Zum Inhalt der Seite

Save me from the dark

ShinichixShiho
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Der Beginn eines Alptraums

Es war ein ruhiger Tag heute in der kleinen Stadt Tonalá, es war Frühling und aufgrund der Klimabedingungen in der kleinen Stadt Mexikos herrschte ein angenehmes Wetter. Eine Tatsache, die viele Menschen für Spaziergänge nutzen. Viele, aber nicht alle. Ein Pärchen, dessen Identität ebenso wenig echt war wie ihre Liebe, war heute zuhause geblieben. In einem kleinen Häuschen am Rande der Stadt.
 

In der Stadt redete man viel über dieses Paar. Zwei Japaner, die nach Mexiko ausgewandert waren, um, wie sie gesagt hatten, ein neues Leben an zu fangen. Sie hatten sich ein baufälliges, kleines Häuschen gekauft, das so weit von der Stadt und auch anderen Häusern entfernt lag, dass nur ein Feldweg dahin führte und nicht einmal eine richtige Straße. Die beiden hatten fast gänzlich alleine das Haus renoviert, nur bei Sachen wie der Elektrik oder dem Dach hatten sie sich professionelle Hilfe geholt. Aber mit den Leuten der Stadt in Kontakt getreten waren sie kaum. Man hatte es zuerst auf Kommunikationsschwierigkeiten geschoben, aber selbst nach einem Jahr suchten sie nur selten Kontakt zu Nachbarn oder Kollegen.
 

Aber eines musste man ihnen lassen: Faul waren sie nicht; sie hatten sich beide Arbeit gesucht. Sie arbeitete in einer Apotheke und er in einer Bibliothek. Es gab von Seiten ihrer Arbeitgeber und Kollegen nie Beschwerden über die Arbeitsmoral oder –leistung - nur dass sie so wenig kontaktfreudig waren, bemängelte man oft.
 

Die beiden waren verheiratet, aber besonders liebevoll gingen sie in der Öffentlichkeit nicht miteinander um; sie hatten keine Kinder und wenn man sie fragte, ob sie in Zulunft welche wollten, bekam man nie eine Antwort. Ja, sie waren merkwürdig, Ai und Conan Edogawa.
 

Gelangweilt klappte Conan das Buch zu, das er eben noch gelesen hatte. Beim dritten Mal lesen war es nicht mehr so interessant wie noch beim ersten Mal. Außerdem war es schmerzlich zu lesen, wie sein Vater den vermeintlichen Tod seines Sohnes in diesem Krimi zu verarbeiten versucht hatte. Er als Detektiv und Helden der Geschichte, wie er verzweifelt versuchte, seinen Sohn zu finden, den er entführt und nicht ermordet glaubte, nur um dann am Ende seine Leiche zu finden. In der Zwischenzeit hatte er zwar anderen durch das Lösen von Fällen das Leben gerettet, die er mit dem Verschwinden seines Sohnes in Verbindung zu stehen geglaubt hatte. Aber das nahm dem Ende des Buches nicht seinen bitteren Beigeschmack.
 

Es war der bisher erfolgreichste Roman seines Vaters, weil alle sich daran ergötzten, das Leid zu spüren, das er mit dieser Geschichte zu verarbeiten versucht hatte. Nachdem Conan das Buch zum ersten Mal gelesen hatte, war er eine Zeit lang kurz davor gewesen, seine Eltern anzurufen. „Ich lebe, mir geht es gut, macht euch keine Sorgen“, hatte er sagen wollen, aber am Ende blieb das Telefon einmal mehr unberührt auf seinem Tisch stehen. Es war besser, wenn sie es nicht wussten. Sicherer für alle beteiligten. Sie mussten glauben, dass Shinichi Kudo tot war, gestorben bei einem tragischen Autounfall auf dem Weg nach Osaka. Das FBI hatte die Geschichte eingefädelt, nachdem Shinchi und seine Leidensgenossin Shiho entschieden hatten, nicht länger in Angst vor den Männern in Schwarz leben zu wollen, und irgendwo ganz von vorne anzufangen. Shiho selbst saß angeblich bei dem Unfall neben dem einstigen Meisterdetektiv, war ebenfalls ums Leben gekommen – sie hatte gemeint, dass sie sowieso keiner vermissen würde – man hatte die beiden dann auf ihren Wunsch hin nach Mexiko gebracht und ihnen neue Identitäten verschafft. Nun lebten sie hier seit über einem Jahr, rannten davon vor der BO, der Vergangenheit und ihrem Schicksal…
 

