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Nebel über Hogwarts

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Am Rand der Dunkelheit

Nebel über Hogwarts – Kapitel 2: Am Rand der Dunkelheit
 

Die Nebelschwaden, die ganz Großbritannien schon den Sommer über einhüllten, waberten dumpf gegen die Fenster des Hogwarts-Expresses, bildeten Schatten und Muster, tastende Hände, klaffende Löcher, hinter denen sich nur weiteres Grau befand.

Severus Snape starrte gedankenverloren durch die matte Glasscheibe, nahm die Formen und Figuren wahr, die trüben Abbilder der Bäume und Wälder, die hinter dem wirbelnden Weiß verborgen lagen. Es war still in seinem Abteil, sehr still, und er fand es angenehm – auch wenn er die Ruhe seinem Ruf verdankte. Seinem und dem von Lucius Malfoy. Gerüchte über den Dunklen Lord halten selbst Slytherins fern.

Schon immer hatte Severus sich für die Dunklen Künste interessiert, in den Zauberbüchern seiner Mutter gestöbert, wenn sie nicht auf ihn geachtet hatte, was eigentlich den größten Teil der Zeit der Fall gewesen war. Regelrecht verschlungen hatte er sie und der Gedanke an seinen Vater hatte ihn angetrieben, wenn er gesehen hatte, wie er seine Mutter schlug, wenn er betrunken nach Hause kam...

Es ist vorbei. Er schüttelte sich, so wie ein nasser Hund das Wasser aus seinem Fell schüttelt. Du musst nie wieder zurück. Nie wieder nach Spinner's End, Severus. Der Gedanke heiterte ihn auf merkwürdige Weise auf, auch wenn er mit Schuld gemischt war, weil er seine Mutter zurückließ, die so gut wie alle Bande zur Zauberwelt durchschnitten hatte, nicht einmal mehr zu ihrer eigenen Familie zurückkonnte.

Für einen Augenblick ließ er den Kopf hängen, warf jedoch gleich einen wachsamen Blick auf den Gang, er wollte nicht, dass ihn einer seiner Mitschüler so... schwach, so verletzlich sahen. Slytherins neigten zur automatischen Reaktion vieler Fleischfresser, sobald einer der ihren die Kraft verlor, nicht mehr mit der Gruppe mithalten konnte, wurde er nicht unterstützt – sondern zerfetzt. In dieser Hinsicht machte er sich keine Illusionen, auch wenn Professor Slughorn vielleicht etwas anderes glauben mochte mit seinem lächerlichen Club. Slytherin war nicht mehr das Haus, das der alte Mann damals kennengelernt hatte.

Nun galten andere Regeln, die Regeln der Malfoys und Blacks, der Lestranges und Carrows und all der anderen alten, reinblütigen Familien, die sich – ob sie es nun öffentlich zugaben oder nicht – von den Lehren des Dunklen Lords angezogen fühlten. Wie Severus selbst auch.

Noch hatte ihn niemand angesprochen, keine eindeutigen Angebote gemacht, doch nach den Gesprächen mit Lucius Malfoy, dem ehemaligen Vertrauensschüler und Mentor seiner Schulzeit im Sommer hatte er das Gefühl, dass dieser ihn zu einem der Treffen einladen wollte – bald. Und Severus hatte keine Ahnung, was er auf diese Anfrage antworten sollte.

Gedankenverloren strich er über seinen Unterarm, er hatte das Dunkle Mal Lucius' gesehen und ahnte, wozu es diente, hatte gehört, wie er in höchsten Tönen von den edlen Zielen und Ansichten des Dunklen Lords geschwärmt hatte, und doch, ein Rest von Zweifel blieb... Ein unangenehmes Gefühl, wie ein dumpfer, pochender Schmerz, auf den man nicht den Finger legen konnte, den man kaum wahrnahm und der doch unzweifelhaft da war, existierte, wenn man sich nur die Mühe machte, hinzufühlen...

