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Nebel über Hogwarts

von

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Schal

Nebel über Hogwarts – Kapitel 44: Schal
 

Sie wartete wieder im alten Verwandlungsklassenzimmer auf ihn, nur dass sie diesmal einen der Tische und zwei Stühle umgedreht und entstaubt hatte, damit sie sich hinsetzen konnten, in der Hoffnung, dass sich diesmal wirklich die Gelegenheit dazu ergeben würde. Severus kam ein wenig später, doch alle ihre Bedenken wurden ausgeräumt, als er sie anlächelte, bevor er die Tür hinter ihnen schloss, und kein Zeichen dafür erkennen ließ, dass irgendetwas nicht in Ordnung wäre.

„Lily.“

„Hi.“ Mit einer unbeholfenen Geste deutete sie auf den Tisch, den sie vorbereitet hatte, lud ihn ein, sich zu setzen, und er nahm Platz, stützte sein Kinn auf seine Finger, bevor er tief Luft holte, was ihn Überwindung zu kosten schien.

„Potter hat sich entschuldigt.“

Sie konnte nicht anders, sie starrte ihn an, so unvermittelt hatte er gesprochen, und so sehr überraschte sie, was er gesagt hatte. „Woher weißt du das?“

Das war ganz offensichtlich nicht die Reaktion, mit der er gerechnet hatte, denn ein Schatten von Verwirrung huschte über seine Züge, bevor er so schnell verschwand, wie er gekommen war. „Der Brief war an mich adressiert?“

Jetzt war es an ihr, verwirrt dreinzusehen – was sie von Potter erhalten hatte, war definitiv nicht an Severus gerichtet gewesen. „Nein, an mich.“

Er schnaubte, als Verständnis bei ihm heraufdämmerte, nur leider hatte Lily keine Ahnung, was er gerade dachte.

„Dann hat Potter sich also bei uns beiden entschuldigt.“

Seine Aussage brauchte einen Moment, um einzusinken, dann riss sie die Augen auf. „Er hat sich bei dir entschuldigt? Wirklich? Unmöglich!“ Ganz kurz übernahmen Jahre der Abneigung die Oberhand und sie dachte wirklich, was sie gesagt hatte, doch dann begannen die Erkenntnisse der letzten Tage über James Potter einzusickern, sein verändertes Verhalten, sein Brief – der wirklich nett gewesen war, da hatte Emily Recht – und ihre Zweifel breiteten sich aus. Vielleicht war es doch nicht so unmöglich...

Severus warf ihr einen scharfen Blick zu. „Denkst du wirklich, dass ich etwas erfinden würde, das Potter in einem besseren Licht erscheinen lässt?“

Dieser Satz war es, der ihre letzten Zweifel ausräumte, und schließlich schüttelte sie den Kopf. „Nein... ich frage mich nur, warum du mir das erzählst.“

Für einen Moment wirkte Severus unbehaglich, dann zuckte er mit den Schultern. „Ich dachte, du solltest es wissen.“

Selbst einer Gryffindor wie ihr war nach dieser Aussage klar, dass mehr dahinter steckte, aber auch wenn sie wahrscheinlich die einzige war, die Dinge aus Severus herauslocken konnte, wollte sie ihn in diesem Punkt nicht drängen. Es war eigentlich ziemlich selbstlos gewesen, etwas zu verraten, das James bei ihr nutzen konnte, und Severus würde nie etwas tun, das ihr schaden konnte.

Zwischen ihnen herrschte peinliche Stille, bis Lily sich an das geschrumpfte Päckchen in ihrer Umhangtasche erinnerte und es langsam hervorzog. „Ähm... ich, ich konnte dir dein Weihnachtsgeschenk nicht geben...“ Na gut, eigentlich hatte sie es ihm zu Weihnachten nicht geben wollen, dazu war sie viel zu wütend gewesen, aber es wäre nicht wirklich diplomatisch, das jetzt zu sagen. „... und weil wir ja jetzt wieder Freunde sind.“

Eine kurze Berührung ihres Zauberstabes, und es lag zwischen ihnen auf dem alten Schultisch, charakteristisch rechteckig und in magisches Papier verpackt, auf dem bunte Christbaumkugeln tanzten. „Fröhliche Weihnachten, Severus.“

Auch nach so vielen Jahren ihrer Freundschaft faszinierte es sie immer wieder, wie... ungläubig Severus immer darauf reagierte, wenn man ihm ein Geschenk machte, so als ob er ernsthaft bis zum letzten Moment nicht glauben würde, dass das Päckchen wirklich für ihn war, und nicht für jemand anderen, der zufälligerweise den gleichen Namen trug und hinter ihm stand. Vorsichtig zog er es zu sich und öffnete mit großer Sorgfalt die Klebestreifen, bevor er das Papier öffnete und auf den Titel des Buches vor ihm blickte. Heiltränke für Meister.

