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Hutmacher und Märzhase

Die Allnacht einer Malkavianerin
von

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Prolog

Ein heiseres Quietschen hallte durch den langen, dunklen Flur, der von den mintgrünen Türen zu Klassenzimmern und eisblauen zu Fachräumen gesäumt war. Die weißen Wände, auf denen ein dicker, hellgelber Querstreifen verlief, fingen das Geräusch immer wieder auf und warfen es erneut zurück, bis das Turnschuhquietschen auf dem Schulhauslaminat wirkte wie eine Armee von aufgeregt quiekenden Ratten. Und tatsächlich huschte und trippelte es ständig leise in und an den Wänden, als ob die kleinen Nagetiere darin sich von dem Geräusch der Schuhe angelockt fühlten. Das Schaben und Kratzen und Trippeln nahm zu, während das nicht besonders hochgewachsene Mädchen durch den Gang tappste.

Es war Nacht und überall in der Schule war die Beleuchtung aus. Nur aus einem Raum glimmte noch Licht. Das Mädchen steckte den Kopf durch die Tür.

"Ludoooooo!", freute sie sich und wuselte in den Raum, um den Hausmeister Ludovic zu umarmen - einen Mann von eindrucksvoller Gestalt, der durch seine Ausstrahlung gleich nochmal so groß wie sie wirkte und sich bei ihrem Ruf lächelnd umdrehte. "Na, du kleine Ratte?" Sie flog ihm an die Brust und er legte einen Arm um sie, dem man hätte zutrauen können, dass er erwachsene Männer über Klippen ziehen konnte. "Freust du dich schon, Hutmacher?" Die Kleine kuschelte sich vertrauensvoll an ihn und nickte fröhlich. "Na dann..." Er befreite sie von der Last seines Armes und machte einen Wink hin zu einer Kiste, die fast überquoll von allem möglichen und einigem unmöglichen Kram.
 

Das Mädchen stürzte mit einem leisen Siegesheulen darauf zu und versank kurz drauf mit seligem Lachen bis zur Hüfte in der Kiste, glücklich in den Fundsachen wühlend. "Ah!", erklang es gedämpft aus dem Karton. "Das gefällt mir! Sie tauchte mit einigen Kleidungsstücken in den Armen wieder auf, hauptsächlich Jacken und Pullover, und legte sie in einer Reihe vor Ludovic auf den Boden, der sich inzwischen zu einer Tasse Kaffee an seinen Tisch gesetzt hatte.
 

"Tut mir leid, aber das da hab ich heute erst reinbekommen. Dafür musst du in drei Tagen wiederkommen. Und das ist von gestern. Aber die anderen dürften in Ordnung sein. Such dir noch ne Tasche zum Tragen raus." Das Mädchen nickte mit wippenden Zöpfen und wühlte erneut in der Kiste, bis es eine vier Tage alte Sporttasche gefunden hatte, in der sich alles verstauen ließ. "Den Regenschirm hier nehm ich auch noch, ja? Den kann ich für die Jagd heute Abend gebrauchen." Ludovic schüttelte den Kopf. "Nein, das lass mal. Ich habe einen besseren Regenschirm für dich."
 

Hutmachers Augen wurden groß wie Teller, als der Hausmeister hinter einem Schrank einen roten Regenschirm hervorholte und aufspannte. Er war bedruckt mit Ratten, die um Käsestücke herumtanzten. "Waaaaahnsinn!!!!" Mit einem Strahlen stürzte sich das Mädchen auf den Schirm und schwenkte ihn einige Male wie eine feine Dame aus sehr alten Filmen über den Kopf. "Der ist toll!" Ludovic lachte das Lachen eines Vaters, der seine Tochter gerade mit dem perfekten Geschenk beglückt hatte. "Ich habe ihn neulich in einem Kindergeschäft im Banlieux entdeckt.", grinste er freundlich. "Und ich wusste sofort - den braucht Hutmacher! Herzlichen Glückwunsch zum Bisstag, meine Kleine." Das Mädchen ließ den Schirm fallen, um ihm wiederum an den Hals zu stürzen und ihm einen dicken Kuss der Dankbarkeit auf die Wange zu schmatzen. "Oh danke, wirklich tausend Dank! Ich geh ihn gleich ausprobieren!" Mit einem Lachen wie ein Kind, das seinen neuen Drachen steigen lassen wollte, stürzte sie aus dem Raum und ließ ihre Turnschuhe in Richtung Ausgang quietschen. Ludovic schmunzelte und nahm die Sporttasche, um sie in Hutmachers Wohnkeller zu tragen.

Epilog

Noch während das Mädchen auf den Ausgang zutapste und den Schirm aufspannte, veränderte sich plötzlich ihre ganze Ausstrahlung. Ihr Blick blieb an der roten, mit ihren Lieblingstieren bedruckten Plane hängen, während ihr ein Kloß in die Kehle kroch. Märzhase, wie man Hutmacher nannte wenn sie so traurig wurde, dachte an ihr Elternhaus zurück. An die Menschen, die sie hätten lieben sollen, ihr aber niemals so einen Regenschirm geschenkt hätten. Nie.
 

Sie hob den auffälligen Schirm über den Kopf und trat auf die dunkle Straße - fest entschlossen, ihren Kummer auch heute Nacht wieder mit frischem Blut zu ertränken.



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Kommentare zu dieser Fanfic (3)

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Von:  Voidwalker
2011-03-13T10:09:38+00:00 13.03.2011 11:09
Ich mag das kleine Mädchen. *g* Wobei die Malkavianer sowieso der beste Clan sind.
Schönes Stück. :)
Von:  Voidwalker
2011-03-13T10:08:22+00:00 13.03.2011 11:08
Viele machen gerne den Fehler - unabhängig von der Länge eines Werkes - in zu kurzer Zeit zu viele Informationen geben zu wollen. Das ist durchaus dahingehend verständlich, dass man oftmals vielerlei Dinge im Kopf hat, die man zu Papier - oder wahlweise zu Bit und Byte - bringen möchte, bevor sie einem wie Sand zwischen den Fingern entgleiten.
Dummerweise stört sowas gern mal. Man wird mit Details bombardiert und die Hälfte zieht zu schnell an einem vorbei. Auch wenn das Stück nur recht kurz ist, beweist du bei der Unterteilung von Prolog und Kapitel bereits recht gut, das du diesen Balanceakt meistern kannst. ^^
Von:  Voidwalker
2011-03-13T10:02:49+00:00 13.03.2011 11:02
Du ziehst die Bühne sehr atmosphärisch auf, das gefällt. ^^ Die Beschreibungen sind plastisch genug, damit einem völlig unweigerlich das entsprechende Bild vor Augen entsteht - so sollte es sein.

> Nur aus einem Raum glimmte noch Licht.

Ich muss zugeben, ich musste wirklich gerade nachschauen, ob es nun 'glimmte' heißt. Ich hätte auf 'glomm' geschworen, interessanterweise ist beides möglich. Nur bin ich mit mit dem 'aus' nicht ganz so sicher. Ob es nun aus oder in einem Raum glimmte... aber ich denke, das ist Haarspalterei. Schöner Prolog, bin gespannt. :)


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