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Magenta II

Zwischen Azeroth und Kalimdor
von

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Die Verderbnis von Erde und Samenkorn (Teil 1)

Ein Geräusch wie ferner Donner weckte Abbefaria aus seinem ohnehin nur leichten Schlaf. Einen Augenblick lang war der Nachtelf versucht wieder einzudösen, als ihm bewusst wurde, dass das Geräusch lauter wurde…und näher kam. Alarmiert sprang er auf und sah, dass Rakscha sich ebenfalls erhoben hatte. Die beiden Menschen hingegen schliefen noch tief und fest, so das auf dem nackten Erdboden überhaupt möglich war.

„Was ist das?“, wisperte Abbefaria so leise wie möglich. Der leise Donner hatte sich inzwischen in ein vernehmliches Grollen verwandelt, das die Felsen unter ihnen vibrieren ließ.

Anstatt zu antworten wies Rakscha auf etwas hinter Abbefaria. Der Druide drehte sich herum und entdeckte eine Reihe von Schatten, die im Licht der aufgehenden Morgensonne am Horizont dahinrasten. Obwohl er noch nie eine dieser Kreaturen gesehen hatte, wusste Abbefaria sofort, dass es sich um Zentauren handelte. Ihre Hufe waren es, die die Erde zum Beben brachten.
 

Einer der Schatten hatte sich ein Stück von den anderen abgesetzt. Er rannte so schnell, dass er den Boden fast nicht mehr zu berühren schien. Die Staubwolke, die er aufgewirbelte, hüllte die Gestalten hinter ihm in ein flimmerndes Grau. Abbefaria kniff die Augen zusammen um besser sehen zu können. Irrt er sich oder sah sich der erste Zentaur immer wieder nach den nachfolgenden um? Warum lief er nicht einfach langsamer um sicherzustellen, dass sie ihm folgten?

Die Erkenntnis, warum das so war, traf Abbefaria ebenso unerwartet wie den ersten Zentauren der Speer, den seine Verfolger ihn in den Rücken schleuderten. Die vierfüßige Gestalt strauchelte und stürzte. Sofort war die Meute über ihm. Aufbäumend versuchte der gestürzte Zentaur sich zu wehren, doch unzählige Speere durchbohrten seinen hilflosen Körper, Hufe trampelten über Fleisch und Knochen, das man meinte ihr Brechen noch meilenweit hören zu können. Entsetzt wandte Abbefaria den Blick ab und als er einige Augenblicke später wieder aufblickte, zeugte nichts mehr davon, dass dort zu Füßen der Zentauren einmal einer ihrer Artgenossen gelegen hatte. Der Druide kämpfte mit dem aufkommenden Würgreiz.

„Warum…“begann er eine Frage, doch er konnte das Grauen nicht in Worte fassen.

„Ich kann es nur vermuten.“, murmelte die Jägerin. „Wahrscheinlich hat ein junger Krieger eines anderen Zentaurenclans es gewagt, bis in ihr Gebiet vorzudringen. Ein Pfand eines befeindeten Clans bringt den jungen Burschen viel Annsehen…oder den Tod.“

„Das ist barbarisch.“, spie Abbefaria aus.

„Mag sein.“, erwiderte Rakscha. „Aber was viel wichtiger ist: Sie haben uns gesehen.“

„Was?“ Abbefaria fuhr herum und erkannte, dass Rakscha Recht hatte. Die Zentaurengruppe hatte sich zu ihnen umgewandt und blickte geschlossen in ihre Richtung. Ein massiger Zentaur am Kopf der Gruppe, hob einen Arm mit einem Speer, der fast so lang wie ein Nachtelf sein musste. Auf diesen Befehl hin setzte sich die Gruppe unter donnerndem Hufschlag in ihre Richtung in Bewegung.

„Schnell, weck die Menschen!“, zischte Rakscha. „Sie sollen sich bereithalten.“

„Zu fliehen?“

Der Blick mit dem Rakscha ihn auf diese Frage bedachte, jagte dem Druiden ein Schauer über den Rücken. „Ich denke, wir haben gesehen, was mit denen geschieht, die versuchen zu fliehen. Das Einzige, was uns jetzt noch rettet, ist ein kühler Kopf und eine gute Portion Unverfrorenheit. Und nun weck die Menschen!“
 

Abbefaria entschied, zuerst den Magier aus dem Schlaf zu holen. Der Mann blinzelte ihn zunächst verschlafen an, doch als Abbefaria ihm mit kurzen Worten die Lage erklärte, war er schlagartig hellwach.

“Wir kämpfen?“, fragte er und knurrte entschlossen. „Dann Zentauren sich lieber einstellen auf eiskalte Überraschung.“

Abbefaria nickte ihm aufmunternd zu und wollte sich gerade zu Demuny hinunterbeugen, als die junge Frau bereits die Augen aufschlug. Sie schnellte aus dem Schlaf empor und sah aus riesigen, blauen Augen zu Abbefaria empor.

„Werden wir überfallen?“

„Ja, aber Ihr müsst Euch nicht fürchten.“, versuchte Abbefaria sie zu beruhigen.

„Das wäre allerdings klüger.“, knurrte eine Stimme neben ihm und Rakscha griff mit einer Hand nach der Priesterin und zog sie auf die Füße. „Wenn die Zentauren merken, dass wir Angst vor ihnen haben, haben wir verspielt. Also überlasst mir das Reden und versucht möglichst unbeteiligt zu wirken.“
 

Inzwischen war das Dröhnen der heranstürmenden Hufe zu einem ohrenbetäubenden Donnern angeschwollen. Dann waren die Zentauren heran. Sie jagten im gestreckten Galopp auf die kleine Gruppe zu und an ihnen vorbei. Noch ehe sich die Menschen und Nachtelfen versahen, waren sie eingekreist und als sie der graue Staub langsam legte, war mehr als ein Dutzend Speerspitzen auf sie gerichtet.

Der Zentaur mit dem größten Speer trat einen halben Hufschlag nach vorne und grollte dann mit schwerem, kantigem Akzent: „Dies ist unser Land! Was wollt Ihr hier?“

Rakscha wendete sich zu dem Sprecher herum und musterte ihn prüfend. „Euer Land?“, spuckte sie dem Zentaur schließlich vor die Hufe. „Ich habe nirgends Markierungen gesehen, die das hier als Magram-Land ausweist. Ihr seid ein Lügner!“

Abbefaria hielt den Atem an über diese direkte Beleidigung. War die Jägerin etwa verrückt geworden?

„Du nennst mich einen Lügner?“, polterte der Zentaur los und die Speere hoben sich noch ein Stück. „Wiederhol das noch einmal und ich töte dich!“

Rakscha stand weiterhin ruhig da, ungeachtet der Speerspitze, die direkt auf ihren Kopf gerichtet war. „So dumm seid selbst Ihr nicht, Warug. Benehmt Euch nicht wie ein Gelkis.“

Offensichtlich verwirrt senkte der Zentaur seinen Speer ein Stück. „Du kennst meinen Namen?“

Rakscha zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Wer kennt nicht den Namen des großen Warug.“

Obwohl das eigentlich nicht möglich war, schien der Zentaur noch ein Stück in die Höhe zu wachsen, so dass sich das grüne Lederband, das über seiner Brust prangte, zum Bersten spannte. „Das ist wahr. Jeder kennt und fürchtet meinen Namen.“ Er brach in polterndes Lachen aus, das abrupt verstummte, als ihm anscheinend ein Gedanke kam. Lauernd sah er Rakscha an. „Aber du sprichst von den Gelkis? Was hast du mit denen zu schaffen? Bist du etwa ein Spion?“

„Ich soll für die Gelkis arbeiten?“, lachte Rakscha auf und sah dem Zentaur direkt ins Gesicht. „Wenn ich einen Gelkis sehe, dann töte ich ihn und verkaufe seine Ohren für viel Geld an die dummen Zwerge.“

Die Jägerin warf den Kopf zurück, lachte laut und sah sich wild im Kreis der Zentauren um. Zögerlich fielen die vierbeinigen Wesen in ihr Gelächter mit ein, bis der, den sie Warug genannt hatte, seinen Speer erhob und die Meute zum Schweigen brachte.

„Du sagst, du tötest Gelkis?“, knurrte er und stieß ihr mit dem Speer in die Seite. „Dann zeig mir einen Beweis! Zeigt mir, dass du Gelkis getötet hast.“

Abbefaria fiel erst jetzt auf, dass die Spitze seines Speers Blut verkrustet war und dass auch an seinen Beinen das Blut fast mit zum Bauch gespritzt war und dort eine unappetitliche Kruste auf seinem bräunlichen Fell bildete. Fliegen summten um den Zentauren herum und labten sich an dem üppigen Festmahl.

„Hier, nehmt das als Beweis!“, rief Rakscha und schleuderte dem Zentauren zusammen mit den Worten einem formlosen Bündel entgegen. Es prallte gegen seinen Bauch und als es zu Boden fiel und sich öffnete, kam etwas Längliches, Vertrocknetes zum Vorschein. Der Druide brauchte einen Moment um zu erkennen, dass es sich dabei um Ohren handelte. Zentaurenohren. Sie erinnerten Abbefaria an die Halskette, die die Trollfrau in Gadgetzan um den Hals getragen hatte.

Warug betrachtete das Bündel Er stocherte mit dem Speer darin herum und spießte dann eines der Ohren auf. Er hielt es sich vor sein Gesicht und berührte mit der freien Hand einen Ohrring, der noch daran hing. Es waren einige grob geschnitzte Holzperlen und eine blaue Feder.

„Du sagst die Wahrheit, Nachtelfe.“, brummte er und hielt dann den Speer mit dem Ohr in die Höhe. „Die ist ein Gelkisohr.“, brüllte er und die anderen Zentauren fielen lärmend mit ein. „Du bist ein Feind der Gelkis. Und ein Feind der Gelkis ist unser Freund!“

Rakscha wartete ab, bis die Zentauren sich beruhigt hatten und fragte dann: „Wenn wir nun Eure Freunde sind, Warug, lasst Ihr uns dann ziehen?“

Den Zentaur blickte auf die Nachtelfe herab, deren Ohrspitzen ihm nicht mal bis zu seiner Schulter reichten, und sein grobes Gesicht verzog sich zu einem hinterhältigen Grinsen. „Gelkis zu töten ist einfach. Sie sind schwach und flehen Theredas um Hilfe an. Aber Theredas wird nicht kommen. Sie wird ihnen nicht helfen und wir werden dieses Land beherrschen, weil wie die Stärksten sind.“

Warug hob seinen Speer und stieß die blutige Spitze gegen Rakschas Brust. „Wenn du wirklich so stark bist, wie du behauptest, dann musst du einen richtigen Gegner bezwingen. Die Maraudine bewachen die Heiligen Hallen von Mauraudon. Geh und blas ihr Kriegshorn, damit sie wissen, dass ihre Stunde gekommen ist!“

Rakscha schüttelte entschieden den Kopf. „Nein.“

„Was?“, brauste der Zentaur auf und die Muskeln seiner behaarten Oberarme spannten sich, als er den Speer fester packte. „Du wagst es, dich meinem Befehl zu widersetzen?“

Die Ohren der Nachtelfe zuckten unmerklich und verrieten Abbefaria, dass sie lange nicht so ruhig war, wie es auf den ersten Blick erscheinen mochte.

„Ich widersetze mich nicht.“, sagte die Jägerin und ihr ruhiger Ton strafte die Beobachtungen des Druiden Lügen. „Ich wundere mich nur, dass der mächtige Stamm der Magram vier dahergelaufene Wanderer in den Krieg schickt, den zu kämpfen sie selber viel besser in der Lage wären. Ich frage daher Euch, Warug, was der Grund dafür ist.“

Der Zentaur glotzte Rakscha einen Moment lang an, dann bleckte er seine gelben Zähne. „Ihr sprecht schlau, kleine Nachtelfe. In der Tat brauchen die Magram deine Hilfe nicht. Aber wir müssen zuerst so einen kleinen Goblin erwischen. Er hat uns grünen Schleim verkauft und behauptet, es wäre die Essenz unserer Vorfahren. Wir haben sie gegessen, damit wir ihre Stärke für uns beanspruchen können. Aber die Medizin hat nicht gewirkt. Sie hat uns nicht stärker gemacht. Wir werden ihn finden und seinen Kopf auf einen Speer spießen.“

„Eine ganze Horde Krieger für nur einen Goblin?“, gab Rakscha gespielt verwundert zurück. „Was für eine Verschwendung. Ich sage euch etwas, Warug. Wir übernehmen diesen kleinen Goblin und Ihr zieht gegen die Maraudine in den Krieg.“

Zustimmendes Gemurmel machte sich unter den Zentauren breit. Warug hingegen schien sich nicht sicher, wie er sich entscheiden sollte. Als Zeichen, dass er angestrengt nachdachte, stand sein Mund weit offen. Schließlich klappte er den Mund zu und schürzte die wulstigen Lippen. „Goblins jagen macht aber Spaß. Sie sind so winzig und quieken so lustig, wenn man einen Speer in sie hineinstößt.“

„Dann werden wir das Kriegshorn der Maraudine blasen.“, mischte sich Abbefaria ein. „Wir werden der Welt verkünden, dass die Magram uns geschickt haben und dass sie kommen und die Maraudine ausradieren werden.“

Warug sah ihn an, als hätte er eben erst bemerkt, dass die Jägerin nicht allein war. Er blinzelte ein paar Mal, dann brüllte er ohne Vorwarnung los: „Ein Hoch auf unsere neuen Verbündeten. Nehmt sie und bringt sie zum Tal der Speere! Dort sollen sie ihren Mut gegen die Maraudine beweisen.“
 

Ehe Abbefaria wusste, wie ihm geschah, hatten ihn große Hände gepackt und auf den Rücken einen Zentauren befördert. Spitze Schreie, ein wüstes Fluchen und eine Schimpftirade auf Darnassisch verrieten ihm, dass es seinen Begleitern nicht anders gegangen war. Staub wurde aufgewirbelt und ließ die Augen des Druiden tränen. Abrupt setzte sich der Zug der Zentauren wieder in Bewegung und Abbefaria, der eben noch die Absicht gehabt hatte, seine gegenwärtige Position so schnell wie möglich zu verlassen, hielt sich nun krampfhaft an dem übel riechenden Hinterteil des Zentauren fest und betete, dass er nicht unter die donnernden Hufe geriet, die um ihn herum den Boden zerwühlten. Ein Teil von ihm dachte daran, dass sie auf diese Weise seinem Ziel, die Gruppe nach Maraudon zu führen, ein Stück näher kamen, doch der wesentlich größere Teil verfluchte den anderen dafür, dass er jetzt wie ein nasser Sack kopfüber auf dem Rücken eines barbarischen Pferdemenschen hing. Warum hatte er nur nicht den Mund gehalten?
 


 


 

„Ist es noch weit?“, nörgelte Magenta vom Rücken des Zentauren herunter, aber ihr Protest war eher halbherzig. Ihr vierbeiniger Begleiter hatte nicht nur dafür gesorgt, dass sie die Nacht auf einem weichen, trockenen Felllager verbracht hatte und ihre Hand notdürftig versorgen konnte. Er hatte darüber hinaus auch einige Vorräte aufgetrieben und auch wenn es sich dabei nur um zähes Trockenfleisch gehandelt hatte, war Magentas Magen jetzt gut gefüllt und ihre Laune den Umständen entsprechend gut. Nur ab und an, erinnerte der pochende Schmerz in ihrer Hand noch an ihre Auseinandersetzung mit der Höllenbestie.

„Der Eingang zum Tal der Speere liegt jenseits dieser Bergekette.“, antwortete der Zentaur. „Der Eingang zu den heiligen Hallen von Maraudon liegt in seiner Mitte.“

„Gut.“, entgegnete Magenta und steckte ihre Nase wieder in die Seiten, die der Zentaur ihr zu lesen gegeben hatte. Zuerst hatte sie diese Vorgehensweise seltsam gefunden, doch nachdem sie herausgefunden hatte, dass der Zentaur dazu neigte, jedes Gespräch in eine flammende Rede für seine gerechte Sache zu verwandeln, zog sie diese Art der Kommunikation vor.

Die Anweisungen des Zentauren waren relativ eindeutig. Sie musste Maraudon betreten und dort zunächst den Namenlosen Propheten, den geistigen Führer der Zentauren finden. Ihm würde sie das Amulett der Geister abnehmen, von dem dieser offensichtlich nicht wusste, was es damit auf sich hatte. Als nächstes musste sie die fünf Edelsteine finden, die das Amulett vervollständigen würden. Diese Edelsteine befanden sich in der Obhut der Geister der ersten Khans, der Gründer der fünf Zentaurenstämme. Sie würde das Amulett benutzen, um die Geister in die stoffliche Welt zu zwingen, sie besiegen und ihnen dann die Edelsteine abnehmen. Den einzigen Teil der Anweisungen, den Magenta nicht befolgen würde, war der, dass sie am Ende mit dem vervollständigten Amulett zu ihrem Begleiter zurückkehren und ihm das Schmuckstück aushändigen sollte. Magenta war sich sicher, dass sich dafür bestimmt eine bessere Verwendung finden würde.
 

