühle und Gedanken anderer für sie zweitrangig.

Sie selbst hatte ein Problem, auf das sie keine Antwort wusste, bei dem sie bezweifelte, dass irgendwer ihr eine Antwort geben könnte.

Das Flugschiff setzte auf dem Boden auf.

Yuna ging langsam Richtung des Fahrstuhls. Sie spürte, wie ihre Freunde sie anschauten. Sicherlich fragten die sich, wie sie sich fühlte, wollten ihr helfen, doch ihr war derzeitig noch nicht einmal klar, was sie fühlte, was sie fühlen sollte und erst recht nicht, was die anderen bei ihr an Gefühlen vermuteten.

Sie wich den Blicken aus und schritt voran, betrat den Fahrstuhl als erste und fand sich auch als erstes außerhalb der Celsius wieder. Yuna atmete die frische Luft ein.

Rin kam ihr bereits entgegen.

„Ein so schnelles Wiedersehen hatte ich nicht erwartet, was ist denn genau passiert?“

Yuna sagte nichts, immer noch nicht. Bevor sie überhaupt dazu kam, den Mund aufzumachen, nahm Lulu den Besitzer des Reisebedarfs zur Seite, wohl um ihm ihre Situation zu erklären...

„Yuna?“

Brüderchens Stimme hatte einen fragenden Unterton.

Sie sah ihn an, nur kurz, dann lief sie auf das Gebäude des Reisebedarfs zu.

Sie war gemein, sie machte ihnen Sorgen, sie ließ sie nicht helfen, es war ihr bewusst, doch konnte sie im Moment kaum einen klaren Gedanken fassen.

Fort... Er war weg. Tidus... weg.

Sollte sie jetzt traurig sein, weil sie ihn verloren hatte, wütend weil Seymor ihn ihr genommen hatte oder enttäuscht und verzweifelt, weil er sein Versprechen gebrochen und sie alleine gelassen hatte?

Es schienen ihr zuviele verschiedene Gefühle zu sein, als dass sie sich für eines entscheiden konnte.

Sie fühlte sich zerrissen.

Was sollte sie tun? Was konnte sie tun?

Nichts.

Sie war nicht in der Lage, etwas für ihn zu tun, er war fort... das war es, was sie fühlte... Leere.

Direkt vor dem Eingang des Reisebedarfs blieb sie stehen.

„Yuna!“

Sie drehte sich langsam um. Es war das erste Mal, seit ihrem Kampf mit Seymor, dass sie eine fest entschlossene Stimme hörte, ohne Unterton, ohne Vorsicht und Rücksicht auf sie.

Rikku stand völlig außer Atem vor ihr, sah ihr einmal in die Augen und stürzte sich dann auf sie.

Yuna fand sich in einer erdrückenden Umarmung wieder, die erst nach Minuten abebbte.

„Wakka hat mir erzählt, was passiert ist.“

Yuna nickte. Natürlich, der hatte schließlich fast den ganzen Rückflug über vor den Sphärofonen gesessen.

„Lass uns reingehen...“

Yuna sprach langsam, doch klangen ihre eigenen Worte in ihren Ohren so unruhig wie noch nie.

Zusammen mit Rikku betrat sie das Gebäude und beide machten sich sofort auf den Weg in ein Gästezimmer, dass Yuna beziehen wollte. Undeutlich nahm sie wahr, dass auch Lulu, Wakka, Brüderchen, Rin und Leylis, welche ziemlich erschöpft aussah, hinter ihnen den Reisebedarf betreten hatten.

Schnell hatten sie ein Zimmer gefunden. Yuna lief kurz zum Fenster und sah hinaus, der Tag neigte sich langsam dem Abend zu. In ein paar Stunden würde die Sonne untergehen.

„Yuna, ich weiß, die Frage ist bescheuert, aber... wie geht es dir?“

Rikku hatte sich neben sie gestellt und auch in ihren Augen war Sorge zu erkennen, etwas, das nicht zu ihr passte...

„Sei mir nicht böse, Rikku... aber das muss mir erst einmal selbst klar werden. Lass mich bitte allein!“

Sie nickte kurz und schien ihren Vorschlag zu verstehen.

„Wenn du deine Ruhe möchtest, dann bitte... ich versteh es, wenn du allein sein möchtest, aber ruf mich, wenn du mich brauchst.“

„Mach ich.“

Sie ging zur Tür, drehte sich noch einmal um, dann schritt sie hinaus und schloss die Tür hinter sich.

Yuna ließ sich auf ihrem Bett nieder.

Sie war allein... und schlagartig war ihr die Leere wieder bewusster.

Sie starrte in den Raum hinein, ohne an irgendetwas zu denken oder etwas wahrzunehmen.

Es klopfte an der Tür... dreimal, erst zögerlich, dann entschlossener. Das war das erste, was Yuna wieder bemerkte.

Schließlich öffnete sich die Tür noch bevor sie etwas sagen konnte.
 

***
 

Der Macalania Wald hatte sich in den letzten paar Jahren stark verändert. Ihm schien der Lebenswille abhanden gekommen zu sein und niemand wusste, was man dagegen unternehmen sollte. Die Bäume hatten ihren früheren Glanz eingebüßt und färbten sich immer mehr Richtung grau. Die Kristallpfade waren zerbrochen und nun lagen tausende kleiner schimmernder Splitter auf dem Waldboden.

An einigen Stellen waren Pflanzen aus unerfindlichen Gründen kristallisiert und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sie ebenso wie die Kristallwege zersplittern würden.

Schmetterlinge gab es in dem Wald schon lange keine mehr, weder magische noch normale.

Er erinnerte sich daran, wie er sie einst gefangen hatte...

Einzig den Monstern schien der Wald noch zu gefallen, obwohl auch sie weniger geworden waren. Neben ihnen kam kaum noch jemand hierher, der es nicht musste.

Langsam schritt er den Weg entlang, der ihm so vertraut war.

Obwohl ihn der Zustand des Waldes jedes Mal erschreckte, war er einer der Ausnahmen, die gerne hierher kamen.

Seine Schritte führten ihn zu einem Ort, der ihm vertrauter war, als alle anderen. Mit jeder Bewegung vorwärts schwand mehr und mehr seines Umfeldes. Er sah den Macalania Wald so wie er einst ausgesehen hatte, vor vier Jahren, vor dem Sieg über [Sin].

Er blieb stehen.

Der Wald sah wieder so aus, wie er sich innerhalb der letzten Zeit verändert hatte. Und er schrie, der Wald schrie um Hilfe, machte ihm klar, dass es ihm nicht bestimmt sei, so zu enden.

Er konnte es hören.

Aber er wusste nicht, was er tun konnte... Dann war es wieder weg. Um sich blickend erkannte er mit einem Lächeln, dass er genau dort gelandet war, wohin er schon seit Betreten des Waldes hatte gehen wollen.

Vor ihm lag die Sphäroidenquelle des Macalania Waldes.

Nun ja, eigentlich war sie eine der beiden Quellen, doch für ihn war dies die eine, ein Ort, der schon immer etwas Besonderes für ihn gewesen war.

Die Sphäroquelle war noch nicht versiegt, obwohl sie längst nicht mehr so schön schimmerte wie in seiner Erinnerung...

Auch hier war der Untergang des Waldes zu spüren, Bäume, die ihre Farbe verloren, kristallene Pflanzen und Splitter bereits zerbrochener.

Dennoch fühlte er sich hier wohl in der Stille des Waldes und an diesem Ort.

Er stieg bis zu Hüfte in das Gemisch aus Wasser und Sphäromasse, dann fragte er sich kurz, ob er sich einfach in der Quelle treiben lassen sollte, um alles um ihn herum zu vergessen...

Er entschied sich dagegen. Im Moment schien es ihm wichtiger im Hier und Jetzt zu bleiben und sich nicht den Träumereien längst vergangener doch nicht vergessener Tage hinzugeben.

So ließ er sich auf einem kristallsplitterfreien Teil des Ufers nieder und blickte zum Himmel hinauf.

