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Zetsubou Romance

Die letzte Probe vor Gottes Gnaden
von

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Am heutigen Tag würde er zum letzten Mal die Bühne betreten, seinen Soll abarbeiten und das Grande Finale vollenden, dass er sich für diesen besonderen Abend ausgedacht hatte. Und für einen solchen, extravaganten Anlass würde er seine Wunden offen tragen, schweigend die Stulpen liegen lassen und mit dem glücklichsten Lächeln die Bühne betreten, seine Fans begrüßen und sein Lebenswerk beenden. Zwei Stunden würde er die Welt in Atem halten, bis alles mit einem tosenden Applaus enden würde. Jedes Leid, das seinen Brustkorb herunter drückte und ihm am Atmen hinderte, würde vor seinen Schultern genommen werden und endlich könne er wie ein Kind dieser humanen Spezies aufrecht gehen - Ohne zu wanken, haltlos aus der Umarmung des Ruhmes gleiten und erneut in den Staub seines Angesichtes gedrückt zu werden. Nur einmal wünschte er sich dieses Gefühl zurück, wenn man ehrlich lachen konnte, ohne, dass eine Armee von Wildfremden ihn zu einer Autogrammstunde zwangen. Doch wenn er sich zurück erinnerte, an eine Kindheit, die er nie gehabt hatte, wurde ihm klar, dass er noch nie ehrlich gelächelte hatte. Glück war wie ein Fremdwort für ihn, nur mit Adrenalin und den verruchten Dingen kannte er sich aus, einzig und allein das wahre Leben war ihm fremd. Es war wie eine Substanz, die er in einem Glas betrachtete, aber nicht einmal unter einem Mikroskop ihre Zusammenstellung erklären konnte. Wie ein Subjekt, das nicht in seinen Teil des Satzes passte. So unerklärlich, mit all ihren Mysterien des Alltages, war er nur ein unsinniges Fragment in der Gesellschaft. Ein Singvogel, den man in einen Schaukasten ausgestellt hatte und der nun für die Nation singen musste. Egal, ob seine Kehle blutete oder sein Gefieder nach dem Tod langsam ausfallen würde: Die Menschen würden sogar seine blanken Knochen begaffen.

Langsam ließ er den Kopf seines Hemdes durch das Loch wandern, ehe er sich umdrehte und nach seinem Gürtel greifen wollte, dessen schwere Ketten beim Aufheben leise und bedrohlich rasselten.
 

»Yuzai?« Er ignorierte die auffordernde Stimme seines Drummers, der stets diesen ‚Geht-es-dir-auch-wirklich-gut?’-Unterton mit sich brachte und ihn beinahe aufschreien ließ. Warum fragte man noch überhaupt nach seinem Befinden, wenn sich selbst die Produzenten einen Scheiß-Dreck für ihn interessierten? Man konnte ihm den Magen nach jeder Überdosis Schlaftabletten auspumpen, wie sie wollten, immer stand seine ‚perfekte’ Stimme im Vordergrund. Er selbst war doch bloß eine Marionette, aufgefädelt an seinen eigenen Stimmbändern. Liebend gerne würde er sich diese mit einem spitzen Messer aus der Kehle schneiden und sie in den nächst besten Mülleimer werfen, sie verbrennen oder in kleine Stücke reißen, bis nichts mehr zu retten war. Yuzai seufzte, zupfte das Netzhemd zurecht und hob endlich sein Kinn, um im nächsten Augenblick wieder dem Blick des Anderen auszuweichen.

»Wir fangen gleich an..«

»Ich weis!«, unterbrach Yuzai ihn, ohne Widerworte zu zulassen. In zwei Minuten würde sein letztes Klagelied beginnen, wie konnte, nein, wie sollte er das vergessen? Es war der wichtigste Termin in seinem Leben, seine einzigst allein gefällte Entscheidung: So etwas wusste man, sogar während des Schlafes. Doch Sato sah ihn nur verständnislos an, schien regelrecht zu merken, dass er irgendetwas im Schilde führte. Konnte man etwa so leicht aus seinem Gesicht lesen oder hatte sich der lebensmüde Ausdruck bloß in seine hellgrauen Augen gebrannt?