Als sie bemerkte, dass ihr Träger stehen geblieben war, sah sie auf. Auch wenn Magenta das nicht für möglich gehalten hatte, wirkte Desolace im blassen Licht des Morgens noch trostloser als im strömenden Regen. Wo sich normalerweise die Geschöpfe des Tages erhoben, um ihrer Beschäftigung nachzugehen, strich über die mit Asche und Staub bedeckten Ebenen von Desolace nur der einsam klagende Wind. Der Wind und eine Staubwolke, die sich schnell näherte.

„Was ist das?“, fragte sie halblaut, obwohl sie die Antwort im Grund genommen schon kannte.

„Das sind Zentauren.“, antwortete der Zentaur, als die mächtigen Geschöpfe in einem Sturm aus trommelnden Hufen und wehendem Staub heranrasten und sie umstellten. Magenta unterdrückte ein Husten.
 

„Du?“, schnappte eine weibliche Stimme und eine Zentaurin, offensichtlich die Anführerin der Gruppe, trat vor. Ihr Fell war von dunkelbrauner Farbe und ihre Haare ringelten sich einer blonden Mähne gleich über ihren Rücken. Vor ihrem Gesicht jedoch hing ein Schleier, der nur die Augen freiließ. Sie waren von strahlendem Blau und funkelten Magentas Begleiter böse an.

„Es ist dir verboten worden unser Land zu betreten, Pariah!“, schnaubte sie und trat noch einen weiteren Schritt nach vorn. An ihren Armen hingen blaue Federn, die mit dünnen Lederbändern festgebunden waren, und ihre Haut war mit feinen, weißen Linien bedeckt, die eine Art Runenschrift darstellen mochten. In der Hand hielt sie einen Stab, an dessen Ende eine kupfern glänzende Platte befestigt war, unter der wiederum einige der blauen Federn baumelten. Magenta kam nicht umhin zu finden, dass sie wie eine Schamanin oder Zauberin aussah.

„Uthek.“, ließ sich der Zentaur nun endlich zu einer Antwort verleiten. „Ich habe keinen Streit mit Euch und wünsche lediglich einen Gast ein Stück des Weges zu geleiten, der zufällig am Gebiet der Gelkis vorbei führt.“

Wie um zu zeigen wovon er sprach, trat er mit den Hinterhufen ein Stück zur Seite, so dass er nun seitlich zur Anführerin der Zentaurengruppe stand, die so freie Sicht auf Magenta hatte. Die Zentaurin runzelte die Stirn und kam noch einen Schritt näher. Sie streckte ihren Stab aus und knuffte die Hexenmeisterin damit in die Seite.

„Ein Mensch?“, fragte sie ungläubig und ließ ein kurzes, hartes Lachen hören. „Ihr habt Euch schon viel geleistet, seit ihr aus unserer Mitte verbannt worden seid, Pariah, aber dass ihr Euch als Reittier für die Menschen verdingt, ist neu.“

„Er ist nicht…“, wollte Magenta einwerfen, doch der Stab der Zentaurin traf sie hart in die Magengrube.

„Schweigt!“, bellte die Schamanin. „Oder ich lasse Euch in die Opalmienen bringen, wo Ihr arbeiten werdet, bis Ihr tot umfallt.“

Jetzt reichte es Magenta endgültig. Sie rutschte vom Rücken des Zentauren und merkte im selben Moment, dass dies eine dumme Idee gewesen war, denn jetzt ragte die Zentaurin um mehr als drei Haupteslängen über ihr auf. Trotzdem begann Magenta, einen Zauber zu wirken und schleuderte ihn in Richtung der Pferdefrau. Der Schattenblitz schlug genau vor den Füßen der Zentaurin ein, die mit einem erschrocken Wiehern zurückprallte. Sie fing sich jedoch schnell wieder und Magenta konnte trotz des Schleiers sehen, dass sie grinste.

„Ihr wollt Eure Zauberkraft mit mir messen?“, rief sie und lachte. „Dann kommt. Eure dämonische Magie ist meiner nicht gewachsen. Theredas steh mir bei!“

Mit diesen Worten hob sie beschwörend ihren Stab und ließ ihn dann zur Erde hernieder fahren. Dort, wo der Stab den staubigen Boden traf, entstand ein kleiner Riss und unter dem Riss begann die Erde zu brodeln. Felsen, Steine und Geröll wölbten sich vor Magenta auf, bis schließlich ein ausgewachsener Erdelementar vor ihr stand. Der flache, steinerne Kopf, dessen Augen wie Lava glühten, richtet sich auf Magenta, die steinernen Fäuste erhoben sich gleichzeitig um seine Gegnerin zu zerschmettern…und verharrten regungslos in der Luft, als Magentas Bannzauber den Elementar traf. Das durchsichte Feld, dass das Wesen zwischen den Dimensionen gefangen hielt, wölbte sich unter der Kraft des Gefangenen, doch es hielt stand, aber Magenta hütet sich davor deswegen zu laut aufzuatmen. Stattdessen drehte sie sich mit einem selbstgefälligen Lächeln zu der Zentaurin herum.

„Wenn Ihr nicht mehr zu bieten habt, Schamanin, lasst Ihr uns besser passieren.“

Die Fingerknöchel der Zentaurin waren weiß über ihrem Stab. Einige Augenblicke lang starrte sie Magenta mit einer Mischung aus Misstrauen und Erstaunen an, aber dann beugte sie plötzlich die Waffe und das vordere Knie. In dieser Haltung erinnerte sie Magenta an ein Pferd, den man ein Kunststück beigebracht hatte.

„Ihr seid eine mächtige Zauberin.“, gestand die Schamanin ein. „Ihr habt den Geist der Erde gebannt und mein Zauber kann Euch nichts anhaben.“

„Schön…äh ja.“, stotterte Magenta. Irgendwie hatte sie nicht damit gerechnet, dass es so leicht sein würde. „Dann lasst uns jetzt durch. Wir sind auf dem Weg nach Maraudon.“

Der Kopf der Zentaurin ruckte nach oben und die Augen ihres Gegenübers wurden schmal. „Was wollt Ihr dort? Seid Ihr auf dem Weg um Euch mit den Maraudine zu verbünden?“

„Beim wirbelnden Nether: Nein!“, wehrte Magenta energisch ab. „Es kann sogar sein, dass wir welche von ihnen töten.“

Wenn sie sich richtig an die Geschichten des Pariahs erinnerte, waren sich die Zentaurenstämme nicht eben wohl gesonnen. Es konnte daher sicher nicht schaden, wenn man erwähnte, dass man einem befeindeten Clan Schaden zufügen wollte.

„Ihr wollt Zentauren der Maraudine töten?“, fragte die Zentaurin nach und der Ausdruck in ihrem Gesicht gefiel Magenta ganz und gar nicht. Er wirkte so listig, eine Eigenschaft, die Magenta den Pferdemenschen bis dahin nicht eben zugeschrieben hätte.

„Dann lasst mich Euch einen Vorschlag machen, Mensch.“, fuhr die Zentaurin fort und drängte sich geschickt zwischen den Pariah und Magenta. „Wir, die Gelkis, begleiten Euch und helfen Euch dabei, die Reihen der Maraudine zu schwächen. Doch dafür müsst Ihr etwas tun. Ihr müsst einen ganz bestimmten von ihnen töten. Ihren Anführer Khan Hratha.“

„Wenn es weiter nichts ist.“, erwiderte Magenta.

„Oh, nur noch eine Kleinigkeit.“, entgegnete die Zentaurin und Magenta hatte das Gefühl, wenn der Größenunterschied nicht gewesen wäre, hätte sie in diesem Moment freundschaftlich den Arm um Magentas Schultern gelegt. „Der, den ihr töten sollt, trägt etwas bei sich. Einen Teil eines…Schlüssels. Tötet den Khan und bringt mir das Schlüsselfragment und die Dankbarkeit der Gelkis wird Euch auf ewig gewiss sein, wenn wir endlich die Herrschaft über ganz Desolace übernehmen.“
 

Während sie sprach hatte die Zentaurin Magenta langsam aber sicher aus der Nähe des Pariahs geführt, der ihr von seinem Platz hinter dem Wall von Pferdeleibern aus nachsah. Vergesst unsere Abmachung nicht, schien sein Blick zu sagen. Dann drehte er sich um und galoppierte auf und davon, bevor die anderen Mitglieder des Gelkisclans noch von ihren Waffen oder ihrer Magie Gebrauch machen konnte. Magenta sah der Staubwolke nach und fragte sich, ob sie wohl gerade den Löwen gegen den Tiger getauscht hatte, wie Abumoaham es manchmal nannte. Und wann der Tiger wohl seine Krallen ausfahren würde, wenn er merkte, dass Magenta lange nicht so mächtig war, wie sie ihm weisgemacht hatte.

Der Feind meines Feindes ist mein Freund, dachte sie bei sich.Es fragt sich nur wie lange noch.
 


 


 

„Konntet Ihr nicht einfach Euren Mund halten?“, zischte Rakscha Abbefaria böse zu. „Ihr ahnt gar nicht, in was für Schwierigkeiten Ihr uns gebracht habt.“

„Ich…“, begann Abbefaria, wurde jedoch von Warug unterbrochen, der sich dröhnend mit der Faust gegen die Brust schlug.

„Die wird ein großer Tag für die Magram!“, rief er. „Wir werden die Maraudine herausfordern. Wir werden ihren Khan töten! Wir werden SIEGEN!“

Die restlichen Magram fielen ihn sein Gebrüll mit ein, während die zwei Menschen und die beiden Nachtelfen sich entsetzt die Ohren zuhielten.

Mit einem breiten, gelben Lächeln drehte sich Warug zu den Vieren herum und sagte mit einer einladenden Geste: „Ihr werdet den Khan für uns hervorlocken. Blast das Kriegshorn der Maraudine! Wenn der Khan kommt, tötet ihn und bringt mir die Kette, die er um den Hals trägt.“

„Zu was Kette da sein?“, wagte Abumoaham zu fragen.

„Das hat dich nicht zu interessieren, Mensch.“, brüllte der Zentaur ihn an. „Bringt mir einfach das Schlüsselfragment.“

Abumoaham warf seinen Begleitern einen viel sagenden Blick zu, dann bahnten er sich einen Weg zwischen den Zentaurenleibern hindurch und marschierte geradewegs auf das Tal der Speere zu, so dass die anderen gar nicht umhin kamen, ihm zu folgen. Rakscha war die erste, die ihn erreichte.

„Seid Ihr jetzt genauso verrückt geworden, wie dieser Druide?“, fauchte sie ihn an. „Ihr habt ja keine Ahnung, auf was Ihr euch da einlasst.“

„Ich erfüllen Auftrag.“, erklärte der Magier ruhig. „Ihr doch immer sagen, Zentauren seien Plage für dieses Land. Es nicht verkehrt, zu töten einige von Ihnen um selbst zu bleiben am Leben.“

„Ja aber Ihr werdet das Machtgefüge in Desolace vollkommen kippen, wenn Ihr den Khan der Maraudine tötet?“, erklärte Rakscha verzweifelt. „Wenn die Magram sich erheben, werden sie das Land mit einem blutigen Krieg überziehen, der die anderen Zentaurenstämme und vermutlich auch sie selbst für immer vernichtet.“

„Ich nicht werde vermissen komische Pferdemenschen.“, brummte Abumoaham, doch Abbefaria meinte ein leichtes Schwanken in seiner Stimme zu hören.

„Aber Abu!“, mischte sich nun auch Demuny ein. „Wir können das nicht tun.“

„Aber wir auch nicht können zurück.“, sagte der Magier und wies zurück auf die wartende Zentaurenmeute. „Wir nicht überleben würden das.“

„Ich weiß gar nicht, wem wir dafür danken sollten.“, meinte Rakscha spitz und warf Abbefaria einen vorwurfsvollen Blick zu. „Nur zu, Druide. Habt Ihr nicht noch einen tollen Plan, wie wir jetzt hier rauskommen?“

Abbefaria fühlte drei Augenpaare auf sich gerichtet. „Nun wir könnten…wir könnten nach Maraudon gehen.“, sagte er zögernd. „Dort unten würden die Magram uns sicherlich nicht finden.“

„Und Ihr glaubt, die Maraudine würden und dort einfach so hineinspazieren lassen?“, funkelte Rakscha ihn an. Dann wurden ihre Augen schmal und sie legte den Kopf schief. „Marandis hat euch geschickt, nicht wahr?“

„Woher wisst Ihr das?“, fragte Abbefaria verblüfft.

„Und wer ist Marandis?“, wollte Demuny wissen.

„Marandis ist der Hüter des Hains, den unser lieber Druidenfreund gestern morgen noch besucht hat.“, erklärte Rakscha mit wissendem Tonfall. „Er sollte einst etwas sehr Wertvolles aus Maraudon bergen und hat dabei versagt. Seit dem sucht er nach Streitern, die für ihn in die Tiefe hinabsteigen und es für ihn heraufholen.“

Abumoaham wendete sich an Abbefaria. „Stimmt das?“

Der Druide spürte, wie ihm das Blut in die Wangen schoss. „Es…ja, es ist wahr. Dort unten lagern die Überreste von Zaetar, dem ältesten Sohn von Cenarius selbst. Marandis hat mich und Euch geschickt um sie zu suchen.“

„Warum Ihr das nicht gesagt früher. Wir hätten machen können Plan.“ Abumoaham schüttelte den Kopf. „Ihr Euch nicht benehmen sehr weise.“

„Oh, Abu, hört auf ihm Vorwürfe zu machen.“, versuchte Demuny den Streit zu schlichten. „Immerhin hat er uns geholfen, diese Dämonenkugel zu bekommen. Da ist es nur recht und billig, wenn wir ihm im Gegenzug auch helfen.“

„Tabetha hat beauftragt auch ihn mit Suche nach Kugel.“, murrte der Magier, doch Demuny wedelte ungeduldig mit der Hand.

„Ach Papperlapapp. Darauf kommt es jetzt nicht an.“

Der Magier knurrte etwas Unverständliches und nickte dann. „Also schön, hier sein mein Plan. Wir gehen in Tal der Speere. Dabei wir werden müssen töten einige Zentauren, damit Magram hinter uns beruhigt. Wenn wir drinnen, wir suchen Eingang nach Maraudon und suchen diese Überreste.“ Er warf Abbefaria einen durchdringenden Blick zu. „Ich gelesen Geschichte von Eurem Volk. Ich wissen, wer Cenarius sein. Wenn wir bringen zurück toten Körper seines Sohns, das wird uns bringen viel Ansehen bei Nachtelfen.“

Abbefaria verstand. „Ich werde dafür sorgen, dass mein Volk davon erfährt.“, nickte er.

„Also schön.“, antwortete Abumoaham und ließ die Fingerknöchel knacken. „Dann wir werden einmal sehen, was Zentauren sagen zu eiskalter Magie.“

„Und zu meinen Pfeilen.“, knurrte Rakscha grimmig. „Auch wenn es mir lieber gewesen wäre, wir wären einfach wieder zurück zur Niejel-Spitze geritten.“

Und während die Sonne am dunstigen Himmel langsam höher stieg, machten sich die vier Gestalten auf den Weg ins das Tal der Speere.
 


 


 

Ein wenig pikiert stieg Magenta über den zerschmetterten Leib des Zentauren hinweg. Der Kopf des Pferdemenschen war irgendwo unter einem riesigen Felsbrocken begraben und seine vier Beine standen an mehreren Stellen in unnatürlichen Winkeln ab. Er war der vorerst letzte einer Reihe Krieger, die in der schmalen Klamm gefallen waren, durch die die Uthek und die restlichen Gelkis die Hexenmeisterin geführt hatten. Erschlagene, zerquetschte und von magischen Blitzschlägen gefällte Leichen säumten ihren Pfad bis hierhin. Der Geruch von Heißen Steinen, Blut und versengtem Pferdehaar lag in der Luft.

Die Maraudine sind schlau, hatte Uthek ihr im Lager der Gelkis erklärt. Sie verschanzen sich im Tal der Speere hinter den Felswänden, so dass immer nur eine Handvoll Kämpfer in ihr Gebiet vordringen kann. Doch die Felsen werden sie vor uns nicht schützen. Wir werden sie gegen sie verwenden und ihnen zeigen, dass die Macht von Theredas mit uns ist.

Bis hierhin hatte Magenta somit nur einmal einen kleine Zauber verwenden müssen, um einem Zentauren, der bereits taumelnd und blutüberströmt auf sie zugewankt war, von seinem Leiden zu erlösen. Die restlichen Maraudine waren von den Gelkis selbst getötet worden. Es war so einfach gewesen, dass Magenta sich fragte, warum Uthek sie überhaupt zu diesem Unterfangen mitgenommen hatte.

In diesem Moment jedoch öffnete sich der schmale Pfad und gab den Blick auf ein breites, steiniges Tal frei. In dem Tal gab es viele dieser runden, gedrungenen Zelte, die Magenta schon bei den restlichen Zentaurenlagern bemerkt hatte. Fast überall neben den Zelten steckte Reihen aus Speeren im Boden, die gleichzeitig Schmuck, Waffenlager und Verteidigungswall darstellten. Aus mehreren Behausungen drang Rauch hervor, Suppentöpfe brodelten vor sich hin, Felle und Handarbeiten lagen auf dem Boden herum. Das einzig Entscheidende, das fehlte, waren die Maraudine.

