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Der brechende Fels

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Der treffende Stein

Manchmal, da stand man auf an einem wunderschönen Morgen und hatte sofort und augenblicklich das Gefühl, dass dieser Tag einer der affenschärfsten werden würde, den man je erlebt hatte.

Na gut, vielleicht nicht direkt nach dem aufstehen.

Aber spätestens beim Frühstück, war für Ray die Sache absolut geritzt.

Leise summend verengte er leicht seine Augen und Köpfte zielgenau mit Schwung sein Frühstücksei.

Noch war er alleine, aber das würde sich schon noch ändern.

Warum er so guter Laune war, war vielleicht dadurch erklärt, dass er endlich mal wieder richtig ausgeschlafen hatte. Noch dazu in seinem Bett.

Jetzt war die Sache durch und gelaufen.

Da bekam ihn Kai auch nicht mehr raus, auch wenn er sich noch so eklig benahm.

Seit ein paar Tagen vermied er es ja gezielt mit Ray zu reden.

Ray wusste langsam wirklich nicht mehr, ob Kai überhaupt wusste, was er wollte. Tatsache jedenfalls war, dass er auch nicht mehr ständig einen Streit vom Zaun brach.

Nicht, dass er plötzlich die Ruhe selbst, vollkommen ausgelassen wäre.

Nein, er schien sich irgendetwas ziemlich zu verkneifen.

Dabei nahm Ray schon fast an, dass er ihn so wütend gemacht hatte, dass ihm selbst schreien nicht mehr weiterhalf.

Verhalten kichernd lehnte sich der junge Chinese in seinem Stuhl zurück und streckte sich genüsslich bis in die Fingerspitzen.

Ein leises Geräusch von der Treppe her erregte seine Aufmerksamkeit und ohne seine Augen zu öffnen, gab er ein selten gut gelauntes „Guten Morgen, Kai!“ zum Besten.

Er glaubte sogar die Schritte einen Augenblick lang stocken zu hören, ehe Kai in die Küche bog. Konnte natürlich auch Einbildung sein, aber Ray nahm es da langsam einfach nicht mehr so genau.

Grinsend schaute er auf. „Kaffee?“

Nicht, dass Kai ihm antwortete. Um genau zu sein, stand er im Türrahmen, verzog langsam seine Brauen und wenn Ray ihm in die Augen sah, konnte er die Zahnrädchen beinahe arbeiten sehen.

Gerade atmete er tief ein, wobei sich seine Schultern sichtbar hoben, da zog Ray eine Tasse an sich heran und füllte sie mit dem schwarzen Zeug.

Er selbst war ja nun eher ein Teetrinker.

Da sollte ihn niemand fragen, warum er wusste, wie Kai seinen Kaffee trank. Es war halt so.

Da schlug wieder die bekannte drei-Jahre-zusammen-wohnen-Ausrede zu. Er hatte sich dazu entschlossen nicht weiter darauf einzugehen. Dass er nämlich nicht einmal wusste, was Kenny oder Max gerne aßen, hatte ihm dabei nicht ganz so gut in den Kram gepasst.

Bestimmt hielt er seinem Teamleader schließlich die Kaffeetasse entgegen und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln.

Kai blinzelte überrascht und öffnete leicht seinen Mund, ehe er ihn auch schon unter einem leisen Brummen wieder schloss und nach der Tasse griff. Dabei schaute er in sie hinein, als wolle er prüfen, ob Ray Gelegenheit gehabt hatte, irgendetwas Brandgefährliches hinein zu mischen.

Erst dann zog er sich einen Stuhl heran und setzte sich langsam. Ray sah er dabei an, als habe er den Verstand verloren.

Eben jener ging allerdings gar nicht weiter auf ihn ein, sondern widmete sich voller Begeisterung seinem Frühstück. Kai verlangte zwar viel Aufmerksamkeit, zumindest gelegentlich, aber in bestimmten Situationen reagierte er darauf wirklich auffallend allergisch.

Beim essen, beim schlafen, beim nachdenken…

Im Großen und Ganzen hasste er es, wenn man ihn bei alltäglichen Dingen beobachtete.

Im Gegensatz dazu, verlangte er vollkommen ergebene Aufmerksamkeit, wenn er etwas zu sagen hatte und ließ sich auffallend gerne beim Training bewundern.

Das war wohl einfach die banale Sache mit dem Stolz.

Der war toll!