»Geht schon mal vor.. Ich komm gleich nach..« Yuzai versuchte mit seinem sanften Lächeln halbwegs überzeugend zu klingen, aber erst nach einem kurzen Zögern drehte sich das Bandmitglied um, warf ihn einen letzten warnenden Blick zu und verschwand schließlich im Back-Stage. Noch einmal seufzte der Rothaarige schwer, vergewisserte sich, dass Niemand ihn stören würde und zog unter seinen Kleidern das schwarze Schmuckstück hervor, steckte es sich in den Hosenbund und legte feinsäuberlich das Hemd darüber. Irgendwie tat es ihm leid, dass Niemand - nicht einmal sein bester Freund - etwas von seinem Vorhaben wusste. Am heutigen Abend würde er sie einfach überraschen, ob sie es wollten oder nicht (Schon als die Idee, wie ein ungeborenes Kind durch seinen Kopf schwirrte und der Embryo seiner Tat langsam heran wuchs, gab es kein zurück. Auch wenn er damals sturzbetrunken auf seinem Bett gekauert und gewartet hatte, dass sein Leben einfach vorüber ging, hatte der Gedanke sehr ernüchternd gewirkt; Allein die Vorstellung seines Abschiedes, war wie eine suchtbereitende Droge gewesen, die langsam seinen Körper zerfraß). Yuzai blickte auf die Uhr: Eine Minute noch. Schweigend zog er die Tür hinter sich zu, ging zu den Anderen und setzte sein strahlendes Lächeln auf, von dem er immer geträumt hatte.
 

»Auf ein gutes Konzert, wie immer!«, sagte er und die Anderen fielen mit ein. In den letzten Jahren war es wie ein Schlachtruf geworden. Anfangs, als sie alle noch Anfänger im Showgeschäft gewesen waren, hatten sie es als Stärkung benutzt oder als letzte Ölung, falls etwas schief gehen sollte. Doch vor jedem neuen Konzert hatte sich ihre Nervosität ein Stück mehr gelegt, hatte sie gegenüber der Masse abgehärtet. Und nun waren sie seelenlose Besessene, die keine Scheu davor hatten, vor einer Menschenmassen zu spielen; Das musikalische Tier frei zu lassen, das tief in ihrer Brust schlummerte und mit tosendem Geschrei heraus brach. Dennoch schluckte Yuzai schwer, vielmehr jedoch, um den Kloß aus seinem Hals zu bekommen, der sich vor lauter Vorfreude dort angesammelt hatte.

»Ist irgendetwas..?« Besorgt hatte der Lead-Gitarrist die Hand auf seine Schulter gelegt, doch der rothaarige Frontsänger wischte sie mit einer fahrigen Bewegung von sich weg, schob die Anderen Richtung Bühne. Dorthin, wo die Scheinwerfer bereits begierig darauf warteten, ihre Körper mit einer Flut aus hellem Licht ausleuchten zu dürfen. Yuzai schüttelte abwehrend den Kopf.

»Alles wie immer und nun raus da!« Dann liefen sie los. Einer nach dem Anderen wurde mit tosendem Applaus begrüßt, man riefen ihre Namen und noch bevor Jemand nach dem Anfang der Show quengeln konnte, hatte der Frontsänger sich am Rande der Bühne aufgebaut und schrie seine Begrüßung hinaus.
 