Es war spät geworden, der Mond war hervorgekommen. Obwohl es in dem Macalania Wald nie besonders hell war, wenn man nicht gerade an einer Reihe zersplitterter Kristallbäume vorbeikam, so übte er während der Dämmerung und besonders in der Nacht einen noch größeren Reiz auf ihn aus.

Wenn der Wald irgendwann nicht mehr existierte und das war, so wie es im Moment aussah, nur noch eine Frage der Zeit, dann würde er dieses Gefühl sicherlich vermissen wie einen guten Freund... ein Freund der um Hilfe schrie und er schien der einzige zu sein, der es hören konnte.

War es nicht seine Pflicht, etwas zu unternehmen?

Doch er wusste nicht was... Wie half man einem Wald, der ohne sichtbaren Einfluss sein Leben verlor?

Während er die Sphäroquelle betrachtete kam das Gefühl des Wohlbefindens zurück. Auch wenn die Bäume schwanden, die Quelle irgendwann nicht mehr da sein würde und es hier am Tag so hell wie in der Wüste wäre, der Zauber dieses Ortes würde für ihn nie vergehen...

Schließlich ließ es sich doch ins Wassergemisch gleiten, spürte die kühle, reine, sanfte Flüssigkeit um seinen Körper und ließ sich von ihr in die Quelle hineinziehen.

Er trieb im Wasser, dachte an nichts mehr, vergaß alles um sich herum.
 

***
 

Rikku stand im Türloch.

„Ich hatte das Gefühl, als ob du nicht wirklich allein sein wolltest...“

Yuna nickte.

Fast schon erleichtert schloss Rikku die Tür, ging auf sie zu und setzte sich neben sie auf die Bettkante. Sie hatte ihre Cousine von Anfang an nicht allein lassen wollen, aber aufdringlich zu sein war genauso wenig ihr Ziel.

„Möchtest du reden?“

Sie schüttelte den Kopf.

Rikku legte einen Arm um sie. Lange Zeit saßen sie einfach nur da und schwiegen. Rikku brach das Schweigen nicht, obwohl sie es nur allzu gerne getan hätte. Yuna musste sich doch irgendwie aussprechen, sich jemandem anvertrauen. Sie war so verdammt still...

„Er hatte mir versprochen, es nicht zu tun.“

Rikku horchte auf:

„Was versprochen?“

„Keine Bestia zu rufen.“

Yuna hielt ihren Blick nach unten gerichtet.

„Wenn nur Seymor nicht aufgetaucht wäre.“

Darauf hob sie ihren Kopf wieder und sah Rikku direkt an. In ihrem Gesicht war keinerlei Regung zu erkennen.

„Wakka hat dir wirklich alles erzählt wie es scheint.“

„Nur die Kurzfassung.“

„Verstehe....“

Sie wurde wieder still. Es machte Rikku langsam Angst. Wieso blieb Yuna so ruhig? Wieso zeigte sie nicht, was sie empfand. Sie war schon lange nicht mehr an die Pflichten des Mediumdaseins gebunden. Als solches hätte man von ihr vor vier Jahren erwartet, dass sie stets fröhlich war, aber jetzt? Das hatte nichts damit zu tun, dass sie ein Medium war, hier ging es nur um sie.

„Yuna...“

Rikku sah ihr immer noch in die verschiedenfarbigen Augen.

„Wieso weinst du nicht?“

Von der Frage schien sie überrascht zu sein, doch andere Gefühle blieben Außenstehenden verborgen.

„Sollte ich das denn? Oder sollte ich wütend sein? Oder verzweifeln? Was soll ich tun, Rikku? Was hast du erwartet als du gehört hast, was passiert ist?“

Erschrocken wich Rikku kurz zurück, dann kam sie wieder näher und legte ihre beide Hände auf die Schultern ihrer Cousine.

„Das fragst du mich?! Yuna, es ist doch wirklich egal, was wir davon halten, nur lass deinen Gefühlen endlich freien Lauf! Es ist mir nämlich ziemlich gleichgültig, was du tust, solange du überhaupt etwas machst. Halte dich nicht länger zurück, Yuna, wir verstehen dich!“

Yuna senkte ihren Blick erneut.

„Ich kann es nicht... ich weiß ja nicht mal, auf welche Gefühle ich mich einlassen soll...“

Rikku stöhnte.

„Komm mit!“

Damit packte sie Yuna am Handgelenk und zog sie hinter sich her.

Innerhalb kürzester Zeit, waren sie aus dem Reisebedarf herausgelaufen und standen nun vor einem Abhang der Mi'hen Straße. In der Ferne war eine Ruine zu sehen und hinter dieser ging die Sonne leuchtend rot unter.

Yuna stockte und Rikku wusste nur zu genau wieso. Sie war zwar damals nicht dabei gewesen, doch hatte ihre Cousine ihr erzählt, dass sie sich mit Tidus vor vier Jahren auch den Sonnenuntergang angesehen hatte und es seitdem immer mal wieder getan hatte.

„Warum, Rikku? Warum hast du mich hierher gebracht?“

Rikku sah sie nun schon fast wütend an.

„Damit du endlich deine Gefühle rauslässt. Glaubst du etwa, ich wüsste nicht, warum du kaum ein Wort sagst, seit ihr zurück seid? Du hast doch nur Angst, dass sie aus dir herausbrechen, wenn du den Mund aufmachst! Und genau das tust du jetzt verdammt noch mal. Mach ihn weit auf und schrei so laut du kannst.

„Was? Schreien..?“

„Ja, genau! Tidus und du... ihr habt zusammen gelacht, als ihr damals in Luca Probleme hattet und Leylis hat dir gezeigt, dass man Gefühlen im Singen Ausdruck verleihen kann. Jetzt zeige ich dir, dass man sich befreien kann, wenn man seine Gefühle herausschreit.“

Yuna starrte auf die untergehende Sonne.

„Ich weiß nicht, welche Gefühle... was ich fühle?“

Rikku drehte sie zu sich.

„Hörst du mir nicht zu?! Lass alles zu! Dass du dir nicht sicher bist, ist ja gerade der Grund für meinen Vorschlag. Leute schreien, wenn es ihnen zuviel wird, wenn sie anders nicht mehr klar kommen.“

Yuna öffnete den Mund, sie schien etwas sagen zu wollen, dann schloss sie ihn wieder und wandte ihren Blick dem Sonnenuntergang zu.

„Ich kann es nicht...“
 

***
 

„Lulu, kann ich dich kurz stören, bitte?“

Die Angesprochene sah sich um. Vor ihr stand Leylis, die inzwischen wieder zu Atem gekommen war.

„Sicher, was gibt es?“

Die beiden Frauen standen ein wenig Abseits des Reisebedarfes. Leylis sah hinunter auf die alte Mi'hen Straße. Dort in der Nähe musste sie gegen den Choco Gourmet gekämpft haben.

„Ehrlich gesagt würde ich genau das gerne wissen! Ich weiß, inzwischen hätte ich mich eigentlich daran gewöhnt haben müssen, dass ich ständig durch die Gegend renne, ohne überhaupt zu wissen warum und wohin, doch ich schaff es einfach nicht... Warum sind alle so niedergeschlagen? Was ist mit Yuna? Und wo ist Tidus?“

Lulu seufzte.

Es war wirklich nicht ganz einfach mit ihr, aber andererseits konnte sie gut verstehen, dass dieses junge Mädchen wissen wollte, was vor sich ging. In dieser Welt... dieser Zeit, von der sie noch so wenig wusste umso mehr.

Doch würde sie eines Tages wirklich alles hier verstehen, sich einfügen? Gehörte sie am Ende vielleicht einfach nicht hierher? Gehörte Tidus... hatte er je hierher gehört?

„Lulu? Was ist nun? Übernimmst du dieses Mal die Rolle, mir alles zu erklären?“

Sie schwieg. War es ihre Aufgabe, ihr Spira näher zu bringen oder gar Leylis der Welt vertraut zu machen? Was, wenn genau das wie bei ihm nur zu Unglück führen würde?

Sie mussten dieses Mädchen so schnell wie möglich zurück in ihre Zeit schicken... Doch bis dahin konnte sie sie nicht im Dunkeln lassen. Jeder Mensch sucht schließlich nach Erklärungen und es ist nur natürlich, sie ihm zu gewähren, wenn man dazu in der Lage ist.

