Kontrollverlust
Nebel kroch aus dem moosbewachsenen Boden zwischen den Grabsteinen hervor und umwaberte sie in weißen Schleiern, die ständig die Form veränderten und unheimliche Gestalten zu bilden schienen, mit langen Fingern nach jedem greifend, der dumm genug war, sich um diese Zeit hierher zu verirren.
Am Himmel blinkten, kalt und endlos weit entfernt, zahllose Sterne und ein fahler, sichelförmiger Mond ließ die Schatten hervortreten. Keines der Gräber war gepflegt - die einstigen Nutzer waren längst verschwunden, entweder hier unter der Erde oder irgendwo im Land, auf der Suche nach einem neuen Ort zum Leben. Das Einzige, was noch von ihrer Existenz zeugte, waren die Denkmäler für die Toten, auf denen die eingravierten Namen, Daten und Lebensgeschichten allmählich verwitterten, während die sterblichen Überreste ihrer Besitzer sich darunter zersetzten, bis sie eins waren mit der Erde und selbst einen Teil des Friedhofs bildeten. Aus dem Nebel ragten hier und da Umrisse, mal die von Statuen, mal die von Mausoleen und Familiengrüften, in denen ganze Generationen gemeinsam für die Ewigkeit rotteten.
Die Nacht war kalt und erfüllt von Geräuschen; der Wind, der durch das hohe Gras strich, das an geschützteren Stellen gewachsen war, kleine Tiere, die im Laub der wenigen noch lebendigen Bäume raschelten - und das harmonische Krachen, wenn ein weiterer, uralter Grabstein unter einem schweren Stiefel zersplitterte.
KRACH!
"Hidan."
KRACH!
"Hidan, hör auf mit dem Scheiß."
KRACH!
"Hidan..."
KRACH!
"HIDAN, Hör gefälligst AUF!"
Hidan dachte gar nicht daran. Ungerührt hob er den Fuß, um einen weiteren Stein dem Erdboden gleichzumachen. Man konnte an den Bruchstücken der Platten gut erkennen, wo er zuvor gegangen war. Bevor die Sohle seines Schuhs mit dem brüchigen, rissigen Material des Grabmals kollidieren konnte, packte ihn sein Partner am Kragen und riss ihn zurück.
"Ich hab gesagt du sollst es lassen."
"Lass mich los, Wichser. Was ich tue und lasse hast du nicht zu entscheiden."
"Und ob ich das habe."
Hidan schlug die Hand seines Partners weg und schnaubte verächtlich.
"Und warum, wenn ich fragen darf?"
"Weil ich das sage."
"Oho, welch logische Begründung. Sorry, aber meine Mami hat mir gesagt ich darf nicht auf alte Säcke hören"
Seine Stimme triefte vor Spott, und das Grinsen auf seinem Gesicht reichte von einem Ohr zum anderen. Erneut hob er den Fuß. Das Knacken, das daraufhin ertönte, stammte allerdings nicht von dem anvisierten Stein, sondern vielmehr von Hidans gebrochener Nase. Die Wucht des Schlages riss seinen Kopf zur Seite und ließ ihn einige Schritte rückwärts taumeln. Er stolperte über einen Grabstein, doch bevor er auf dem Boden aufschlagen konnte, wurde er grob gebremst und wieder hochgezerrt. Mit einem unwilligen Knurren stellte Hidan fest, dass sich die merkwürdigen inneren Fäden seines Partners überall um seinen Körper gewickelt hatten. Sie schnitten durch den dicken Stoff seines Mantels als wäre er aus Papier, und von dort aus direkt in seine Haut. Er konnte sich nicht bewegen. Blut lief aus seiner Nase, tropfte von seinem Kinn auf die Fäden und wurde absorbiert. Nicht ein Tropfen erreichte das taufeuchte Moos, das seine Füße nicht mehr länger berührten.
Kakuzu hielt ihn allein mit seinen Fäden senkrecht in der Luft.
"Na, sind wir aber jähzornig. Passt es dir etwa nicht, wenn nicht alles nach deiner Pfeife tanzt, du blöder Bastard?"
An der Stirn seines Partners pochte eine Ader. Der Druck der Fäden verstärkte sich schmerzhaft und Hidan beschloss, noch ein wenig dicker aufzutragen.
"Ja, nur zu! Wenn du denkst, mich mit Schmerzen gefügig machen zu können, bist du schief gewickelt, Arschloch."
"Halt´s Maul!"
"Hättest du wohl gerne! Du brichst mir die Nase und ich soll das so stehen lassen?"