Shiho, die hier als seine Frau Ai Edogawa bekannt war, setzte sich mit einem Seufzen neben ihn. „Mein Chef hat uns wieder zum Frühlingsfest eingeladen. Ich fürchte, dieses Jahr können wir nicht noch einmal mit der Ausrede kommen, wir seien zu beschäftigt“, erklärte sie und nahm sich das Buch vom Tisch, das Shinichi eben erst aus der Hand gelegt hatte. „Wir sollten vielleicht einfach hin gehen. Ein paar Blumen kaufen, kurz nett mit den Nachbarn plaudern und dann wieder nach Hause fahren.“

Das klang ja alles schön und gut, aber Shinichi wusste, dass man sie nicht so schnell gehen lassen würde, die Leute waren viel zu neugierig auf die beiden Japaner, die so zurückgezogen lebten. Dabei wussten die beiden nicht einmal, warum sie sich nicht mit den Nachbarn und Kollegen anfreunden wollten. Die meisten waren wirklich nette Leute. Aber vielleicht war es ja doch die Angst vor den Männern in Schwarz, die sie zu diesem Verhalten drängte, sie dazu zwang, vorsichtig zu sein und sich weitgehend versteckt zu halten. Vielleicht war es aber auch die Tatsache, dass sie sich hier nicht wohl, nicht Zuhause fühlten. Dass dieses ganze Leben nichts weiter als eine große Lüge war, die sie so wenig Leuten wie möglich auftischen wollten.
 

Was sollten sie denn erzählen, wenn man sie fragte, wie sie sich kennen gelernt hatten, wann ihr Hochzeitstag war und warum sie sich einfach nicht wie ein Pärchen benahmen? Nein, sie wollten nicht noch mehr Lügen erfinden müssen. Sie wollten eigentlich nur ein ruhiges und friedliches Leben. Aber es war manchmal so schwer…
 

„Wir werden sehen“, antwortete er schließlich und erhob sich von der Couch, während Shiho in dem Buch zu blättern begann. Sie hatte es auch schon gelesen, aber genauso wie er, schien sie irgendwie ständig das Bedürfnis zu spüren, es wieder und wieder zu lesen, obwohl es auch ihr im Grunde weh tat. „Ich gehe mal einen kleinen Spaziergang machen“, eigentlich sollte er sie jetzt fragen, ob sie mit kommen wollte, aber er wollte sie gar nicht dabei haben. Er wollte allein sein und über die Richtigkeit seiner Entscheidung grübeln; über diese lebende Lüge nachdenken und seinem Heimweh nachgeben. Es war nicht so, dass er Shiho nicht gern hatte und hinter verschlossenen Türen begannen sie mehr und mehr sich wie ein Paar zu fühlen und auch zu benehmen. Aber irgendetwas sorgte dafür, dass er sich nicht sicher war, ob er sie wirklich liebte oder ob er nicht einfach nur begann, selbst die Lüge zu glauben, die sie allen erzählten. Und weil er ihr nicht weh tun wollte, musste er diese Zweifel vor ihr verbergen, indem er eben ab und an alleine irgendwo hin ging. Meist einfach nur raus, ohne Ziel.
 

Er verließ das Haus, ging ein paar Schritte über den trockenen Boden und hielt dann inne, als ihm ein vertrauter Duft in die Nase stieg. Es sah auf, ungläubig und hoffnungsvoll zugleich, schellte sich selbst gedanklich einen Narren über die unglaubliche Vermutung, die sich sofort in seinem Kopf gebildet hatte und doch, sie stand vor ihm. Seine Ran. Wie ein Engel in einem weißen Kleid und ohne Schuhe stand sie da und sah ihn an. Traurig. Traurig wie zu den Zeiten, in denen sie Shinichi vermisst hatte, obwohl der doch als Conan direkt neben ihr saß.
 

„Ran!“, rief er ihren Namen, als stünde sie Meilen von ihm entfernt, dabei stand sie doch direkt vor ihm, seine geliebte Ran.

Sie machte einen Schritt auf ihn zu, sah, wie seine ungläubigen Augen jeder Bewegung folgten und gleichzeitig mit Angst erwarteten, dass sie gleich verschwinden würde, wie die Halluzination, für die er sie insgeheim hielt. „Du hast mich vergessen“, flüsterte sie, gerade laut genug, dass er es hören konnte.

Vergessen? Sie? Niemals. „Nein!“ Zögernd griff er nach ihren Händen, als hätte er Angst, sie würde sich auflösen, würde er versuchen, sie zu berühren. Doch er irrte. Ihre Haut war weich und warm, wie er sie in Erinnerung hatte. „Ich habe dich nicht vergessen, dass könnte ich gar nicht. Ich habe ständig an dich gedacht! Hier! Ich trage immer noch unseren Ring!“, obgleich er ihn nun natürlich als den Ehering von ihm und Shiho ausgab, aber das war okay, so lange zumindest er seine wahre Bedeutung kannte.