„Was hat Rikku dir erzählt?“

Leylis lächelte. Offensichtlich war sie dankbar dafür, dass ihr die ganze Geschichte nicht vorenthalten wurde. Schnell wiederholte sie, was sie von Rikku erfahren hatte.

Dadurch wurde Lulu sehr schnell klar, dass Rikku sich vor ihr alle Mühe gegeben hatte, nicht nervös zu werden und ihre eigenen Befürchtungen herunterzuspielen. Dass sie Angst um ihre Freunde gehabt hatte, war ihr anzusehen gewesen, bevor sie gegangen waren. Sie hatte sich sicherlich sehr angestrengt und Erfolg gehabt...

„Was weißt du über die Asthra?“, fragte Lulu.

„Nun, es sind Geister von Menschen, die an unserer Welt festhalten, um sie zu behüten. Einige Personen entschieden zu ihren Lebzeiten, dass sie Spira besser helfen können, wenn sie zu Asthra werden. Deshalb gaben sie ihr Leben und ihre Körper auf und wurden zu den Geistern, zu denen wir beten.“

Erstaunt blickte Lulu die junge Frau an. Sie wusste erstaunlich viel, mehr als viele Menschen des derzeitigen Spira.

„In unserer Zeit“, begann sie anschließend, „sind die Asthra müde und sehnen sich danach, die Welt den Lebenden zu überlassen. Sie halfen uns mithilfe von Träumen [Sin] aufzuhalten und liehen uns im Kampf gegen selbiges als Bestia ihre Kraft. Doch es lag nicht in ihrer Macht, [Sin] endgültig zu vernichten, da jede Beschwörung von [Sin] benutzt werden konnte, um weiterhin zu bestehen.“

Leylis wirkte verwirrt, dennoch hörte sie aufmerksam zu.

„[Sin] zu besiegen, das wurde letztenendes von den Menschen vollbracht, von Yuna um genau zu sein. In diesem Kampf, der vor vier Jahren stattgefunden hat, wurden alle Bestia vernichtet, sodass [Sin] nicht weiterhin existieren konnte. Dadurch wurden die Asthra frei. Sie waren von dem Zeitpunkt an nicht mehr an diese Welt gebunden, erwachten aus ihren Träumen und verschwanden.“

Ihre Zuhörerin schüttelte den Kopf.

„Ich versteh es nicht! Welche Bedeutung haben diese Träume? Wie konnten die Asthra Spira aufgeben? Was hat das alles mit Tidus zu tun? In meiner Zeit ist alles so anders.“

Genau das hatte sie befürchtet. Zwischen Leylis' Welt und ihrer Zeit lagen über 1000 Jahre. Wie sollte sie eine Veränderung über einen so langen Zeitraum erklären?

„Ich kann dir nicht sagen, warum alles so ist, wie es nun einmal ist, aber ich frage dich, würdest du nach über 1000 Jahren, von denen nicht wenige voller Krieg und Hass waren, dich nicht auch nach Ruhe sehnen?“

Leylis schwieg. Sie senkte den Blick und besah sich erneut die Straße, die sich einige Meter unter ihnen erstreckte.

„Tidus ist eine Traumgestalt der Asthra. Das dürfte für dich deutlich machen, wie wichtig die Träume sind. Er gelangte durch die Macht [Sin]s in das reelle Spira. Als jedoch die Asthra verschwanden, ging er mit ihnen. Zwei Jahre später kehrte er wieder zurück.“

„Er ist nicht real?“

„Nein... Das heißt jedoch nicht, dass er nicht wirklich hier ist... war. Er ist eine von den Asthra erdachte Person nach dem Vorbild eines jungen Mannes, der dir sehr wohl bekannt sein dürfte.“

„Shujin...“

Lulu nickte.

„Wie ist er zurückgekommen und warum konnte er selbst eine Bestia beschwören, wo die nach deiner Erzählung doch nicht mehr existieren sollten?“

„Das... vermag ich dir nicht zu sagen. Ich bezweifle stark, dass er selbst es wusste. Yuna erzählte mir von Treffen mit einer Asthra, deshalb nehme ich an, dass es sie in irgendeiner Art und Weise noch gibt. Was genau sie in Bezug auf Tidus bewirkt haben, weiß ich nicht. Fest steht nur, dass er heute wieder eine Bestia gerufen hat und daraufhin erneut verschwunden ist, so wie auch damals.“

Leylis sah hinüber zum Reisebedarf.

„Deshalb ist Yuna...“

„Ja. Er hat sie dadurch vor Seymor, der in der Stillen Ebene auf uns getroffen war, gerettet. Wir wissen nicht, was wir ihr sagen sollen, wie wir ihr helfen können. Ich hoffe, Rikku hat mehr Erfolg bei ihrem Versuch als...“

In dem Moment brach Lulu ihren Satz ab und zuckte genau wie Leylis zusammen, als ein gellender Schrei über den Platz hallte.

„Yuna!“, rief Lulu und rannte in Richtung zweier Personen, die vor dem wunderschönen Sonnenuntergang am Rand der Schlucht standen.

„Yuna?“

Sie trat dicht an die beiden heran, als die weiter vorne stehende Frau sich umdrehte. Yuna sah ihr in die Augen. In den ihren spiegelten sich Angst, Trauer vielleicht sogar Zorn wider. Sie schüttelte den Kopf. Tränen fielen zu Boden. Sie rannen über ihr Gesicht, schienen nicht aufhören zu wollen.

„Yuna...“

Lulu machte noch einen Schritt auf sie zu. Da stürzte Yuna sich vorwärts, in ihre Arme und schluchzte heftig.

„Es ist in Ordnung! Ich bleib hier bei dir... lass alles heraus, Yuna.“

Lulu legte beide Arme um sie und strich ihr tröstend über den Rücken.

Rikku neben ihnen machte seltsamerweise ein höchst zufriedenes Gesicht.

„Ich finde, ich hab mir etwas Ruhe verdient.“

Sie packte Leylis an der Hand und zog sie mit sich in Richtung des Reisebedarfs.

„Komm, wir gehen schlafen!“, hörte Lulu sie noch sagen, bevor die beiden im Gebäude verschwanden und sich außer ihr und Yuna niemand mehr an jenem Ort in der untergehenden blutroten Abendsonne befand.
 

***
 

Der Drache war verschwunden.

Leylis stand ihrem Traum-Ich gegenüber. Es sah ihr direkt in die Augen und doch durch sie hindurch. Sie existierte hier nicht wirklich, doch... war es nicht eigentlich der Traum, der nicht existierte?

“Wo sind wir?”, fragte sie die Person vor ihr, die ihr augenscheinlich in allem glich und doch etwas in ihren Augen lesen ließ, dass Leylis bei sich nie gesehen hatte. Sie schien nicht unglücklich zu sein, aber etwas bedrückte sie. Sie war zu allem entschlossen, um ihr Ziel zu erreichen und strahlte etwas wie Endgültigkeit und die Entscheidung, etwas Schwerwiegendes, vielleicht sogar Schlechtes zu tun.

In einiger Entfernung zu ihr war eine weitere Frau auf den Boden gesunken. Sie waren von Trümmern umgeben. Leylis sah sich um, sie kannte diesen Ort, aber woher nur? Wo war sie?

“Fragst du dich, wo du bist, oder wo sie ist?”

“Ist das nicht das Gleiche? Du sagtest doch, das dort sei ich!”

Leylis deutete auf die entschlossene Frau mit dem traurigen Blick.

“Du bist es und wieder nicht... Du könntest zu dieser Person werden, doch es muss nicht so sein.”

“Heißt das etwa, dass sie meine Zukunft ist?”

Sie blickte sich nach der Stimme um, doch niemand war zu sehen. Neben ihr selbst konnte sie nur die beiden Traumgestalten ausmachen, die sich inzwischen nicht mehr bewegten, als seien sie eingefroren worden.

“Niemand kann sagen, was die Zukunft bringt...”

“Du hast keine meiner Fragen beantwortet!”

Allmählich gingen Leylis die rätselhaften Antworten ihrer Gesprächspartnerin auf die Nerven.