„Wo sind die denn alle?“, murmelte Magenta halblaut und sah sich weiter um. Das Lager sah aus, als wäre es in aller Eile verlassen worden. Es gab jedoch nicht, was diesen überstürzten Aufbruch zu begründen schien, es sei denn, sie übersah etwas. Doch noch bevor Magenta eine entsprechende Frage an Uthek richten konnte, drehte der Wind und mit ihm wehte Kampflärm herüber. Schreie, Waffengeklirr und wieder der untrügliche Geruch von Blut. Am Ende des Tals fand ein Kampf statt.

„Zum Angriff!“, schrie Uthek und reckte ihren Stab. Sogleich fielen die Gelkis in einen donnernden Galopp. Eine grobe Hand rettete Magenta vor den wirbelnden Hufen und sie wurde hilflos mitgeschleppt, bis die Gelkis den Schauplatz des Kampfes erreichten. Dort wurde sie grob zur Seite geschleudert, überschlug sich ein paar Mal und kam dann am Rande eines felsigen Platzes zu liegen, auf dem eine heiße Schlacht tobte. Hustend und voller blauer Flecke krabbelte Magenta zu einem großen Felsen und zog sich hinauf, um das Schlachtfeld besser überblicken zu können. Was sie sah, verschlug ihr buchstäblich den Atem.
 

Die Maraudine – Magenta erkannte sofort ihre Clanfarbe, ein dunkles Violett, an ihren Rüstungen – drangen auf vier Eindringlinge ein, die sich jedoch tapfer zur Wehr setzen. Als Magenta sah, um wen es sich bei den Angreifern handelte, schlug sie die Hand vor den Mund.

Das kann doch nicht wahr sein, dachte sie und beobachtete mit großen Augen, wie die zwei Zentaurengruppen aufeinander prallten, während in ihrer Mitte zwei Menschen und zwei Nachtelfen um ihr Überleben kämpften.
 


 

Abbefaria hörte den warnenden Schrei und ließ sich fallen. Kurz darauf bohrte sich ein Speer in den Sand hinter ihm. Wäre er nicht ausgewichen, hätte ihn die Waffe mitten in den Brustkorb getroffen. Er wollte Demuny einen dankbaren Blick zuwerfen, doch die Priesterin war bereits in einen Kampf mit einer Zentaurin verstrickt, die fast doppelt so hoch war wie sie selbst. Die Zentaurin schleuderte Blitze nach der jungen Frau, denen diese nur entgehen konnte, indem sie hastig ein Lichtschild um sich wob. Es blitzte und funkte, als die fremdartigen Energien aufeinander prallten, so dass der Druide geblendet die Augen abwenden musste. Gerade noch rechtzeitig sah er so den mächtigen Umriss eine weiteren Kriegers herannahen, der in vollem Galopp auf ihn zugestürmt kam um ihn zu durchbohren. Der Lauf des Zentauren wurde abrupt gestoppt, als sich eine dicke Eisschicht um seine Füße legte und seine vier Hufe am Boden festfror. Wütend wandte der Zentaur sich nach Abumoaham um, der ihn mit diesem Zauber gestoppt hatte und schleuderte seine armdicke Waffe nach dem grauhaarigen Mann. Ein vierfüßiger Schatten flog durch die Luft und die scharfen Zähne des schwarzen Wolfes packten die Waffe im Flug und lenkten sie ab, so dass der Speer zusammen mit Rakschas treuem Begleiter gegen einen Felsen geschleudert wurde. In der Zwischenzeit tötete eine Eislanze den Zentauren, noch bevor dieser sich aus seinem kalten Gefängnis befreien konnte.

Ein Pfeilhagel bedeckte die Zentaurin, die immer noch mit Demuny rang und zerfetzte Teile ihres Gesichtsschleiers. Mit einem spitzen Schrei ließ die Pferdefrau von ihrem Opfer ab und hielt sich die Hand vor das Gesicht. Blut strömte zwischen ihren Fingern hervor. Sie bäumte sich auf und schleuderte einen Blitz in Rakschas Richtung, dem die Jägerin nur mit einem beherzten Sprung entkommen konnte. Sie fiel, rollte sich ab und landete so genau zwischen zwei Zentauren, die beide ihre Waffe zum Schlag erhoben hatten. Abbefaria wollte hinzustürmen und ihr helfen, doch es war bereits zu spät. Die Zentauren hatten bereits zum Schlag ausgeholt, und die Jägerin würde weder dem schartigen Schwert noch der breitschneidigen Kriegsaxt entgehen. Entsetzt schloss Abbefaria die Augen, als zwei Schmerzenslaute über das Kampfgetümmel hinweg jagten. Als ihm dämmerte, dass keiner davon sich nach der Nachtelfe anhörte, riss er die Augen wieder auf und wurde Zeuge eines höchst absonderbaren Anblicks.

Die beiden Zentauren musste ihm Kampfrausch die Reichweite ihrer Waffen falsch eingeschätzt haben, denn das Schwert des einen, steckte in einem heißes Blut spuckenden Loch in der Brust des anderen, während die Schneide der Kriegsaxt tief in die Seite des ersten Zentaurs eingedrungen und ihm eine tödliche Wunde zugefügt hatte. Blut gurgelte aus seinem Mund hervor, als er noch versuchte etwas zu rufen, dann brach der riesige Körper in sich zusammen. Der Zentaur mit dem Schwert in der Brust röchelte und brach in die Knie. Dadurch befand er sich für einen Moment auf Augenhöhe mit der völlig verdatterten Jägerin, die ihn anstarrte, als sei er in diesem Moment dem Erdboden entstiegen. Dann kippte auch er zur Seite und ließ ein weiteres Festmahl für die Assfresser zurück.

Rakscha hingegen wirbelte herum und wollte ihren Gefährten etwas zurufen, als eine Sturmbö sie erfasste und mehrere Meter durch die Luft schleuderte. Mit einem dumpfen Laut landete sie auf dem Boden und überschlug sich ein paar Mal, bis sie mit dem Gesicht nach unten liegen blieb. Mit einem Triumpfgeheul setzte die Zentaurin mit dem zerfetzten Gesichtsschleier ihr nach. Sie stürmte auf den am Boden liegenden Körper zu und wollte ihn mit ihren Hufen zertrampeln. In ihren Augen glühten die Mordlust und das Gefühl der Rache. Rache dafür, dass diese lästige Kreatur es gewagt hatte, sich ihr zu widersetzen und ihre Ehre zu beschmutzen. Nur noch ein Hufschlag trennte sie von der Befriedigung, als die Nachtelfe mit einem Mal aufsprang und sich blitzschnell unter ihr hinwegduckte. Die Zentaurin spürte, wie die scharfe Klinge durch ihren Unterleib glitt wie durch Butter. Ein klatschendes Geräusch wurde gefolgt von unsagbarem Schmerz, der dann durch eine gnädige Dunkelheit abgelöst wurde, als der aufgeschlitzte Körper der Zentaurin leblos zu Boden fiel. Die Jägerin, deren weiße Haare inzwischen rotgetränkt waren, wischte sich mit der Hand über die Stirn und blickte dann schwer atmend zurück zum Schlachtfeld.
 

Der Druide hatte sich gerade im Sprung in eine Katze verwandelt, war auf den Rücken eines Zentauren gesprungen und vor dort aus weiter auf einen Felsen. Oben angelangt fesselte er einen Krieger, der gerade auf die blonde Menschenfrau eindringen wollte, mit rasch beschworenen Wurzeln an den Boden. Danach schleuderte er ein grünes Licht auf den gefesselten Angreifer, das diesen vor Schmerzen aufheulen ließ. Wütend wandte sich der Zentaur nach dem unerreichbaren Nachtelfen um und holte mit seinem Speer aus. Rakscha überlegte nicht lange. Sie lief los und spannte im Laufen einen Pfeil in die Sehne ihres Bogens. Das Geschoss durchbohrte den Zentauren mitten in der Stirn und im Fallen begrub er die schlaff gewordenen Wurzeln unter sich. Mit zwei Sprüngen war die Jägerin wieder mitten im Kampfgeschehen, als ein mächtiger Huf sie traf und sie erneut durch die Luft schleuderte. Sie schlug hart auf der Erde auf und diesmal war der Schmerz, der sie an den Boden band, echt. Der Huf hatte ihren Bogen zerschmettert und den Arm dahinter taub werden lassen. Sie keuchte, als sei sich auf den Rücken drehte und ein Schatten über sie fiel. Eilig griff ihre unverletzte Hand nach ihrem Dolch, doch die Waffe war immer noch glitschig vom Blut der Zentaurin. Sie entglitt ihr und fiel mit einem Klirren zu Boden.

Mit bebenden Nasenflügeln starrte die Jägerin nach oben. Sie hatte ihre Begleiter noch warnen wollen, ihnen sagen, dass eine Gruppe von Gelkis sich in den Kampf eingemischt hatte. Rakscha hatte die blaue Armbinde des fremden Zentauren sofort erkannt, als er vor ihren Augen zusammengebrochen war. Doch dazu würde es nicht kommen. Sie würde jetzt und hier ihr Ende finden. Mit gefletschten Zähnen wollte sie ihrem Angreifer zumindest nicht ein paar Wunden zufügen, bevor sie diese Welt verlassen musste. Sie sprang auf und wirbelte mit geballten Fäusten herum, doch beim Anblick ihres Gegners entwich ihr lediglich ein ungläubiges Keuchen.

Ihr?“, brachte sie schließlich hervor. „Bei allen…steht nicht hier herum. Geht und helft ihnen!“

Die rothaarige Menschenfrau ihr gegenüber, an die sich Rakscha nur zu gut erinnern konnte, wirkte ertappt. Schuldbewusst zog sie ihre Hand zurück, mit der sie eben noch nach Rakscha hatte greifen wollen. „I-ich…“, stotterte sie.

„Faselt nicht!“, bellte Rakscha sie an. „Geht und kämpft. Sagt Euren Freunden, dass die Gelkis hier sind. Sie sollen versuchen, die Aufmerksamkeit der Maraudine auf sie zu lenken.“

Magenta, Rakscha erinnerte sich jetzt an ihren Namen, nickte gehorsam und wollte schon aufbrechen, als Rakscha mit der gesunden Hand ihren Arm packte und sie festhielt. Sie sah ihr fest in die Augen und sagte ernst: „Und lasst Euch nicht einfallen, dort zu sterben. Ich bekomme schließlich noch ein Gold von Euch.“

Die erwartete Wirkung trat ein. Die Menschenfrau sah sie zunächst ungläubig an, doch dann stahl sich ein kleines, zuversichtliches Lächeln auf ihr Gesicht. „Wird gemacht.“, sagte sie. Dann drehte sie sich um und lief eilig auf das Kampfgetümmel zu, während sich Rakscha einer Ohnmacht nahe zu Boden sinken ließ und darauf wartete, dass der pochende Schmerz in ihrem Arm abklang.
 


 


 

Magenta lief los ohne einen Plan zu haben. Die Nachtelfe hatte ja Recht, doch wie sollte sie zu den anderen vordringen und sie gar noch retten? Das Gewimmel aus Leibern vor ihr konnte sie unmöglich durchdringen, es sei denn, sie beteiligte sich an der Metzelei. Doch was aus ihrem Repertoire an zerstörerischen Zaubern konnte sie benutzen ohne entweder die anderen zu verletzen oder - was ihr ebenso wenig erstrebenswert schien – die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Noch während sie sie dachte, stolperten ihre Gedanken über diesen Satz und blieben schließlich daran hängen.

Die Nachtelfe hat doch gesagt, wir sollten die Aufmerksamkeit auf die Gelkis lenken. Nun ja, mir Recht. Diese Uthek ist mir ohnehin nicht geheuer. Aber wie soll ich das anstellen? Im Moment kämpft dort jeder gegen jeden und ich kann schließlich keine Armee herbeizaubern.

Eine quäkende Stimme in ihren Gedanken unterbrach ihre Überlegungen.

Ich wette, jetzt wünschst du dir, du hättest das Kapitel über Nekromantie genauer gelesen, nörgelte Pizkol und lachte ein meckerndes Lachen. Wie ich hörte, kann man Zentaurenkörper ganz hervorragend wieder beleben.

Oh, erspare es mir, fauchte Magenta den Wichtel an. Ich bin kein Nekromant und werde auch keiner werden. Es gibt mit Sicherheit bessere Dinge, mit denen man sich umgeben kann, als langsam vor sich hin faulende Untote. Ich brauche eine andere Idee.

In ihrer Verzweiflung wanderte Magentas Blick unwillkürlich nach oben. Von dort kam doch sprichwörtlich alles Gute. Doch von wo aus diesem schwefelgelben, und grauen Wolkenfetzen durchsetzten Firmament sollte sich ihr eine Rettung offenbaren. Es war wirklich zum Verrücktwerden.

Plötzlich wurden Magentas Augen schmal. Sie hatte auf einem Hügel etwas entdeckt, das all ihre Probleme mit einem Schlag lösen konnte…wenn sie es irgendwie fertig brachte, auf die andere Seite des Tals und den gewundenen Weg bis zur Bergspitze hinauf zu kommen ohne vorher das Zeitliche zu segnen. Und dafür gab es eigentlich nur eine Möglichkeit.
 

Die Hexenmeisterin murmelte die Formel, die ihr Teufelsross aus dem wirbelnden Nethers hervorrief. Das Tier erschien mit einem klagenden Wiehern, das aus den Tiefen der Hölle selbst zu stammen schien. Dämonische Energien waberten um seine Hufe und das Feuer aus seinen Nüstern loderte hell auf, als es unruhig schnaubend vor Magenta zum Stehen kam. Aus vor Hass brennenden Augen musterte es die Hexenmeisterin, die sich zu seiner Herrin aufgeschwungen hatte. Magenta war sich sicher, wäre es nicht so gewesen, hätte der Dämon ihr jetzt und hier mit den Zähnen die Kehle herausgerissen.

„Braves Pferd.“, plapperte Magenta um sich selbst zu beruhigen. Die Antwort war ein wütendes Schnauben. „Du wirst mich jetzt dort drüben auf die Spitze des Berges bringen, verstanden? Und wenn wir oben sind, darfst du ein paar Zentauren zertrampeln. Wie findest du das?“

Die flammenden Augäpfel musterten Magenta und die Hexenmeisterin schauderte innerlich. Dann jedoch knickte die teuflische Stute mit den Vorderbeinen ein und ließ Magenta auf ihrem Rücken Platz nehmen.

„Na, dann los.“, rief Magenta und klatschte der Stute mit der Hand auf die Hinterbacken. Das Teufelsross stieg, die brennenden Hufe wirbelten durch die Luft und dann stürmte es los mitten in das Getümmel hinein.
 


 

Irgendetwas Großes preschte an Abbefaria vorbei, als dieser gerade einem Schwertstreich auswich und sich unter den fliegenden Hufen einen auskeilenden Zentauren hinweg duckte. Übelkeit erregende Energien spülten über ihn hinweg wie ein heißer Gluthauch, dann war der feurige Dämon ebenso schnell wieder verschwunden, wie er aufgetaucht war. Als Abbefaria aufblickte, fasste sich der Zentaur mit dem Schwert gerade an den Hals. Blut sprudelte zwischen seinen Fingern hervor. Der zweite Zentaur lag leblos auf der Seite mit zwei verbrannten Abdrücken auf seiner Brust und einer klaffenden Wunde am Schädel. Was immer hier durchgestürmt war, hatte ihm das Leben gerettet. Allerdings nicht für lange, denn die nachrückenden Zentauren trampelten einfach über die toten Körper ihrer Kameraden hinweg und drangen wieder auf den Druiden ein, der langsam seine Kräfte erlahmen fühlte. Wenn ihm nicht bald etwa einfiel, wie sie hier herauskamen, würden die Pferdemenschen sie schlichtweg überrennen.

Seine Überlegungen hatten ihn unachtsam werden lassen. Er erhielt einen Schlag von hinten und taumelte nach vorn direkt auf einen grimmigen Zentauren zu, der einen wuchtigen Speer in der Hand hielt. Es würde ihn nur eine Winzigkeit kosten, diesen zu erheben und auf den benommenen Nachtelfen zu schleudern. Das wusste Abbefaria und an dem Grinsen des Zentauren sah er, dass dieser zu derselben Schlussfolgerung gekommen war. Die dicken Armmuskeln spannten sich und erhoben die Waffe, als plötzlich ein dumpfer, allen Kampflärm übertönender Ton das gesamte Tal durchdrang.
 

Das dumpfe Vibrieren schien aus der Erde selbst zukommen. Es hallte von den Wänden wieder und wurde dadurch um ein Vielfaches verstärkt. Steine und kleinere Felslawinen lösten sich von den Wänden und Abbefaria fühlte den Ton wie ein anhaltendes Kribbeln tief in der Magengegend. Der Ton ging buchstäblich durch Mark und Bein und brachte die Gefechte rund um den Druiden zum Erliegen. Die Zentauren blickten geschlossen zu einem Hügel empor, auf dem ein riesiges, trichterartiges Gebilde in den sturmgepeitschten Himmel ragte. Aus diesem Ding drang das allumfassende Dröhnen, bis es mit einem Mal abbrach und eine fast ebenso dröhnende Stille hinterließ. Sie dauert ungefähr zwei Atemzüge an, dann hielt das Chaos mit wehenden Fahnen Einzug.
 