Das ist doch absurd! Fast war er wütend auf sich selbst wegen seiner Gewissensbisse, hier war die Macht, die er sich so lange gewünscht hatte, die Macht, etwas zu ändern, er konnte sie haben – und wegen irgendwelcher dummen Gefühle wollte er sie ablehnen? Du bist ein Idiot, Severus... Seine innere Stimme stellte wie immer klar, was er selbst nicht aussprechen wollte. Der aufsteigende Magier dieser Generation will dich an seiner Seite, will dein Talent, und du bist drauf und dran, abzulehnen. Idiot. Vollidiot. Er wusste, das war wahr – trotzdem, der Zweifel blieb.

„Hey, Snape.“ Regulus Blacks braunhaariger Kopf lugte durch die Schiebetür des Abteils zu ihm herein. „Schon das Neuste gehört? Potter und Evans sind Schulsprecher.“

„Potter und Evans?“ Es gelang Severus gerade noch, ein bitteres Auflachen mit einem wenig überzeugenden Hüsteln zu tarnen. „Da hat Gryffindor wohl mal wieder seine Beziehungen zu Dumbledore spielen lassen...“

„Ganz bestimmt. Wird ein anstrengendes Jahr für uns.“

Mit diesen Worten verschwand der jüngere Bruder von Sirius Black bereits wieder, und Severus schüttelte den Kopf. Potter und Evans Schulsprecher. Er hätte gerne gewusst, welches böse Genie sich diese Konstellation einfallen hatte lassen – aber wenn, dann war es ein böses Genie, das James Potter nicht besonders mochte. So wie er sich ihr gegenüber benimmt, hext sie ihn in weniger als einer Woche in Einzelteile, mit denen man nicht einmal einen Eierbecher voll bekommt.

Er musste zugeben, der Gedanke heiterte ihn auf, doch nur für einen Moment – er trug ihn weiter zu Lily, zu Lily und was für ein vollkommener Trottel er gewesen war, sie zu beleidigen. Nun hatte sie seit mehr als einem Jahr nicht mehr mit ihm gesprochen, aber seine alberne Verliebtheit in sie war nicht verschwunden, im Gegenteil – jedes Mal, wenn er sie sah, wurde ihm mehr und mehr bewusst, was er verloren hatte.

Fast erschöpft schüttelte er den Kopf. Noch etwas, an das ich denken muss, wenn ich mich entscheide.

Wenn er sich dem Dunklen Lord anschloss, würde dieser ihm den Kontakt mit Lily – einem Schlammblut – unter Garantie verbieten, genauso, wie sie ihn sicherlich nie wieder sehen wollte. Und die Stimme in seinem Inneren erklärte sehr hartnäckig, dass er nicht so weit war, dass er die junge Frau, die er liebte, nicht einfach so aufgeben konnte für die Macht, die er sich schon immer gewünscht hatte.

Andere hingegen schienen ohne Weiteres bereit, das Opfer zu bringen, das ihm so schwer fiel. Lucius Malfoy hatte schon längst das Dunkle Mal empfangen, und Regulus Black – der Bruder des verdammten Gryffindors – bemühte sich, in Snapes Dunstkreis einzutauchen, wohl, um ebenfalls in Betracht gezogen zu werden. Severus war sich recht sicher, dass bereits jemand Kontakt zu ihm aufgenommen hatte, aber wenigstens war der Junge klug genug, darüber nicht in Hogwarts zu sprechen.

Allerdings war diese Tatsache, abgesehen von seiner edlen Herkunft, mit der er selbst nicht mithalten konnte, und natürlich seiner absoluten Treue zu den Prinzipien des Dunklen Lords, mit der er ebenfalls nicht dienen konnte, sein einziger Pluspunkt. Regulus war weder sonderlich talentiert noch übermäßig intelligent, aber vielleicht waren das genau die Eigenschaften, nach denen Lucius Ausschau halten sollte auf der Suche nach neuen Kandidaten.