„Du hast mich im Stich gelassen!“, noch immer blickten ihre schönen blauen Augen ihn traurig, fast schon verzweifelt an.

„Nein… ich… ich hätte dich gerettet, wenn ich gekonnt hätte.“ Aber diese Möglichkeit war ihm verwehrt geblieben.

„Du hast mich alleine gelassen.“

„Was?“, wann hatte er sie allein gelassen? Er war doch da gewesen, als der Mord geschah, ganz in ihrer Nähe, wenn auch nicht im selben Zimmer.

„Du hast mich vergessen!“ Mit einem Windstoß löste sich Ran plötzlich vor Shinichi auf, auf ihrem Gesicht eine Träne. „Du hast aufgehört mich zu lieben…“
 


 

Mit einem Mal saß er aufrecht, nach Luft schnappend und sich verwirrt umsehend da. Und nach einem kurzen Moment wurde ihm klar, er hatte nur geträumt. Es war nichts weiter als ein Traum gewesen. Ein Traum von Ran - seiner Ran - der Frau, die er immer geliebt hatte und immer lieben würde. Der Frau, für die er dieses elende Leben überhaupt nur weiterhin ertrug und eben nicht, wie in seinem Traum, den Weg des geringsten Wiederstandes wählte und davon lief, obwohl ihm ziemlich oft danach war.
 

Shinichi wollte sich gerade wieder in das Kissen zurück sinken lassen, als ihm erst einmal so richtig bewusst wurde, wo er eigentlich war. Neben ihm lag Shiho und das hier war ihr Bett und eigentlich war es nichts ungewöhnliches, dass sie beide eng beieinander schliefen, aber jetzt, nach diesem elenden Traum, fühlte sich der Detektiv nicht wohl dabei, sich einfach wieder neben sie zu legen. Es war irgendwie nicht richtig. Es war… wie das was Ran gesagt hatte, wie als hätte er seine Frau vergessen, aufgehört sie zu lieben. Wie sonst ließ es sich erklären, dass er morgens neben einer anderen Frau aufwachte, sie abends küsste und darüber nachdachte, mit ihr eine gemeinsame Zukunft zu planen? Das klang nicht gerade danach, als wäre er der trauernde, verzweifelte Witwer, der er seine sollte. Und obwohl es durchaus noch genug Momente gab, in denen er sich wie eben jener Witwer fühlte, reichte es ihm im Moment nicht aus, um sein schlechtes Gewissen gegenüber Ran zu beruhigen.
 

Schnell, aber vorsichtig, schlug Shinichi die Decke beiseite, schlüpfte aus dem Bett und verließ eilig das Zimmer, im Vorbeigehen griff er nach der Kette mit dem Ring, die auf dem Nachtschrank gelegen hatte. Warum zur Hölle hatte er den Ring überhaupt abgelegt? Warum trug er ihn nicht an seinem Finger, wie es sich gehörte, anstatt an einer Kette? Und seit wann verbrachte er nur einen Moment, ohne die Kette an seinem Körper zu tragen?

Tja, die Antwort war einfach. Ihretwegen. Wegen Shiho. Er tat das alles, um es ihr leichter zu machen, um ihr zu zeigen, dass er ganz langsam bereit war, sich auf sie ein zu lassen. Aber war das richtig? Ran war noch kein Jahr tot, seit ihrer Beerdigung schien kaum Zeit vergangen zu sein und der Schmerz in seinem Herzen war noch lange nicht verebbt. Aber wen hinterging er damit eigentlich wirklich? Sie? Sich? Oder Ran? Vermutlich belog er sie alle auf irgendeine Weise, die er selbst nicht verstand.
 

Müde, noch halb benommen von dem bisschen Schlaf, der ein so abruptes Ende genommen hatte, ließ sich Shinichi auf die Couch im dunklen Wohnzimmer sinken. Es schüttelte ihn, aber nicht weil es so kalt war im Wohnzimmer, sondern weil der Traum immer noch in seinem Kopf herum spukte. Er hatte ihn noch in der Nase, den Duft von Rans Parfüm. Er wusste nicht einmal, wonach es roch. Irgendeine Blume war es wohl… eine Lilie oder so etwas. Es spielte eigentlich auch keine Rolle, was es für ein Duft war, Fakt war, es handelte sich um ihren Duft. Ihm war klar, dass es unsinnig war, zu glauben, dass er ihn wirklich in der Nase gehabt hatte, aber es fühlte sich einfach so echt an. Genau so echt wie ihre Haut, die er in dem Traum berührt hatte, ihre zarten Hände. Sie hatte früh die Hausfrau gemimt, schon für ihren Vater und dennoch waren ihre Hände immer weich und gepflegt gewesen. Ihre Fingerspitzen auf seiner Haut waren so ein schönes Gefühl… gewesen. Es war schon verdammt lange her, dass er sie in Wirklichkeit berührt hatte und insgeheim fragte er sich, ob er vor Trauer und Sehnsucht am Ende schon verrückt geworden war. So verrückt, dass er ihren Duft in der Nase und das Gefühl ihrer Haut auf den Fingerspitzen hatte.
 