“Ich bin nicht dazu verpflichtet.”

“Was machst du dann in meinen Träumen? Wozu bist du hier? Um mir Rätsel zu stellen? Wer bist du?”

“Leylis, ich...”

“Woher kennst du meinen Namen?!”

Die Stimme schwieg. Leylis blickte erneut umher in der Hoffnung doch irgendwo jemanden mit den Augen zu finden.

“Ist der Traum bald vorüber?”

“Wieso fragst du?”

Wieder keine Antwort. Immer nur weitere Fragen... Was wollte diese Stimme von ihr?

“Der Traum geht nicht weiter.”

Nach einer kurzen Pause sagte ihre unsichtbare Gesprächspartnerin: ”Sie ist hier!”

“Sie? Wer?”

Schweigen.

“Wer?”, rief Leylis.

Sie saß aufrecht in ihrem Bett. Rikku drehte sich knurrend auf die andere Seite.

Ein Traum!, dachte Leylis, nur ein Traum... wirklich nur ein Traum?

Hatte sie nicht gerade erfahren, dass Tidus auch nur ein Traum gewesen war... Yuna hätte sicher nicht nur gesagt.

Was wenn die Bilder, die sie in der Nacht sah wichtiger waren, als sie es für möglich hielt. Wenn Tidus real gewesen war... dann war das die Situation ihres Traumes vielleicht auch... und diese Stimme ebenso. Aber was konnte das Ganze dann zu bedeuten haben?

Die Traumstimme hallte in ihrer Erinnerung nach und schien immer deutlicher zu werden. Je mehr Leylis über sie nachdachte, desto mehr schien es ihr, als hätte sie die Stimme schon einmal gehört, als würde sie ihren Besitzer kennen...

Gesprächsteile sowie Bilder aus ihrem Traum verfolgten sie. Leylis ließ sich eine Weile in ihnen treiben, dann hielt sie es nicht mehr aus. Egal wie herum sie es drehte, sie fand keinen Zusammenhang, erinnerte sich nicht, woher sie die Stimme kennen könnte und verstand nichts. Schließlich stand sie auf, warf sich einen Umhang über und verließ leise den Raum, um sich von ihren Gedanken loszureißen.

Kurze Zeit später stand sie draußen vor dem Reisebedarf und stellte fest, dass es noch ziemlich früh sein musste, denn es war noch verhältnismäßig dunkel und die Sonne zauberte gerade erst den Anfang von Farbe auf den mitternachtsblauen Himmel. Langsam schritt Leylis auf den Rand des Vorsprungs zu. Eigentlich hatte sie sich dort hinsetzen wollen, um alleine den Ausblick zu genießen, nur...

Da saß schon jemand!

Noch ein Schritt näher, dann erkannte sie, dass es Corax war. Er schien sie nicht bemerkt zu haben. Schließlich ging sie weiter und ließ sich neben ihm nieder.

„Kannst du auch nicht schlafen?“, fragte er.

Wortlos nickte Leylis mit dem Kopf und sah geradeaus.

In einiger Entfernung konnte sie eine Ruine ausmachen, die nur deshalb zu sehen war, weil die Sonne hinter ihr aufzugehen begann.

„Es ist wunderschön...“

„Hhmm.“, kam es von ihm als Antwort

Eine Weile lang saßen sie einfach nur da. Wo wohl Yuna geblieben war? Sie hatte vorhin an etwa dieser Stelle gekauert und sich bei Lulu ausgeweint. Sie tat ihr Leid. Die ganze Geschichte mit Tidus war fürchterlich traurig.

Auf einmal legte Corax seinen Arm um sie. Leylis zuckte leicht zusammen. Ansich war ihr diese Geste zwar nicht unangenehm, allerdings kam sie unerwartet und war ungewohnt.

Irgendetwas in ihr wusste, dass diese Umarmung anders gemeint war, als die, welche sie sonst erfahren hatte. Gleichzeitig kam sie sich komisch dabei vor und versuchte, sich zu entspannen. Sie starrte auf den roten Halbkreis am Himmel. Stille...

Sie dachte in dem Moment über nichts mehr nach. Es war ein schönes Gefühl.

Irgendwann war ihr nicht einmal mehr bewusst, dass Corax' Arm immer noch auf ihrer Schulter lag. Als sie eher zufällig in seine Richtung schaute, sah sie direkt in seine Augen.. Er starrte sie unverwandt an.

„Sag mal, beobachtest du mich?“

Corax grinste. Er wirkte weder ertappt, noch überrascht... eher zufrieden.

„Ist das denn etwas Schlechtes? Ich könnte dich stundenlang ansehen.“

„Das tut mir Leid für dich“, gab Leylis zurück, „der Sonnenaufgang ist nämlich viel schöner!“

Er grinst frech weiter.

„Das finde ich nicht.“

„Bitte..?“

Leylis meinte, sich verhört zu haben.

Sie starrte verblüfft in seine grünen Augen, die auf einmal verdammt nahe waren. Immer noch ein leises Grinsen im Gesicht, kam er dem ihren immer näher.

Leylis stockte, sie war wie erstarrt, blickte ihm nicht mehr in die Augen, seine Lippen kamen den ihren näher, sie waren nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt, als sich ihre Starre löste. Blitzschnell legte sie ihren Zeigefinger auf seinen Mund.

Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Corax hatte soeben versucht, sie zu küssen!

Und jetzt war er ziemlich überrascht über den Ausgang seines Versuches. Er nahm ihre Hand von seinem Mund und wirkte enttäuscht.

„Was ist? Bin ich dir so unsympatisch.“

Leylis bemühte sich, tief durchzuatmen, um die Situation irgendwie in den Griff zu bekommen. Schließlich schuldete sie ihm eine Erklärung.

„Das ist alles ein wenig schnell, findest du nicht? Ich kenne dich kaum und ich gehöre nicht hierher. Ich habe im Moment so vieles, über das ich nachdenke, es ist alles zu viel...“

„Ich könnte dir helfen“, sagte Corax, „um dich zu unterstützen oder um zu vergessen.“

Damit zog er sie wieder etwas weiter zu sich heran.

Sie schüttelte den Kopf.

„Danke, aber ich möchte mir zunächst allein über einige Dinge klar werden.“

Corax entließ sie aus der Umarmung und stand auf.

„Na gut, ich versteh es, wenn du im Moment deine Ruhe möchtest, aber ich vergesse dich nicht so schnell, komm zu mir, sobald es geht.“

„Ich werde kommen, wenn oder falls ich es möchte!“

Doch Corax hatte sich bereits umgedreht und ging nun, ohne noch auf ihre Anmerkung einzugehen, in den Reisebedarf hinein.

Leylis seufzte kurz. Sie war nicht sicher, was sie davon halten sollte. Vorgestern hatte sie sich in Corax' Gegenwart zwar auch schon seltsam gefühlt, aber mit so etwas hatte sie nicht gerechnet. Als ob es nicht schon genug Sachen gab, über die sie sich den Kopf zerbrach.

Sie fröstelte. Die Sonne ließ sich zwar schon leicht blicken, aber wärmen tat sie noch nicht.

Dann legte sich etwas Weiches auf ihre Schulter.

Sie dachte schon, Corax sei zurückgekommen, doch ihr Blick zur Seite fand ein Paar treuer, schwarzglänzender Augen, die aus einem gelbgefiederten Gesicht hervorschauten.

Obwohl es immer noch dunkel war und die gelben Vögel alle ziemlich gleich aussahen, zweifelte Leylis keinen Augenblick daran, dass dies der Chocobo war, mit dem sie vor ein paar Tagen von Illuminum in die Mi'hen Straße geritten war.

Er krähte leise und ließ sich dann neben ihr nieder, so dass sie fast gänzlich von einem seiner flauschigen Flügel bedeckt wurde.

Eng an ihren tierischen gelben Freund gekuschelt, sah sich Leylis den Sonnenaufgang an, welcher hinter der Ruine bereits vorangeschritten war.
 

***
 

Sanfte Schwerelosigkeit umgab seinen Körper. Er lag noch halb schlafend und vollkommen entspannt in der kühlen, angenehmen Masse. Ein Sonnenstrahl traf direkt sein verträumtes Gesicht.