»KONNICHI WA!!« - Und jeder Antwortete ihm. Niemand blieb auf den nicht vorhandenen Sitzplätzen sitzen, sie allen sprangen, wenn er es wollte. Hingen in dem Meer aus Fans, wie hilflose Fische, die in den starken Wellen gefangen waren. Es machte ihn traurig, wie er zusehen musste, dass diese armen Kreaturen - die ihre Musik so vergötterten - auch nur Marionetten des Merchendis waren und ziellos seiner Stimme folgten. Sie alle waren Produkt eines tyrannischen Buisnesses, einer geldgeilen Mafia, die ihre Rente damit verdienten, nach hübschen Singvögeln zu jagen und sie für die Masse passend auszustopfen. >Do you feel the chain on your neck? As she slowly embraces your throat and like a snake crushed your windpipe? Barking your enemies, tear their bodies to despair - Like a stray dog, that grabs your lips!< Er liebte seinen ersten Song, den er damals mit seiner unerfahrenen, tiefen Stimmen zu einem Millionenerfolg gemacht hatte. Monatelang hatte er für ein fast perfektes Englisch geübt und dennoch hatte er seinen japanischen Slang nicht gänzlich verbannen können. Doch nun, auf den Tag genau, drei Jahre später, sang er es mit seiner eigenen Auffassung eines britischen Akzentes. Befehlend war sein Unterton, schrieb seinem Publikum vor, sich nicht von der strengen Gesellschaft abtöten zu lassen. Jeder von ihnen war ein eigenes Monster, sein eigener Herr und die lachenden Gesichter sollten erst warten, bis ihre Ketten zerrissen - Bis die heulende Meute über sie herfallen würde und ihre spitzen, von Tollwut durchseuchten Zähne in das verblendete Fleisch rammen würden. >Stray Dogs< - Manchmal fragte er sich, warum er dieses Lied überhaupt geschrieben hatte, wo er - der Schöpfer dieses lyrischen ‚Ergusses’ - selbst Spielfigur dieser monochromen Welt war. Es war, als habe er seine Seele freudenstrahlend an den Teufel verkauft. Einen Vertrag unterschrieben, dessen Kleingedrucktes das Gegenteil seiner Verse waren. Durfte er überhaupt so etwas singen, wenn er selbst kein sonderliches Vorbild dafür war? Oder wurde sein eigenes Wohlsein wieder von dem schrecklichen Gift in seiner Kehle übertüncht? Yuzai wusste es nicht, doch an diesem besonderen Abend wollte er nicht länger über Kleinigkeiten nachdenken, die in etwa einer Stunde keine Bedeutung mehr haben würde. >Einmal werden wir noch wach, dann wird diese Welt untergehn’ !<, wie es so schön in seinem folgenden Lied >Sayonara< hieß. Doch er war schon aufgestanden, lebte seinen letzten Tag auf Erden und das mit Bravour. Niemand verpasste seine Einsätze, Niemand spielte eine falsche Note oder übersprang eine Passage. Alles lief nach seinem Willen. Und immer wenn er seine Hand an sein Ohr hob, als könne er sie nicht richtig verstehen, sang die Meute seine Texte lauter: Bis er glaubte seine eigene Stimme nicht verstehen zu können. Innerlich war Yuzai stolz auf sich. Er hatte zusammen mit vier anderen, phantastischen Menschen eine Band aufgebaut, hatte die Läden und die Köpfe ihrer Fans über Nacht erobert. Hatten sich von einem regelrechten Insider, zu einer Medienpest entwickelt. Jede Zeitung riss sich um ein neues Shooting und jeder Paparrazo wünschte sich einen peinlichen Schnappschuss aufnehmen zu können, über den sich die ‚Kenner’ ihre Mäuler zerrissen. Doch Niemand hatte es getan..
 

Der Frontsänger trat bedrohlich näher an den Bühnenrand, ließ die Hände der sich nach ihm reckenden Fans über seinen Oberkörper gleiten und streckte ihnen dafür seinen freien Arm entgegen. Nicht einmal die Mädchen in der ersten Reihe bemerkten die Unterarmlange Narbe, die seine Pulsader prangerte. Damals hatte man sie zunähen müssen und auch jetzt bildeten die regelmäßigen Stiche ein fast sadistisches Muster, das die Fans wie eine klaffende Fratze anstierte. Sie hörten nur seine Stimme, waren mit ihren Blicken an seine hübschen Augen gefesselt. Nicht einmal in aller Heimlichkeit konnte er sich das Leben nehmen. Jeglicher Versuch war gescheitert, wie ein Computerspieler an einem schwierigen Level. Doch zu seiner Existenz gab es keine Komplettlösung, die man mit einem Mausklick im weiten Internet finden konnte. Hart musste er sich von Jahr zu Jahr kämpfen und nun stand er vor einem Entgegner, den er nicht besiegen konnte: die Ignoranz. Sie alle heuchelten ihn nur Interesse vor, in Wirklichkeit hatte kein Mensch dieser Welt ihn beachtet. Er war nur eine einfache Kreatur von ihnen, eine Abstammung aus eigener Brut. Selbst wenn er auf der Bühne stand, war seine Stimme der Star des Abends und er nur ein lebloser Wirt. Eine belanglose Hülle für das melodische Tschilpen des körperlosen Vogels.