Wenn man es richtig machte, konnte man sicher richtig schön darauf rumreiten. Das wollte Ray sich sowieso für spätere Situationen merken, war bestimmt irgendwann einmal nützlich.

Völlig zusammenhangslos gluckste Ray amüsiert in seine Teetasse, weshalb Kai einen Moment sein Frühstück unterbrach.

Bis Max, Kenny und Takao sich zu ihnen gesellten dauerte es dagegen noch fast eine Stunde.

Ray hatte sich dazu entschlossen nicht zu fragen, aber überraschen tat ihn schon, dass Kai dazu absolut nichts zu sagen hatte.

Er war ja sonst schon so still, wenn er nicht gerade streiten wollte, aber heute…

Der junge Chinese erfreute sich an seinem Sieg auf ganzer Linie einen kleinen Wolf. Immerhin hatte er es geschafft, Kai zumindest heute Morgen ein weiteres Mal den Wind aus den Segeln zu nehmen. Das war doch schon mal ein Fortschritt.

Max und Takao machten sich darüber jedenfalls keine Gedanken. Sie diskutierten gerade begeistert ihr Frühstück durch. Nebenbei fielen ein paar Randbemerkungen über das nächste Turnier und die Platzierungen des Letzten. Kenny blätterte eine weitere Seite in seinem Magazin auf… und war einfach da. Ray stutzte.

Genau das war es!

Nach dieser Beschreibung hatte er solange gesucht, die traf nämlich voll ins Schwarze!

Sofern nicht gerade die Weltmeisterschaft am Laufen war, denn dann lief er zur Höchstform auf.

Na gut, da wollte Ray mal nichts gesagt haben.

Gerade als er in sein drittes Brötchen beißen wollte, da fuhr Kai neben ihm so plötzlich auf, dass der Ältere sich erschrocken ziemlich schmerzhaft in die Zunge biss.

„Kein Training heute. Macht doch was ihr wollt…“

Ray blinzelte sich erst einmal die Tränen aus den Augen und rieb sich drucksend über den Mund, ehe er Kai nachblickte, der sich mal wieder aus vollkommen undurchsichtigen Gründen verdrückte.

Takao, Max und Kenny wechselten einen Blick, worauf sich folgende Unterhaltung gedacht werden konnte:

„Hast du etwas getan?“

„Nein, sonst würde er nicht gehen, sondern mich verprügeln. Du etwa?“

„Nein, ich nicht!“

„Ich mache niemals auch nur irgendwas.“

Erst dann hoben sie völlig synchron wieder ihre Köpfe, um Ray dabei zuzusehen, wie er abgelenkt an seiner Zunge herum zupfte. Als er sich dessen bewusst wurde, hielt er direkt in der Bewegung inne und blinzelte irritiert. „Ith wath?“

Verneinendes Genuschel, ehe sich zwei von vieren entschlossen sich aus dem Staub zu machen, bevor es sich Kai eventuell doch noch anders überlegte.

Ray sah ihnen dabei zu und verzog das Gesicht. Also bitte, er hatte damit nun wirklich nichts zu tun. Zumindest glaubte er das. Kenny tat ihm jedenfalls den Gefallen und fragte nicht nach.

„Lasst uns doch mal wieder nen Abstecher in die Stadt machen!“, warf Takao ein, als er aufstand. Max setzte glucksend noch eins drauf. „Nen Abstecher wird Kai auch machen, wenn er davon Wind kriegt, dass wir uns wirklich einfach so verdrücken.“

Takao sah daraufhin ein wenig danach aus, als wäre ihm ganz plötzlich ziemlich übel geworden und verzog murrend das Gesicht. „Immerhin hat unser Butterblümchen doch selbst gesagt, dass wir-…“

„Dass ihr was?! Ich kann euch hören, das wisst ihr schon?!“, drang es plötzlich aus dem Wohnzimmer und traf Takao wie einen Blitz, der erschrocken sichtbar den Kopf einzog.

„Ach, ehm… gar nichts! Echt, gar nichts!“

Brummend rollte er tief ausatmend mit den Augen und ergriff sogleich Max am Arm, während er mit der anderen Hand flüsternd seine Stimme noch zusätzlich von der Tür abschirmte.

„Los, lasst uns schon abhauen! Wir könnten mal wieder ins Kino oder so.“

„Ich muss Ersatzteile einkaufen.“

„Von mir aus auch das… nur raus hier…“

Man, musste Takao bereits verzweifelt sein.