Schlagartig wurde er wach und wollte mit einem Ruck aufstehen. Man stelle sich das inmitten einer Quelle nicht zu leicht vor.

Nachdem er also zunächst abgerutscht und mit einem Platschen wieder im Wasser gelandet war, stieß er schwerfällig in Richtung des Ufers vor und mühte sich damit ab, wieder festen Boden unter den Füßen zu bekommen. Schon jetzt vermisste er die vertraute Welt der Träume, in denen er frei und leicht wie eine Feder war. Dummerweise befand er sich jetzt voll und ganz in der Realität, dem genauen Gegenstück und...

Er hatte verschlafen!

Wie um den Fehler auszugleichen, rannte er augenblicklich zum Ausgang des Waldes in Richtung der Donnersteppe. Während er das tat, wurde ihm noch einiges mehr klar. Das Schlimme war nicht, dass er verschlafen hatte, er hatte geschlafen! War einfach eingedöst, als er beim Durchlaufen des Waldes an der Späroidenquelle angekommen war. Wie konnte man nur so blöd sein?! Dabei hatte er Macalania eigentlich auf direktem Weg wieder verlassen wollen. Verdammt!

Exakt in dem Moment zuckte der erste Blitz vom Himmel der Steppe, die er inzwischen betreten hatte, hinunter, sodass er einen Purzelbaum schlagen musste, um nicht getroffen zu werden. Kurz darauf donnerte es. Wie oft hatte er früher in kleinen Wettkämpfen mit seinen Kindheitsfreunden seine Geschicklichkeit auf die Probe gestellt und war den Blitzen immer wieder ausgewichen...

Für lange Ausweichketten hatte er an Rins Reisebedarf die ein oder andere Belohnung abstauben können. Und genau diese Örtlichkeit war auch jetzt sein Ziel, wenngleich er sie nicht aufgrund seiner ganz passablen Reflexe aufsuchen wollte.

In einiger Entfernung erhellte ein weiterer Blitz die Umgebung und ließ ihn etwas sehen, was ihn dazu bewegte, rasch hinter einem nahe gelegenen Blitzableiter in Deckung zu gehen und dort regungslos zu verharren. Es donnerte.

Wieder blitzte es und er sah, dass die Gestalten, vor denen er sich versteckte, bedeutend näher gekommen waren. Sie waren zu viert, vielleicht auch zu fünft. Jetzt gingen sie direkt an dem Blitzableiter vorbei und als sich die Umgebung erneut erhellte, bestätigte sich sein Verdacht. Die Leute trugen alle scharlachrote Federn, die sie sich an Ketten um die Hälse gebunden hatten.

Phönixfedern.

Nachdem sie vorübergegangen waren, lief er behutsam das letzte Stück bis zum Reisebedarf.

Kaum hatte er sich dem Gebäude genähert, ging die Tür auf.

„Garon!“

Eine junge Frau trat ihm entgegen. Sie hatte mittellange schwarze Haare und ein hübsches Gesicht.

„Was fällt dir ein, jetzt hierher zu kommen. Du bist viel zu spät und dann tauchst du auch noch in dem Moment auf, in dem die Leute vom roten Orden in der Gegend sind!“

Ihre Stimme war schneidend und sie sah ihr Gegenüber streng an. Doch ihre Augen verrieten sie. Sie sprachen von Sorge, nicht von Zorn.

Garon lächelte sie an. Es berührte ihn, dass die Ladenführerin sich um ihn Gedanken machte. Mifyule war ihr Name.

Als sie merkte, dass er sie durchschaut hatte, wurden auch ihre Züge wieder weicher. Obwohl sie es sich nicht erklären konnte, hatte Garon nie Schwierigkeiten die wahren Gefühle von jemandem zu erkennen.

„Waren die Roten auch bei dir?“, fragte der junge Mann sie nun etwas ernster.

Sie nickte und deutete mit einem Schnaufen vielsagend auf den Eingang des Reisebedarfs. Garon trat näher an ihn heran und bemerkte direkt vor der Tür eine feine Linie roten Sandes, die sich vor ihm auf dem Boden befand.

„Gehen wir doch hinein.“

Mifyule war hinter ihn getreten und machte Anstalten, ihn ins Gebäude zu schubsen.

Er wich ihr aus, schüttelte bedauernd den Kopf.

„Sei nicht albern!“, entgegnete die Verkäuferin und legte ihm eine Hand auf die Schulter.

Garon nahm ihre Hand in seine und lächelte traurig.

„Ist doch schlimm genug, dass sie mich jagen... Du hast damit nichts zu tun. Ich hätte nur gerne meine Lanze zurück und einige Potions. Dann gehe ich sofort und komme erst wieder, wenn sie diese Gegend abgehakt haben.“

Mifyule schien noch etwas sagen zu wollen, doch sein Gesichtsausdruck schien sie von dessen Sinnlosigkeit zu überzeugen, sodass sie schließlich leise seufzte und kurz im Laden verschwand. Als sie wieder auftauchte, reichte sie Garon gleich darauf seine Lieblingswaffe, eine vom Stab her schlichte und an der Spitze reich verzierte, bernsteinfarbene Lanze. Anschließend hielt sie ihm noch ein Säckchen mit Heilmitteln hin, dass er dankend entgegennahm.

„Du weißt, dass ich deine Alleingänge nicht gut heiße?!“

Nun wieder lächelnd nickte Garon, versteifte sich jedoch gleich darauf, als ein Geräusch ertönte, welches nicht vom Wetter über der Donnersteppe herrührte.

Schritte kamen näher. Mehrere Personen waren vom südlichen Teil der Steppe her zu erkennen und sie kamen rasch auf ihn zu. Innerlich fluchend erkannte er den rötlichen Schimmer, der von den Federn auf ihren Oberkörpern ausging.

Es waren drei.

Garon drehte prüfend seine von Mifyule seit seiner letzten sehr überstürzten Flucht aufgehobene Lanze in der linken Hand und erwog es, gegen die Männer zu kämpfen.

Sie kamen immer näher.

Mit einem weiteren lautlosen Fluch stellte Garon fest, dass die ihm Entgegenkommenden offensichtlich nicht die üblichen Trottel waren, mit denen er sich herumschlagen musste. Sie machten den Eindruck, als nähmen sie bei ihrem Verein einige höhere Ränge ein, woraufhin er den Plan, zu kämpfen, aufgab. Selbiges schien auch Mifyule durch den Kopf gegangen zu sein.

„Verschwinde!“, zischte sie ihm zu.

Garon steckte hastig die Potions ein und befestigte seine Lanze auf seinem Rücken.

„Du kennst mich nicht, ich habe dir die Sachen gestohlen und du bist froh, dass sie kommen.“

Mifyule schüttelte kurz den Kopf und sah ihn mit funkelnden Augen an, als ob sie sagen wollte, dass es ihr egal sei, was der Orden über sie dachte und dass sie ihm dieses Mal helfen wolle, indem sie sich ihm in den Weg stellte.

Garon kannte das. Es war nicht das erste Mal, dass sie ihm helfen wollte und es würde nicht das letzte Mal sein, dass er es nicht zulassen konnte. Er hatte es ihr noch nicht einmal erlaubt.

Tief sahen sie sich in die Augen, die Mifyules strahlten vor Entschlossenheit und Verzweiflung, seine offenbarten Ruhe und Endgültigkeit.

Er gewann immer bei Diskussionen dieser Art.

Auch jetzt war sie es, die ihre Augen bereits nach kurzer Zeit abwandte und ihre Blicke zwischen den nun kaum noch 25 Meter entfernten Leuten und dem jungen Mann hin und her wandern ließ. Er würde nicht gehen, bevor er sich nicht sicher sein konnte, dass sie ihre Freundschaft verkannte. Das wusste Mifyule genau und es war ausschlaggebend dafür, dass sie ihm erneut nachgeben musste, denn seine Sicherheit war es schließlich, die sie schützen wollte, und jene bestand darin, den Phönixleuten fernzubleiben.

Er sah in ihren Augen, dass sie ihm auch dieses Mal widerstrebt Folge leistete. Noch im selben Moment als er es erkannte, wandte er sich in einer fließenden Bewegung um und begann zu rennen.