Und Severus wusste genau, dass die anderen Schüler Hogwarts' seinem alten Freund diese Suche im letzten Juni beträchtlich erleichtert hatten. Damals waren die Eltern der kleinen Lucy Dalton ermordet worden, einer Erstklässlerin aus Hufflepuff – eines dieser unauffälligen Mädchen, die doch jeder mochte, was die Sache auf eine merkwürdige Weise noch schlimmer machte.

Die Kleine hatte die Nachricht beim Frühstück erhalten, per Brief, war daraufhin weinend an ihrem Haustisch zusammengebrochen und in den Krankenflügel gebracht worden.

Noch vor der ersten Stunde wusste ganz Hogwarts, dass Lucys Eltern von Todessern ermordet worden waren und einige ehemalige Schüler Slytherins, unter ihnen Walden Mcnair, sowie deren Verwandte, laut Gerüchten in der Nähe gesehen worden waren. Aus diesen unbestätigten Vermutungen wurden im Laufe eines halben Tages und unzähliger Unterhaltungen in den Köpfen der Gryffindors, Ravenclaws und vor allem Hufflepuffs unabänderliche Tatsachen, und jeder Slytherin wurde pauschal verdächtigt, ähnliche Gräueltaten auch in Hogwarts zu planen. Bei Vorwürfen war es nicht geblieben, wüste Beschimpfungen lagen eher an der Tagesordnung und sogar zu einigen hässlichen Duellen war es gekommen, was die Gräben zwischen den Häusern nur noch mehr vertieft und ernsthafte Bedenken bei der Schulleitung ausgelöst hatte.

Der Hogwarts-Express war eine Art von rechtsfreiem Raum, in dem die Schüler sich ohne größere Kontrolle austoben konnten und noch beziehungsweise schon wieder zaubern durften, ein Gedanke, der Dumbledore offenbar einiges Kopfzerbrechen bereitet hatte. Das Ergebnis war nun, dass die Slytherins ihre eigenen Waggons im Hogwarts-Express hatten, die die Schüler der anderen Häuser nicht betraten, die Severus' Kollegen allerdings auch nicht verließen. Dies machte für ihn sehr unverständlich, wie Regulus die Namen der beiden neuen Schulsprecher erfahren hatte. Vielleicht durch die Imbisswagenhexe? Aber gut... es hieß schon immer, dass nur Tratsch und Klatsch schneller reiste als eine Posteule, auch wenn Severus diese merkwürdigen Kanäle noch nie verstanden hatte.

Er schüttelte den Kopf und griff in seinen Koffer, der offen auf dem Sitz neben ihm lag, holte sein altes, abgegriffenes Zaubertrankbuch heraus, doch da öffnete sich die Abteiltür. Mit einem genervten Blick sah er auf und erwartete, wieder Regulus zu sehen, was den Anblick, der sich ihm bot, noch viel überraschender machte.

Lily stand dort, halb auf dem Gang, halb im Abteil, und blickte ihn schüchtern an, so als ob sie nicht genau wusste, was sie tun sollte. „Darf ich...?“, fragte sie scheu und Severus nickte ein wenig unwillig. „Aber mach die Vorhänge zu.“

Sie wirkte eher überrascht als verletzt, vielleicht hatte sie noch nicht begriffen, dass er nicht mit ihr gesehen werden sollte – und sie nicht mit ihm.

„Also... was machst du hier?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Ich hab dich hier sitzen sehen und dachte mir, ich schau mal rein...“

Er schüttelte unwillig mit dem Kopf. „Ich meine, im Slytherin-Waggon. Eigentlich dürftest du hier doch gar nicht hin...“ Er benahm sich wie ein Idiot, eigentlich sollte er sich freuen, dass sie wieder mit ihm sprach – aber sein verdammter Stolz spielte ihm wieder einmal einen Streich.