Ray lachte so sehr, dass sich seine Knie ziemlich weich anfühlten und er sich am Tisch abstützen musste. Dabei musterten ihn seine Teamkameraden in der Art wie Kai zuvor, als habe er den Verstand verloren. Stimmt, vielleicht war er wirklich nahe dran.

Erstickt glucksend rieb er sich mit einer Hand die Tränen aus den Augenwinkeln.

„Na, dann macht, dass ihr rauskommt, ich lenke solange unseren Sonnenschein ab.“

Takao sah schon fast entsetzt drein. „Wie jetzt? Du… kommst nicht mit?“

Ray schüttelte guter Laune den Kopf und deutete mit dem Daumen über seine Schulter zum Tisch.

„Nö. Ich räum erst mal auf und geh ans Training. Hab heut keine Lust auf Freizeit“, setzte er mit gesenkter Stimme fort und zuckte mit den Achseln.

Kenny und Max tauschten flüchtig einen Blick, ehe Max plötzlich vortrat und bestimmt Rays Hand ergriff, der verdutzt blinzelte.

„Tja… war schön dich gekannt zu haben, Kumpel.“

„Wir werden dich sehr vermissen“, fügte Kenny mit authentisch trauriger Stimme an, während Takao sich eine imaginäre Träne aus den Augenwinkeln rieb und leicht die Nase hochzog.

„Wir werden deinen Einsatz für unser Team immer zu würdigen wissen…“

Rays Augenbraue zuckte angespannt, als sich seine Hände gemächlich zu Fäusten ballten. Dabei wurde sein vielleicht etwas debil wirkendes Grinsen noch eine Spur breiter.

„Schert euch jetzt alle ganz schnell raus, bevor ich Kai selbst auf eure Fährte ansetze…“

Takao lachte gedrückt, ehe er dem Älteren auf die Schulter klopfte und mit den anderen Zweien doch ziemlich flink das Weite suchte.

Tief einatmend blickte Ray ihm nach. Dabei war er sich nicht so ganz sicher, ob er sich nicht vielleicht doch hätte anschließen sollen. Stimmte schon, große Lust auf Kino und Popcorn hatte er wirklich keine. Allerdings war es auch einen Gedanken Wert, Kai ein wenig Urlaub von sich zu gönnen.

Aber… wenn Ray jetzt nachgab, war dann nicht im Grunde alles umsonst gewesen…?

Unentschlossen stand er weiter so in der Küche, an den Tisch gelehnt und sinnierte über mögliche Taktiken, Kai ein weiteres Mal aus seiner festgefahrenen Fassung zu locken.

Kai verbrachte wohl so viel Zeit unter seinem eigenen persönlichen Stein, dass er schon lange die Sonne nicht mehr gesehen hatte.

Aber jetzt wurde es wirklich ein wenig zu philosophisch. Rays Aufgabe war grundlegend ja nur die, Kai unter seinem Stein hervorzulocken.

So wie das derzeit aussah, war das aber doch schon kein Stein mehr. Das war ein ziemlich großer, grimmig dreinschauender Felsen.

Leicht verzog Ray das Gesicht, brummte leise und rieb sich flüchtig die Nase, ehe er damit begann, den Tisch abzuräumen. Dabei war er möglichst leise, damit er Kai im Nebenraum nicht störte.

Außerdem hatte er gerade jetzt keine Lust wegen irgendetwas zu streiten.

Ihm fiel da zwar konkret absolut gar nichts ein, worüber. Aber Kai war da ja ein Stück kreativer als er.

So vergingen vielleicht knappe zwei Stunden, bis Ray auf die Idee kam, noch etwas heißes Wasser aufzusetzen. Da er aber grundsätzlich auch niemanden ausschließen wollte, riss er sich guter Laune herum und entschloss sich einen Blick in das Wohnzimmer zu werfen, um Kai zu fragen, ob er eventuell noch für einen Kaffee zu haben war– Falls sein Lieblings Teamleader überhaupt noch dort war. Das war doch auch eine nette unverfängliche Idee, ein einfaches Gespräch in die Wege zu leiten. Vollkommen zufrieden mit seinem Entschluss, lehnte sich der junge Chinese in seiner neuerdings äußerst fröhlichen Art in den Türrahmen des Wohnzimmers und holte bereits tief Atem um etwas zu sagen – ehe ihm beinahe alles aus dem Gesicht fiel.

Ja, Kai war noch da… das war aber nicht das, was ihn gerade so aus der Fassung brachte.