Yuzai schrie mit seiner manischen Stimme, während Kou und Lie - die beiden Gitarristen - sich vor ihren Mikrophonen positionierten und den Refrain weiter sangen. Dann ein ausladendes Solo des Bassisten und die Stunde seines letzten Liedes hatte geschlagen. Der Rothaarige biss sich auf die Innenseite seiner Wange, um sein wissendes Grinsen zu verbergen. >Darkness hasn't fail the Game< hatte er für sein Ende gewählt. Ein Lied, das niemals in das typische Schema F passen würde, egal, wie sehr man daran rum schnibbelte, bis jede Zeile von einem roten Strich zensiert war. Es blieb auf ewig das Lied vom Tod dieser Welt. Wie die Regierung das Land langsam in den Untergang trieb, wie Menschen - wie Hunde gehalten - in kleine Käfige unter Tage gesperrt wurden und wie gequälte Kinder ihre eigenen Eltern umbrachten; Rache an ihren Peinigern verübten. Es war ein ruhige Melodie und jeder Mensch, der nichts von ihrer Sprache verstand, würde es gar für ein fröhliches Lied halten, nicht erwarten, dass die Lyrik vor Hass auf die Gesellschaft triefte. Es war ein Lied, in dem Yuzai seine wirklichen Gefühle entlarvte und sie nicht hinter der Maske einer Fiktiven Welt versteckte. Er besangt die Marionetten der Mafia, die ihre Finger sogar in den Kindergärten zu stecken hatten. Besang die grünen Bäume, die ihre verpestete Luft aufsaugen und für sie reinigen mussten, nur damit die Ausgeburt der Evolution Jahrtausende weiter den Planeten ausbeuten konnten.

Und nach dem letzten Refrain seinen Lebens, den das Publikum für ihn laut durch die Konzerthalle sang, warf er das Mikrophon in die kreischende Masse, bevor er mit einer fließenden Bewegung, die Schusswaffe hinter seinem Rücken herzog und sich zu seiner Band drehte. Lächelnd sang er den letzten Vers, ehe er sich den Lauf gegen die Schläfe drückte und mit einem vorfreudigen Zucken, den Abzug nach hinten riss: ‚Denn die letzte Farbe dieser Welt, wird mein Blut sein, das an euren Händen klebt.’



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Jillian
2009-09-09T18:19:26+00:00 09.09.2009 20:19
Wieder sehr tiefgründig und traurig ;3;
*sniffl*
Ich will auch so schreiben können ><
*niggl*
Das is so tollig >_<
Schreib weiter so schön... traurig und so, du weißt schon. Ich mag deinen Stil unglaublich gerne ♥___♥
*nodda*

Jill~
Von:  Sagashii
2008-08-10T10:29:57+00:00 10.08.2008 12:29
Boah alda Kai-chan!
Das war echt mega Klasse!!!
Ich will auch so toll schreiben können-..
Magsu nicht weiter solche tollen Sachen schreiben,,?
und ich habs echt noch nie gesehen, dass in einem OneShoot soviele Gefühle und Gedanken drinne waren...
♥_♥~

einfach geil--

Hab Disch Lüp, Rei
Von:  littlekoophoria
2008-08-09T19:42:29+00:00 09.08.2008 21:42
Kai-chan, mal ehrlich?
du hast einen hammergeilen schreibstil.
aber.... ich glaub, ich bin zu blöd, für dein Niedergeschriebenes...
um wen ging es? bin ich doof?
naja, ... ich mag deinen Stil, der ist echt der hammer.
mach weiter so! ^^

Hab dich lieb, Ruki
Von:  -Keishiro-
2008-08-09T15:48:54+00:00 09.08.2008 17:48
Ano..wow...deine Wortwahl ist echt klasse.
Mir gefällt deine FF wirklich verdammt gut und würd mich freun nochmehr von dir zu lesen ^-^
Du kannst wirklich gut schreiben..auch wenn es nur ein Oneshot ist, bringst du trotzdem soviel Emotionen rüber mit deinen Worten, was echt Faszinierend ist ^-^
Ich beneide dich wirklich..würd auch gern so nen Vocabular bei ner FF besitzen XD..
Is wirklich klasse geworden ^-^
Mach weiter so!!!


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