Oder war es einfach nur die Angst vor der Falle, in die er unter Umständen rennen würde, wenn er Claires Haus betritt, die ihn zu diesem Traum gebracht hatte? Spiegelte sich seine Angst vielleicht in dieser Form wieder? Oder wollte Ran ihm vielleicht…?
 

Eine Tür wurde aufgerissen und alarmiert sprang Shinichi vom Sofa auf, nur um sich wenig später bewusst zu werden, dass kein Einbrecher ins Haus eingedrungen war, sondern dass Heiji wie von der Tarantel gestochen ins Bad gestürmt ist…
 

~*~
 

„Also damit ist klar, dass du definitiv nicht mit gehen kannst“, entschied Shinichi, während er gelassen darauf wartete, dass Heiji sich buchstäblich ausgekotzt hatte und ihm somit antworten konnte. Manche würden das ja ekelhaft finden, so wie Claire, die gleich wieder den Raum verlassen hatte, aber Shinichi hatte weiß Gott schon schlimmeres gesehen. Zerstückelte Leichen waren wesentlich schlimmer als das.

„Was?“, Heiji klang genau so elend wie er aussah, als er sich wieder zurück ins Kissen sinken ließ, den Eimer immer noch in seinen Händen, weil er nicht wusste, wie lange es dauern würde, bis sein Magen sich erneut auf die falsche Weise entleerte – wobei Heiji schon seit Stunden nichts weiter als Tee oder Wasser zu sich genommen hatte und da eigentlich gar nichts mehr war, was er ausspucken konnte. „Das geht nicht. Ich kann euch schließlich nicht alleine lassen!“ Nicht gerade an einem Tag wie heute, wo sie vielleicht das Versteck der BO entdecken würden, wo es mehr als nur ein bisschen gefährlich werden konnte. Nein, er musste Shinichi und Shiho auf jeden Fall begleiten.

„Red keinen Unsinn! Du kommst ja kaum bis zur Toilette, wie willst du es da überhaupt bis zu Claires Haus schaffen, ganz davon abgesehen, wie du dem standhalten willst, was uns dort erwarten könnte“, Shinichi steckte die Hände in die Hosentaschen. „Außerdem…“, er senkte seine Stimme, um ganz sicher zu gehen, dass Claire, die vermutlich direkt nebenan war, auch ja nichts hören würde, „weiß Jodie wo wir sind. Wenn wir bis 20.00 Uhr nicht draußen sind und ich auch nicht ans Handy gehe, wird sie eingreifen.“ So hatten sie es besprochen. Natürlich war die FBI-Agentin nicht begeistert gewesen von dieser Aktion, aber letzten Endes war sie daran gescheitert, Shinichi Vernunft bei zu bringen. Alles wofür sie hatte Sorgen können war, dass er und Shiho mit schusssicheren Westen und Waffen ausgerüstet waren.

Heiji war so erschöpft, dass sein Protest nicht einmal halb so überzeugend klang, wie er sollte. „Aber bis dahin könnte es zu spät sein!“ Niemand wusste, was sie bei Claire Zuhause erwarten würde. Schließlich war Claires Familie genauso verdächtig wie sie selbst und außer Shiho kannte keiner das Haus und selbst sie würde unmöglich die Geheimgänge kennen, durch die weitere BO-Mitglieder möglicherweise ebenfalls ins Haus eindringen könnten. Es war geradezu Selbstmord, nur zu zweit da rein zu gehen. Wobei, wenn er mal ganz ehrlich mit sich selbst war, zu dritt das Haus zu betreten, war auch nicht besser. Und er, mit seiner gelähmten Hand, war vermutlich ohnehin eher eine Last als eine Hilfe. Trotzdem behagte es ihm nicht, seinen besten Freund und dessen Freundin so ganz alleine ins offene Messer laufen zu lassen.
 