Tatsache war wohl, dass Kai glaubte, er sei mit den anderen gegangen, denn er schien sich völlig sicher und unbeobachtet zu fühlen.

Gerade lag er auf dem Rücken ausgestreckt auf der Couch, während er sein rechtes Bein gerade in die Höhe streckte. Seinen Hosensaum hatte er bis zum Knie hochgekrempelt, wodurch er ziemlich unschöne Dinge entblößte. Wer jetzt an haarige Angelegenheiten dachte, hatte zumindest im Wortsinn weit gefehlt. Ray schluckte gedrungen, als er den Verband endlich mal wieder zu Gesicht bekam. Er wusste ja, dass so ein Riss nicht in wenigen Tagen einfach so wieder verschwand.

Aber dass er wohl immer noch blutete, wie es die dunklen Flecken verrieten, war wohl der Tatsache Kais Sturheit zu verdanken, der im Training auf derartige Dinge natürlich wieder absolut keine Rücksicht nahm. Am allerwenigsten bei sich selbst.

Gerade biss Kai mit scharf verengten Augen in den Kragen seines Shirts, während seine Finger an der schleife lagen, die den Verband am oberen Ende zusammenhielt.

Ray, dem bis eben vollkommen die Worte gefehlt hatten, fuhr missgelaunt auf. „Was zum Henker tust du da?!“

Kai fuhr merklich in sich zusammen, wobei sich seine Pupillen scheinbar auf Stecknadelkopf-Größe zusammenzogen, als er ganz langsam und mit sichtbarem Entsetzen seinen Kopf in Rays Richtung neigte. Dabei wurde er kreidebleich.

Ray glaubte weniger, dass das an seiner Person lag.

Eher hatte der Schrecken eben garantiert höllisch wehgetan.

Die gute Laune des Älteren war mit einem Mal vollkommen verflogen, als er auch schon heran rauschte. „Lass mich das sehen.“

Kai dagegen gab ein missgelauntes Brummen von sich und setzte sich schwungvoll auf, worauf er Ray, wie ein getretener Hund, bedrohlich seine Zähne zeigte. „Bleib weg. Das ist nichts, was dich angeht.“

Ohne weiter darauf einzugehen griff Ray nach Kais Knöchel und zog sein Bein in die Höhe, worauf der Jüngere einen erschrockenen und ziemlich schmerzgeprägten Schrei von sich gab.

Rays ungute Vermutung wurde nur noch davon untermauert, dass Kai kurz darauf sogar Tränen aus den Augenwinkeln perlten.

„AAH! Lass mich verdammt nochmal los, du B-…!“

„Soso? Das ist also nichts, du großer starker Mann? Und ich frage mich noch, wohin neuerdings das viele Aspirin verschwindet.“

Es mochte gut sein, dass Ray nicht im Mindesten feinfühlig war, als er Kai wiederum vor die Brust und damit zurück rücklings auf die Couch stieß und kurz darauf fest an dem Knoten des Verbandes zog.

Kai wurde plötzlich durch die Berührung der Wunde so steif wie eine Katze im Nackengriff und hielt sichtbar den Atem an, während er weit seinen Mund öffnete. Allerdings drang nicht der Geringste Laut über seine Lippen, was Ray durchaus sehr beeindruckend fand. Denn anders als Kai, konnte er sich bei diesem Anblick absolut nicht zurückhalten.

„Oh Gott! Kai, du bescheuerter Vollidiot, warum hast du nichts gesagt?! Das stinkt wie ein totes Tier!!“

Und selbst das empfand Ray noch als hochgelobt.

Von Anfang an hatte der Ältere gesehen, wie tief der Schnitt gegangen war. Aber er hatte nicht damit gerechnet, dass er schlecht verheilte. Aber… plötzlich…

In Rays Augen spiegelte sich die Erkenntnis. Kurz bevor Kais Ferse ihm fast den Kieferknochen demolierte. Ouch, das tat gerade verdammt weh…

Trotzdem war Ray mehr durch den bloßen Schrecken als durch den Tritt auf dem Boden gelandet und konnte gerade noch dabei zusehen, wie Kai mit knirschenden Zähnen und geweiteten Augen fest seine Arme um sein Knie schlang, als könnte er den Schmerz damit kurzfristig ersticken.

Dazu zu sagen hatte er gerade nichts. Er war momentan viel zu sehr damit beschäftigt tief zu atmen, damit der Schmerz vielleicht doch eventuell wieder etwas abklang.