"Jammer nicht rum, du kannst sie in weniger als einer Minute heilen."
Die Fäden zogen sich zurück. Hidan fiel auf den Boden, wobei sein Fuß umknickte. Er konnte sich nicht auf den Beinen halten und krachte mit dem Kopf gegen einen Grabstein. Fluchend richtete er sich auf.
"Bastard...", stöhnte er, die Augen zusammengekniffen. Dann starrte er seinen Partner an, der immer noch unbewegt vor ihm stand.
"Erst schleppst du mich mitten in der Nacht auf einen verdammten Christenfriedhof, der vor Klischees nur so strotzt, erlaubst mir nicht mal ein wenig Spaß zu haben, dann brichst du mir die Nase, zerfetzt meinen Mantel, schmeißt mich auf den Boden und sagst mir, ich soll nicht jammern? Was fällt dir eigentlich ein?"
Kakuzu musterte ihn stumm, dann drehte er sich um und ging weiter. Hidan rappelte sich auf. Sein Partner schien zu einem der Mausoleen zu wollen. Es war riesig, aus grauem Stein und so düster, als sei es einem Horrorfilm entsprungen.
"Oh, bitte, nicht noch so ein Klischee! Wirklich schaurig...uhu...ein altes Mausoleum...das Böse...lauert...überall...Huhu. Verschone mich, Kakuzu!"
"Hältst du jetzt vielleicht mal deine dämliche Fresse?"
"Nein, bestimmt nicht. Wir sind kaum ein paar Wochen Partner, du hast ungefähr ein dutzend Male versucht, mich umzubringen und hast es nie geschafft. Wir sind auf einem Friedhof voller Ungläubiger, mir ist langweilig und du hast mir nicht gesagt, wozu wir hier sind oder warum es mitten in der Nacht sein musste, also was habe ich zu befürchten? Ich werde ganz bestimmt nicht...Au, könntest du deine Gewalttätigkeit nicht mal an wem Anders auslassen?"
Kakuzu hatte sich erneut umgedreht und seinen Partner gegen die kitschige Statue eines weinenden Engels gedrückt. Der morsche Marmor knirschte, während Hidan sich unter Kakuzus Gewicht wand.
"Die blöde Figur ist arschkalt, und du hast meinen Mantel kaputt gemacht, also würdest du jetzt vielleicht von mir runtergehen?"
"Ach was, dir ist kalt?"
"Wie ich gerade gesagt habe, ja, jetzt hau ab!"
"Nein."
Kakuzu packte Hidan bei den Schultern und presste dessen Rücken noch fester gegen den Engel.
"Iiiih! Deine Hände sind auch kalt! Lass das, Dreckskerl!!"
Das Gegenteil des erwünschten Ergebnisses trat ein, denn jetzt fing Kakuzu an, Hidans gesamten Oberkörper mit seinen Händen nachzufahren.
"Wa - Sag mal, spinnst du? Du bist kalt, Idiot, hör auf damit!"
Sämtliche Haare an Hidans Körper stellten sich auf, während ihm ein kalter Schauer den Rücken hinunterlief. Die Berührung war zwar kalt, aber da die Finger seines Partners auch immer wieder die kleinen Schnittwunden, die von den Fäden herrührten, streiften, brannte seine Haut gleichzeitig. Es war ein widerliches Gefühl und Hidan wehrte sich so heftig er konnte - ohne Erfolg.
"Jetzt nimm die Pfoten da weg du Spast!"
Zu seinem Erstaunen geschah genau das. Jedoch wurden die Finger gleich darauf von Fäden ersetzt, die ihn brutal an der Statue festzurrten, wodurch er komplett bewegungsunfähig wurde. Hatte Kakuzu jetzt
endgültig den Verstand verloren? Was sollte dieses ganze Drama?
"Bastard! Mach die Dinger weg! Was willst du eigentlich?"
"Das du endlich mal deinen verdammten Mund hältst."
Dann drehte Kakuzu sich um und verschwand im Inneren des Mausoleums. Hidan war perplex. Er hatte gedacht, sein Partner würde ihm den Mund zunähen, den Kopf abreißen oder ihm sonstwas antun, aber alles was er tat war...ihn festbinden? Er schüttelte den Kopf. Kakuzu ließ doch sonst keine Gelegenheit aus, ihm wehzutun...
Kaum hatte er diesen Gedanken zuende gedacht, da kam der Besagte auch schon wieder, sich einen Umschlag unter den Mantel schiebend.
Hidan stöhnte.