Sie bemerkte nichts von seinem Kampf und deutete auf ihr Schulsprecherabzeichen. „Ich hab Devers gesucht, ist nicht ins Abteil der Vertrauensschüler gekommen...“

Sie schwieg, und Severus suchte nach einer Antwort, die das Gespräch in Gang hielt. „Hast du ihn gefunden?“

Lily schüttelte den Kopf. „Seine Freunde sagen, er ist weggegangen, nur ist er bei uns nie angekommen – das gefällt mir nicht. Bei der aktuellen Stimmung, hier herrscht, mache ich mir wirklich Sorgen um ihn.“

Severus nickte und schwieg.

Lily betrachtete ihn für einen Moment und zuckte mit den Schultern. „Ich frag mich wirklich, welcher Idiot auf die Idee gekommen ist, Potter zum Schulsprecher zu ernennen. Er ist ungefähr so verantwortungsvoll wie ein Zweijähriger – bevor er auf jemanden aufpasst, muss eher jemand auf ihn aufpassen.“

„Das musst du mir nicht sagen“, entgegnete er und starrte aus dem Fenster, während sich unbehagliches Schweigen in dem Abteil ausbreitete. Severus hatte das untrügliche Gefühl, dass auch Lily dieselbe Szene wie er vor Augen hatte, in der Potter ihn kopfüber in der Luft hatte schweben lassen.

„Willst du einen Schokofrosch?“ Severus hatte den Letzten, den er noch übrig hatte, aus seinem Koffer geholt und hielt ihn Lily hin, doch sie schüttelte den Kopf.

„Iss ihn lieber selbst...“, lächelte sie zaghaft. „Ich muss nach Devers suchen, ich hoffe, ihm ist nichts passiert... nach allem, was ich gesehen hab, ist er ein wirklich guter Vertrauensschüler und es wäre schade, wenn er etwas abbekommt, für das er nichts kann...“

Mit einem Rascheln ihres Umhangs stand sie auf, doch an der Tür hielt sie für einen Moment inne. „Wir... wir sehn uns dann... in Zaubertränke, nicht wahr?“

„Ja... bis dann.“

„Bis dann, Severus.“

Er blickte ihr nach, bis ihr schwarzer Umhang verschwunden war, bewegte sich keinen Millimeter. Noch immer hielt er den Schokofrosch in der Hand, die Wärme seines Körpers weichte ihn langsam in seiner Packung auf, bis er sich merkwürdig matschig anfühlte, die einzige Empfindung, die er bewusst wahrnahm.

Er war ein Idiot, ein Trottel, ein Blödmann, das Mädchen, das er liebte, einfach so weggehen zu lassen. Sie hatte mit ihm gesprochen – sie hatte ihn angesehen – sie hatte gelächelt. Und er hatte nichts Besseres zu tun, als sie zu behandeln, als würde sie ihm nichts bedeuten, sie abzuweisen, sie fast zu ignorieren.

Er war ein Trottel.

Der Knall, mit dem er sich sein Zaubertrankbuch gegen die Stirn schlug, hallte durch die Tür, die sie offen gelassen hatte, hinaus auf den Gang.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Nochnoi
2008-09-19T16:10:58+00:00 19.09.2008 18:10
Ach ja, Snape ^^ Ich mag ihn einfach!

Ich finde es sehr schön, wie du seinen inneren Konflikt dargestellt hast. Seine Gewissensbisse, sein Verlangen nach Macht und seine Liebe zu Lily. Ich konnte mich wirklich sehr gut in ihn hineinversetzen.
Und ich kann gut verstehen, dass Lily sich Sorgen um diesen Devers macht. In diesen Zeit ist es sicherlich nicht gerade gesund, wenn man spurlos verschwunden ist ;p

Ich les dann auf jeden Fall mal weiter ^^

Liebe Grüße
Nochnoi


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