„Lily...“ Er wirkte überwältigt, streichelte vorsichtig mit seinen langen Fingern über den Einband, bevor er sie schließlich anlächelte. „Danke. Meinst du wirklich, dass ich das schon brauen kann? Meister bedeutet hier nicht, dass du wirklich gut sein musst... das ist ein Titel. Nicht einmal Slughorn ist so gut.“

„Wenn es irgendjemand kann, dann du. Du bist besser als Slughorn, und das weißt du.“ Was sie nicht erwähnen wollte, nicht erwähnen konnte, war, dass sie genau dieses Buch für ihn ausgesucht hatte, weil sie nach einer Herausforderung für ihn gesucht hatte, die nichts mit den Dunklen Künsten zu tun hatte... aber, wieder kein Thema für einen Abend, an dem sie sich eigentlich versöhnen wollten.

Er lächelte – eine dieser seltenen Gelegenheiten, wo er wirklich glücklich wirkte, und nicht nur so tat, als ob er zufrieden wäre, weil das von ihm erwartet wurde. „Ich glaube, ich hatte denselben Gedanken.“

„Wie? Hast du mir auch ein Buch geschenkt?“

„Nein, aber ich habe auch daran gedacht, dein Geschenk aus dem Gemeinschaftsraum mitzunehmen. Hier.“

Er überreichte ihr das weiche Paket, und nachdem sie es vorsichtig betastet hatte, war sie sich sicher, dass Kleidung darin steckte, auch wenn Severus auf jede ihrer Ideen nur den Kopf schüttelte. Schließlich, als das Ratespiel seinen Reiz verloren hatte, öffnete sie das Papier schließlich, und entdeckte den weichsten, flauschigsten Schal, den sie je besessen hatte – in Gryffindorfarben. Sie war vollkommen sprachlos.

Seinem Grinsen nach zu urteilen war das genau die Reaktion, die er erwartet hatte, und sie war froh, ihn nicht enttäuscht zu haben, vor allem, weil sie wusste, wie viel Überwindung es ihn gekostet haben musste, ihn wirklich in Rot und Gold zu kaufen. „Severus... danke.“

Sofort schlang sie sich ihn um den Hals und vergrub ihre Nase darin, ihm haftete ein wenig von Severus' Geruch an, und sie lächelte. „Danke danke danke.“

Ihr Glück schien ihn auch zufrieden zu machen, denn der Blick, mit dem er ihre Freude betrachtete, wirkte noch strahlender als der, mit dem er zuvor sein neues Buch berührt hatte, und mit einem Mal kam ihr ein Gedanke. „Dein Schal ist fast perfekt, Sev.“

Er blickte auf, und in seinem Gesicht konnte sie sehen, dass er jetzt auf eine verletzende Bemerkung wartete, auf irgendeinen Tiefschlag, dass sie sagen würde, sie könnte ihn nicht annehmen, oder dass sie ihn vielleicht doch nicht wollte. Mit ihrem Lächeln versuchte sie, ihm Zuversicht einzuhauchen, während sie nach ihrem Zauberstab griff. Eine kleine Bewegung, und dann erstrahlten die wollenen Streifen in Grün und Silber, was Severus zuerst einen überraschten Blick entlockte und dann ein leises Danke.

Zuerst wusste sie nicht, wofür, doch dann begriff sie, dass sie sich auch in ihren sieben Jahren der Freundschaft nur selten zu einer solch offensichtlichen Solidaritätsbekundung hatte hinreißen lassen – und hoffte, dass er nicht zu enttäuscht sein würde, wenn sie morgen wieder die Gryffindorfarben trug.