"Wenn das hier nur ein verdammter toter Briefkasten ist, warum musste ich dann mit?"
Statt einer Antwort fielen die Fäden von ihm ab.
"Komm."
"Wohin?"
"Siehst du dann."
Kakuzu ging einige Schritte vor Hidan. Sein neuer Partner war definitiv der Schlimmste, den er je gehabt hatte. Nervig, langsam, aufsässig und vor allem LAUT. Das wäre ja eigentlich nicht weiter schlimm gewesen, wenn nicht noch die Sache mit der Unsterblichkeit gewesen wäre. Man konnte den verdammten Idioten einfach nicht umbringen; und ohne dieses Druckmittel tanzte Hidan ihm auf der Nase herum.
Aber heute war Kakuzu ein Einfall gekommen, der ihn unter seiner Maske schmunzeln ließ. Damit würde er seine verlorene Kontrolle zurückbekommen.
Schmerzen ließen Hidan offenbar kalt - mit Berührungen schien es ganz anders auszusehen.
Zeit für einen kleinen Strategiewechsel.
Nach einiger Zeit erreichten die Beiden Männer eine Felswand, in der, halb verborgen durch Gestrüpp, der Eingang zu einer Höhle gähnte wie ein zahnloser Mund. Kakuzu steuerte zielstrebig darauf zu, während Hidan ihm verdutzt folgte.
"Woher wusstest du, dass hier ne Höhle ist? Weibliche Intuition?"
"Eher Erfahrung. Ich überprüfe immer erst die Gegend, bevor ich eine Mission anfange."
"Weichei. Wo bleibt da das Risiko?"
Bald brannte ein Feuer in der Höhle. Hidan hatte seine Sense gegen eine Wand gelehnt und war so nah wie möglich ans Feuer gerückt. Ihm war immer noch kalt. Wütend starrte er Kakuzu an, der ihm gegenüber saß, mit einem warmen Mantel, sein Gesichtsausdruck unlesbar wie immer. Da wurde ihm klar, dass sein Partner ihn ebenfalls ansah. Nanu? Normalerweise ignorierte der Mistkerl ihn...so gut er eben konnte.
"Hab ich was im Gesicht?"
Ein undefinierbarer Blick.
"Leg dich hin."
"Bitte WAS?"
"Du sollst dich hinlegen."
"Und warum?"
"Siehst du dann."
"Ja klar, bück dich und ich zeig dir ein paar wundervolle Dinge. Nicht mit mir!"
"Gut, dann heil dich selbst, Sturkopf."
Hidan zog die Augenbrauen hoch.
"Du willst mir helfen?"
"Oh Wunder. Ja."
"Ich leg mich nicht auf den Boden. Der ist kalt."
"Wer ist jetzt das Weichei? Aber na gut..."
Kakuzu begann seinen Mantel aufzuknöpfen, wobei Hidan ihn misstrauisch beäugte.
"Leg dich da drauf."
Der Mantel lag jetzt ausgebreitet auf dem Boden. Noch immer ein wenig zögerlich legte Hidan sich darauf, während sein Partner sich neben ihn kniete, die Hände von einem grünen Schimmer umgeben. Kaum kam der grüne Schimmer in Berührung mit Hidans Brust, da begannen sich die zahllosen kleinen Schnitte zu schließen. Keiner von ihnen war tief, und bald war die Haut wieder makellos bleich und unversehrt. Die gebrochene Nase nahm schon mehr Zeit in Anspruch. Eine merkwürdige Stille breitete sich aus, in der das getrocknete Blut aufgesogen wurde und der Knochen zusammenwuchs. Hidans Blick war nach oben gerichtet, direkt auf Kakuzu, der nicht im geringsten angestrengt oder auch nur konzentriert wirkte. Erstaunlich, dass er als Nuke-Nin solche medizinischen Fähigkeiten hatte...Es knirschte, und Hidan stöhnte auf. Jashin, das tat gut...War aber auch das Mindeste, wenn der alte Geldsack ihm schon die Nase brach.
Schon entfernte Kakuzu seine Hände wieder. Hidan wollte sich gerade aufsetzen, als sich ihm zwei Hände auf die Schultern legten und ihn festhielten.
"Du gehst nirgendwohin."
"Ähm...FICK DICH?"
"Ganz im Gegenteil."
"Wa - Du hast ja wohl ne Macke!"
"Sieh es als Friedensangebot."