Als dies nach einer Weile auch geschah, erkannte Ray ohne jegliche Probleme die Erleichterung in seinen Augen, ehe er sich plötzlich scharf zu ihm umwandte. „Du…“

Ray schluckte.

Was Kai dachte, war ihm gerade voll und ganz bewusst. Allerdings schien es so, als habe er nicht die geringste Lust dazu noch etwas zu sagen.

Ray rieb sich missmutig brummend die Wange und das Kinn, während er Kai ausgiebig musterte.

Da wunderte er sich über die schlechte Laune in der letzten Woche. Die hätte er mit so einem Ding allerdings auch gehabt. Null Problemo.

„Kai, wenn du da nichts machst, fault dir das Bein ab.“

Wie Ray fand, war das noch eine harmlose Feststellung. Kai schien alles versucht zu haben um das Problem selbst in den Griff zu bekommen. War so wie es aussah jedoch gescheitert.

Zwar wechselte er wie Ray auch wusste allabendlich den Verband, aber so wie das jetzt aussah, konnte Kai jubeln im Freudentaumel noch nicht an einer Blutvergiftung krepiert zu sein.

Das war eine faustdicke Entzündung.

Der Riss war deutlich gerötet und das immer noch austretende Blut roch streng nach Eiter.

Eigentlich war das in jedem Sinne ein Fall fürs Krankenhaus oder zumindest einen Arzt.

Allerdings wusste Ray selbst nur zu genau, dass er Kai niemals freiwillig und bei vollem Bewusstsein in die Nähe eines weißen Kittels kriegen würde.

Spätestens jetzt wurde es schwierig.

Angespannt öffnete Ray seinen Mund, rieb sich weiterhin die Wange und verengte nachdenklich seine Augen. Das war mehr, als ein Dorn in der Löwentatze.

„Dir ist schon klar, dass das gefährlich ist?“

„Solange du nicht daran rumtatschst, bestimmt nicht.“

Nun schlug es aber Dreizehn!

Kai konnte gerademal blinzeln, da stand Ray schon wieder aufrecht und baute sich nahezu bedrohlich vor ihm auf. „Das ist kein Witz mehr Kai!“

„Siehst du mich etwa lachen, Kon?!“

… nein… das war vielleicht wahr…

Angespannt tippte Ray sich gegen die Lippen, wobei er feststellte, dass ihm dieser beißende Geruch auf kurz oder lang wirklich den Magen umdrehen würde. Ächzend verzog er gereizt das Gesicht, ehe er sich abwandte.

So ging das nicht…

„Warte hier.“

Das konnte wirklich nicht so bleiben. Es war ja schon schlimm genug, dass Kai sich nicht einmal Hilfe suchte. Aber das tat er immerhin auch sonst nicht. Das wäre ein schlimmer Stilbruch.

Natürlich war es auch selbstverständlich, dass Kai ihm nicht zuhörte. Er sah ihn nur an, gab ein abwertendes Geräusch von sich und stand in einer Selbstverständlichkeit und Sturheit einfach auf, um ganz demonstrativ zu gehen.

Schmerzen?

Keine Spur.

Kai doch nicht.

Ray konnte da wirklich nicht mehr zusehen…

„Du bescheuerter Penner wirst dieses Mal gefälligst tun, was ich sage!!“

Ray wütend zu machen, war im Allgemeinen schon eine schwierige Angelegenheit. Kai brachte seinen Puls dagegen schon in wenigen Augenblicken weit hoch über Hundertachtzig.

Schneller als der Russe schauen konnte, stand Ray ihm auch schon im Weg und versperrte bedrohlich den Weg durch die Tür, wobei nur noch ein gereizt zuckender und vor Wut aufgeplüschter Katzenschwanz fehlte.

Beinahe berührten sich ihre Nasenspitzen, während Ray angespannt vor Kai seine Zähne zeigte und ihn schließlich Schritt für Schritt zur Couch zurückdrängte.

Also bitte. Ging doch.

„Warum nicht gleich so. Man…“

Missgelaunt brummend fuhr Ray sich durch das Haar, als er sich umwandte.

Kai blickte ihm wortlos nach.
 

„Das wird jetzt ziemlich wehtun.“

„…“

„Ich meine das ernst.“

„…mir doch egal.“

Ray rollte mit den Augen und ließ Kai eben seine Portion Trotz durchgehen. Immerhin hielt er still, das war doch schon mal ein großer Fortschritt.