Für einen Moment betrachtete Severus sie, schien ihr Bild in sich aufsaugen zu wollen, bevor er sich schließlich räusperte und, bemüht, das alles nicht als eine große Sache hinzustellen, beiläufig fragte: „Wie war eigentlich der Weihnachtsball?“

„Langweilig, ohne dich. Und ich habe nur einmal mit Michael getanzt, weil er mir so auf die Nerven gegangen ist, dass ich mich lieber an Emily gehängt habe, damit ich nicht ganz so alleine bin.“

Ihre Worte schienen genau das zu sein, was er sich als Antwort erhofft hatte, aber so gerne sie auch bei einem so angenehmen Thema und in solcher Harmonie verweilt hätte, etwas von dem, was Severus während ihres Streits gesagt hatte, stand noch immer zwischen ihnen. Potter und Black. Black hatte versucht, ihn umzubringen, und Potter hatte ihn gerettet. So oft sie während der letzten Tage auch darüber nachgedacht hatte, die Geschichte klang noch immer fürchterlich unwahrscheinlich, und ihr war kein einziges Szenario eingefallen, das die mageren Fakten, über die sie verfügte, plausibel erklären konnte.

Auch Severus schien zu spüren, dass das Thema auf sie wartete, denn er warf ihr einen letzten Blick zu, bevor er schließlich leise, fast unhörbar seufzte. „Du möchtest über Potter und Black reden, habe ich Recht?“

Sie nickte langsam. „Ja, das heißt, ich möchte mich nicht unbedingt über sie unterhalten, aber über das, was du erzählt hast.“

„Gut.“ Obwohl er das gesagt hatte, hielt er inne, wahrscheinlich, um seine Gedanken zu sammeln, was Lily bei dem Thema auch verstehen konnte, bevor er schließlich meinte: „Ich weiß nicht, ob du alles mitbekommen hast, was Potter und Black in den letzten Jahren mit mir angestellt haben... aber es waren viele Vorfälle, und den vielleicht schlimmsten davon hast du ja hautnah miterlebt.“

Sie spürte, wie ihr Magen sich vor Scham wand, als sie an ihre eigene Rolle in der Szene gedacht hatte... wahrscheinlich hatte sie es für Severus nur schlimmer gemacht, oder er wäre nicht so auf sie losgegangen. „Ja.“

„Was du sicherlich nicht erfahren hast, war, dass Sirius Black in unserem sechsten Schuljahr versucht hat, mich umzubringen. Dumbledore nennt es vielleicht einen Scherz, und er selbst wird sicherlich standhaft behaupten, dass er nicht daran gedacht hat, was mir hätte passieren können, aber seien wir ehrlich – jeder Sechstklässler, der nicht auf die Idee kommt, dass ein anderer Junge seines Alters von einem Werwolf getötet werden könnte, sollte eigentlich wegen unheilbarer Dummheit in den Janus-Thickey-Flügel des St. Mungos eingeliefert werden.“

So viel Information in einem Satz, als stürzte sich Lily auf den Teil, der ihr am unglaubwürdigsten vorkam. „Werwolf?“

Severus warf ihr einen scharfen Blick zu, als er ihre Überraschung bemerkte. „Du weißt nichts davon?“

„Nein, weiß ich nicht.“ Sie spürte, wie der Ärger in ihrer Stimme kroch, weil er sie ganz offensichtlich für dumm hielt, bevor er sich mit der Hand über das Gesicht fuhr, eine Geste der Bedrängnis, die sie augenblicklich wieder besänftigte.

„Lily, versprich mir, dass du niemandem von dem erzählst, was ich dir jetzt sagen werden. Wenn du es tust, kann es sein, dass Dumbledore mich von der Schule verweist.“

Sie wollte etwas sagen, wollte widersprechen, wollte ihm erklären, dass das nicht die Art war, wie die Welt funktionierte, und dass der Schulleiter ihn niemals hinauswerfen würde, aber er sah so ernst aus, so überzeugt, dass sie all das hinunterschluckte und nickte. „Versprochen.“

Ein kurzer Blick zur Tür, ein kurzer Zauber, und niemand konnte ihr Gespräch mehr mithören. „Remus Lupin ist ein Werwolf.“

„WAS?“ So sehr hatte sie das Gefühl, außerhalb zu stehen und die Szene aus der Ferne zu beobachten, dass sie erst bemerkte, dass sie gesprochen hatte, als der letzte Laut verklungen war.

Severus wirkte nicht beeindruckt. „Ist dir in sieben Jahren nicht aufgefallen, dass er immer – immer – an Vollmond krank ist?“

Sie schüttelte den Kopf, und Severus schien kurz davor, eine Bemerkung zu machen, besann sich dann aber doch eines Besseren. „Auf jeden Fall hatte ich mich zu dem Zeitpunkt schon seit einigen Jahren gewundert, was hinter seinen häufigen Besuchen im Krankenflügel steckte, und eines Abends gelang es mir, ihm und Madam Pomfrey über die Ländereien bis zur Peitschenden Weide zu folgen.“

Lily nickte langsam. Sie hatte sich immer gefragt, welchen Zweck der Baum erfüllte, der so kurz vor dem Beginn ihres ersten Schuljahres gepflanzt worden war, und jetzt schien sie ihre Antwort zu haben.

