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Reden ist Silber - Schreiben ist Gold!

Wettbewerbs- und Challengebeiträge
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Blutige Tränen

Blutige Tränen:
 

Nichts war mehr von ihr da.

Ihr Körper hatte sich einfach aufgelöst.

Keine Leiche, keine Überreste, nicht einmal ein Häufchen Asche war geblieben.

Nichts außer der Erinnerung an ihr Lachen – Im Leben wie im Tod.
 

Seine Gefährtin war nicht mehr.
 

Niemals hätte er gedacht, dass sein untotes Herz in der Lage war diese Art von Schmerz zu verspüren. Schon einmal hatte ihn diese Qual gepeinigt. Doch damals hatte er noch menschlich gefühlt.

Es lag so lange zurück...
 

Die Ungewissheit plagte ihn. Ließ ihn rastlos werden, aufspringen und durch die Gänge laufen. Jeder Raum, jede Ecke, jeder Winkel… der ganze Ort war voll. Voll mit Erinnerungen, sterblichen und untoten. Es gab keine Dinge, weder Möbel noch Gebrauchsgegenstände, die nicht einen schmerzhaften Stich in seiner Brust auslösten. Die teure, alte Einrichtung, die ihn Jahrzehnte umgeben hatte, verursachte nun kein heimeliges Gefühl mehr. Wie ein Museum, das an die Vergangenheit erinnerte, kam ihm sein Heim in dieser Stunde vor, nicht wie ein sicherer Zufluchtsort an den man sich gerne zurückzog.

Alles war behaftet von dem Gedanken an sie.

Die Couch, auf der sie sich geliebt hatten, die Bibliothek, die sie so geschätzt hatte, das Fenster von dem aus sie jede Nacht den Mond beobachtet hatte. Wie bedrückt sie gewesen war, wenn der Himmel wolkenverhangen war, so dass die helle Sichel unsichtbar und dem Blick verborgen gewesen war…
 

Nur für sie war er geworden, was er heute war. Er war ihr in die Schatten gefolgt, doch sie hatte ihn ein weiteres Mal zurückgelassen. Dieses Mal gab es keinen Ausweg mehr. Kein noch so dunkler Pakt würde das Paar jetzt wieder vereinen können. Ihre Seele, das kostbarste das ein Lebewesen besaß, hatte sie schon vor so langer Zeit aufgegeben für ein Leben abseits der Menschen, die sie so enttäuscht hatten. Jetzt gab es nichts mehr an ihr, das einen weiteren Tod überdauern konnte. Kein Wiedersehen, keine Wiedergeburt würden sie zusammen bringen. Nur ewiges Nichts wartete auf sie.
 

Sein aufgewühlter Rundgang führte ihn zu ihrem Lieblingsplatz. Sie hatte dieses Zimmer geliebt. Fast jede Nacht in den letzten Jahren hatte sie hier verbracht. Umgeben von ihren Büchern. Immer noch stand dort auf einem kleinen Beistelltisch ihr Glas, halb gefüllt mit der dunklen, roten Flüssigkeit, die an den Rändern schon begann anzutrocknen und die Farbe zu verändern. Auch das Buch, das sie zuletzt gelesen hatte befand sich noch dort. Ein Lesezeichen markierte die Stelle, bis zu der sie noch gekommen war, bevor…
 

Egal wie viel er darüber nachdachte, welche Möglichkeiten er auch durchging, keine schlüssige Erklärung, die für ihn nachvollziehbar war und das Geschehene verständlicher machte, tauchte auf.

Einzig der Gedanke an die tiefe Melancholie, die seine Göttin ständig begleitet hatte, lies den Hauch eines Verdachts aufflackern. Niemals war diese Traurigkeit ganz aus ihren Augen verschwunden. Kein Moment ohne den Schatten in ihrem Blick. Offensichtlich hatte er diese verhängnisvolle Kraft unterschätzt.

Dies war auch der Grund gewesen, warum sie die Dunkelheit gewählt hatte, den ersten Tod. Er war ihr gefolgt, hatte sie nie gehen lassen wollen, konnte sich nicht von ihr trennen - und nun musste er es doch.

Einfach so war sie ins Licht gegangen, hatte sich der aufgehenden Sonne ausgesetzt. Seine Geliebte hatte die Konsequenzen gekannt…
 

Sie waren beide so verschieden… gewesen. Nie hätte er für sich den Weg, den sie gewählt hatte, auserkoren – bis zu diesem Zeitpunkt.
 

Und nun stand er hier. Er fasste einen Entschluss. Er konnte ohne sie nicht existieren, er hatte es im Leben nicht geschafft, auch im Leben nach dem Tod war er dazu nicht fähig. Die Ewigkeit war eine zu grausame Aussicht. Wie sollte jemand diese, selbst für einen lebenden Toten unvorstellbar lange Zeit alleine verbringen?
 

Es gab keine andere für ihn. Niemand konnte sie ersetzten, seine Göttin, seine Liebe.
 

Blutige Tränen liefen über seine Wangen. Er bemerkte sie nicht. Die rote Flüssigkeit hatte keine Bedeutung mehr. Sein Weg war klar.

Er würde das tun, was er immer getan hatte – Ihr folgen, auch wenn es aussichtslos war, sie nicht mehr zurückbringen würde. Das Leben in der Dunkelheit war trostlos. Nur ihr Dasein hatte ihn die Jahrhunderte überstehen lassen. Nun war nichts mehr da, dass in hielt.
 

Wenig später erinnerte nur noch ein dunkelroter Fleck an das Drama das sich abgespielt hatte. Kein anderes Indiz verriet der Nachwelt, was sich abgespielt hatte. Keine Spur wies auf die zwei Existenzen hin, die an diesem Punkt gescheitert waren.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2009-03-21T07:34:57+00:00 21.03.2009 08:34
Was mich beeindruckt, ist dein flüssiger schreibstil. Wirklich schön. Auch das du kaum Fehler hast (ich glaube ich habe einen gefunden ... ^^") ist super. So macht das Lesen auch Spaß.

Was du hätest noch machen können, den Schluss mehr ausbauen. Jetzt ging es mir etwas zu schnell. Aber ich denke, dass ist dem Schreiber überlassen, wie lange er es schreibt ... ^^

Die Geschichte selber ist die gelungen. Manchmal denke ich auch so ... ohne meinen Freund ... was wäre da ein Leben?
Uiii ... ^^ Du Siehst, du hast mich berührt ... ^^ Weiter so, so ein flüssiger Schreibstil ist immer toll ... ^^ :D


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