Als der Ältere daraufhin kommentarlos das nasse Handtuch gegen die Wunde presste, biss Kai so fest die Zähne zusammen und unterdrückte irgendeinen hässlichen Fluch, dass er in seiner rechten Hand ohne Mühe versehentlich eine der Orangen zerdrückte, die er hatte schälen wollen. Ein paar weitere lagen neben einer Schüssel und einem Messer auf dem Tisch.

Natürlich tat das verdammt weh. Selbst wenn Kai nicht das Gesicht verzog, war es allein seiner Atmung anzusehen. Aber zugeben wollte und würde er es nicht.

In früheren Zeiten war er nun mal darauf geprägt worden, sowas bekam man aus einem solchen Menschen eben auch nicht mehr raus.

Zu Gute zu halten war ihm immerhin noch, dass er nicht wieder nach Ray austrat, der jedes Mal praktisch für Kai das Gesicht verzog, wenn er die Wunde berührte.

Momentan war er dabei sie einigermaßen auszuwaschen.

Dafür hatte er grünen Tee aufgegossen in der Hoffnung, dass es der Entzündung etwas abhalf.

Kai unterdessen kümmerte sich während der Prozedur relativ wenig um Ray oder die Schmerzen. Im Großen und Ganzen versuchte er eigentlich gerade einfach nur ein paar Orangen zu schälen und den jungen Chinesen voll und ganz zu ignorieren.. Der Versuch von eben war allerdings gründlich misslungen. Zumindest, was die Orange betraf.

Missgelaunt verengte er tief brummend seine Augen und legte in aller Ruhe das zerquetschte Obst beiseite, ehe er sich den Saft aus der Hand und vom Ellbogen leckte.

Ray saß im Schneidersitz vor ihm und versuchte diesem möglichst unbeteiligten Gehabe keine Beachtung zu schenken. Sollte er doch, wenn er sich damit besser fühlte.

Behutsam hob der junge Chinese das Bein des Jüngeren etwas höher an und tauchte das Handtuch erneut in den inzwischen nur noch lauwarmen Tee.

Immerhin versuchte er wirklich Kai nicht mehr als nötig wehzutun.

Das war allerdings äußerst schwierig, wenn er selten auch nur irgendeine Reaktion zeigte. Dabei tat er so, als ginge ihn das, was Ray gerade tat, nicht das Geringste an.

Langsam kam sich Ray dabei wirklich äußerst bescheuert vor…

Seufzend atmete er aus.

„Ich hab dich eigentlich immer für ziemlich unkompliziert gehalten…“

Kai schnaubte, ohne ihn anzusehen. Das war es aber auch schon.

„Ich dachte eigentlich du seist vielleicht ein kühler Zeitgenosse, aber ein ausgesprochen kluger, strategischer Denker.“

Leicht neigte Ray den Kopf und drückte das Handtuch erneut ein wenig fester gegen Kais Schienbein, der das Messer daraufhin tief in der zweiten Orange in seinen Händen versenkte.

„Aber mal ehrlich. Das bist du nicht. Du bist ein ziemlich verklemmter und äußerst bescheuerter Starrkopf. Das ist auch schon alles.“

Knurrend verengte Kai seine Augen und hob seinen linken Fuß, um Ray an der Schulter bestimmt von sich zu drücken. „Ach was.“

Grob drückte Ray allerdings aufschnaubend sein Bein zurück und ging gar nicht weiter darauf ein.

„Sobald irgendjemand eine Mauer aufstellt und ganz groß drauf schreibt Hier kein Durchgang, dann kommst du mit einer Spitzhacke und versuchst allen das Gegenteil zu beweisen. Das muss man erst mal durchhalten, Hut ab.“

Kai blinzelte und gab ein gereiztes Brummen von sich.

Warum Ray überhaupt noch mit ihm sprach, war wohl eher der peinlichen Stille zu verdanken, die er dadurch vermeiden wollte. Dabei fühlte er sich wie ein Dompteur im Löwenkäfig nur ohne Peitsche.

Wenn er seinen Kopf je in Kais Rachen stecken würde, dann wurde er wohl kommentarlos abgebissen.

„Du tust immer so erwachsen, dabei benimmst du dich wie ein trotziger Fünfjähriger. Du machst es wirklich jedem schwer dich zu mögen. Das ist das, was ich nicht verstehe.“

Leicht zog Ray seine Nase hoch, als er missgelaunt zu Kai aufsah, der nun auch das erste Mal wirklich seinen Blick erwiderte. „Andere, gut. Das ist deine Sache. Aber warum machst du es mir so schwer?“

Es war Kai anzusehen, dass Ray besser gar nicht erst mit einer Antwort rechnen sollte.