„Sie verschwanden in einem Tunnel an ihrem Fuß, aber ich konnte ihnen nicht folgen – immerhin hat der Baum seinen Namen nicht umsonst. Einige Monate der Nachforschung und des Spionierens haben mich einer Lösung nicht näher gebracht, aber irgendwie scheint Black auf das, was ich getan habe, aufmerksam geworden zu sein, und er hat in meiner Gegenwart zufällig fallen gelassen, wie man den Baum zum Stillstand bringt, damit man den Tunnel betreten kann.“ Er seufzte. „Wahrscheinlich hätte ich vorsichtiger sein sollen...“

Sie wusste, wie schwer es ihm fiel, das zuzugeben, selbst vor ihr, und sie schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln.

„Wahrscheinlich hätte ich vorsichtiger sein sollen“, wiederholte er, „aber ich war zu neugierig, zu begierig, als dass ich nachgedacht hätte, wieso Black eine Sache, die seinen Freunden schon längst bekannt ist, in ihrer Gegenwart erwähnt. Der langen Rede kurzer Sinn, beim nächsten Vollmond folgte ich Lupin durch den Tunnel, nachdem Madame Pomfrey wieder herausgekommen war – und sehe plötzlich am Ende einen ausgewachsenen, verwandelten Werwolf.“

Seine Stimme klang unbewegt und ruhig, aber sie konnte sehen, wie seine Finger sich um die Tischplatte krampften, der einzige Hinweis auf den Horror, den er in dieser Nacht erlebt haben musste.

„Gerade als das Monster auf mich losgehen möchte, höre ich, wie die Peitschende Weide wieder still steht, und Potter zieht mich am Kragen aus dem Tunnel und hinaus auf die Ländereien. Offensichtlich hat Black gerade noch rechtzeitig geprahlt, damit Potter zu meiner Rettung eilen konnte.“

Er spuckte die letzten Worte fast aus, wütend und verletzt, und Lily streckte ihre Hand aus, legte sie über seine, was ihn augenblicklich erstarren ließ. „Bist du zu Dumbledore gegangen?“

Als er antwortete, klang er ruhiger, gedämpfter, und wagte es nicht, sie anzusehen. „Ich bin ein Slytherin, Lily – und Dumbledore ein Gryffindor. Natürlich bin ich nicht zu ihm gegangen. Nein, Dumbledore hat davon erfahren, weil ich Potter die Nase gebrochen habe, sobald wir in Sicherheit waren, und der kleine Junge es natürlich nicht lassen konnte, zum Schulleiter zu rennen.“

„Und was hat er gemacht?“

Severus schnaubte, und in dem Moment wurde ihr klar, dass sie das eigentlich hätte wissen können, wenn sie nur ein wenig nachgedacht hätte.

„Nichts, natürlich. Von Rechts wegen hätte Black für einen Mordversuch von der Schule verwiesen werden müssen – aber Dumbledore hat natürlich darauf beharrt, dass das ein Streich war. Streich... pah.“

Lily nickte langsam. „Warum hast du nichts gesagt?“

„Dumbledore hat beiläufig erwähnt, dass es dem armen Mr Lupin gegenüber ja unglaublich unfair wäre, wenn man diese Sache weitererzählen würde, da er ja gar nichts dafür kann. Hätte er sich sparen können – ich bin nicht so dämlich, meinen Ruf bei den Slytherins zu ruinieren, wenn ohnehin keine Chance besteht, dass Black und seine Freunde von der Schule geworfen werden.“

Er sah trotzig und wütend aus, auch nach mehr als einem Jahr, und sie konnte ihn verstehen – natürlich, jeder hatte einmal diese Momente, in denen man nicht nachdachte, aber Sirius war kein Kind mehr, und er von allen Menschen hätte natürlich wissen müssen, wie gefährlich sein Freund in seiner verwandelten Gestalt werden konnte.

„Daran hab ich nicht gedacht...“

Zu ihrer Überraschung lächelte er schließlich. „Ich weiß – vielleicht ist das auch der Grund, wieso ich dich mag... weil du einfach nicht auf diese hinterhältige, gerissene Slytherin-Art denkst.“

Sie lachte mit ihm, bevor sie sich nach vorne beugte und ihm gegen die Schulter boxte.



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