Ungeküsst
„Alles ok mit dir, Sammy?“
Sam seufzte leise, drehte sich auf die Seite und schmiegte sich an ihn, und Dean beschloss, das als ausreichende Antwort hinzunehmen.
Das war ja mal der/die schärfste Nachmittag/Abend/Nacht aller Zeiten gewesen – und das sogar, ohne dass sie den Inhalt der braunen Plastiktüte voll ausgeschöpft hatten.
Dean grunzte zufrieden, vergrub seine Hand in Sams Wuschelhaar und kraulte ihn geistesabwesend.
Auch, wenn er im Prinzip nicht auf Kuscheleien stand, fand er, dass Sam sich das diesmal mehr als verdient hatte.
Dean drehte den Kopf, drückte Sam einen hingebungsvollen Kuss auf die Wange und grinste verliebt, als dieser sich noch ein wenig enger an ihn schmiegte.
Sammy war ja so niedlich, wenn sie gerade stundenlang Sex gehabt hatten.
Dean seufzte leise und blickte versonnen an die mondbeschienene Decke ihres Motelzimmers.
Sam würde die nächsten Tage vermutlich nicht ordentlich laufen können – so viel überquellende Leidenschaft forderte ihren Tribut – und da sie keinen Job in Aussicht hatten, sprach im Prinzip nichts dagegen, noch eine Weile hier zu bleiben.
Er würde das mit Sam besprechen, sobald der wieder ansprechbar war.
Dean spürte Sams Lippen über seinen Hals streichen, hob Sams Kopf zu sich an und gab ihm einen innigen Kuss.
Irgendwie bekam er heute nicht genug von Sam.
Er drängte seine Zunge zwischen Sams weiche Lippen, forderte Sams Zunge mit seiner heraus und grummelte unzufrieden, als er sich ihm entzog.
„Dean, ich kann nicht mehr …“
Dean schnaufte, halb amüsiert, halb ungläubig, und strich Sam eine verirrte Strähne seines braunen Haars aus der Stirn.
„Ich kann mich nicht erinnern, dass du mich um Rücksichtnahme gebeten hättest …“
„Ich bitte dich jetzt um Rücksichtnahme“, erwiderte Sam leise und sah ihm in die Augen, und Deans Blick wurde weich.
„Na fein …“
Er ließ zu, dass Sam sich wieder an ihn kuschelte und schloss die Augen.
Wenn er ehrlich war, dann konnte er selbst nicht mehr – musste Sammy ja nicht wissen.
Sams gleichmäßig tiefe Atemzüge informierten ihn nur Minuten später darüber, dass Sammy eingeschlafen war, und er streichelte ihm mit der freien Hand über den Rücken, während die andere noch immer in Sams Haar vergraben war.
Er liebte Sam wirklich.
Das Gefühl von Sams warmer, nackter Haut an seiner war wunderbar beruhigend – zumindest im Moment – und die Art, wie Sam sich an ihn schmiegte und dabei zufriedene Laute von sich gab, verursachte ihm doch tatsächlich Herzklopfen.
Dean schlug die Augen auf, betrachtete Sams schlafendes Gesicht im Halbdunkel des Zimmers und nahm sich vor, sich von seinen Gefühlen keine Angst machen zu lassen.
Angst vor den eigenen Gefühlen zu haben, mochte zwar etwas typisch Männliches sein, bedeute aber nichtsdestotrotz ganze fünfzig Punkte Abzug auf der Männlichkeitsskala.
„Dean, komm schon – konzentrier dich!“
Dean schnaubte gereizt, als Sam seine Hand beiseite wischte und weiterhin wie hypnotisiert auf den Bildschirm seines Laptops starrte.
Er hatte sich die letzten drei Stunden konzentriert, jetzt wollte er eine Belohnung.
„Ich glaube ja nach wie vor, dass du dir diesen Fall nur einbildest!“, verkündete er mürrisch und runzelte die Stirn, als Sam ihn ignorierte.
Fein, dann eben kein Rumgefummel.
„Ich geh Kuchen holen!“, informierte er Sam grimmig, schlüpfte in seine Jacke und war aus der Tür, noch bevor Sam etwas erwidern konnte – was sowieso nicht passieren würde, da er ihn ohnehin nicht gehört hatte.
Blöder Sam.
Dean zog die Schultern hoch, als der vor der Tür auf ihn lauernde Nieselregen in sein Bewusstsein trat, und grummelte auf dem Weg zum Diner ungehalten vor sich hin.
Wehe, die hatten da keinen Apfelkuchen.
Seit sie in diesem blöden Kaff angekommen waren, hockte der blöde Sammy die ganze Zeit wie gebannt vor seinem blöden Laptop und recherchierte, was das Zeug hielt.
Das Problem war nur, dass es da nichts zu recherchieren gab.
Irgendein blöder Lokalreporter hatte aufgrund eines Mangels an richtigen Schlagzeilen beschlossen, sich mal so richtig was aus den Fingern zu saugen und die örtliche Untreue- und Ehebruchsrate angeprangert.