Wiehern und Schreie gellten zwischen den Felsen umher, Hufe trommelten über den Boden, Staub stieg in großen Wolken empor. Eigenartigerweise schien Abbefaria mit einem Mal nicht mehr Teil dieses Spiels zu sein. Ein massiger Leib drängte ihn an den Rand des Schlachtfeldes, wo er für einen kurzen Moment zu Atem kommen konnte. Von dort aus sah er, was die Zentauren so in Aufregung versetzt hatte:

Auf eine Plattform weit oben in der Felswand, war ein Zentaur getreten, der größer war als alle, die der Druide bis dahin gesehen hatte. Sein Fell war von nachtschwarzer Farbe, seine breite Brust wurde von einer violetten Schärpe verdeckt und mit der Axt, die er in Händen hielt, konnte man sicherlich mühelos einen Nachtelfen in zwei Hälften spalten, ohne sich dabei besonders anzustrengen. Neben ihm waren weitere Zentauren erschienen, darunter sowohl kräftige Krieger wie auch die verschleierten Zentaurenfrauen, von denen Abbefaria inzwischen wusste, dass sie den zauberkräftigen Teil des Volkes darstellten. Von der Gruppe, die ins Tal zu ihnen hinunter starrte, ging eine Aura der Macht aus, die bis in die kleinste Felsspalte drang.

„WER?“, rollte die Stimme des riesigen Zentauren über die Massen hinweg und Abbefaria wusste, dass es sich bei ihm nur um Khan Hratha handeln konnte. „Wer wagt es die Maraudine herauszufordern? Wer bläst das mächtige Kriegshorn?“

Die Blicke der Menge wendete sich einhellig zu der zweiten Plattform um, auf der das Krieghorn lagerte. Doch der Platz neben dem Horn war leer. Der Schuldige war geflohen.

Gelkis !“, gellte der Schrei eine Zentaurin von oben herab. Ihr Arm wies auf die Menge, die sich unwillkürlich teilte und den Blick auf eine Gruppe Zentauren lenkte, die, wie Abbefaria jetzt bemerkte, blaue Verzierungen an ihren Waffen und Rüstungen trug. Doch noch bevor sich die Menge auf sie stürzen konnte, entstand ein Tumult am Eingang des Tals, durch den sie gekommen waren. Hufgetrappel kündigte eine weitere Zentaurengruppe an.

„Gelkis?“, erklang ein dunkler Ruf und diesmal war die Tonlage eindeutig spöttisch. „Wer fürchtet diese verweichlichten Zauberer. Wenn Ihr einen Kampf wollt, Hratha, dann stellt euch den Magram!“

Warug und seine Krieger bildeten eine zornige, waffenstrotzende Front, deren Angriffsformation sich wie ein Keil in die Menge treiben würde. Die roten Stofffetzen an ihren Speeren flatterten im Wind.

„Töricht!“, rief eine weibliche Stimme von der anderen Seite des Tals. Die Gelkis hatten die Chance genutzt und sich wieder um ihre Anführerin zu scharen. Die Zentaurin hob drohend ihren Stab und warf den Kopf mit der blonden Mähne zurück. „Die Macht von Theredas ist mit uns, Warug. Ihr seid nur ein dummer Berg Muskeln, der es gerade noch so schafft einen Speer zu halten.“

„Und Ihr, Uthek, seid schwach.“, brüllte Warug zurück und bekräftigte seine Aussage damit, die buschigen Augenbrauen zu einer grimmigen Grimasse zusammenzuziehen.

„Ihr alle!“, klang wieder die Stimme von Khan Hratha durch das Tal und zwang die Blicke der Zentauren unweigerlich nach oben. „Ihr alle seid hier nicht willkommen. Die ist das Gebiet der Maraudine. Wer hier eindringt, findet nur den Tod.“
 

Mit diesen Worten gab er den Zentauren hinter ihm das Zeichen zum Angriff und im Tal brach erneut die Hölle los. Zentaur wendete sich gegen Zentaur, Krieger gegen Zauberer, Clan gegen Clan. Kriegsgebrüll und Staub mischten sich mit Todesschreien und Blut. Eine stinkende, brodelnde, hasserfüllte Masse, deren Sog den jungen Druiden zu erfassen und zu verschlingen drohte, als plötzlich eine kräftige Hand ihn am Arm packte und ihn von all dem wegzog.

„Kommt.“, sagte Abumoaham, dem das Blut aus einer Stirnwunde über das Gesicht gelaufen war. „Wir taktischen Rückzug machen, bevor gespießt werden auf Speer.“

Gemeinsam umrundeten sie das Schlachtfeld an dessen Rand und stießen am anderen Ende des Tals auf zwei erhoffte und eine unerwartete Begleiterin. Während Rakscha aufstand, ihre Ausrüstung nahm und zum sofortigen Aufbruch drängte, und Demuny trotz eines verstauchten Knöchels über beide Ohren strahlte und den Ankömmlinge nur deswegen nicht entgegenlief und sie in die Arme schloss, weil sie lediglich humpeln konnte, schien die dritte im Bunde hin und her gerissen zwischen Erleichterung und Furcht. Die braunen Augen der Hexenmeisterin klebten an Abbefaria. Diesmal war jedoch nichts von dem grünen Feuer darin zu erkennen, das der Druide in Tabethas Hütte darin gesehen hatte.

„Magenta!“, rief Abumoaham und die braunen Augen verschwanden hinter dem breiten Rücken in der blauen Robe. „Wie du hierher gekommen?“

„Das können wir später besprechen.“, warf Rakscha ein. „Die Zentauren werden nicht ewig abgelenkt sein. Je eher wir von hier verschwinden, desto besser.“

Der Magier nickte. „Ihr Recht. Wir besser suchen Eingang nach Maraudon schnell.“

„Den Eingang nach Maraudon?“, meldete sich die Hexenmeisterin zu Wort. „Aber warum…“

„Auch das wir besser erzählen später.“, unterbrach Abumoaham sie und wies auf Abbefaria. „Unser Freund hier hat wichtigen Auftrag zu erledigen und wir ihm helfen dabei. Du doch kommen mit uns?“

„Sicher.“, murmelte die junge Frau und streifte Abbefaria wieder mit einem undefinierbaren Blick. Am liebsten hätte der Druide sie weit fortgeschickt. Wie konnte er jemanden wie sie auf die Suche nach Zaetars Überresten mitnehmen?

„Wer hat denn nun eigentlich das Kriegshorn geblasen?“, wunderte sich Demuny, die fasziniert zu den kämpfenden Zentauren hinüber sah. „Dieser Khan war wirklich unsere letzte Rettung.“

„Das war ich.“, sagte Magenta und schien fast etwas verlegen deswegen. „Aber dieser Eingang nach Maraudon. Ist das ein großes, steinernes Tor?“

„Ja, genau das ist es.“, bestätigte Rakscha. „Habt Ihr ihn gesehen?“

„Er liegt ein Stück weiter in diese Richtung. Und wir sollten uns beeilen. Es sieht aus, als wären die Gelkis gleich geschlagen.“

Tatsächlich fielen in diesem Moment die vorletzten zwei der Zauberinnen mit den blaufgefiederten Schmuckstücken, so dass ihre Anführerin Uthek sich allein von Speeren umzingelt sah. Die Zentaurin bäumte sich auf und stieß ein klägliches Wiehern aus.

„Ihr habt uns betrogen, Zauberin!“, wehte ihre Klage hinter den Gefährten her, als sie schleunigst das Tal verließen. „Ihr habt uns in den Untergang geführt! Ihr seid Schuld an unserem Tod!“

Abbefaria sah, wie die Hexenmeisterin die Lippen zusammenkniff und ihre Schritte beschleunigte. Hatte sie diese Schuld tatsächlich auf sich geladen?

„Dort liegt der Eingang nach Maraudon!“, rief Rakscha und deutete auf großes, steinernes Tor. Es lag im Mund einer riesigen, steinernen Figur, die fast wie ein gigantischer Troll aussah. Die Augen der Statue waren mit großen Edelsteinen ersetzt worden, die jeden Eindringling kaltfunkelnd ansahen.

Abbefaria erschauerte, als kurz darauf die steinernen Platten mit einem schleifenden Geräusch vor ihnen auseinander glitten. Von innen kam ihnen ein feuchter, kühler Hauch entgegen. Er roch nach Staub und Tod wie alles in Desolace. Allerdings lag darin auch ein Hauch von Fäulnis, der von tief unterhalb der Erde kam. Alles in dem Druiden weigerte sich, diese Höhle zu betreten, die ihn an ein Grab erinnerte. Doch wie es schien, war er der Einzige, der so empfand und der fürchtete, dass sie diese Höhle nicht wieder lebend verlassen würden, denn als sich die Felsen hinter ihnen mit der Endgültigkeit eines Grabsteins hinter ihnen schlossen, hörte der Druide, wie vier Personen neben ihm erleichtert aufatmeten.

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Erschöpft lehnte Magenta die Stirn gegen den kühlen Stein. Die Dunkelheit, die sie umfing, war unheimlich, doch gleichzeitig auch eine Erlösung. So war sie für den Augenblick nicht mehr den neugierigen Blicken und den Fragen ausgesetzt, die sich unweigerlich auftun würden. Wie war sie hierher gekommen? Was wollte sie hier? Und warum hatte Uthek sie so verwünscht?

Der Verrat, den sie begangen hatte, schmerzte die Hexenmeisterin weniger. Einer erzwungenen Allianz zu entfliehen, war für sie keine verwerfliche Tat. Trotzdem warf es vermutlich kein besonders gutes Licht auf sie. Abumoaham würde es verstehen, Demuny sicherlich ebenfalls. Die Jägerin war ihr relativ egal, dass sie in deren Augen vermutlich eh keinen guten Eindruck hinterließ. Doch was war mit diesem anderen Nachtelfen? Würde er sie zur Rede stellen?
 

Eine Hand legte sich auf Magentas Arm. Sie zuckte zusammen und entspannte sich kurz darauf, als sie Abumoahams leise Stimme hörte.

„Du mir gefehlt.“, murmelte er. „Aber wie du hergekommen? Ich gedacht, du sein in Ratchet. In Sicherheit!“

„Ich musste herkommen. Mein Lehrmeister gab mir den Auftrag, in Desolace nach etwas zu suchen.“, umschrieb sie ihre Aufgabe wage. „Außerdem hat mich seine Begleiterin gebeten, einige Dinge für sie zu besorgen. Ich konnte nicht ablehnen.“

„Das ich verstehen.“, antwortete der Magier. „Doch trotzdem du mir machen großen Kummer. Warum du hast genommen komisches Buch. Was es damit auf sich haben.“

„Ich kann es dir nicht erklären.“, erwiderte Magenta. „Du würdest es nicht verstehen.“

Es folgte ein Moment der Stille und als Abumoaham weiter sprach, klang Traurigkeit in seiner Stimme mit. „Ich dachte, du gewählt Weg der Magier…“

Die Stimme der Nachtelfe entband Magenta von einer Antwort. „Wir sollten gehen. Wir sind hier nicht sicher.“

„Ich werde nachsehen, ob ich eine Fackel finden kann.“, erklang eine dunkle Stimme, die Magenta dem Nachtelfen zuordnete. Im Dunkeln klang sie in Magentas Ohren wie die Berührung von schwarzem Samt. Jemand entfernte sich und die Hexenmeisterin wünschte plötzlich, dass die Dunkelheit ein Ende hatte. Ohne lange zu überlegen murmelte sie die Formel, die Pizkol an ihre Seite beschwor.

„Licht!“, wies sie den Wichtel an.

Licht! Licht!“, echote der gehörnte Geselle. „Ich glaube, ich erwähnte bereits, dass ich kein Glühwürmchen bin.“ Er streckte Magenta die Zunge heraus, ließ seine Flammenkorona aber trotzdem heller erstrahlen. Der flackernde Schein erhellte den Anfang einer großen, unterirdischen Höhle, in der Stufen hinab in die Dunkelheit führten.

Jemand neben Magenta sog scharf die Luft ein. „Ihr beschwört diese Höllenkreatur hierher.“, zischte die Jägerin und ein dunkles Grollen, das von einem schwarzen Wolf neben ihr herrührte, untermalte ihren Ärger. „Ihr seid wirklich…“

„Praktisch veranlagt.“, beendete Demuny fröhlich den Satz. „Ich wusste gar nicht, dass man den kleinen Kerl auch als Laterne gebrauchen kann. Wie ungewöhnlich.“

Peinlich wäre wohl die korrekte Vokabel.“, äzte Pizkol und ließ sich mit untergeschlagenen Ärmchen auf einen Stein plumpsen. „Und nun? Hat jemand noch ein paar Marschmellows mitgebracht?“

Aus den Tiefen der Höhle erklang ein Geräusch. Magenta starrte in die Dunkelheit, bis ihre Augen zu brennen begannen. Dann endlich sah sie zwei goldene Lichtpunkte, die auf sie zuschwebten, bis sich schließlich die violette Gestalt des Nachtelfen aus der Schwärze schälte.

„Dort unten gibt mehrere verzweigte Gänge, die teilweise auch beleuchtet sind. Ich habe Stimmen und Hufschläge gehört. Gesehen habe ich jedoch niemanden.“ Der Nachtelf stockte, als sein Blick auf Pizkol fiel und für einen Moment lang schien er versucht, etwas über dessen Anwesenheit zu bemerken. Dann jedoch drehte er sich abrupt um und reichte zwei Fackeln an Abumoaham weiter. „Die hier werden Euch helfen, den Weg zu finden.“

Er wollte sich schon umdrehen und die Treppe wieder hinabsteigen, als Demuny ihn aufhielt. „Sollten wir nicht zuerst die Verletzungen versorgen?“

Der Nachtelf zögerte, dann drehte er sich wieder herum und schenkte der Priesterin ein breites Lächeln. „Ihr habt Recht. Lasst mich Eure Wunden sehen.“

„Oh, ich habe Eure Hilfe nicht nötig.“, wehrte die Priesterin ab und ließ ein wenig goldenes Licht über ihre Handflächen tanzen. „Aber die anderen scheinen mir etwas lädiert.“

Verlegen ließ der Nachtelf seine Hand wieder sinken, die bereits nach Demunys Arm hatte greifen wollen und wendete sich stattdessen der Jägerin zu.

„Was ist mit Eurem Arm?“, fragte er.

„Gebrochen.“, war die knappe Antwort. „Glatter Durchbruch wie bei meinem Bogen.“ Die Jägerin hob die nutzlos gewordene Waffe.

„Ein Bruch?“ Demuny drängte sich an dem Nachtelfen vorbei. „Lasst mich sehen! Mit Knochenbrüchen kenne ich mich aus.“

Die Priesterin begann am Arm der Jägerin herumzudoktern, was diese mit spöttischen Kommentaren begleitete. Trotzdem war es unübersehbar, dass Demunys Magie ihr Linderung verschaffte.

„Ich unverletzt. Nur kleiner Kratzer.“, erklärte Abumoaham auf einen fragenden Blick des Nachtelfen hin. Dieser nickte nur und wollte sich schon zum Gehen wenden, als Abumoaham Magentas Hand nahm und sie dem Nachtelfen direkt unter die Nase hielt. „Aber vielleicht Ihr könnt etwas tun gegen diese Verbrennung?“

Der Nachtelf zog die Augenbrauen nach oben. Selbst im Licht von Pizkol Flammenkorona konnte man die leuchtend rote Haut sehen, die dazu noch von einer stinkenden Paste bedeckt war, die der Zentauren-Pariah Magenta für die Brandwunde gegeben hatte. Abgerundet wurde das Bild von einigen staubigen Lumpen, die Magenta mehr schlecht als recht darum gewickelt hatte.

„Woher stammt diese Verletzung?“, fragte der Nachtelf und fixierte seinen Blick auf die verbrannte Hand.

„Dämonenfeuer.“, erwiderte Magenta und der Nachtelf hob erstaunt den Kopf. Magenta errötete, als die goldenen Augen direkt ansahen. „Also nicht von meinem.“, stotterte sie. “Ich habe…also…eine Höllenbestie. Ich habe hineingegriffen.“

Der Nachtelf murmelte etwas in der vokalreichen Sprache, die Magenta nicht verstand, und fing dann an, die Lumpen um ihre Hand zu entfernen. Als das rohe Fleisch darunter zum Vorschein kam, sog Magenta scharf die Luft ein. Bis jetzt hatte es eigentlich nicht besonders wehgetan. Oder sie hatte zumindest vergessen daran zu denken, dass es wehtun könnte. Der Nachtelf gab sich keine besondere Mühe, sanft mit ihr umzuspringen. Er griff nach ihrer Hand und hielt sie fest. Dann murmelte er eine Formel und grünliches Licht floss von seiner Hand über ihre. Es fühlte sich kühl an wie Frühlingsregen und das abscheuliche Pochen und Brennen wurde schlagartig weniger. Magenta biss die Zähne zusammen um nicht laut aufzuseufzen.