Gerade als Shinichi seinem Freund antworten wollte, ging die Tür zum Zimmer auf und Shiho kam herein mit einem Glas Wasser in der Hand, dass allerdings eine merkwürdige Farbe hatte. „Hier, Claire hat noch Tropfen gegen den Brechreiz gefunden“, erklärte die einstige Wissenschaftlerin der BO und stellte dem kranken das Glas auf den Nachtschrank. „Du sollst alles austrinken, sonst wirkt es nicht.“

Schon bei dem Gedanken, überhaupt etwas zu sich zu nehmen, wurde Heiji nur noch schlechter, aber er nickte tapfer. „Solltet ihr das Treffen mit Claires Eltern nicht doch lieber verschieben? Ich meine, immerhin war der Grund für das Essen doch ohnehin, dass ich mit Mrs. Gregor über die Operation sprechen sollte.“ Zumindest offiziell. Wie es inoffiziell aussah, wusste vermutlich nur Claire selbst.

„Das ist kein Problem“, Claire steckte den Kopf durch die Tür und lugte ins Zimmer, „ich nehme den Vertrag einfach mit und lasse mir von meiner Mutter alles erklären, was für dich wichtig sein könnte. Und außerdem war das Essen ja nicht nur wegen der OP. Meine Eltern freuen sich, dass Shiho uns mal wieder besuchen kommt.“ Nervös strich sich Claire eine Strähne hinters Ohr, die aus ihrer Frisur heraus gerutscht war. „Und wenn es dir schlechter gehen sollte, kannst du uns ja anrufen.“ Sie lächelte, doch irgendwie wirkte sie angespannt.

„Dann ist ja alles geklärt“, nickte Shinichi. „Also dann, bis heute Abend!“, es klang fast so, als wäre es ganz selbstverständlich, dass sie am Abend wieder nach Hause kommen würden. Es war, als gingen sie wirklich nur zu ein paar Bekannten etwas essen und als gäbe es daher gar keinen Grund daran zu zweifeln, dass sie gesund und munter wieder zurückkamen. Dabei war ihnen allen bewusst, dass es sehr wohl Grund gab, daran zu zweifeln.
 

Aber Heiji waren die Hände gebunden und so ließ er die drei mit einem unguten Gefühl gehen. Und ein weiteres ungutes Gefühl machte sich in ihm breit, als er das verfärbte Wasser in dem Glas betrachtete, bevor er es widerstrebend in kleinen Schlucken zu sich nahm. Es schmeckte ekelhaft. Aber wenn es half, dann war es diesen kleinen Moment des Ekels wert. Der junge Detektiv hatte sich gerade wieder zurück ins Kissen sinken lassen, als die Tür zu seinem Zimmer hastig aufgerissen wurde.
 

„Entschuldige. Ich… wollte dir das hier nur schnell geben“, hastig tat Claire einen Briefumschlag auf Heijis Nachtschrank. „Lies ihn bitte, ja? Und… es tut mir wirklich leid“, noch bevor er hatte fragen können, was sie meinte und was es mit dem Brief auf sich hatte, war Claire auch schon wieder verschwunden und hatte die Tür hinter sich geschlossen. Man hörte noch, wie sie mit ihren Absatzschuhen hastig zur Wohnungstür eilte und dann war es still. Heiji warf einen zweifelnden Blick auf den Briefumschlag. Ob er wirklich wissen wollte, was darin stand?
 

~*~
 

Shinichi und Shiho standen alleine im Fahrstuhl, der gerade nach unten fuhr. Claire hatte noch etwas vergessen, sie würde sofort nachkommen, also sollten sie beide schon mal ins Taxi einsteigen. Shiho konnte nicht anders, als sich zu fragen, was sie jetzt wohl tat, in diesem kurzen unbeobachteten Moment. Ob sie den Männern in Schwarz Bescheid gab, dass ihre beiden meistgesuchten Feinde gerade ganz alleine auf den Weg zu ihnen waren? Oder irgendetwas anderes tat, um sicher zu gehen, dass Shinichi und Shiho definitiv in die Falle tappen und ihr nicht mehr würden entkommen können?

Es fiel Shiho immer noch schwer zu glauben, dass ihre einzige Freundin eine Verräterin war, aber wenn diese Vermutung doch stimmte, dann rechnete sie mit dem Schlimmsten. Ein Mensch, der ihr monatelang eiskalt vorspielte, ihre beste Freundin und Vertraute zu sein, ja fast eine Schwester, während sie insgeheim schon ihren Tod geplant hatte, konnte sich ja nur etwas Grausames für sie ausgedacht haben.