Und Sam – anständig und rechtschaffen wie er war – weigerte sich schlichtweg, die allgemeine Verkommenheit seiner Mitmenschen als solche hinzunehmen, und hatte beschlossen, dass etwas Übernatürliches dahinter steckte.
Dean verdrehte die Augen und betrat den ein wenig zu grell beleuchteten Diner.
Nach dem - dank wolkenverhangenem Himmel - düsteren Halblicht draußen blendete ihn die nach frittiertem Fett duftende Herrlichkeit des Schnellrestaurants schon fast.
Er ließ sich Kuchen einpacken, als stünde eine Hungersnot unmittelbar bevor, zahlte mit einer seiner falschen Kreditkarten und machte sich auf den Rückweg zu seinem und Sams Motelzimmer.
Sam konnte von ihm aus weiter recherchieren, bis er schwarz wurde, er wusste seine Zeit sinnvoller zu nutzen – mit Essen.
Dean ignorierte den stärker werdenden Regen, der zwar von seiner Lederjacke abperlte, sein Haar aber schon nach kürzester Zeit durchnässt hatte, und von dort über seine Wangen und seinen Hals in den Kragen seines Shirts rann.
Warum hatte er sich noch gleich nicht wärmer angezogen?
Wegen der leisen Hoffnung, dass Sam doch noch darauf kommen würde, dass er interessanter war als sein dummer Computer?
Wie voreilig.
Dean seufzte leise, als er die Tür zu ihrem Motelzimmer öffnete, und war nicht großartig überrascht, Sam noch immer in der exakt gleichen Haltung wie bei seinem Weggehen vorzufinden.
Der Gute würde sich noch den Rücken ruinieren, wenn er weiter so nach vorn gebeugt saß – außerdem kam sein anbetungswürdiger Hintern so nicht zur Geltung.
Dean blinzelte ein paar Regentropfen von seinen Wimpern, war schon fast geneigt, Sam im Stillen Recht zu geben – die waren wirklich abnorm lang – und zog seine Lederjacke aus.
Er fröstelte, rieb sich über die nackten Unterarme und ließ sein klammes Shirt der Lederjacke folgen.
„Ich geh duschen“, ließ er Sam wissen, und der löste endlich seinen Blick vom Bildschirm seines Computers und sah ihn an.
„Wieso – wovon bist du so nass?“
Dean schnaubte genervt, wandte sich ab und verschwand ins Bad.
Manchmal wollte er Sam einfach nur eine reinhauen.
Vielleicht sollte er doch mal die Gerte ausprobieren, die er eigentlich nur gekauft hatte, um Sammy zu ärgern, und die noch immer ungenutzt und unbeachtet in den Tiefen der braunen Plastiktüte auf ihren Einsatz wartete.
Dean brummte zufrieden und schloss die Augen, als das warme Wasser sein Unwohlsein davon spülte, und legte den Kopf in den Nacken.
Es wäre ihm zwar sehr viel lieber gewesen, wenn Sammy die Vorzüge einer wohltemperierten Dusche gemeinsam mit ihm genossen hätte, aber auch ohne Sams Haut an seiner war das Erlebnis angenehm genug, um seine Laune zu heben.
Sollte Sam doch seinem Helfersyndrom nachgeben, wenn er unbedingt wollte, er würde jetzt gleich Kuchen essen, und es gab nichts, was ihn davon abhalten konnte.
Dean seufzte in vorfreudiger Erwartung der kulinarischen Freuden, die seinen Gaumen erwarteten, und schrak zusammen, als Sam mit einem Ruck den Duschvorhang zur Seite zog.
Naja, vielleicht gab es ja doch etwas, was ihn davon abhalten konnte.
Dean setzte seinen „Ich bin zu allen Schandtaten bereit“ Blick auf und wackelte verspielt mit den Augenbrauen, bis ihm auffiel, dass Sam für ein feucht fröhliches Abenteuer irgendwie noch zu viel anhatte.
„Ich habe eine Gemeinsamkeit der Ehebrecher und Ehebrecherinnen gefunden!“, informierte Sam ihn einen Hauch zu selbstzufrieden, und Dean überlegte einen Moment lang, seinen Kopf gegen die beflieste Wand zu schlagen.
„Und die wäre?“, erkundigte er sich stattdessen gelangweilt und griff nach dem Duschgel.
„Sie hatten alle den gleichen Friseur!“
Dean hielt mitten in der Bewegung inne und warf Sam einen fassungslosen Blick zu. „Hast du einen Stich?!“
„Ich war auf der Webseite von dem Friseur und hab Kundenphotos gefunden!“, fuhr Sam fort, als habe Dean nichts gesagt, und Dean drehte das Wasser ab, nahm das Duschgel und fing an, sich einzuschäumen.
Es hatte eh keinen Sinn, Sam das auszureden.
„Und jetzt?“
„Jetzt gehe ich dahin und sehe mich mal um – ich wollte dir nur Bescheid sagen.“
Sam zog den Duschvorhang wieder zu und verließ das Badezimmer, um Dean seinen selbstquälerischen Gedanken zu überlassen.