Wohin? In Richtung des Macalania Waldes, dorthin, wo er hergekommen war. Wohin auch sonst!?

Schließlich kamen die Männer aus Richtung Guadosalam und der einzige freie Weg, der ihm übrig blieb, war der nach Macalania.

Die beiden Phönixleute waren ihm dicht auf den Fersen. Da er sich sicher war, dass er vorhin drei gesehen hatte, sie nun aber nur noch zu zweit waren, hatte sich sicherlich der dritte Mann Mifyule vorgenommen, wie er es schon befürchtet hatte. Aber immerhin würde sie sich an seine Geschichte halten. Sie würde ihn nicht hintergehen... da war er sich sicher.

Im Zickzack, um den Blitzen auszuweichen, verlief die Flucht durch die Donnersteppe. Kaum hatte er sie durchquert, seinen Vorsprung minimal ausgebaut und den Kristallwald erreicht, hielt er sich östlich. Bevelle, die Pilgererstadt, lag in dieser Richtung. In der monströsen Stadt würde es für ihn ein Leichtes sein, sich zu verstecken...

Doch soweit kam er nicht.

Kaum war die Abzweigung nach Bevelle erreicht, blieb er stehen.

„Meister Saliz, seid Ihr schon zurück?“

Die Stimme kam hinter einigen Bäumen hervor und direkt darauf trat eine Frau ans Licht, die Garon kaum älter als sich selbst einschätzte. Gewiss wäre ihm, wenn er sie eingehender betrachtet hättte aufgefallen, dass sie mit ihrem hüftlangen strohblonden Haar und den funkelnden Smaragdaugen sehr hübsch war, allerdings blieb sein Blick bei der scharlachroten Feder hängen, die um ihren Hals baumelte.

Garon erstarrte. Auch der Ausdruck im Gesicht der Frau wandelte sich augenblicklich. Von ihr ging eine Welle puren Hasses aus. Hinter ihr waren inzwischen drei weitere Phönixmitglieder hervorgekommen. Doch noch bevor sie etwas unternehmen konnten, wandte Garon sich ab und rettete sich fürs Erste in den Wald. Abseits der Wege war der Macalania Wald noch gefährlicher, als er es ohnehin schon war. Viele kristallisierte Pflanzen zerbrachen, als Garon unsanft an sie stieß und er zog sich mehrere Schnittwunden zu, was ihm im Moment zweitrangig erschien, denn die Gruppe aus mittlerweile sechs Ordensmitgliedern verfolgte ihn noch immer.

Doch einen Vorteil hatte Garon ihnen gegenüber: Er kannte den Wald.

Monstern konnte er vollständig aus dem Weg gehen, indem er Routen benutzte, die er zwar noch nie gerannt aber bereits mehrmals vorsichtig erforscht hatte und bei denen er sich sicher war, dass die Monster sie mieden.

Nach einigen Minuten durch das scharfkantige Dickicht schmerzten seine Arme und Beine allerdings fürchterlich. Dennoch war es immer noch besser, als gleich aufzugeben und sich diesen Leuten auszuliefern. Vielleicht erging es ihnen ja ähnlich schlecht und sie gaben bald auf...

Doch seine vier Verfolger – zwei waren in einen Kampf mit einer plötzlich auftauchenden und sehr zornigen Sphäromasse verwickelt worden – dachten offensichtlich gar nicht daran, ihre Jagd abzubrechen.

Nach einigen Zickzacklinien durch den sterbenden Wald hechtete Garon durch die letzte Wand aus Kristallpflanzen die augenblicklich zersprangen und ihm einen tiefen Schnitt im rechten Arm zufügten. Den Schmerz ignorierend rannte er weiter entlang des Macalania Sees. Kurz spielte er mit dem Gedanken, bei dem Händler am Rande selbigen Zuflucht zu suchen, denn dieser hatte ihn schon öfter unterstützt, doch er verwarf seine Idee schnell wieder. Für diesen Mann galt dasselbe wie für Mifyule.

Und so rannte er weiter durch den Schnee, in dem er aufgrund seines Arms, aus dem immer neue Tropfen roten Blutes hevortraten, eine unfehlbare Spur hinterließ. Das hatten seine Verfolger jedoch nicht nötig. Seit sie den Wald deutlich weniger zerkratzt als Garon wieder verlassen hatten, holten sie stetig auf.

Ihm war das sehr wohl bewusst. Er konnte ihren raschen Atem hinter sich hören. Sie waren bereits jetzt viel zu nahe... Doch was sollte er tun? Einfach aufgeben kam gar nicht infrage und deshalb rannte er immer weiter den Weg am See entlang, obwohl es aussichtslos war, denn er wusste genau, wohin dieser Pfad führte. Es war eine Sackgasse; und am Ende dieser befand sich ein Tempel der Asthra, das einstige Heiligtum Macalanias.

Trotz seiner ausweglosen Lage, strebte Garon zu dem Tempel, wie ein Ertrinkender zu dem Rettungsseil. Die Motivation, das Gebäude zu erreichen, bevor die Phönixleute ihn einholten, ließ ihn Schmerzen und Kälte ignorieren und schneller rennen als zuvor.

Die unsicheren Eisklippen hinter sich lassend erblickte er sein erzwungenes Ziel. Während er keuchend nach Luft schnappte, rannte er in das Heiligtum hinein und ohne zu zögern weiter über eine riesige Brücke aus Eisblöcken in Richtung der Halle der Asthra. Dort angekommen sah er sich gezwungen, endlich stehen zu bleiben und drehte sich langsam um. Die Mitglieder des roten Ordens deren anwesende Zahl sich inzwischen auf drei reduziert hatte, traten ihm langsam entgegen. Hinter ihm befand sich ein riesiges Loch, dessen Verlauf in Dunkelheit gehüllt war. Etwas vergleichbares hatte Garon noch nie gesehen. Illumina schwebten durch den Raum. Wäre seine Lage nicht so vertrackt gewesen, hätte er sich fasziniert umgesehen.

Doch seine drei Gegner erforderten seine vollständige Konzentration. Einer von ihnen war die junge Al Bhed aus dem Wald, die ihn wütend anstarrte. Die anderen beiden waren soweit Garon sich erinnern konnte jene, welche ihm bei Mifyule entgegengekommen waren. Allen dreien war anzusehen, dass sie sich ihres Sieges zwar sicher aber keinesfalls risikofreudig waren. Was nun?

Mit einer fließenden Bewegung löste Garon seine Lanze aus ihrer Halterung. Schließlich war ein Kampf unausweichlich geworden, wenn er sich ihnen nicht ergeben wollte.

Die Frau mit den zornig funkelnden Augen sprang sofort auf ihn zu und attackierte ihn mit Zwillingsklingen, sodass er zweimal kurz parieren musste. Als nächstes griffen die beiden Männer mit ein, einer mit einem verdammt langen Schwert, der andere mit bloßen Fäusten. Garon wehrte beide Angriffe erfolgreich ab, hatte dadurch allerdings keine Zeit mehr, ebenso mit der Blondhaarigen zu verfahren und versuchte auszuweichen, als sie erneut beide Klingen nacheinander durch die Luft sausen ließ.

Genau in dem Moment fuhr ein stechender Schmerz durch seinen linken Fuß, der offenbar stärker verletzt war, als Garon es bisher angenommen hatte. Er verlagerte sein Gewicht automatisch auf die rechte Seite, verlor durch sein Ausweichmanöver das Gleichgewicht und kippte seitlich weg. Schon meinte er den harten Eisboden zu spüren, doch tatsächlich kam er nicht auf ihm auf. Genauer gesagt hörte er nicht auf zu fallen. Um ihn herum war es dunkel, bis auf einige Illumina. Die Dunkelheit schien in ihn einzudringen, machte ihn schläfrig und schließlich nahm er nichts mehr außer ihr wahr.
 

***
 

“Komm zurück...”

Nebel umgab den Ort, an dem sie sich befand. Yuna sah sich nach allen Seiten um, in der Hoffnung, den Besitzer der eben erklangenen Stimme zu erblicken. Als sie ihn nicht fand, erkannte sie, dass sie sich auf demselben Platz befand, wie in ihren Träumen. Also träumte sie?