Die Frage war nur, wenn Shiho wusste, dass sie diesen Tag kaum überleben würden, warum stand sie dann jetzt so selbstverständlich neben Shinichi, und war bereit, ohne zu Zögern in das Taxi zu steigen, das sie vielleicht direkt in die Hölle bringen würde? Lag es an ihm? Wollte sie so unbedingt bei ihm sein, dass sie dafür sogar sterben würde? Lag es an dem kleinen Funken Hoffnung in ihr, dass Claire und ihre Familie doch keine Verbindung zur schwarzen Organisation hatten? Oder war sie einfach nur dumm? Todesmutig? Todessehnsüchtig? Es wäre nicht das erste Mal, dass sie bereit war, ihr Leben weg zu werfen. Es zu beenden und sich selbst zu opfern.

Aber nein, es war dieses Mal nicht so, dass sie sterben wollte. Im Gegenteil, sie fühlte zum ersten Mal seit Langem wirklich den Wunsch zu Leben. Sie wollte mit Shinichi gemeinsam leben. An seiner Seite glücklich werden oder wenn es sein musste, auch ewig unglücklich bleiben, Hauptsache, sie war mit ihm zusammen. Und vermutlich war es auch das, was jetzt dafür sorgte, dass sie bei diesem gefährlichen Weg an seiner Seite war. Wenn er heute sterben würde, dann würde sie mit ihm sterben. Und wenn sie nicht sterben würden, dann würden sie gemeinsam, ein für alle mal, mit ihrer Vergangenheit abschließen, in dem sie der BO erneut zeigten, dass man sich nicht mit ihnen anlegen sollte. Und dass sie es besser nicht noch einmal versuchten. Niemals wieder.
 

Das Ende des Alptraumes.
 

„Shinichi…“, die Fahrstuhltür öffnete sich und die beiden traten nach draußen, vor ihnen wartete die große automatische Glastür darauf, sich zu öffnen und ihnen den Weg zum Taxi frei zu geben, doch noch bewegten sich die beiden nicht auf diese Tür zu. Standen still, sahen sich an. „Es könnte sein, dass wir heute sterben.“

Er nickte, als sich die Fahrstuhltür hinter ihnen schloss und man hören konnte, wie er wieder nach oben fuhr. Vermutlich um Claire zu holen. „Ich weiß“, es faszinierte Shinichi fast selbst, wie ruhig er war. Sollte er nicht nervös sein und Angst haben? Gut, er hatte irgendwie Angst, aber die anderen Gefühle überwogen. Der Wunsch danach, diese Sache endlich zu beenden, seine Rache zu nehmen und den Menschen in seiner Nähe die Sicherheit zurück zu bringen, die sie verdient hatten. So etwas wie Ran sollte und durfte nie wieder einem Menschen passieren, der ihm nahe stand. Nie wieder. Und dafür würde er kämpfen, bis zum Tod wenn es sein müsste und für dieses Ziel würde er gerne sterben.
 

Shiho griff nach seiner Hand, wollte sie kurz drücken als Zeichen dafür, dass sie bei ihm war und immer bei ihm bleiben würde. Als eine Art Versprechen, dass sie diese Sache mit ihm beendet würde, ganz egal, was es kostete. Doch er zuckte zusammen, als sie seine Hand nur leicht berührte. Ihre Schultern sanken nach unten. Also doch! Irgendetwas war anders gewesen an diesem Morgen. Er hatte nicht nur nicht mehr neben ihr gelegen, er hatte auch kaum mit ihr gesprochen und sie nur selten wirklich lange angesehen. Als würde er ihr aus dem Weg gehen, ihren Blicken ausweichen, ihre Anwesenheit einmal mehr als unangenehme Last empfinden. Aber warum? Was war denn passiert? Was hatte sich in den wenigen Stunden zwischen dem zu Bett gehen und dem Aufstehen verändert?
 

„Entschuldige“, Shinichis Schultern sanken ebenfalls nach unten, als er ihren enttäuschten Blick sah. „Aber ich mag solche Szenen nicht, verstehst du? Ich will jetzt nicht Abschied nehmen für den Fall, dass uns etwas passieren könnte. Ich möchte einfach darauf hoffen, dass wir überleben“, und dass er dann wieder klar denken und erkennen konnte, dass dieser Traum eben einfach nur ein Traum gewesen war.

„Du bist ein Lügner“, ihre Hände ballten sich zu Fäusten und sie wendete ihren Blick ab. „Du bist schon seit heute Morgen so anders. Was ist passiert? Ist dir plötzlich klar geworden, dass du mir versprochen hast, dass wir zusammen bleiben, wenn das hier vorbei ist? Wenn dir das Sorgen bereitet, dann kann ich dich beruhigen, ich werde dich nicht an dieses Versprechen binden.“ Sie war bereit an seiner Seite auch unglücklich zu sein, aber nicht wenn das bedeutete, auch ihn unglücklich zu machen und im Moment schien es so, als wäre ihre Anwesenheit, ihre Nähe, ihre Zuneigung, ihm einmal mehr lästig.