Nicht nur hatte es Sammy scheinbar völlig kalt gelassen, ihn nackt und nass und mit Duschgel eingeschäumt zu sehen, er hatte nichtmal versucht, ihm einen Abschiedskuss zu geben.
Nun gut, Dean hatte ihm am Vortag beinahe eine gelangt, als er das versucht hatte, aber das war doch noch lange kein Grund, es nicht wieder zu versuchen.
Jetzt fühlte Dean sich nicht nur unattraktiv sondern auch noch ungeliebt.
Er seufzte über sein schweres Los, stellte das Wasser wieder an und spülte sich ab.
Wenigstens hatte er noch seinen Kuchen.
„Was kann ich für Sie tun?“
Sam zuckte zusammen, als wie aus dem Nichts plötzlich eine wohlgenährte, mindestens vierzigjährige Frau mit äußerst dunklem Teint vor ihm stand und ihn anstrahlte.
„Oh, Verzeihung – ich wollte Sie nicht erschrecken“, entschuldigte sie sich bei ihm, als sie seinen verhuschten Blick bemerkte, und lächelte mütterlich.
„Einmal schneiden, nehme ich an?“
Sam nickte, weil er nicht wusste, was er sonst tun sollte, und wurde zu einem Friseurstuhl im hinteren Bereich des Geschäfts abgeführt.
„Nur einen kleinen Moment – ich bin sofort für Sie da …“
Seine Geiselnehmerin entschwand, und Sam griff wie automatisch nach einer der Zeitschriften, die auf dem Spiegeltisch vor ihm lagen.
Warum genau war er eigentlich her gekommen?
Was versprach er sich von diesem Besuch?
Gut möglich, dass Dean Recht hatte, und er sich nur selbst etwas vor machte, aber irgendwie hatte er ein komisches Gefühl gehabt, als ihm die Schlagzeile des Lokalblattes ins Auge gefallen war.
Dumm nur, dass es wirklich so gut wie Nichts gab, worauf er sich mit diesem Gefühl stützen konnte.
Naja, wenigstens war er so für einen Moment Deans überwältigendem Sexappeal entkommen, und sein Hintern wenigstens für kurze Zeit in Sicherheit.
Sam seufzte leise und schloss kurz die Augen.
Er hätte Dean ja wirklich gerne einen Abschiedkuss gegeben, aber so, wie der ihn gestern angepflaumt hatte, als er das versucht hatte, hatte er das Risiko lieber nicht eingehen wollen.
Blöd eigentlich.
„So, wie hätten Sie es denn gern?“
Sam schrak aus seinen Gedanken auf und öffnete die Augen, um im Spiegel die freundliche Friseuse zu erblicken, deren dunkle Augen ihn ruhig musterten.
„Machen Sie einfach, wie Sie denken“, antwortete er unsicher und drehte verwundert den Kopf nach rechts, als von dort ein amüsiertes Lachen erklang.
„Geben Sie ihr bloß nicht so einen Freifahrtschein“, kicherte die hübsche Rothaarige, die in dem Stuhl neben ihm saß, und zwinkerte ihm zu. „Sasha ist für ihre radikalen Ideen berühmt-berüchtigt …“
Die Rothaarige erntete einen freundlichen Knuff von Sasha, dann fuhr diese Sam mit den Händen durchs Haar und legte nachdenklich den Kopf schief.
„Ich würde es einfach nur ein wenig durchstufen und so weit kürzen, dass man Ihnen wieder in die Augen sehen kann …“
Sie warf Sam im Spiegel einen fragenden Blick zu, und der nickte zustimmend.
„Klingt gut.“
„Möchten Sie, dass ich Ihnen vorher die Haare wasche?“
Sam verneinte, bekam einen Kaffee angeboten, den er annahm, und dann wurde ihm von Sasha das Haupthaar gekürzt.
Sasha, offenbar Besitzerin dieses Etablissements, unterhielt sich während der ganzen Zeit, in der sie ihm die Haare schnitt, nicht nur mit der Rothaarigen neben ihm, sondern auch mit dem jungen Herrn, der der Rothaarigen die Haare schnitt, sowie so ziemlich allen anderen Anwesenden.
Sam hatte noch nie jemanden getroffen, der erstens so kommunikativ war, und es zweitens schaffte, gleichzeitig nicht nur mehrere Gespräche am Laufen zu halten, sondern diese auch noch zu dominieren und das Alles, ohne ihm ein Ohr abzuschneiden.
Nyahaha!
Da hat jetzt keiner mit gerechnet, dass ich mit diesem Kapitel nicht nahtlos am letzten ansetze, wa? *Kopf in Nacken werf und böse Lache zum Besten geb*
Da ich aber mit Entsetzen feststellen musste, dass ich scheinbar nur 10 volljährige Leser habe, dachte ich mir, dass es für alle Beteiligten das Beste sei, den Erotikfaktor mal wieder ein wenig runter zu schrauben.
Jemand ernstlich ein wenig verstimmt?
moko-chan