Allerdings fehlten hierfür die Protagonisten der Traumgeschichte. Wieso waren die beiden Frauen verschwunden, denen sie sonst immer zuschaute? Welchen Sinn hatte ein Traum ohne Figuren?

Sie war allein.

Sollte ihr das vor Augen geführt werden?

Ihr fiel nur einer ein, der zumindest ein wenig Licht in das Dunkle dieser Fragen bringen konnte.

„Bahamut!“

Yuna rief seinen Namen mit fester Stimme. Ihr war, als hätte sie diese vor langer Zeit zuletzt gehört.

„Zeige dich!“

Erneut blickte sie sich um. Doch der kleine Junge mit der Kapuze ließ auf sich warten.

„Willst du nicht lieber ihn sprechen?“

Yuna fuhr herum. Die Asthra Bahamuts stand unmittelbar vor ihr.

„Beim letzten Mal hast du mich intuitiv für wichtiger gehalten als ihn, sagt dir deine innere Stimme jetzt etwa nicht, dass du eigentlich mit jemandem anderen sprechen solltest?“

Obwohl sich ihr der Sinn seiner Worte nicht vollständig erschloss, nickte Yuna, denn sie wusste, dass es so war, und war zugleich neugierig, was als nächstes geschehen würde.

Der kleine Junge lächelte und sah an ihr vorbei. Yuna folgte seinem Blick, konnte allerdings nichts entdecken. Als sie über ihre Schulter zurückschaute, war Bahamut verschwunden, weshalb sie sich weiterhin auf die Stelle konzentrierte, auf die er sie vermutlich aufmerksam machen wollte.

Er veränderte sich etwas in der Luft. Als sie genauer hinsah, erkannte sie eine in rot gewandte Gestalt, die näher kam.

Sprachlos starrte Yuna sie an und mit einem Mal wurde ihr klar, wessen Stimme es war, die sie nun bereits zweimal in ihren Träumen gehört hatte. Eine Stimme, die ihr vor zwei Jahren gegen Shujin und Vegnagun beigestanden hatte.

„Yuna! Ich habe nie gehofft, dass wir uns auf diese Weise wiedersehen. Dennoch freue ich mich, dass wir die Gelegenheit dazu erhalten haben.“

Noch immer zu keiner akustischen Reaktion fähig nickte Yuna.

„Wir haben nicht viel Zeit, deshalb werde ich mich kurz fassen. Ich weiß was passiert ist, aber falls du denken solltest, ich hätte die Macht, Tidus zurückzubringen, muss ich dir diese Illlusion nehmen. Ich kann ihm nicht helfen. Alles, was ich tun kann, ist dich zu unterstützen, Yuna!“

Sie antwortete noch immer nicht und war froh darüber, dass ihr Gegenüber dies auch nicht zu erwarten schien.

„Glaubst du, dass er tot ist?

„Ich weiß es nicht...“

Dieses Mal hatte sie gesprochen, ohne darüber nachzudenken.

„Ich habe gesehen, wie er ging... die Illumina... er ist nicht mehr hier. Er verließ mich, wie ein Sterbender, also...“

„Was sagt dir dein Gefühl?“

„Dass er nicht tot sein kann!“

Nun begann der Mann zu lächeln.

„Also, was denkst du, Yuna?“

Nachdem sie nicht antwortete, fuhr er fort: „Finde es heraus! Das ist der einzige Weg für dich, weiterzukommen.“

„Aber wie...“

Doch der rot gekleidete Mann schüttelte den Kopf.

„Yuna, wohin gehen die Toten?“

Sie wollte bereits zu einer Antwort ansetzten, öffnete den Mund und spürte im selben Moment, dass es ihr nicht möglich war, zu sprechen, denn sie lag auf dem Bauch in ihrem Bett und hatte das Gesicht in die Kissen gedrückt.

Langsam drehte sie sich auf den Rücken, öffnete schwerfällig ihre Augen und starrte an die Decke. Sie fühlte sich matt und ausgelaugt. Auf ihrem Gesicht waren die gestrigen Tränen inzwischen getrocknet und hatten eine salzig raue Spur hinterlassen. Bei dem Gedanken an ihre Ursache liefen ihr erneute Tränen über die Wangen. Doch sie hatte das Gefühl dabei, als könnte sie ihren Kummer kontrollieren, nachdem sie sich ihm bereits einmal hingegeben hatte. Sie wischte sich die nassen Tropfen vom Gesicht und setzte sich auf. Erst jetzt fiel ihr Blick dabei auf Lulu, die neben dem Bett auf einem Stuhl saß und sie ruhig ansah.

„Ich bin stolz auf dich, Yuna...“

Obwohl sie sich nicht fühlte, als ob sie dem Lob gerecht würde, nickte sie kurz, erhob sich aus ihrem Bett und lief zu einer sich auf der Kommode befindlichen Schale mit Wasser, um sich frisch zu machen. Da sie in ihrer normalen Kleidung geschlafen hatte, entfiel das Umziehen und nach dem Waschen spürte sie etwas, was ihr über Verzweiflung hinweg half: Tatendrang.

Es musste etwas geben, was sie tun konnte.

„Ich habe Sir Auron gesehen... im Traum.“

Damit wandte sie sich direkt zu Lulu um, sah in ihren Augen Verwunderung doch keinesfalls Skepsis. Auron war für Tidus wahrscheinlich Lehrmeister, Freund und Vaterersatz zugleich gewesen und nachdem er die Truppe um Yuna verlassen hatte, war er als Geist stehts auf ihrer Seite gewesen. Sogar gegen Vagnagun hatte er ihr helfen können, da sie sich zu dem Zeitpunkt im Abyssum befunden hatte.

„Weiß er etwas über ihn?“, fragte Lulu.

Yuna antwortete nicht, sondern dachte über seine Worte nach. Er hatte gesagt, dass sein einziger Weg zu helfen in ihrer Unterstützung bestand. Also hatte sie die Macht, Tidus zu helfen?

Nein! Wenn sie sich zu sehr darauf verließ... Ihr war nur zu genau bewusst, wie das enden musste. Sie musste sich an Tatsachen halten, sonst würde sie bald keine Kraft zum Voranschreiten mehr haben.

Aber wenn er wirklich tot sein sollte...

„Finde es heraus! Das ist der einzige Weg für dich, weiterzukommen.“

Aurons Stimme hallte in ihrem Kopf. Er hatte Recht. Sie musste sich Gewissheit verschaffen. Aber wie? Um zu beweisen, dass er nicht tot war, müsste sie ihn zunächst einmal finden.

„Yuna, wohin gehen die Toten?“

... oder sichergehen, dass er sich nicht unter den Toten befand. Und es gab einen Weg dies herauszufinden. Mit einer flinken Handbewegung ergriff sie ihre Gürteltasche und ihren Stab.

„Lulu, ich weiß, was ich zu tun habe. Wir brechen in einer Stunde auf.“

Damit verließ sie das Zimmer und ließ eine ernsthafte aber erleichterte Lulu hinter sich zurück.
 

***
 

Wakka hatte inzwischen endgültig den Überblick über die Ereignisse verloren. Alle waren verständlicherweise irgendwie niedergeschlagen, aber dennoch musste etwas unternommen werden. Eigentlich hatte er deshalb Yuna fragen wollen, was sie zu tun gedachte, aber die war am gestrigen Abend mit Rikku verschwunden, hatte sich später bei seiner Frau ausgeweint und danach hatte er keine von beiden mehr gesehen.

Corax, von dem er sich fragte, wie zum Teufel der es von Raes Cuhha hierher geschafft hatte... und dass auch noch lebendig, lief missmutig herum. Rikku schnarchte unterdessen lautstark in ihrem Zimmer (nun, zumindest das war normal) und Leylis schaute jedes mal vorsichtig um die Ecke, bevor sie sich zeigte. Außerdem dackelte ihr so ein riesiger Chocobo hinterher, von dem er ebenfalls keine Ahnung hatte, wo der her kam.

