Das eine und alleinige Kapitel
Wenn wir nur einen Teil von dem leben, was wir sind, was passiert dann mit dem Rest?
Wo er hier war?
Unwesentliches Detail.
Warum es ihn hier her verschlagen hatte?
Wenn er das wüsste...
Was er hier sollte?
Genau da lag sein Problem.
Denn faktisch trennten ihn von der Lösung zumindest einiger seiner Probleme genau zwei Dinge. Eine Tür, die verdammt nach Massivbau aussah- und die personifizierte Sünde auf einem zart verzierten Silbertablett.
Verdammt.
Lange schwarze Haare, noch längere und viel zu glatte Beine und ein Lächeln, das jedes noch so winzige Haar an seinem Körper in Alarm versetzte. Durften Psychologen überhaupt aussehen wie Aphrodite im Look der Highway-to-Hell-Szene? Vermutlich nicht, aber das half ihm jetzt auch nicht weiter.
"Und Sie sind..?", riss ihn plötzlich ihre viel zu sichere Stimme aus seinen mehr oder minder genialen Fluchtplänen.
"Lorenor.", presste er zwischen zusammengekniffenen Lippen hervor. "Lorenor Zoro."
"Ah, Nummer 137- oder darf ich Kenshi-san sagen?"
Elendes Miststück.
"Nico Robin.", meinte sie lächelnd jedoch ohne ihn auch nur eine einzige Sekunde aus den Augen zu lassen. "Die Lösung Ihrer Probleme."
Was sie nicht sagte. Hatte er nur das Gefühl, oder wurde ihr Lächeln gerade noch etwas breiter?
Zoro antwortete nicht.
"Hu, der Mann, der seine Pistole vergaß, sich aber kurzerhand anderweitig zu helfen wusste- und dummerweise verirrte, wie sich wohl noch nie jemand verirrt hatte. Und als er dann - oh Wunder - endlich am Tatort angelangt war, da fand er nur noch den Putzdienst vor... Was ihn aber nicht daran hinderte ihn mit vorrübergehend geliehenen Schwertern, ganz Kenshi, halb zu skalpieren bevor er auch noch das neue High-Tech-Putzsystem der Chefetage in mundgerechte Häppchen zerteilte- meinen Glückwunsch, da haben Sie wirklich ganze Arbeit geleistet."
Okay, kein Zweifel, ihr Lächeln war breiter geworden- und die Massivtür erschien ihm mit einem Mal wesentlich attraktiver als noch zu Anfang. Dumm nur, dass er ihre Unterschrift brauchte um die staubigen Gefilde des Präsidiums jemals wieder von Innen sehen zu können, auch wenn er den adretten Beinamen "Kenshi-chwan" wohl - Marimo sei Dank - nie wieder verlieren würde.
Und so erbärmlich das auch klingen mochte, das nahm er in Kauf.
Also nicht die Holz- und Türfällermethode, sondern der Lack- und Lederteufel vor ihm.
"Also... Kenshi-san.", ließ ihn ihre leicht belustigte Stimme aufhorchen. "Was bringt einen Menschen in so eine Situation? Was für Probleme unterdrücken Sie?"
Was für Probleme er unterdrückte?
Was für gottverdammte Probleme er unterdrückte?
Er unterdrückte hier noch ganz andere Dinge, jede noch so gehirntechnisch minderbemittelte Frau würde das wissen.
Und sie war intelligent, oder etwa nicht?
Verdammt.
Welcher Teufel hatte ihn nur geritten seine mit einem Mal viel zu enge Diensthose anzuziehen?
Wo das doch ein extrem schlechter Zeitpunkt war sich an seine urmännlichsten Instinkte zu erinnern- ein ganz extrem schlechter Zeitpunkt, auch wenn er nicht sagen konnte ob normale Leute die Kleidung dieser Frau nicht eher als Unterwäsche für besondere Tage benutzen würden.
Wie schon gesagt, verdammt schlechter Zeitpunkt.
Denn eigentlich war er vorbereitet.
"Polizeidienstliches Verhalten für Anfänger" und wie sie sonst noch hießen- er hatte sie alle gelesen. Oder sich zumindest davon erzählen lassen.
Doch gerade als er beginnen wollte Seite 174 aus Band drei zu rezitieren, hielt er mit einem Mal inne.
Irgendetwas stimmte mit diesen Augen nicht.
Überhaupt nicht.
Er spiegelte sich nicht in ihrem klaren Blau, kein noch so kleines Bisschen, und das allein irritierte ihn schon.
Aber war schon sein gesamtes Blut in weiter unten gelegene Regionen abgerutscht, oder durchschaute ihn diese Frau?
Durchschaute sie mehr als sie sollte?
"Wenn wir nur einen Teil von dem leben, was wir sind, was passiert dann mit dem Rest?"
Philosophie.
Na großartig.
Wo er auch noch zu behaupten wagte, dass sie - mit einem blick auf eben jene anderweitige Regionen - keinesfalls nur seine seelischen Abgründe gemeint hatte.
Dieses Miststück nutzte seine gottverdammte - und zugegebenermaßen erbärmliche - Situation doch tatsächlich aus!
Und Zoro?
Der Grünhaarige hatte alle Mühe seine Augen von der in dezent schwarzes Leder gepackten Körbchengröße G fernzuhalten.
Was war er doch jämmerlich.
"Der ganz gesprächige Typ, hn? Aber gut, wir haben ja noch einige Sitzungen um das herauszufinden, nicht war?
Wie jetzt- körperlich oder seelisch?
Ein Blick in ihre Augen sagte klar- beides.
Und das Schlimme war, es störte ihn nicht einmal so sehr, wie es eigentlich sollte, ihre Unterschrift nur auf diese Art zu bekommen, dachte er bei sich bevor er die Tür hinter sich schloss.
Für dieses Mal.
Wegen der Unterschrift, verstand sich.
Und nur wegen der Unterschrift.
-☼-Arigatou-☼-