Ray seufzte grottentief und verzog das Gesicht. „Mensch, Kai, jetzt sei endlich mal ein ganzer Mann und sprech über deine Gefühle!“

Kai blinzelte und neigte ganz langsam seinen Kopf. Eine Antwort war jedoch immer noch zu viel verlangt. Augenrollend gab Ray sich geschlagen. Vorerst.

Das leise Klingen des Messers war zu hören, als Kai es zusammen mit der Orange beiseitelegte.

„Weil du es bist.“

Überrascht blickte Ray sogleich zu dem Jüngeren auf, der sich nun wieder ganz besondere Mühe gab, Ray auch ja nicht anzusehen. Gemächlich verschränkte er in einer unsicher anzumutenden Art seine Arme vor der Brust und verengte angespannt seine Augen.

Ray blinzelte.

Diese Antwort war ziemlich genauso nichtssagend wie immer.

War das nun gut oder schlecht…?

„Was soll ich deiner Meinung nach denn tun?“, fügte er plötzlich an und senkte scharf seinen Blick auf Ray, der erschrocken leicht zurückzuckte. „Mich dir um den Hals werfen? Jauchzen und Jubeln? Bist du wirklich so beschränkt?“

Also wirklich, wie Ray fand hätte letztere Bemerkung wirklich nicht sein müssen.

Vor Verlegenheit leicht rot angelaufen verzog der Ältere missmutig das Gesicht und kratzte sich leicht über die Wange.

„Ich weiß nicht. Du sagst doch ständig, dass du mich haben willst. Wäre es dann nicht sinnvoller ein wenig liebenswürdiger zu sein?“

Dies war wohl genau der Wortlaut, den Kai mal so gar nicht ausstehen konnte. Wirklich knallrot im Gesicht, wandte er wiederum den Blick demonstrativ in andere Richtung und stieß ein übellauniges Knurren aus, was Ray wiederum ein resignierendes seufzen entlockte.

Was sollte er denn noch tun oder sagen, wenn Kai ihm nicht zuhören wollte?

Solange Kai nicht endlich die Klappe aufbekam, blieb dem Älteren nur übrig irgendwie bei einem Spiel mitzuspielen, dessen Regeln er nicht einmal kannte.

Das war wirklich nicht mehr schön.

Ausatmend trocknete er äußerst vorsichtig die gerötete Haut und legte einen möglichst festen Verband um Kais Bein an. Er glaubte kaum, dass es damit getan war. Wenn Kai mit seiner Verletzung weiter so umging wie bisher, würde er irgendwann mal an sowas kaputt gehen.

Aber das regelte wohl wirklich alles die Gewohnheit.

Wenn Kai unbedingt mit Schmerzen leben wollte, konnte Ray ihn nun wirklich nicht daran hindern. Leicht ruckte Ray die zwei Enden des Verbandes zusammen, wobei der jüngere sichtlich in sich zusammenzuckte.

Aufmerksam betrachtete sich der junge Chinese sein Werk und streifte unter leichtem Druck mit seinen Fingern vorsichtig über Kais Schienbein, worauf er äußerst zufrieden damit war, dass der Jüngere sich dabei immerhin nicht mehr vor Schmerzen verkrampfte. War doch besser so oder?

„Siehst du?“, brummte er, als er die Wasserschüssel anhob, um sie wegzuräumen. „Entspann dich doch wenigstens dann mal, wenn man dir sowieso nur etwas Gutes tut.“

Seine Worte damit unterstreichend, rollte der junge Chinese mit den Augen, als er sich schon umdrehte. Doch schnellte in diesem Moment Kais Hand hervor, dessen Finger sich unerbittlich in sein Shirt harkten. Dabei hätte Ray halb zu Tode erschrocken beinahe die Schüssel fallen lassen.

„Kai, was soll-…?!“

„Nicht umdrehen.“

Na…gut…?

Leicht verzog Ray seine Brauen und öffnete seinen Mund, auch wenn er gerade wirklich nichts Intelligentes beizutragen wusste. Kai bewegte sich.

Plötzlich lehnte sein Kopf neben seiner erhobenen Hand an Rays Rücken, der dadurch sogar seinen Atem durch das Shirt hindurch spüren konnte. „…Danke…“

Ray blinzelte.