„Es wird noch eine Weile dauernd, bis die Wunde völlig verheilt ist.“, knurrte er. „Haltet die Hand ruhig und möglichst fern von zusätzlicher Hitze.“

Das Danke, dass sie hatte aussprechen wollen, blieb Magenta im Halse stecken, als er sich daraufhin umdrehte und die Treppe hinab im Dunkel verschwand. Als sie bemerkte, dass sie ihm nachstarrte, wandte sie abrupt den Kopf um. Sie ging zu Abumoaham, nahm ihm eine der Fackeln ab und hielt sie Pizkol hin, damit er sie entzündete.

„Aber du doch sollst dich halten fern von Feuer.“, warf Abumoaham ein.

„Ich kann sehr gut auf mich selbst aufpassen!“, fauchte Magenta und stieg dann zusammen mit Demuny und der Jägerin in die Tiefe. Seufzend entzündete auch Abumoaham seine Fackel und bildete so das Schlusslicht der kleinen Karawane, die sich die Treppe hinab in das Heiligtum der Zentauren bewegte.
 


 


 

Abbefaria lief, ja er rannte fast die breiten Stufen hinab, die ganz offensichtlich nicht für jemanden in seiner Größe gebaut waren. Trotzdem kam er damit sicherlich noch besser zurecht als die Menschen, die vermutlich jede der steinernen Stufen einzeln hinabsteigen mussten. Das brachte Abstand zwischen ihn und den Rest der Gruppe.

Bald waren ihre Geräusche nur noch ein leises Echo, das von allen Seiten widerzuhallen schien. Trotzdem wurde er erst langsamer, als er schließlich den Boden der Halle erreichte. Vor ihm lag ein Gang, von dem mehrere kleinere Gänge abzweigten. Seine Nachtelfenaugen erlaubtem ihm, trotz der Dunkelheit jedes auch noch so kleine Detail wahrzunehmen. Auch wenn es davon eigentlich nicht besonders viele gab. In den Ecken lag allerlei Unrat herum. Zerbrochene Statuen und Amphoren enthielten zu Staub und stinkendem Schleim zerfallene Opfergaben. Speere standen nutzlos in den Ecken herum, denn die staubigen, muffigen Gänge waren vollkommen leer. Staub lag in der Luft und hinterließ einen schalen Geschmack auf seiner Zunge.

Es kann nicht sein, dachte er bei sich. Die Maraudine schützen diesen Bereich. Es müsste Wachen geben und Priester.

Leiser Hufschlag erklang und näherte sich ihm langsam. Flink zog sich der Druide in eine Ecke zurück und verschmolz dort mit dem Schatten. Das Geräusch kam näher und er war sich sicher, gleich den massigen Leib eines Zentauren zu erblicken. Doch er kam nicht. Stattdessen begann das Geräusch wieder leiser zu werden, fast so, als wäre der Zentaur bereits an ihm vorbeigegangen. Oder umgedreht. Ja, so musste es sein. Eine Wache war auf ihrer Patrouille wieder umgekehrt und war dabei nicht bis zu Abbefarias Versteck gelaufen. Merkwürdig war nur, dass ihm das Echo vorspielte, dass das Geräusch jetzt von der anderen Seite des Ganges kam. Er versuchte noch genauer hinzuhören, doch das Geräusch verschwand und wurde von dem Lärm ersetzt, den die Menschen bei ihrer Ankunft machten. Ärgerlich verließ der Druide seinen Posten und kehrte zum Rest der Gruppe zurück.
 

„Ah, da Ihr sein ja.“, begrüßte ihn Abumoaham. „Ihr haben etwas gefunden?“

„Nein, nur leere Gänge.“, entgegnete Abbefaria.

„Ich weiß nicht.“, murmelte Demuny und zog fröstelnd die Schultern nach oben. „Ich finde es hier unten unheimlich.“

„Das liegt daran, dass Ihr Menschen Euch im Dunkeln fürchtet.“, spottete die Jägerin. Allerdings meinte Abbefaria zu hören, dass jetzt weniger Verachtung darin als bisher.

„Oder daran, dass die Gänge nicht leer sind.“, knurrte die Hexenmeisterin. „Seht selbst!“

Sie richtete ihre Hand auf Rakscha und murmelte eine Formel. Kurz darauf sog die Jägerin scharf die Luft ein.

„Was ist das für ein Zauber.“, flüsterte sie mit weit aufgerissenen Augen. „Nehmt diesen Fluch sofort von mir.“

„Das ist kein Fluch.“, erklärte die Hexenmeisterin und wirkte den Zauber auch auf die anderen beiden Menschen. „Er lässt euch nur die Geister sehen, die hier hausen.“

Sie wandte sich an Abbefaria und hob die Hand. Dann zögerte sie. „Wollt Ihr den Zauber oder nicht?“, fragte sie unfreundlich.

Abbefaria nickte fast unmerklich. Im Grunde genommen schrie alles in ihm danach, den Zauber abzulehnen, aber er war einfach zu neugierig, was die anderen sahen. Die Formel der Hexenmeisterin legte sich wie ein Brennen auf seine Augen und er blinzelte ein paar Mal, bis das Gefühl nachließ. Als sein Blick wieder klar wurde, verstand er, warum Rakscha so erstaunt gewesen war. Vor ihnen liefen riesige, halbdurchsichtige Gestalten durch die Gänge. Sie sahen ebenso aus, wie die lebendigen Zentauren, doch umgab sie einen blaue, geisterhafte Aura, die, wo immer sie gingen, noch einen Augenblick lang wie ein Dunstschleier in der Luft hing, bis sie dann verwehte. Von den Lebenden, die in ihr Heiligtum vorgedrungen waren, schienen sie nichts zu merken. Sie gingen weiter ihrer Beschäftigung nach.

Ich frage mich, wie lange das so bleiben wird, dachte Abbefaria bei sich.
 

Während er und seine Gruppe sich wieder in Bewegung setzten und mit vorsichtigen Schritten durch die Gänge streiften, trafen sie auf immer mehr der durchscheinenden Zentauren. Die meisten von ihnen hielten Wache und patrouillierten bis an die Zähne bewaffnet in den Gängen. Einige von ihnen beteten auch und brachten ihren Göttern Opfergaben dar. Sie hielten halb durchsichtige Schüsseln und Körbe in Händen, die sie dort abstellten, wo Abbefaria die mit Unrat gefüllten Gefäße sah. Eine verschleierte Zentaurin arbeitete an einem Gebilde aus blauen und roten Perlen, Federn und Glaststückchen. Sie lag dabei auf dem Boden und ihre Hände arbeiteten ruhig und konzentriert. Als sie fertig war, hob sie den mit vier goldenen Reifen verzierten Arm und hängte das fertige Windspiel über ihrem Kopf auf. Als der Druide zu Boden blickte, sah er einige halb verfallene Balken, die einmal eines dieser runden Zelte gewesen sein mochte, in denen die Zentauren hausten. Unter den zerbrochenen Stützbalken funkelte ein rotes Glasstück im Dreck. Unwillkürlich wollte Abbefaria danach greifen, hielt jedoch mitten in der Bewegung an. Vielleicht würde es den Geist verärgern, wenn er etwas von hier entfernte. Sie mussten vorsichtig sein, denn gegen die geisterhaften Gestalten würden vermutlich weder Waffe noch Zauber etwas ausrichten. Um zu verhindern, dass einer der anderen den Fehler beging, von dem er selbst sich gerade noch hatte abhalten können, äußerte er seine Bedenken.

Während Rakscha, Demuny und Abumoaham verständig nickten, warf die Hexenmeisterin nur den Kopf in den Nacken und sagte spöttisch: „Oh, es gibt Mittel und Wege, die Geister angreifbar zu machen. Lasst mich nur machen.“

„Es ist besser, ihre Ruhe nicht zu stören.“, erwiderte Abbefaria mit unterdrücktem Zorn.

„Wenn man zu viel Angst davor hat, sicherlich.“, antwortete sie und zog eine Augenbraue nach oben. „Ihr habt doch wohl nicht etwa Angst, Nachtelf?“

„Magenta!“, mischte sich Abumoaham ein und es war unübersehbar, dass ihm das Verhalten seiner Geliebten unangenehm war. „Abbefaria es nur meinen gut. Du solltest hören auf ihn.“

„Ich meine es auch nur gut.“, gab sie störrisch zurück. „Was, wenn wir nun irgendetwas tun, dass einen Geist verärgert? Unabsichtlich. Und dann können wir ihn nicht bekämpfen. Ich sage doch nur, wir sollten vorbereitet sein.“

Der Magier wiegte den Kopf hin und her. „Da natürlich dran sein etwas. Was du wissen von Geister hier?“

Magenta, die nun offensichtlich wieder Oberwasser gewann, machte ein gewichtiges Gesicht. „Irgendwo in diesen Hallen wandelt ein Zentaur umher. Er nennt sich Der namenlose Prophet. Er hat ein Amulett bei sich, mit dem man die Geister zwingen kann, stoffliche Gestalt anzunehmen und sie somit angreifbar zu machen. Wenn wir dieses Amulett haben, droht uns von den Geistern keine große Gefahr mehr.“

„Das klingt nach einem guten Plan.“, warf Demuny ein. „Wir sollten den Propheten bitten, uns das Amulett zu leihen.“

„Oh ja, tolle Idee.“, lachte Rakscha neben ihr bitter. „Ich bin sicher, der Zentaur wird uns dieses wertvolle Objekt auch ganz sicher ohne Gegenwehr überlassen.“

„Meint ihr wirklich?“, überlegte Demuny. „Das wäre ja unheimlich nett von ihm. Vielleicht sollten wir ihm dafür etwas schenken.“

„Wir werden es seinen kalten, toten Händen entreißen müssen.“, fuhr die Jägerin Demuny grob an. „Kapiert das doch endlich!“

„Oh.“, machte die Priesterin nur. „Ich meine…ich dachte ja nur.“

„Was Ihr sagen, Abbefaria?“, wandte sich Abumoaham wieder an ihn. „Ihr denken, wir brauchen dieses Amulett?“

„Nein.“, kam es Abbefaria über die Lippen, noch bevor er überhaupt darüber nachgedacht hatte. Selbst wenn ihm für einen Moment selbst in den Sinn gekommen war, dass so ein Amulett durchaus nützlich sein könnte, würde er diesen Gedanken niemals laut aussprechen. „Wir werden diese Gänge möglichst schnell verlassen und die Kreise der Zentauren nicht noch mehr stören, als wir es jetzt schon getan haben. Dann werden uns die Geister auch in Ruhe lassen.“

„Fein.“, schnappte die Hexenmeisterin. „Dann brauchen wir sie ja auch nicht mehr zu sehen.“

Mit einem Fingerschnippen beendete sie den Zauber, der auf der Gruppe lag und die Gänge waren wieder leer wie zuvor. Nur dass jetzt jeder von ihnen wusste, dass das Echo, das von den Wänden widerhallte, nicht nur von ihren eigenen Schritten und dem gleichmäßigen Flügelschlägen der Windschlange herrührte. Mit finsterem Gesichtausdruck drängte sich die Hexenmeisterin an ihm vorbei und lief mit der hocherhobenen Fackel aufs Geratewohl los, so dass die Gruppe ihr wohl oder übel folgen musste.
 


 


 

Was denkst der sich eigentlich, fluchte Magenta lautlos vor sich hin. Jetzt bekomme ich das dämliche Amulett der Geister also nicht. Mir doch egal. Hauptsache wir kommen bald aus dieser finsteren Gruft heraus. Soll doch der Pariah bleiben, wo der Pfeffer wächst. Und den dämlichen Nachtelf soll er gleich mitnehmen.

Sie stürmte weiter den Gang entlang und hoffte dabei fast, dass sie irgendeinen Geist so verärgern würde, dass er die Gruppe angriff. Doch zu ihrem Missfallen blieb es ruhig und als sie am Ende eines langen Ganges um eine weitere Ecke bog, blieb sie wie angewurzelt stehen.

„Was zum…“, keuchte sie und hob die Hand vor die Augen, um sie vor dem grellorange Licht zu schützen, das ihr entgegen strahlte. Sie blinzelte zwischen den Fingern hindurch und nahm dann die Hand nach unten, um freien Blick auf den wunderschönen Anblick zu haben, der sich ihr bot.

Aus dem Boden wuchsen orange Kristalle hervor, die von innen heraus leuchteten. Ihr Strahlen erhellte die gesamte Höhle, in der sie stand. Sie färbten das Wasser eines nahe gelegenen Teiches, die Felsen, ja selbst Magenta erschien in ihrem intensiven Licht die Farbe eines reifen Riesenkürbisses anzunehmen. Als sie die anderen hinter sich hörte, drehte Magenta sich um und wurde eines noch faszinierenderen Schauspiels gewahr. Am anderen Ende der Höhle konnte man eine Höhle erkennen, in dem amethystfarbende Kristalle aus dem Boden wuchsen. Auch sie leuchteten, doch ihr Strahlen war weniger grell, so dass die Höhle etwas Heimeliges erhielt, das Magenta seltsam bekannt vorkam.

„Dort drüben gibt es Dämonen.“, murmelte sie Pizkol zu, der als Einziger mit ihr Schritt gehalten hatte. „Das müssen die Sartyren sein, von denen der Pariah gesprochen hat.

„Dann sollten wir zusehen, dass wir in diese Höhle gehen.“, stimmte der Wichtel ihr zu und verstummte dann, als der Rest der Gruppe eintraf.

„Oh, eine Weggabelung.“, bemerkte Demuny.

Wie scharfsinnig, dachte Magenta.

„Welchen Weg sollen wir wählen?“, fragte die Priesterin und wandte sich zuerst an Abumoaham, dann an den Nachtelfen. „Einer ist orange, einer violett. Ansonsten sehen sie beide gleich aus.“

„Ich kann auch keinen Unterschied erkennen.“, brummte die Jägerin. „Allerdings finde ich das Licht der violetten Kristalle etwas angenehmer.“

„Ich bin auch für lila.“, warf Magenta schnell ein. Wie es schien, hatte sie gute Chancen, bald an ihr Dämonenblut zu kommen.

„Mir sein beide Wege Recht.“, sagte Abumoaham. „Aber ich glaube, wir sollten entscheiden lassen Abbefaria. Schließlich sein er Grund, warum wir hier sein.“

Was? Magenta glaubte sich verhört zu haben. Also das hört sich ja wohl alles auf.

Der Nachtelf legte den Kopf schief und es sah so aus, als würde er lauschen. Dann sagte er: „Wir gehen durch den Gang mit den orange Kristallen.“

„Was?“ Diesmal hatte Magenta ihre Zweifel laut ausgesprochen. „Aber warum? Ich meine, ein Weg sieht doch wie der andere aus.“ Sie überlegte und fügte dann halblaut hinzu: „Naja, von der Farbe mal abgesehen.“

„Ich habe dort eine Präsenz gespürt.“, erklärte der Nachtelf und wandte sich zum Rest der Gruppe. „Wenn mich nicht alles täuscht, sollten wir dort auf Unterstützung treffen.“

„Gut, dann wir nehmen orange Gang.“, stimmte Abumoaham zu und er und die Priesterin folgten dem Nachtelfen in den hell erleuchteten Felsgang. Die Jägerin blieb zurück uns musterte Magenta scharf. Der Wolf und die Windschlange flankierten sie jeweils an einer Seite und blickten ebenfalls in Magentas Richtung.

„Ich habe die Dämonen auch gespürt.“, sagte die Nachtelfe ohne lange Vorrede. „Gibt es einen Grund dafür, warum Ihr unbedingt dorthin wollt? Sind das Eure Verbündeten? Noch mehr dämonische Handlanger?“

Magenta gab sich redliche Mühe sich ihre Verblüffung nicht anmerken zu lassen. Die Jägerin spürt Dämonen auf? Was denn noch alles?

„Nein.“, sagte sie laut. „Ich möchte lediglich einige von ihnen töten um an ihr Blut zu gelangen.“

„Und was für einen schändlichen Zauber gedenkt Ihr damit auszuführen?“ Als Magenta antworten wollte, hob die Nachtelfe abwehrend die schlanke Hand. „Ach spart Euch Euren Atem. Ihr wollt Dämonen töten und das allein zählt erst einmal. Aber seid Euch gewiss, dass ich Euch im Auge behalte.“ Damit drehte sie sich um und ließ Magenta allein im glühenden Schein der Kristalle stehen.

Oh ja, prima, murrte Magenta innerlich. Jetzt sind wir also wieder an dem Punkt angelangt, wo ich den anderen hinterher laufen darf. Na vielen Dank auch. Warum hört eigentlich nie mal jemand auf mich?

„Kommst du jetzt mit oder soll ich ohne dich gehen?“, nörgelte Pizkol, der bereits zwischen den orangefarbenden Kristallen stand und ungeduldig mit dem Miniaturhuf auf den Boden klopfte.

Quod erat demonstrandum, dachte die Hexenmeisterin bei sich und raffte dann die Röcke um den Anschluss nicht zu verlieren.
 