„Unsinn“, einen Moment lang war er selbst überrascht davon, wie schnell diese Antwort kam. Er hätte damit gerechnet, dass er zunächst zögern und darüber nachdenken würde. Aber nein, dieses Versprechen bereute er nicht. Er wollte ja mit ihr zusammen sein. Es war nur… dieser Traum… und das Gefühl Ran hintergangen zu haben. „Uns steht ein schwerer Kampf bevor und meine Nerven gehen einfach etwas mit mir durch. Ich versuche nur einen klaren Kopf zu bekommen. Denn auch wenn es so aussieht, eigentlich will ich uns nicht direkt ins Messer laufen lassen und nachdem Heiji als unsere Unterstützung ausfällt, muss ich ganz neu planen und-“

„Du hast gar keinen Plan!“, sie zwang sich dazu, ihn wieder an zu sehen. „Du kannst gar keinen haben, weil wir nicht die geringste Ahnung haben, was uns erwartet“, der einzige Plan den sie hatten war der, auf das Schlimmste vorbereitet zu sein. „Warum sagst du mir nicht einfach die Wahrheit? Hast du Angst, dass ich es nicht verkraften kann, dass du einen Rückzieher machst? Keine Sorge, du hast mir schon oft genug das Herz gebrochen, es kann gar nicht mehr weh tun.“
 

Autsch. Sie hatte ihm noch nie so direkt gesagt, dass er ihr so oft weh getan hatte. Natürlich war er sich immer dessen bewusst gewesen, seit er von ihren Gefühlen für ihn wusste, dass er ihr duzende Male ein Messer durch die Brust gejagt hatte, alleine schon damit, dass er vor ihr so oft über seine Gefühle für Ran gesprochen hatte. Es war ihm immer bewusst gewesen, dass sie unglaublich gelitten haben musste unter dieser unerwiderten Liebe, vielleicht sogar mehr, als Ran unter der Trennung von Shinichi gelitten hatte, aber es nun so direkt von ihr zu hören und dabei in ihre Augen zu sehen, die mit allen Mitteln gegen die Tränen ankämpften, war etwas völlig anderes, als es nur zu wissen. Es war greifbar. Es war fühlbar, wie sehr sie gelitten haben musste, wie sehr sie immer noch litt und das nur seinetwegen.
 

Gerade wollte er etwas sagen, als sich die Fahrstuhltür hinter ihnen öffnete und Claire zu ihnen trat. „Hey, warum seit ihr denn noch nicht im Taxi?“, ihr Lächeln war mittlerweile unübersehbar aufgesetzt. Es gelang ihr einfach nicht mehr, ihre Maskerade länger zu halten. Sie konnte nicht mehr so tun, als wäre alles schön und gut. Denn nichts war schön und gut, nicht für sie und nicht für die beiden, die jetzt links und rechts neben ihr standen und sie ansahen, als hätte sie gerade ein unglaublich wichtiges Gespräch unterbrochen.

„Wir haben auf dich gewartet“, war es diesmal Shiho, die log und sich dann von Shinichi und Claire abwendete, um auf die Glastür zuzugehen, die sie nach draußen lassen würde.

„Warte!“, Shinichi hatte ihr Handgelenk ergriffen und sie somit zum Stehen bleiben gezwungen.

Claire fühlte sich irgendwie unwohl, hier zu stehen und die beiden zu beobachten. Das, was auch immer sie jetzt gerade zu klären hatten, schien nichts zu sein, was sie etwas anging und damit auch nichts, wo die beiden sie dabei haben wollten. „Wisst ihr was? Ich gehe schon mal zum Taxi und erkläre dem Fahrer, wo es hin geht, okay? Kommt einfach nach, wenn ihr alles geklärt habt.“ Mit hastigen Schritten verschwand die Schwarzhaarige nach draußen und ließ das zweifelhafte Paar allein im Eingangsbereich des Hochhauses zurück.

„Ai es tut mir leid. Ich hatte die Nacht einen Alptraum mit Ran und der hat mich etwas aus der Bahn geworfen. Aber ich bereue nichts was zwischen uns war und nichts was ich gesagt habe. Ich brauche einfach nur etwas Zeit, um den Traum zu verarbeiten, das ist alles“, seine Lippen formten sich zu einem entschuldigenden Lächeln. „Ich weiß, dass ich dich ziemlich oft habe warten lassen in den letzten Monaten und das es nicht fair ist. Aber… lass uns jetzt bitte nicht im Streit auseinander gehen, okay?“ Sollte ihm oder ihr doch etwas passieren, dann würde er sich das nie verzeihen können.