Gestern Abend noch schien er regelrecht Überblick gehabt zu haben, aber jetzt... egal. Es gab bedeutend wichtigere Probleme.

Während er noch unschlüssig an der Rezeption des Reisebedarfs stand und überlegte, ob er Lulu suchen sollte, klärte sich das Problem von selbst, da diese gerade auf dem Flur erschien. Direkt hinter Yuna, welche sich mit nahezu furchterregender Entschlossenheit vor ihm aufbaute.

„Wir müssen los! Sammle alle zusammen! Ich werde mit Brüderchen reden, damit er die Celsius startklar macht.“

Damit ging sie an ihm vorbei und ein fragender Blick in Richtung seiner Frau brachte ihm statt einer Erklärung nur ein vielsagendes Nicken ein. Noch deutlich irritierter als zuvor, trottete Wakka in den Flur auf der anderen Seite des Gebäudes und hämmerte an Rikkus Tür, um selbige aufzuwecken.

Auf das mürrische „Was'n los... wohl nich' mehr alle Stach'ln am Kaktus oder was?!“, antwortete er mit der einfachen Erklärung, Yuna wolle abreisen und verließ dann den Reisebedarf, um die anderen zu suchen. Weit kam er jedoch nicht, denn Rikku hatte ihre sonst übliche morgendliche Trancephase übersprungen und ihn eingeholt.

„Was heißt hier 'abreisen'? Geht’s Yuni besser? Wohin wollen wir denn? Was ist überhaupt los?“

Unfähig ihr Auskunft zu erteilen, zuckte Wakka nur mit den Schultern.

„Rikku, da bist du ja.“

Corax rannte ihnen rufend entgegen.

„Was macht der hier?“, fragte Rikku Wakka.

Doch noch bevor dieser erneut seine Unkenntnis versichern konnte, griff Corax das Gespräch auf.

„Frag mich doch selbst! Das macht's bedeutend leichter! Also, dein lieber Gippel schickt mich. Bin während der letzten Nacht angekommen. Ich soll dich abholen. Hab ein Flugschiff mitbekommen. Er will irgendwas mit dir besprechen.“

Rikku starrte ihn säuerlich an.

„Er ist nicht 'mein lieber' und im Moment braucht mich wer anderes.“

„Es schien aber wichtig zu sein.“

Rikku stöhnte und bemerkte nicht, wie Lulu und auch Yuna neben sie traten.

„Geh ruhig mit ihm zurück nach Raes Cuhha. Ich habe Brüderchen gebeten, uns nach Guadosalam zu fliegen. Danach kommen wir zu euch in die Wüste.“

Es war Yuna, die gesprochen hatte.

„Yuna! Geht es dir besser... Guadosalam? Willst du etwa?“

Sie nickte: „Ich muss es wissen, Rikku.“

Wakka erstarrte. Ihm war sehr wohl bewusst, worauf das hinauslief... auf die Wahrheit dessen, was mit ihm passiert war. In Guadosalam befand sich das Abyssum, die Ruhestätte der Toten. Wenn Yuna dorthin wollte, dann um herauszufinden, ob Tidus sich dort befand... und wenn dem so war, dann konnten sie ihm nicht helfen... es wäre endgültig vorbei. Alle Hoffnung, noch etwas zu bewirken, ihn wiederzufinden, wären dann vergebens.

Er war sich nicht sicher, ob er diese Hoffnung wirklich auf's Spiel setzen wollte... selbst für die Wahrheit.

„Bist du dir sicher?“

Die Frage war an Yuna gerichtet, welche kurz nur den Blick senkte, um gleich darauf wieder entschlossen aufzusehen. Sie nickte.

„Also, dann!“

Rikku riss das Kommando an sich, wohl um die folgende beklemmende Stille zu überbrücken.

„Yuni, Wakka und Lulu fliegen mit Brüderchen nach Guadosalam, während ich mit dem da -sie machte eine abwertende Bewegung Richtung Corax- zurück nach Raes Cuhha fliege... und Leylis... ähm Leylis?!“

Sie begann sich nach allen Seiten hin umzusehen, wohl in der Hoffnung, die Beschwörerin zu entdecken.

„Was machst du denn da?!“

Rikku rannte zum Reisebedarf hinüber und kam kurz darauf mit Leylis im Schlepptau zurück. Diese hatte sich vermutlich in an der Rezeption aufgehalten und hatte bei der Erwähnung ihres Namens den Kopf zur Tür herausgestreckt.

„Also, Leylis... wohin willst du mitgehen? Am besten kommst du mit mir und Corax nach Raes Cuhha. Da dürftest du dich ja bald auskennen...“

„Nein!“

Leylis wirkte leicht aufgewühlt, bemühte sich aber, ihre Ruhe wiederzufinden.

„Ähm... ich meine, ich würde gern mehr von eurem Spira sehen... wenn das in Ordnung wäre...“

Rikku wirkte zwar irritiert, zuckte aber mit den Schultern und stimmte zu.

Kurz darauf war alles zusammengepackt, man verabschiedete sich von Rin und dann kletterten Rikku und Corax in ein sehr altersschwach aussehendes Miniflugmodell, während die Übrigen sich an Bord der Celsius begaben. Brüderchen fragte nicht einmal mehr, ob sich das Flugziel eventuell geändert haben könnte. Die entschlossene Yuna neben ihm bestätigte es, ohne auch nur ein Wort zu sagen.

Und so flogen sie schweigend fort von der Mi'hen Straße und entfernten sich auch immer mehr von Lucca, vom Trubel und der Lebhaftigkeit. Ihr Ziel, Guadosalam, war schon immer ein Ort gewesen, den man eher nicht ohne Grund besuchte und auf dem eine ernste Stille lag, die vom Abyssum selbst auszugehen schien.

Wakka freute sich nicht unbedingt darauf, die Stadt wiederzusehen, aber schließlich flogen sie nicht zum Vergnügen dorthin. Er fühlte sich unwohl beim Gedanken an das, was ihnen bevorstand und die bedrückte Stille im Flugschiff, welche ohne Rikku sehr schnell eingetreten war, machte es nicht besser. Allerdings hätte er auch kein Gesprächsthema gewusst und wagte nicht die Ruhe zu durchbrechen. So hing er weiter seinen Gedanken nach und warf ab und an Seitenblicke auf seine Mitreisenden. Leylis klebte die ganze Zeit über am Fenster, während Yuna und Lulu beide in einigem Abstand von diesem standen und ihre Blicke zwar nach vorne hinaus gingen, aber doch auf nichts gerichtet zu sein schienen.

Beide sahen so ernst aus, wie lange nicht mehr. Selbst seine Frau schien noch verschlossener als sonst und er hatte gelernt, diese minimalen Unterschiede als verschiedene Stimmungslagen zu deuten. Sie nahm die ganze Geschichte ebenso mit wie ihn. Mit dem Bedürfnis, ihnen irgendwie Mut zu machen, stellte er sich neben die beiden Frauen, legte Yuna schweigend die linke Hand auf ihre Schulter und umschlang Lulu mit dem rechten Arm.

So verbrachten sie den restlichen Flug, bis sie es in einiger Entfernung vor der Celsius heftig blitzen sahen: Die Donnersteppe.

Sie befanden sich direkt vor Guadosalam, dem Zugang zum Abyssum, der Residenz einer ehemaligen Widersacherin und dem einstigen Haus von Seymor, wo er Yuna den Heiratsantrag gemacht hatte.
 

***



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Vanima
2011-04-21T21:59:06+00:00 21.04.2011 23:59
Juhu endlich Kapitel 6! :-)
Ich find es echt toll, die Träume von Yuna und Leylis verwirren mich nach wie vor, aber langsam wirds ja deutlicher, denk ich zumindest...
Und Corax?? Meine Güte der geht ja ran xD Faszinierender Typ, was der wohl dabei dachte? Bestimmt nicht viel^^
Bin gespannt, was sie im Abyssum finden, hoffentlich irgendeinen Hinweis, der zu Tidus führt...
Und was hat Gippel denn jetzt gefunden, was so wichtig ist? Fragen über Fragen wie immer^^ Bin gespannt auf mehr <3 Mah weiter so
liebe Grüße Mia


Zurück