 


 

Vorsichtig schlich Abbefaria durch den Gang, dessen orangefarbender Schein in seinen Augen brannte. Trotzdem ging er ohne zu zögern weiter. Er fühlte, wie die Verderbtheit um ihn herum versuchte auch auf ihn überzugreifen, doch er verschloss seinen Geist. Im Grunde genommen war es vorhin Wahnsinn gewesen, ihn dem, was hier unten lauerte, zu öffnen, doch er hatte so fieberhaft nach einem Grund gesucht, nicht zu den violetten Kristallen zu gehen, dass er für einen Moment alle Vorsicht vergessen hatte. Und war er nicht dafür belohnt worden? Er wusste jetzt, dass irgendwo dort vorne ein unverdorbener Geist auf ihn wartete und so beschleunigte er seine Schritte noch, bis sie ihn schließlich in eine weitere Höhle trugen.

Auch in dieser Höhle waren die Wände mit den eigenartigen orangen Kristallen bedeckt. Ihr Licht fiel auf einen See, der sich in einer Senke am Grund der Höhle gesammelt hatte. An seinem Ufer rekelten sich faul einige große, dunkelgrüne Echsen, in deren Haut ebenfalls orangefarbende Kristalle steckten. Die durchaus ansprechende Farbkombination täuschte jedoch nicht über die äußerst scharfen Zähne hinweg, die eines des Tiere eindrucksvoll präsentierte, als eines der anderen ihm an seinem Ruheplatz zu nahe kam. Doch wo war die Quelle der Präsenz, die Abbefaria gespürt hatte?

Ein Platschen ließ den Druiden und seine Begleiter herumfahren. Auf einer Anhöhe stand ein steinerner Baldachin von etwa fünf Schritten Kantenlänge, in dessen Mitte sich ebenfalls ein kleiner Teich befand. Im Gegensatz zu allem hier war er von reiner, blauer Farbe und Abbefaria wusste sofort, dass es sich bei dem Wasser um einen Mondbrunnen handeln musste. Und wie jeder Mondbrunnen hatte auch dieser hier eine Hüterin.
 

Die langen, grünen Haare der Dryade fielen wie eine Kaskade frischen Laubs über ihren Rücken. Ihr Oberkörper war mit Efeuranken bedeckt, die sich geschickt um ihre Brüste rankten und die weißen Flecken auf ihrem hellbraunen Fell schienen in der Dunkelheit von innen heraus zu leuchten. Einzig ihr die Fackel in ihrer Hand passte nicht so recht in das Bild, dass der Druide von diesen Waldnympfen hatte. Sie war gewiss nicht dazu gedacht, um ihr den Weg zu erleuchten, denn Abbefaria wusste, dass Dryaden des Nachts ebenso gut sahen wie Nachtelfen. Vielmehr schien sie das rußende Ding als Waffe gebrauchen zu wollen.

„Was tut Ihr hier?“, sagte die Dryade anstatt einer Begrüßung. „Ihr solltet nicht hier sein. Dieser Ort ist…verflucht.“

„Marandis schickt uns.“, erklärte der Druide.

„Marandis?“ Ein kleiner Funken Hoffnung erschien in den Augen der Dryade. „Cenarius sei Dank, er schickt endlich Hilfe.“

„Sagt uns, wer Ihr seid und was Euch zugestoßen ist.“, bat Abbefaria höflich. Seine Begleiter, die in diesem Moment die Höhle betraten, lenkten die Aufmerksamkeit der Dryade für einen Augenblick auf sich, doch dann senkte sie den Kopf wieder und begann mit leiser Stimme zu sprechen.

„Mein Name ist Cavindra. Ich kam mit meinem Bruder und inmitten meiner Schwestern hierher. Doch wir gerieten in eine tödliche Falle. Ich schaffte es kaum zu entkommen und nur das Wasser des Mondbrunnens bewahrte mich vor dem grausamen Schicksal, das meinen Bruder und meine Schwestern ereilte. Sie jedoch sind immer noch dort unten und leiden unter dem giftigen Nebel, der von dem bösen Garten ausgeht, der dort wächst. “

Sie trat an den Rand des Mondbrunnens und legte Abbefaria die Hand auf die Brust. „Bitte, geht dort hinunter und helft Ihnen. Ich selbst wage es nicht mich noch einmal in diese Gefahr zu begeben.“

Abbefaria fühlte, wie seine Haut unter der Berührung der Dryade zu kribbeln begann. Er trat einen Schritt zurück und somit aus ihrer Reichweite. Dann verneigte er sich. „Wir werden Ihnen helfen, so es uns möglich ist.“, versprach er. „Aber sagt mir, wer ist Euer Bruder?“

„Der Name meines Bruders ist Celebras. Wir beide sind Kinder des Remulos.“

Remulos?“, fragte Abbefaria nach. „Dann wart ihr ebenfalls auf der Suche nach Zaetars Überresten.“

„Das ist wahr.“, sagte Cavindra und senkte den Kopf. „Doch wie gesagt, unsere Mission schlug fehl. Die Verderbnis war stärker als wir.“

„Und Euer Bruder ist immer noch dort unten?“

„Ich denke es.“, antwortete sie leise. „Doch ich weiß nicht, ob es noch Rettung für ihn gibt. Er hatte etwas…ein magisches Szepter. Es sollte uns helfen, schnell und unentdeckt in die Höhlen vorzudringen und gab uns gleichzeitig Schutz vor der Korruption. Doch ein mächtiger Sartyr namens Schlangenzung e hat sich zusammen mit dem von ihm erschaffenen, verderbten Wassergeist Noxxion des Szepters bemächtigt. Ohne das Szepter verlor sich mein Bruder in der Dunkelheit. Sein Geist wurde verwirrt und er ward blind und taub gegen alle Vernunft. Als er begann, diejenigen von meinen Schwestern zu töten, die der Korruption widerstanden hatten, floh ich hierher. Der Mondbrunnen schützt mich davor, ebenfalls den Verstand zu verlieren, doch ich bin zu schwach um die Höhle zu verlassen ohne einen von ihnen zu werden. Erst, wenn die Verderbnis aus diesen Höhlen verbannt wurde, werde ich frei sein.“

„Dann es uns sein wird eine Ehre, zu finden geheimnisvolles Szepter.“, sagte Abumoaham und verbeugte sich vor der Dryade. „Damit wir werden bestimmt können heilen Euren Bruder.“

„Ich wünschte, es wäre so einfach, Mensch.“, seufzte Cavindra. „Schlangenzunge hat das Szepter zerbrochen und er und Noxxion bewachen nun jeweils einen Teil davon. Wenn Ihr es haben wollt, müsst ihr beide Teile erlangen. Allerdings wird Euch nur mein Bruder sagen können, wie man sie wieder zusammensetzt.“

„Seid ohne Furcht, Cavindra.“, versprach nun auch Demuny. „Wir finden die Teile und werden ihn retten.“

„Gut, ich glaube Euch.“, antwortete die Dryade. „Ihr findet Noxxion inmitten der Giftigen Grotte am Ende der Faulsporenhöhle. Seid vorsichtig und sehr wachsam auf dem Weg dorthin. Alles, was dort unten wächst, ist böse und wird versuchen Euch zu korrumpieren oder zu vernichten.“

„Wie beruhigend.“, murmelte die Hexenmeisterin und verdrehte die Augen. „Dann mal auf in die Schlacht mit einem Haufen faulendem Gemüse.“

„Ihr müsst uns nicht begleiten.“, fauchte Abbefaria sie an. „Wir schaffen das auch gut ohne Euch.“

„Oh, ich werde Euch begleiten.“, gab die Hexenmeisterin zuckersüß lächelnd zurück. „Denn ich glaube, diesen Lord Schlangenzunge werden wir im violetten Teil der Höhle finden und dort wollte ich ohnehin hingehen. Es wäre dumm, allein in diesen Höhlen herumzuwandern.“

Sie drehte sich um und ließ den verblüfften Abbefaria stehen. Der wandte sich an Cavindra um sich von ihr bestätigen zu lassen, dass diese Menschenfrau Unrecht hatte, doch die Dryade nickte nur. „Die Menschenfrau hat Recht. Ihr habt Glück, dass ihr so fähige Begleiter habt, Druide. Der Segen von Cenarius sei mit Euch.“

„Und mit Euch.“, konnte Abbefaria nur noch murmeln, bevor er sich völlig fassungslos an die Verfolgung der Hexenmeisterin machte.
 


 

Magenta hatte kaum einen Fuß in die von glitschigem, schimmeligem Schleim besetzte Höhle gesetzt, als eine harte Hand sie packte und herumriss.

„Was sollte das?“, herrschte der Nachtelf sie an und seine goldenen Augen schienen Funken zu sprühen. „Warum verspottet Ihr mich so?“

„Euch?“ Magenta zog beiden Augenbrauen nach oben. Die Berührung des Nachtelfen tat weh und sie konnte den Duft riechen, der von ihm ausging. Er erinnerte sie an Frühlingsregen und überdeckte sogar den Fäulnisgeruch, der von der Wand hinter ihr ausging. „Aber ich verspotte Euch doch gar nicht. Im Gegenteil seid Ihr es doch, die jede meiner Ideen als töricht abweist und kategorisch ablehnt. Sogar, wenn es gar keinen Grund dafür gibt.“

Magenta hatte zwar auf Geratewohl ins Blaue geschossen, doch wie es aussah, hatte sie tatsächlich getroffen. Der Nachtelf ihr gegenüber senkte den Kopf und wich ihrem Blick aus.

„Ich entschuldige mich dafür.“, murmelte er. „Ich…Ihr…dieses Buch...die Dämonen.“

Magenta bemerkte, wie seine Augen an dem Riss in ihrem Ärmel hängen blieben. Entschieden entwand sie ihm den Arm und sagte dann: „Ich war nicht ich selbst, als ich das Buch an mich nahm. Doch wie Ihr vielleicht bemerkt habt, wurde der Zauber gelöst und ich habe das Buch nicht mehr. Außerdem kam ich hierher um Dämonen zu töten und nicht um sie herbei zu beschwören.“ Mit einem Blick auf Pizkol fügte sie hinzu „Naja, zumindest nicht noch mehr als ohnehin schon.“

„Ich…vergebt mir.“, sagte der Nachtelf. Er deutete eine Verbeugung an. „Ich war ungerecht zu Euch. Ihr seid Abumoahams Gefährtin und ich vertraue auf sein Urteil. Wenn er Eure Gegenwart für angemessen hält, beuge ich mich dem.“

Magenta wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Dieser…Abbefaria. Er besaß doch glatt die Frechheit sie so zu beleidigen…und sie dann bei seiner Entschuldigung noch mehr zu beleidigen.

„Es ist gut.“, würgte sie schließlich hervor und brachte ein halbwegs freundliches Lächeln zustande. „Ich…wir werden schon miteinander auskommen. Irgendwie.“

„Das hoffe ich auch.“, murmelte er und übernahm dann wieder die Führung über die Gruppe.
 

Sie drangen tiefer in die nach allen Abarten von giftigen Gasen stinkende Höhle vor. Dicke Pflanzenarme bedeckten die Wände und teilweise auch den Fußboden. Es stank und tropfte und blubberte und es war keiner unter ihnen, der sich nicht die Hand vor den Mund hielt und so versuchte wenigstens einen Teil der fauligen Gase dadurch abzuwehren. Es blieb bei einem Versuch.

Abumoaham, der gleich hinter dem Nachtelfen ging, blieb nur ab und an stehen, um einen Blick auf einige Runenzeichen zu werfen, die ab und an in die steinernen Wände eingeritzt waren. Ihm war anzusehen, dass er gerne länger geblieben wäre, doch dazu war keine Zeit. Die Jägerin mit ihren beiden Begleitern war den beiden dicht auf den Fersen, auch wenn den beiden Tieren anzumerken war, dass sie sich inmitten dieser von Schlingpflanzen und Moder überwucherten Höhle nicht wohl fühlten. Der Wolf war besonders misstrauisch, nachdem eine bis dahin harmlos am Boden liegende Ranke versucht hatte, ihn zu erwürgen, als er arglos daran schnupperte. Magenta gesellte sich daher zu Demuny an den Schluss der Gruppe und bemühte sich dort redlich, dem Geplapper der Priesterin zu lauschen, ohne dadurch im Gewirr der Höhlen den Anschluss zu verlieren.

Die Priesterin schilderte Magenta ausgiebig, was sie bis dahin alles erlebt hatten und ließ auch nicht die Vision aus, die Tabetha ihnen eingeflösst hatte. Als sie jedoch zu dem Auftrag kam, den die Magierin ihnen gegeben hatte, stutzte Magenta.

„Eine Höllenkugel?“, fragte sie nach. „Bist du ganz sicher?“

„Natürlich bin ich mir sicher.“, gab die Priesterin freudestrahlend zurück. „Und wir haben auch schon eine. Abumoaham hat sie diesem Orkhexenmeister abgenommen, der diesen großen, geflügelten Dämon bei sich hatte. Das Ding ist ganz schön gruselig. Allerdings nicht so gruselig wie das da.“

Magenta, die eigentlich noch hatte genauer nachfragen wollen, folgte Demunys Geste mit den Augen und erblickte etwas, das tatsächlich in die Kategorie gruselig passen konnte. In einer weiteren Höhle des weit verzweigten Systems hing ein dicker, in einem unregelmäßigen Takt pulsierender Schlauch von der Decke. Er schien aus Art grauer Haut zu bestehen und aus seinem Ende troff grüner Schleim hervor. Doch als wäre das nicht schon eigenartig genug, zog sich der Schlauch mit einem Mal in konvulsivischen Bewegungen zusammen und spie dann inmitten eines Schleimstroms eine riesige, Ekel erregende, giftgrüne Made auf den glitschigen Höhlenboden. Dazu verbreitete sich ein Fäulnisgestank in der Höhle, der den Geruch, den die verrottenden Pflanzen und die eigenartigen Schleimwesen, die sie in der vorherigen Höhle entdeckt hatten, zu einem Hauch von Rosen und Lavendel werden ließen.

„Das ist ja widerlich.“, schimpfte die Priesterin und presste ihr Taschentuch fester über Mund und Nase. „Dieser Gestank!“

„Ich mache mir viel mehr Sorgen um diese komischen Larven.“, murmelte Magenta, als die Röhre einen weiteren, schleimigen Wurm in die Höhle entließ. „Und vor allem frage ich mich, wohin diese Biester so schnell verschwinden.“

Der Rest der Gruppe war ebenfalls der Ansicht, dass dies ein höchst eigenartiges Phänomen war, dem es auf den Grund zu gehen galt. Schon allein deswegen, weil die Larven sie vermutlich nicht ungehindert ziehen lassen würden. So warteten sie ab, bis die eklige Röhre eine neue Larve ausspuckte und folgten dem Tier dann so gut und unauffällig es ging. Es kroch und rutschte durch die Gänge, fast so, als würde es von einer unsichtbaren Hand vorangetrieben.

„Was für ein seltsames Gebaren.“, murmelte die Jägerin. „Normalerweise bewegen sich Tiere solch niederer Ordnung nicht so zielgerichtet.“

„Vielleicht ist sie verzaubert.“, vermutete Demuny und ausnahmsweise fand Magenta diese Idee gar nicht mal so abwegig. Wenn sie sich nicht irrte, enthielt diese Larve Spuren von dämonischer Magie. Es blieb nur die Frage, warum.
 

„Seht! Wir erreicht weitere Höhle.“, rief Abumoaham und wies auf die steinerne Halle, die sich vor ihnen ausbreitete. „Ich mich kann irren, aber ich denken, dies sein Giftige Grotte. Ihr sehen großen, grünen See am Ende? Ich denken, böser Wassergeist leben dort. Wasser schimmern grünlich und leuchten von innen heraus. Das nix sein guter Zauber nicht.“

„Und die Made ist so eben ins Wasser geglitten.“, ergänzte Rakscha. „Wenn Ihr mich fragt, war das kein Zufall.“

„Ihr habt Recht.“, bestätigte Abbefaria. „Die bösen Energien dieses Ortes fließen dort hinten zusammen. Dies muss das Heim von Noxxion sein.“

„Und wie lautet der Plan?“, wollte Magenta wissen. „Ich meine, das ist ein Wassergeist. Er wird sich kaum davon beeindrucken lassen, dass wir mit Pfeil und Bogen auf ihn losgehen wollen. Das sollte keine Anspielung sein!“

Die Jägerin, die schon den Mund zu einer geharnischten Antwort geöffnet hatte, klappte ihn wieder zu und verzog die schmalen Lippen stattdessen zu einem verächtlichen Grinsen. „Ihr habt also einen Plan?“

Magenta schluckte. Einen wirklichen Plan hatte sie nicht. Sie wollte das hier eigentlich nur möglichst schnell hinter sich bringen. Doch dann erinnerte sie sich plötzlich daran, wie sie und Abumoaham im Arathihochland auf den Wassergeist getroffen waren. „Wir könnten ihn verdampfen lassen.“

Abumoaham nickte begeistert. „Das sein guter Plan! Magenta und ich können machen große Hitze und schnell Wassergeist sein nicht mehr als große Wolke Dampf.“

„Giftiger Dampf.“, knurrte die Jägerin. „Mag sein, dass wir das Ding so besiegen, aber ich glaube nicht, dass das einer von uns überleben wird. Entweder werden wir ersticken oder in der Hitze ebenfalls vergehen.“

„Wir könnten versuchen das Wasser zu reinigen.“, schlug Demuny vor.