Einen Moment sah sie ihn an, und erweckte nicht den Eindruck, nachgeben zu wollen, doch dann schlug sie die Augen nieder und seufzte. „Na schön. Dir kann man ja sowieso nicht lange böse sein.“ Zumindest sie konnte das nicht, egal wie sehr sie es auch versuchte. „Aber eine Sache will ich als Entschädigung.“

Okay, damit hatte er nicht gerechnet. „Und was?“ Ab und zu überschätze er seine Wirkung auf sie offenbar doch. Tze, und so etwas nannte sich nun Detektiv. Aber gut, er war schließlich auf Mordfälle spezialisiert und nicht auf Liebesangelegenheiten. Es gab einem Unterschied dazwischen heraus zu finden, warum jemand einen Mord begangen hat und was in dem Herzen einer Frau vor ging. Einen gewaltigen Unterschied sogar.

„Einen Abschiedskuss“, das war doch nicht zu viel verlangt, oder?

„Den bekommst du nicht, weil es keinen Abschied geben wird“, denn sie würden nicht sterben, sie durften nicht sterben. Sie hatten das Recht und die Pflicht weiter zu leben. Und genau das würden sie auch tun. Es würde schwer werden, aber es war zu schaffen. Sie mussten es schaffen. „Aber ich bin bereit, dir das hier zu geben“, er zog sie zu sich in eine Umarmung und hauchte ihr einen leichten, aber zärtlichen Kuss auf die Lippen. Vorerst musste das reichen. „Und jetzt lass und gehen, sonst fährt das Taxi noch ohne uns.“
 

~*~
 

Während Heiji in seiner Erschöpfung eingeschlafen war, lag Claires Brief immer noch ungeöffnet neben ihm, dabei stand in dem Brief etwas, dass Shinichi und Shiho das Leben retten könnte…
 

~~~
 

Liebe Leser, nach über einem Jahr geht es nun endlich weiter mit "Save me from the Dark" und ich freue mich unendlich über jeden Leser, ob er nun Kommentare schreibt oder nicht, der der Story über dieses Jahr hinweg treu geblieben ist.

Trotz der Langen Pause, hier ein paar Organisatorische Sachen: Ich kann wirklich nur jedem raten, ab und zu in meinen Weblog zu schauen, denn dort finden sich immer mal Informationen zu meinen FF. Auch auf Tumblr (http://monasatlantis.tumblr.com/) gibt es immer mal nützliche Informationen und Szenen aus Kapiteln, die gerade in Bearbeitung sind, oder verworfen wurden.
 

Nach wie vor, stehe ich bei Formspring (Keine Anmeldung nötig) unter dieser Adresse für Fragen zu meinen FF oder auch zu mir selbst zur Verfügung: http://www.formspring.me/ShyMonaAngel
 

Ansonsten, hoffe ich, ihr hattet einen guten Rutsch, fandet das Kapitel einigermaßen interessant und wünsche euch, ein wunderbares Jahr 2013! Bis zum nächsten Kapitel, dort wird es dann auch mit dem großen Finale los gehen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (4)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Rye
2013-03-13T00:43:04+00:00 13.03.2013 01:43
Krasse Sache! :D
Also dass du noch nen neues Kapitel hochgeladen hast, ansonsten hätte ich wohl deine fic nie wieder gefunden.^^

Freut mich zu sehen dass du sie ganz sicher zu ende bringen wirst.
Ich hatte vor einiger Zeit auch endlich meine einzige fic hier beendet, aber das war nach mehr als 3 1/2 jahren Hiatus. XDDD

Gut zu sehen, dass es immer noch viele deiner Leser gibt, die es kaum abwarten können das Grande Finale zu lesen. :3
Von:  Sandoran
2013-01-20T11:53:40+00:00 20.01.2013 12:53
DAnke für das neu Kapitel. Ich musste direkt das vohergehende nocheinmal lesen, weil ich schlicht nicht mehr wusste um was es ging.
Ich freue mich aber sehr darüber. Auch wenn Shinichi etwas sehr gefühlsduselig scheint, muss ich sagen ist das Kapitel wieder super geworden.

Von:  sanxbrit
2013-01-15T12:43:17+00:00 15.01.2013 13:43
shiho tut mir verdammt leid, shinichi ist echt schwierig... freu mich aufs große bo finale^^
Von:  fahnm
2013-01-13T01:29:59+00:00 13.01.2013 02:29
Hammer Kapi^^
Mach weiter so.


Zurück