Damit hatte er nicht gerechnet. Aber er liebte Überraschungen!

Bestimmt stellte er die Schüssel vorerst auf den Tisch und drehte sich schwungvoll zu Kai herum, um sich in der gleichen Bewegung noch zu ihm herab zu beugen. Rays Haarspitzen berührten Kais Gesicht.

Und alles was Ray darauf tat, war in aller Zufriedenheit strahlend zu lächeln, während Kai ihm gegenüber dunkelrot anlief und mit überrascht-panischem Blick rücklings vor Ray auswich.

Dieser neigte leise glucksend seinen Kopf. „Gern geschehn!“
 

Tbc.
 

So geht’s doch mal richtig voran =]

Ich hoffe Kais verhalten bleibt soweit nachvollziehbar, immerhin will ich aus ihm wirklich keine bitterböse Zicke machen xD

Danke fürs lesen und bis demnächst ;]
 

cya



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Alex_Dryden
2010-02-14T15:50:06+00:00 14.02.2010 16:50
Hwey^^
Ich habs endlich mal geschafft weiter zu lesen...
also das ist dir alles echt toll gelzungen...
ich find ja Kais Reaktionen manchmal so süß, oder aber so bescheuert...
Abre Ray tut mir auch leid...
Das Gespräch mit Mariah hat mir gefallen, auch wenn ich mir gewünscht hätte, das du Mariahs Antworten immer mit geschrieben hättest, dann hätte man ihren Rat lesen können.
Aber ansonsten alles perfekt...
Ich frag mich nur gerade,wie Kai so dumm sein kann und sein Bein nicht richtig behandeln kann...er muss doch wissen wie wichtig sein Bein ist...aber naja das ist Kai^^

Ich freu mich richtig wenns weiter geht^^
Vllt kannst du mir ja bescheid geben, wenn ein neues Kap draußen ist, würde mich darüber sehr freuen^^

Ciao die Guave_Lexi
Von: abgemeldet
2010-01-30T11:08:34+00:00 30.01.2010 12:08
Aww~
Es geht wirklich vorran!
Aber der arme Ray muss wirklich ganz schön viel leisten um von Kai mal eine Reaktion zu bekommen (was er aber super hinbekommt, finde ich ^__^) - umso schöner, wenn sie dann kommt...der Schluss war toll! +__+
Von: abgemeldet
2010-01-30T03:59:08+00:00 30.01.2010 04:59
Ach, da Kapitel war einfach herrlich :D.
Ich weiß gar nicht mehr, was ich noch sagen soll, du weißt ja, wie sehr ich deinen Schreibstil bewundere XD (ich bin jetzt auch grad um die Uhrzeit nicht mehr ganz so originell was das Schreiben eines Kommis betrifft, verzeih :P.
Wollte dir nur eben mittelen, dass ich mich sehr gut unterhalten habe :D
Würde an deiner Stelle nur nochmal über den ersten halben Abschnitt auf der ersten Seite drüberschauern, da haben siech sehr viele Tippfehler eingeschlichen :3
Wenn du magst, dann les ich das nächste Kappi beta, ich mach das gerne, kannstes mir ja per ens schicken, wenn du magst x3
*Flausch*
Von:  MiyaKamiya
2010-01-28T20:33:02+00:00 28.01.2010 21:33
Das ganze ist mit einem Wort beschrieben:
Toll.
Einfach nur toll.
Ich liebe deinen Schreibstil und dir Story sagt mir wirklich
ausgesprochen zu. xD
Ich bin sehr, SEHR gespannt was als nächstes passiert ;P
lg
Yuki
Von:  Minerva_Noctua
2010-01-28T19:10:18+00:00 28.01.2010 20:10
Guten Abend!

Ein wunderbares Kapitel.
Und so schnell da^^.
Kais Verhalten ist genauso verständlich bzw. unverständlich wie zuvor auch.
Ich leide mit Rei mit.
Dieser gelingt dir übrigens fantastisch. Ich liebe es, dass er seinen Mann steht^^!
So eine Wunde ist wirklich nicht lustig.
Ob die Beiden das ohne Arzt hinkriegen, ist fraglich.
Der Schluss ist mal wieder supersüß^^.
Klasse.
Du beschreibst alles sehr detailiert und gut vorstellbar. Die Redewendungen, die du immer wieder einbaust sind auch hervorragend.
Ich mag diese Geschichte sehr und freue mich auf das nächste Kapitel!

Bye

Minerva


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