„Und wie sollen wir das anstellen?“, schnaubte Magenta abfällig. „Singen und beten?“

„Ich…“, stotterte Demuny und schob die Unterlippe vor. „War ja nur eine Idee.“

„Die gar nicht mal dumm ist.“, sagte Abbefaria. Magenta glaubte, die hätte sich verhört, doch der Druide schien ganz begeistert von der Idee. „Wir könnten versuchen, den Wassergeist von seiner dämonischen Verderbnis zu reinigen. Vielleicht haben wir Glück und er ist uns so dankbar, dass er uns seinen Teils des Szepters überlässt.“

„Sicherlich.“, lachte Magenta höhnisch. „Ihr glaube, Ihr versteht nicht die Beziehung, die ein Hexenmeister zu seinen Kreaturen hat. Ohne ihn sind sie nichts.“ Sie ignorierte Pizkol, der an dieser Stelle heftig protestieren wollte und fuhr fort: „Aber wenn Ihr das Band durchtrennt, das die beiden verbindet, entlasst ihr eine fürchterlich mächtige Kreatur in die Welt, die ohne Schranken und Bindungen wüten wird und tötet, was ihr in den Weg kommt.“

Pizkol starrte seine Meisterin für einen Augenblick mit offenem Mund an, dann grinste er über beide Backen und nickte heftig. „Hört der Frau zu. Sie weiß, wovon sie redet.“

Abbefarias Blick irrte kurz zu dem überschwänglichen Wichtel und fixierte dann wieder Magenta. „Aber das hier ist kein Dämon. Es ist ein Wesen der Elemente, dem der Satyr seinen Willen aufgezwungen hat.“

Magenta starrte den Druiden wütend an. Sie wusste, dass das, was er sagte, so nicht stimmte, aber sie war auch nicht in der Lage ihn zu widerlegen. Diese Kreatur war von einem Dämon erschaffen und nicht gezähmt worden. Allerdings stand sie auch nicht wie einer von Magentas Dämonen unter seiner direkten Kontrolle. Er war lediglich ein Konstrukt und daher nicht abhängig von seinem Meister. Die Hexenmeisterin hätte sich gerne in einem Mausloch verkrochen, doch leider war das hier nicht möglich. So stopfte sie stattdessen die Hände tief in die Taschen ihrer Robe und dachte fieberhaft über eine Lösung nach.

Es muss doch möglich sein, diesem Ding die Energie zu entziehen, dachte sie, als ihre Hände mit einem Mal einen Gegenstand ertasteten. Verwundert zog sie ihn heraus und sah, dass sie den Höllenstein in Händen hielt. Verständnislos stierte sie den Stein eine Weile lang an, bis sie die Erkenntnis mit der Macht eines Zwergenhammers traf.

„Jetzt weiß ich, wie wir das Ding besiegen.“, rief sie und hielt den Höllenstein in die Höhe. „Wir zerstören sein Herz.“
 


 


 

Abbefaria blinzelte ungläubig. Hatte die Hexenmeisterin gerade tatsächlich behauptet, der Wasserelementar hätte ein Herz? Doch dann lauschte er ihren Erklärungen und er musste zugeben, dass sie durchaus Sinn machten.

„Noxxion muss von einer Energiequelle gespeist werden.“, erklärte sie aufgeregt. „Die Wassergeister, die wir im Arathihochland gesehen haben, wurden von den Energien erhalten, die durch die Beschwörungskreise aus dem Boden kanalisiert wurden. Doch wenn man einen unabhängigen Elementar erschaffen will, muss man ihn entweder ständig mit Energie versorgen, was extrem aufwendig ist, oder man muss eine Energiequelle erschaffen, die ihn speist. Wenn wir diese Quelle finden und sie vernichten, wird auch Noxxion verschwinden.“

„Du schlau.“, sagte Abumoaham bewundernd. „Woher du wissen das?“

„Oh, ein Teil davon stand in dem Buch, das du mir gegeben hast.“, antwortete Magenta. „Ich fand´s eigentlich nicht besonders interessant, vor allem, weil es eigentlich darum ging, nur einen zeitweiligen Begleiter zu erschaffen, aber meine Begegnung mit der Höllenbestie hat mir gezeigt, dass es auch anders geht.“

Rakscha, die sich mit Blick auf den leuchtenden See in der Hocke niedergelassen hatte, fragte über die Schulter hinweg: „Wie mächtig ist diese Energiequelle?“

Magenta zuckte nur mit den Schultern. „Keine Ahnung. Ziemlich mächtig vermutlich.“

„Und meint Ihr wirklich, es wäre eine gute Idee, sie einfach so zu zerstören?“, fragte die Jägerin weiter und ihr Ton wurde herausfordernder. „Würde dann nicht die gesamte Energie freigesetzt, die sich darin befindet?“

„Da sie Recht haben.“, stimmte Abumoaham zu. „Energie vermutlich reichen um zu sprengen ganze Höhle in Luft.“

„Das klingt aber nicht gut.“, sagte Demuny und Abbefaria widerstand mit Mühe dem Drang, sich neben sie zu stellen oder gar den Arm um sie zu legen. Sie war so…

„Es wäre schön, wenn wir alle an der Lösung des Problems mitarbeiten könnten.“, fauchte da die Hexenmeisterin und funkelte ihn wütend an. „Habt Ihr nicht noch eine von Euren wundervollen Ideen?“

Abbefaria unterdrückte einen Fluch und sammelte seine Gedanken. „Wir sollten…“, begann er und verzog unwillkürlich den Mund zu einem Lächeln, als ihm die entscheidende Idee kam. „Wir sollen tatsächlich dieses Herz finden, wie Ihr vorgeschlagen habt. Doch anstatt es zu zerstören, werden wir versuchen, es zu reinigen.“

„Und wie wollt Ihr das anstellen?“, fragte die Hexenmeisterin kritisch.

„Mit Singen und Beten.“, grinste er und amüsierte sich königlich über ihr fassungsloses Gesicht. „Vertraut mir. Ich weiß, wovon ich rede.“

„Das hoffe ich.“, gab sie murrend zurück. „Glaubt mir, das hoffe ich wirklich.“

„Dann hört jetzt genau zu, denn das hier ist mein Plan.“
 

Es dauerte etwas, bis Abbefaria auch die letzten zweifelnden Stimmen beruhigt hatte. Eigenartigerweise war eine davon die Jägerin. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Rakscha sich seinem Plan so widersetzen würde. Der Streit zwischen ihnen wogte hin und her, bis er schließlich begriff, dass ihre Gegenwehr darin begründet lag, dass sie fürchtete, die Rolle, die er ihr zugedacht hatte, nicht erfüllen zu können. Doch mit Abumoahams Hilfe, ließen sie auch diese Hürde hinter sich. Schließlich wusste jeder, was er zu tun hatte. Es würde keinesfalls einfach werden, doch wenn alle das taten, was er ihnen gesagt hatte, würden sie es mit Sicherheit schaffen, Noxxion zu besiegen.

„Ich denke, wir besser anfangen.“, sagte Abumoaham und umfasste Abbefarias Unterarm mit der Hand. „Viel Glück auf Eurem Weg.“

Abbefaria erwiderte seine Geste und nickte dem Magier zu. „Kämpft wohl, mein Freund.“

Dann wendete er sich zu den anderen Gruppenmitgliedern um. „Sie Ihr bereit? Soll ich den Kampf beginnen?“

Rakscha neigte den Kopf, so dass ihr die weißen Haare vor das Gesicht fielen. "Ash Karath!"

Demuny nickte ebenfalls, wenngleich auch etwas zögerlicher. „Bereit.“, murmelte sie und zog die Stirn zu hinreißenden Falten zusammen.

„Ich ebenfalls bereit.“, bestätigte Abumoaham, so dass Abbefaria sich an die Letzte im Bunde wandte.

„Oh, ja ja, bereit.“, winkte die Hexenmeisterin ab und wirkte etwas abwesend. „Ich muss nur noch schnell…ach, fangt doch einfach schon mal an.“

Abbefaria schüttelte den Kopf und konzentrierte sich dann auf seine Aufgabe und die Umgebung. „Tor ilisar'thera'nal!“, murmelte er halb zu sich selbst und setzte sich dann in Richtung des giftgrünen Teiches in Bewegung.
 

Jeder seiner Atemzüge kratze in seinem Hals. Die Decken der Höhle waren von dunkelroten, rhythmisch pulsierenden Blasen bedeckt, von denen jede die Ausmaße eines ausgewachsenen Nachtelfen hatte. Einige waren sogar drei oder viermal so groß. Dort, wo die Blasen bis zur Erde reichten, hatten sich Löcher in der Oberfläche gebildet, aus denen sein stetiger Strom schwefelgelben, scheußlich riechenden Dampfes entwich. Immer wieder blähten sich einige der Blasen auf, um dann wahre Fontänen des Faulgases in die Höhle zu pumpen. Sein Aroma brachte Abbefarias Nasenflügel zum Beben.

Über sich einen Teppich aus blutroten, gasgefüllten Blasen ging er weiter. Seine Schritte waren auf dem Boden nicht zu hören, der wie alles hier von einer schleimigen, fäulnisdurchsetzten Schicht bedeckt war. Vor ihm lag der leuchtende See. In seiner Mitte befand sich ebenfalls ein blasenartiges Gebilde, das jedoch von dunklerer, eher bräunlicher Farbe war. Es erinnerte ihn an den Schlauch, aus dem in der vorherigen Höhle die grünen Maden hervor gekrochen waren. Kaskaden schleimartiger Flüssigkeit sprudelten daraus hervor und mischten sich mit dem leuchtenden Wasser zu einer abscheulichen Brühe. Abbefaria trat näher heran und sah hinein. Der grünliche Schimmer, den sie von Ferne gesehen hatten, herrschte nicht im ganzen See. Vielmehr schien er sich in dem Gewässer hin und her zu bewegen.

Das muss Noxxion sein, dachte der Druide. Nur wie bekomme ich ihn dazu, den See zu verlassen? Ich will nicht in seinem Element mit ihm kämpfen müssen.
 

Um besser sehen zu können, lehnte er sich weiter nach vorn, doch er konnte außer einem trüben Schein im Wasser nichts erkennen. Vermutlich gab es also tatsächlich nur einen Weg, um die Aufmerksamkeit des Wasserelementars zu erregen. Abbefaria wappnete sich für die Begegnung, dann richtete, er sich auf, hob den Fuß und ließ ihn dann mit einem lauten Platschen ins Wasser fahren.

Schlagartig kam die Bewegung des grünen Lichts zum Erliegen. Der Druide hatte das Gefühl von unsichtbaren Augen gemustert zu werden. Dann begann das grüne Leuchten schnell und unaufhaltsam näher zu kommen und Sekunden später brach Noxxion aus der Wasseroberfläche hervor.
 


 

Magenta hielt unwillkürlich den Atem an und vergaß, weiter in ihrer Tasche nach der Kette zu suchen, mit der sie Jhazdok hatte beschwören wollen. In Gegenwart des großen, blauen Leerwandlers hätte sie sich irgendwie sicherer gefühlt. Doch jetzt war es dazu zu spät und sie würde mit Pizkol vorlieb nehmen müssen im Kampf gegen diesen riesigen, giftgrünen, pulsierenden Wasserelementar, der sich hoch wie ein Haus vor dem Nachtelfen aufbäumte.

Beim wirbelnden Nether. Er wird ihn umbringen!

Tatsächlich schien der Wassergeist derartige Pläne zu haben, denn sein wässriger Arm raste mit der Unbarmherzigkeit einer Guillotine auf Abbefaria zu. Der Nachtelf versucht erfolglos auszuweichen und die Wassermassen warfen ihn quer durch den Raum, wo er gegen eine Wand prallte und benommen in sich zusammensackte.

Dieser Schlangenzunge wusste, was er tut, dachte Magenta grimmig. Aber da ist er nicht der Einzige.

„Pizkol! Attacke!“

Der Wichtel blinzelte die Hexenmeisterin ungläubig an. „Im Ernst jetzt? Ich meine, der ist wie groß? Vier Meter? Fünf? Sechs? Den juckt es doch gar nicht, wenn ich mit meinen Feuerbällchen nach ihm werfe. Da lacht der mich doch aus.“

„Steh nicht so rum und tu endlich was!“, fauchte Magenta und stürzte sich selbst in den Kampf.

Nie war ihr die Formel für den Schattenblitz so schnell über die Lippen gekommen. Noxxion hatte den immer noch am Boden liegenden Nachtelfen fast erreicht, als die Kugel aus geballter Dunkelheit durch die Höhle flog und ihn direkt in den Rücken traf. Augenblicklich fuhr der Wassergeist herum und suchte nach dem Störenfried, der ihn so frech abgelenkt hatte. Als er Magenta erblickte, schäumte er vor Wut und raste nun auf die völlig verdatterte Hexenmeisterin zu. Seine wässrigen Augen glühten vor Hass und er streckte den dicken Arm mit dem mit Smaragden besetzten Armschienen aus, um nach ihr zu greifen.

Oh Mist.

Magenta schwante plötzlich, dass irgendetwas nicht nach Plan lief. Sicher war sie sich dessen, als die Jägerin mit lautem Fluchen an ihre vorbeisprintete und ihr zurief:

„Toll gemacht! Jetzt darf ich’s sehen, wie ich ihn wieder einfange.“

Noxxion hingegen war langsamer geworden und begann in einem unruhigen, grünen Licht zu pulsieren. Die Wassermassen, die seinen Körper bildeten, wirbelten in den leuchtendsten Grüntönen umeinander, dann raste plötzlich ein Teil von ihm auf Magenta zu.

Zu perplex um auszuweichen wurde die Hexenmeisterin von dem schleimigen Brocken mitten ins Gesicht getroffen. Sie spürte eins scharfes Brennen auf ihrer Haut, während die zähnflüssige Substanz ihr Mund und Nase verklebte. Panisch begann sie, den giftigen Schleim abzuwischen. Es brannte und klebte und sie konnte förmlich spüren, wie das Gift durch ihre Haut in ihren Körper eindrang. Mit einem verzweifelten Zauber umgab sie sich selbst mit einer Flammenhülle, die die gallertartige Substanz verdampfte und ihre endlich wieder das Atmen ermöglichte. Keuchend und hustend sank sie auf dem steinernen Boden zusammen, der durch die Hitze in einem kreisrunden Areal um sie herum ebenfalls vom Schimmel und Schleim befreit worden war.

Magenta wollte sich so eben wieder in den Kampf mit Noxxion werfen, als ein Geräusch hinter ihr sie herumfahren ließ. Das schabende Gleiten kam näher und näher und dann schob eine weitere der giftgrünen Larven aus dem Madenspeier ihren massigen Leib in den Höhleneingang. Dem Tier fehlte es sowohl an Augen oder sonstigen Sinnesorganen oder gar einem Gehirn. Somit hatte es nichts, mit dem es noch lange über seine nächste Schritte hätte nachdenken konnte und daher ging aus der Bewegung heraus gleich zum Angriff auf das nächste Ziel über, das seinen Weg kreuzte. Und das war Magenta.
 

Die Hexenmeisterin fluchte und wich dem schwammigen Körper aus. Der Schleim, der die Made bedeckte, schien derselbe zu sein, mit dem Noxxion sie beworfen hatte. Ungeachtet seiner Körperfülle und des plumpen Leibs, drehte sich das Tier auf dem schleimigen Boden geschickt um die eigene Achse und robbte sofort wieder am Magenta zu um…ja um eigentlich was genau zu tun?

Vermutlich wird es den Boden vollschleimen, bis ich ausrutschte und dann wird es mich erdrücken, überlegte Magenta und schüttelte den Kopf. Das Gift von Noxxion schien immer noch in ihrem Blut zu kreisen und machte ihre Gedanken langsam und träge. Oh, das ist gar nicht gut. Ich muss mich zusammenreißen.

Magenta schüttelte erneut den Kopf und ihr Blick wurde wieder klarer. Die Made robbte indes immer noch auf sie zu und Magenta sah, dass sich an ihrem vorderen Ende eine Art Saugnapf mit vielen, kleinen Zähnen befand. Wenn Magenta erstmal wehrlos war, würde sie Made sie anscheinend ganz genüsslich aussaugen.

„Soweit wird es nicht kommen.“, knurrte Magenta. „Stirb, du Vieh!“

Magenta wob den Feuerbrandzauber zwischen ihren Händen und warf ihn über die Made. Sofort stand der Körper des Tieres lichterloh in Flammen und ein hohes, gequältes Geräusch entwich dem zahnbesetzten Saugnapf. Die Made schrie und wand sich, doch dem Feuer, das an ihr festklebte, war sie nicht gewachsen. Sie zitterte und zuckte immer stärker, bis sie schließlich mit einem lauten Knall auseinander platzte. Schleimbrocken regneten um Magenta herab zu Boden und die Hexenmeisterin selbst war von oben bis unten mit giftgrünem Schleim bedeckt.

„Wäääh, ist das eklig.“, jaulte sie auf, spuckte aus und wischte sich mit dem schleimbedeckten Ärmel über das Gesicht ohne einen sichtbaren Erfolg zu verzeichnen. „Und das zu noch…was ist das?“

Magenta blickte ungläubig auf ihre Hände herab. Sie waren voller Madenschleim und eigentlich hätte Magenta erwartet, dass sie wieder das unangenehme Brennen und Jucken verspürte, das der giftige Schleim verursachte. Stattdessen war die Brandwunde auf ihrer Hand vollständig verschwunden und sie fühlt sich insgesamt erstaunlich frisch und voller Energie. Einem Gefühl, das ihr eigenartig bekannt, ja fast vertraut vorkam.