Nach einer raschen Drehung saß Kakuzu auf Hidans Becken, ließ dafür aber seine Schultern los, was dazu führte, dass Hidan versuchte, ihn von sich herunterzuschieben. Allerdings musste er sich Kakuzus Gewicht und seiner Kraft geschlagen geben. Trotzdem wand er sich weiterhin in dem Versuch, irgendwie loszukommen. Sein Partner war unterdessen vollauf damit beschäftigt, die Unbehaglichkeit des unter ihm Liegenden dadurch zu erhöhen, dass er ihn anfasste. Gut, seine Hände waren jetzt nicht mehr kalt, aber Hidan bekam trotzdem Gänsehaut. Der Druck von Kakuzus Händen variierte ständig, von kaum fühlbarem Streifen seiner Seiten bis zu festem Massieren der Bauchmuskeln.
Schließlich wurden ihm die Fluchtversuche zu bunt, er packte Hidans Arme und hielt sie an dessen Seiten fest, während er sich herunterbeugte.
"Nana, haben wir etwa Berührungsängste?"
"Komisch, ich weiß auch nicht was mit mir los ist. Normalerweise steh ich total auf sexuelle Belästigung!"
"Dann sei entweder brav und tu was ich sage, oder lass dich drauf ein."
"Ich werd hier ganz bestimmt nicht dein liebes Schoßhündchen spielen."
"Gut, dann hab Sex mit mir."
Kakuzu machte sich auf eine Schimpftirade und saftige Beleidigungen gefasst - die allerdings nicht kamen. Stattdessen herrschte einige Augenblicke Stille, und als Hidan schließlich sprach, war seine Stimme leise mit einem seltsamen Unterton.
"Nur, wenn du die Maske abnimmst."
Moment mal. Keine Widerrede? Kein `Was fällt dir gottlosem Bastard eigentlich ein?´? Das war...unerwartet. Aber durchaus nicht unangenehm...
"Sicher, warum nicht?"
Er ließ einen von Hidans Armen los - nur einen, schließlich war er kein Idiot - und nahm die Maske ab. Sein Partner starrte ihn einige Sekunden an, schien das Bild in sich aufnehmen zu wollen.
"Und ich dachte, du trägst das Teil, weil du so hässlich bist."
_ _ _ _ _ _ _ _
[1]
Am nächsten Tag regnete es. Und nicht die Art Regen, bei der es `ein wenig feucht´ wurde, sondern die Art, bei der es - und man - `klatschnass´ wurde.
Team Zombie bewegte sich eher langsam durch den triefnassen Wald auf ein kleines Dorf zu. Keiner von Beiden sprach.
Kakuzu war zufrieden - sein Plan war aufgegangen. Zwar anders als erwartet, aber dennoch...Das Beste an der Sache war, dass es ihn tatsächlich befriedigt hatte. Gut, er hätte Hidan sowieso genommen, aber ein williger, unterwürfiger Hidan war einfach...besser. Viel besser als das ganze bloß als Bestrafung zu benutzen.
Und seinen Zweck schien es trotzdem erfüllt zu haben - Hidan meckerte kein bisschen.
Aber jetzt schien er irgendwas zu wollen, denn er zog ihn von hinten am Mantel. Kakuzu drehte sich um. Sein Partner grinste ihn an, tropfnass und mit Haarsträhnen im Gesicht.
"Was ist?"
"Da vorne ist ein Teehaus. Lass uns Rast machen."
"Wir haben eine Mission. Wir können nicht einfach..."
Aber Hidan schien nicht zuzuhören. Er streifte Kakuzus Mundschutz herunter, umfasste sein Gesicht mit beiden Händen, stellte sich auf die Zehenspitzen und schnitt ihm das Wort ab. Kakuzu stand ganz still, während Hidans Lippen sich quälend langsam und fast zärtlich auf seinen bewegten. Gerade als er begann den Kuss zu erwidern, nahm Hidan den Kopf zurück und grinste wieder.
"Bitte?"
Kakuzu wollte ihn schlagen, ihn weiterküssen, aber Hidans Augen bettelten ihn förmlich an. So unterwürfig wie...
"Na gut. Aber nur kurz."
Als sie im Teehaus saßen, trocken und warm, Hidan fest an Kakuzus Seite gepresst, den Kopf auf seiner Schulter, fragte sich der Größere, ob er wirklich derjenige war, der die Kontrolle hatte.
_________________________________________________________________________________
[1]
Ja, das hättet ihr jetzt gern ausführlicher gehabt, wie? Ich war leider grad nicht in Stimmung für Adult.
Aber in meiner neuen FF kommt ihr dafür auf eure Kosten...nur Geduld!