„Das ist unglaublich.“, flüsterte sie, als sie es endlich verstand. „Die Maden sind die Kraftquelle. Mit ihnen schickt Schlangenzunge seine dämonische Energie zu Noxxion. Der Versuch das Herz des Elementars zu reinigen ist also vollkommen nutzlos, solange immer noch neue Maden hier auftauchen, denn sobald eine von ihnen Noxxion erreicht, wird die dämonische Verderbnis wieder die Oberhand gewinnen. Wir müssen zuerst den Madennachschub abstellen.“

Entschlossen sprang die Hexenmeisterin auf, strauchelte auf dem glitschigen Untergrund und lief dann, so schnell sie konnte, zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
 


 


 

Abbefaria sah, wie die Hexenmeisterin sich umdrehte und die Höhle verließ.

Ich hätte wissen müssen, dass man ihr nicht trauen kann, dachte er grimmig und konzentrierte sich dann wieder darauf, den Schlägen Noxxions auszuweichen. Schon wieder flog einer dieser grünen Schleimklumpen auf ihn zu, doch die Attacke prallte wirkungslos gegen das Lichtschild, das Demuny um den Druiden gewoben hatte. Allerdings würde es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis der Wassergeist entweder das Schild zerstörte oder in direktem Weg auf die Priesterin losging. Sie mussten sich beeilen.

Eigentlich hätte es Rakscha Aufgabe sein sollen, die Aufmerksamkeit des Elementars auf sich zu lenken und ihn dann zusammen mit Abumoahams Eiszaubern im Schach zu halten. Doch Noxxion hatte schnell erkannt, dass die Jägerin ihm mit ihren Waffen nicht viel anhaben konnte und die Teile von sich, die Abumoaham in eisige Ketten legte, ersetzte er leicht wieder durch die trübe Flüssigkeit, die aus dem Schlauch an der Decke emporquoll.

Ihr werdet mich nicht besiegen, Sterbliche!“, drang die heisere, hohe Stimme Noxxions in Abbefarias Ohr. „Es ist der Willen des Meisters, dass ihr sterbt.“

„Ich weigere mich aber, mich dem Willen deines Herren zu beugen.“, knurrte der Druide. Er wich erneut einer Attacke des Wassergeistes aus und fing an, die Formel zu rezitieren, die er gelernt hatte um Gifte aller Art zu vertreiben. Es hätte besser funktioniert, wenn er seinen Geist hätte öffnen können um die Quelle des Gifts zu finden, doch das wagte er nicht. So glich sein Versuch, den Wassergeist zu entgiften dem Versuch in aufgewühltem Wasser mit bloßen Händen einen Fisch zu fangen. Es war nahezu unmöglich und erforderte eine gerade unverschämte Portion Glück. Glück, das ihm unglücklicherweise verwehrt blieb.
 

Noxxions wässriger Arm krachte erneut gegen das Lichtschild, das bereits schwächer leuchtete als am Anfang. Die Attacke war so stark, dass Abbefaria mitsamt dem Schild nach hinten geworfen wurde. Das Schild um ihn herum flackerte noch ein paar Mal und verschwand dann.

„Es tut mir leid.“, jammerte die völlig erschöpfte Demuny. Die Haare der Priesterin waren schweißnass und sie musste sich an die Höhlenwand stützen um nicht umzufallen. „Ich schaffe es nicht mehr, den Zauber aufrecht zu erhalten.“

Abbefarias Gedanken rasten. Ohne Demunys Hilfe würde er nicht nahe genug an den Elementar heran kommen. Es sei denn…

Es sei denn, ich dringe in ihn ein und suche dort nach dem Herz.

Mit einem gewaltigen Brausen raste Noxxion heran und streckte beide Arme aus, um den Druiden in eine tödliche Umarmung zu schließen. Abbefaria wappnete sich gegen den Aufprall, holte noch einmal tief Luft und murmelte dann die Verwandlungsformel für seine Wasserform.
 

In dem Moment, wo der Wassergeist ihn verschluckte, glaubte Abbefaria, sein Körper stände in Flammen. Zwar konnte ihm in seiner jetzigen Form nicht der Atem ausgehen, doch der ständig um ihn herumwirbelnde Strom erlaubte ihm keinerlei Orientierung und das Wasser brannte auf seiner Haut wie Säure. Lange würde er diesen Zustand nicht aushalten. Völlig hilflos wurde er von unten nach oben und wieder zurückgeschleudert, als die Wassermassen durch Noxxions Körper strömten. Er konnte nichts sehen, hörte nicht außer dem beständigen Dröhnen des Wassers und presste trotz der Schmerzen eisern die Lippen aneinander, damit er nicht auch noch etwas von der giftigen Brühe schluckte. Doch wie sollte er so das Herz finden? Wie?

Die Schmerzen wurden immer schlimmer, das Brennen zu einem alles überschattenden Gefühl, das größer und größer wurde, bis er seine Wasserform nicht mehr halten konnte. Er spürte, wie er sich zurückverwandelte, wie die Flossen schrumpften und sein Körper seine Stromlinienform verlor. Gleichzeitig wuchs der Druck auf seinen Lungen, die jetzt in seiner Nachtelfenform wieder nach frischem Sauerstoff verlangten. Es konnte nur noch wenige Augenblicke dauern, bis er entweder aufgrund der Schmerzen ohnmächtig wurde oder den Mund öffnete um nach Luft zu schnappen. So oder so würde er im Körper Noxxions ertrinken.

Da plötzlich teilten sich die Wassermassen um ihn herum und er fiel aus zwei Metern Höhe direkt auf den glitschigen Felsboden. Keuchend füllte er seine Lungen endlich wieder mit dem, wonach sie sich gesehnt hatten und nahm dabei nicht einmal mehr den Gestank war. Sein Körper brannte, sein Kopf fühlte sich schwindelig an und doch wusste er, dass er nicht ausruhen durfte. Er kämpfte sich auf alle Viere und hob dann den Kopf um zu sehen, was passiert war. Doch statt Erleichterung machte sich pures Entsetzen auf seinem Gesicht breit. Statt eines Wasserelementars rauschten nun fünf kleine Ausgaben von Noxxion durch die Höhle und setzten seinen Gefährten zu.
 

Gleich zwei der Biester hatten sich an Abumoahams Fährte geheftet und während der Magier versuchte, einem der beiden mit Feuer und Eis Herr zu werden, warf der andere mit großen Klumpen des giftigen Schleims nach dem Magier. Es war nur eine Frage der Zeit, bis einer der beiden ihn erwischen würde. Rakscha war in einer ähnlich prekären Lage, wenngleich die Jägerin den Vorteil hatte, dass der Sam einen der Elementare in einen wütenden Kampf verstrickt hatte. Allerdings blutete der schwarze Wolf schon aus mehreren Wunden und die Jägerin konnte ihm nicht zur Hilfe eilen, da sie und die Windschlange den zweiten Elementar im Schach halten mussten.

Ein spitzer Schrei gellte durch die Höhle und Abbefaria wirbelte herum nur um Zeuge zu werden, wie sich der letzte der Elementare auf Demuny warf. Die Priesterin schaffte es im letzten Moment, eine Lichtschild um sich zu ziehen, doch ihre Kraftreserven waren verbraucht und nach zwei Schlägen von Noxxions Brut brach auch diese Verteidigung in sich zusammen. Sie war dem Wüten des Elementars schutzlos ausgeliefert.
 

Abbefaria mobilisierte die letzte Energie, die ihm geblieben war, um wieder auf die Füße zu kommen und wollte schon zu Demunys Rettung eilen, als jemand, den er nicht erwartet hatte, wieder auf der Bildfläche erschien. Die Hexenmeisterin fackelte nicht lange und richtete die Hand auf den Elementar, der ihr am nächsten war. Die Brut, die bereits die Arme ausgebreitet hatte, um sich auf Demuny zu stürzen, wurde in einer Art Kraftfeld gefangen. Die Priesterin war gerettet. Magenta würdigte sie jedoch keines Blickes und stürmte weiter auf Abbefaria zu.

„Habt Ihr das Herz?“, rief sie und kam schlitternd neben ihm zum Stehen. „Ihr müsst es jetzt finden und reinigen und zwar sofort.“

„Ich versuche es ja.“, fauchte Abbefaria wütend. „Aber wie Ihr seht, sind jetzt fünf kleine Noxxions hier unterwegs und ich weiß nicht, welcher von ihnen das Herz hat.“

„Dann sucht es.“, fuhr die Hexenmeisterin ihn an. „Welcher von ihnen ist der stärkste. Ihr müsste Euch beeilen. Wir haben nicht viel Zeit!“

Abbefaria überlegte kurz, dann sagte er: „Wir müssen sie zusammentreiben und dazu bringen, dass sie einen von uns zugleich angreifen. Nur so können wir wissen, welcher von ihnen das Herz ins ich trägt.“

Die Hexenmeisterin starrte ihn einen Moment lang verdattert an, dann nickte sie kopfschüttelnd. „Das ist so bescheuert, dass es schon fast wieder klappen könnte. Also gut, ich übernehme die Rolle des Köders. Und Ihr tut Euer bestes, damit ich am Leben bleibe.“

Abbefaria verstand nicht. „Aber wie soll ich das anstellen?“

„Heilt mich!“
 


 


 

Magenta wusste, dass das ganze eine Schnapsidee war und dass sie alle sterben würden. Doch bevor sie jetzt dem Druiden lang und breit die Zusammenhänge von Noxxion, Schlangenzunge und den Maden erklärte, handelte sie lieber. Zumal sie sich nicht sicher war, wie lange die Ranken halten würden, mit denen sie den scheußlichen Madenspeier kurzerhand zugebunden hatte. Irgendwann - und zwar vermutlich ziemlich bald – würde der Schlauch kurzerhand platzen und dann würde sich eine wahre Flut von mit dämonischer Energie aufgeladener Maden in die Höhle ergießen. Und irgendwie hatte Magenta nicht das Gefühl, dass sie das dann überleben würden.
 

Noch während sie auf den nächstgelegenen Wasserelementar zulief, sammelte sie ihre dämonischen Energien. Es gab Zauber, die Magenta noch nie benutzt hatte, weil sie, wie ihr Lehrbuch sehr anschaulich beschrieben hatte, dem Körper und dem Geist großen Schaden zufügen konnten. Doch das hier war nicht der Moment um zimperlich zu sein. Sie würde tiefer in die dämonische Trickkiste greifen müssen als je zuvor.

Aus ihrem tiefsten Inneren beschwor sie das dämonische Feuer hervor, das dort gut versteckt lauerte. Es tobte und wütete auf seinem Weg nach draußen, so dass Magenta glaubte, ihr Innerstes würde verbrennen und vergehen, bevor der Zauber ihren Körper verlassen hatte. Doch dann würgte sie den riesigen Feuerball hervor, der einen Teil ihrer Seele mit sich riss und sich wie eine Eruption aus Feuer und Zerstörung seinen Weg direkt in den Körper des Wasserelementars brannte. Sofort ließ er von seinem jetzigen Opfer ab und stürzte sich auf die vermeintlich größere Bedrohung.

Fehlen nur noch vier, dachte Magenta bei sich und wich der Attacke des Noxxionsprösslings aus, um sich dem nächsten von ihnen zu widmen.
 


 


 

Ungläubig sah Abbefaria zu, wie Magenta durch die gesamte Höhle stürmte und nach dem Miniatur-Noxxion, der Rakscha und die Windschlange bedroht hatte, auch noch die restlichen drei Elementare an sich band. Die Wasserwesen setzten ihr gewaltig zu, Gift und körperliche Attacken, denen sie nicht immer ausweichen konnte, schwächten die Hexenmeisterin, doch sie setzte ihren Weg unbeirrt fort, während Abbefaria sich bemühte, seine letzten Energien in Heilzauber umzusetzen und sie zu stärken.

„Lasst mich das übernehmen.“, sagte eine Stimme neben Abbefaria und Demuny begann ebenfalls, ihre Lichtzauber auf die Hexenmeisterin zu wirken. Sie wob auch eines der Lichtschilde um ihren Körper, doch Magenta brüllte sie an, das sein zu lassen.

„Ich entlasse jetzt den letzten Elementar aus seiner Verbannung.“, schrie die Hexenmeisterin im Vorbeilaufen. „Und dann setzt gefälligst Euren Nachtelfenhintern in Bewegung UND HELFT MIR!“

Mit diesen Worten löste sie den Zauber, der den fünften und letzten Elementar gefangen hielt und blieb stehen. Sofort waren die Elementare über ihr und drangen auf sie ein. Der Körper der jungen Frau krümmte sich unter den Attacken der fünffachen Übermacht, dann wies sie auf einen der Elementare.

„Der da!“, rief sie mit erstickter Stimme. „Nehmt das Herz! Schnell!“
 

Während Demuny Magenta nun endlich mit einem Schild umgeben durfte, winkte Abbefaria Abumoaham heran. „Der Elementar, auf den Magenta gezeigt hat. Friert ihn ein! Und dann…Rakscha!“

Die Jägerin eilte herbei. „Ja?“

„Wenn der Elementar gefroren ist, zerstörst du ihn mit deinen Pfeilen. Den Rest erledige ich.“

Die beiden nickten und taten, was Abbefaria ihnen gesagt hatte.
 

Mit einem gewaltigen Klirren zerbarst der stärkste von Noxxions Sprösslingen und eine kleine, grünlich schimmernde Kugel rollte über den Fußboden direkt vor Abbefarias Füße. Er hob sie auf und wusste sofort, dass dies das verderbet Herz von Noxxion war. Er hüllte es in beide Hände, hob es an seine Stirn und begann leise die Formel des Reinigungszaubers zu singen.
 


 


 

Magenta spürte die Schläge kaum noch, mit denen die Wasserelementare sie bedeckten. Das Gift, das in ihren Adern zirkulierte, lähmte ihre Sinne und machte sie schläfrig. Sie schloss die Augen mit dem Ziel, sie nie wieder zu öffnen. Alles um sie herum wurde leichter und fast schien es ihr, als würde sie schweben. Als würde eine leise und eindringliche Melodie sie zu einem letzten Tanz auffordern, bevor sie endgültig in den Tiefen des wirbelnden Nethers verging. Sie machte sich keine Hoffnung, dass ihre beschädigte Seele irgendwie wieder genesen würde. Sie hatte die Grenze überschritten, die sie stets gefürchtet hatte. Sie war verloren.
 

Das Lied dauerte an und die Melodie wurde lauter, fast so, als würde sich der Sänger auf sie zu bewegen. Hände erfassten sie und zogen sie in die Höhe.

„So müde.“, murmelte sie. „Ich mag nicht mehr tanzen.“

„Du dich ausruhen musst.“, sagte eine Stimme an ihrem Ohr. „Du sehr tapfer gekämpft.“

„Abu?“ Magenta wusste, wem die Stimme gehörte. Aber es war anstrengend darüber nachzudenken. Außerdem war es nicht seine Stimme gewesen, die gesungen hatte. Die Stimme. Sie war so… so wunderbar. So rein. Der Wind würde aufhören zu wehen und die Tiere des Waldes würden sich verneigen, die... Tiere?

Magentas Augenlider ruckten nach oben und langsam wurde Abumoahams besorgtes Gesicht über ihr klarer. Der Magier lächelte.

„Du in Ordnung?“

„Ja, ich schon.“, antwortete Magenta und hielt mit letzter Kraft die Augen offen, bevor ihr die lebenswichtigen Worte abhanden kamen. „Aber ihr solltet euch um die Maden kümmern, die gleich hier einfallen werden. Und haltet euch fern von den Saugnäpfen.“

Abumoaham sah sie verständnislos an. „Maden? Welche Maden?“, fragte er noch, aber da war Magenta schon endgültig in die alles umfassenden Arme ihrer Ohnmacht geglitten und träumte süß und selig von großäugigen Rehkitzen und Eschenwäldern, die sich sanft im Wind hin und her wiegten.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2010-06-21T01:47:15+00:00 21.06.2010 03:47
Aller aller aller bestes Fanfic auf dieser Wääält *sing*
Mach schnell schnell weiter, bitteee!(:
Von: abgemeldet
2010-05-03T21:00:51+00:00 03.05.2010 23:00
Hey, das Kapi war ja wieder genial ;) Ich bin ja mal gespannt ob sich Abbefaria und Magenta grün werden^^

Ansonsten sind mir hier und da mal ein paar Rechtschreibfehler aufgefallen, aber nichts ernstes...

Ansonsten, auf die Gefahr hin mich zu wiederholen: Gut und witzig geschrieben, ich freu mich noch auf das nächste Kapi und wünsch dir viel Spaß auf Bali :D
Von:  darkfiredragon
2010-05-03T20:38:00+00:00 03.05.2010 22:38
Suuuuuuper Kapi^^ Auch wenn es etwas länger gedauert hat und das nächste auch nich so bald kommt - aber die Zeit hast du dir wohl verdient *neid*
Ich hoffe du vergisst uns die wir hier mit Spannung des neuen Kapis harren nicht^^


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