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Avatar - Wege des Schicksals

von

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Prolog

Hallo alle zusammen,

das hier ist meine erste Avatar-Fanfic. Es handelt sich hierbei um die Geschichte des nächsten Avatars und spielt dreißig Jahre nach dem Ende des Krieges.

Der Prolog ist zwar sehr kurz, aber das ist extra so gehalten. Ich hoffe, er gefällt trotzdem.

Also, viel Spaß beim Lesen.

Lady_Sharif
 

Prolog
 

Es gab eine Zeit, in der die Feuernation allen den Krieg erklärte. 100 lange Jahre dauerte dieser furchtbare Krieg, bis der verloren geglaubte Avatar zurückkehrte und den Feuerlord besiegte. Von da an gab es eine Zeit des Friedens. Die Wasser- und die Erdnation behoben gemeinsam die Schäden. Die Feuernation unter der Herrschaft von Feuerlord Zuko tat alles, um die letzten Zweifel im Herzen der Nationen zu tilgen und half deshalb tatkräftig mit. Nachdem alles wieder aufgebaut war, hatte man den neuen Feuerlord akzeptiert und erkannte, dass er ein gerechter Herrscher war. Es existierte wieder Handel und Freundschaft unter den Nationen. Avatar Aang hatte also für den Frieden gesorgt. Der Avatar selbst zog sich ebenfalls zurück und gründete eine Familie.

Doch dieser Frieden hielt nicht sehr lange, denn dann passierte etwas, mit dem die Menschheit nie gerechnet hätte. Etwas so Unfassbares, das man es nie für möglich gehalten hätte. Und dieses Geschehnis änderte wieder alles. Die Nationen wurden misstrauisch, verängstigt, dass es noch einmal geschehen könnte. Somit schworen sich alle, dafür zu sorgen, dass es nie wieder geschehen würde.

Der neue Avatar

Der neue Avatar
 

Serina war tief und fest am Schlafen. Sie träumte von großen Bergen und weiten Ebenen, die sie zuvor noch nie gesehen hatte. Sie lief mit ihren besten Freund Paku um die Wette und besiegte ihn um Längen. Völlig erschöpft und außer Atem ließ sich Serina in das weiche Gras fallen. Paku tat es ihr gleich. „Du bist einfach viel zu schnell für mich, Serina. Ich glaube, ich werde dich nie schlagen können.“

„Vielleicht … irgendwann“, meinte Serina stockend. „Du hast noch genug Zeit zum Üben. Wir bleiben doch für immer zusammen, oder?“ Sie stützte sich auf ihren Ellbogen, damit sie Paku ins Gesicht sehen konnte.

Paku nickte. „Natürlich. Wir sind doch die besten Freunde.“ Er zeigte sein schelmisches Lächeln und streckte seine Hand aus. Serina schlug ein und grinste ebenfalls.

„Serina!“ Sie schrak aus ihrem Traum hoch und blickte sich um. Ihr Zimmer war stockdüster, doch irgendjemand hielt eine Kerze in der Hand. Sie blinzelte noch ein paar Mal, um sich an die Lichtquelle zu gewöhnen. Schließlich konnte sie erkennen, wer da an ihrem Bett stand und sie aufgeweckt hatte.

„Meister Tarik?“, fragte sie verwundert. Serina konnte sich nicht vorstellen, was er hier wollte. Höchstens wenn es eine neue Übung war: Wasserbändigen bei Nacht, oder so etwas Ähnliches. Sie wollte gerade fragen, was ihr Meister von ihr wollte, als er sie auch schon aus dem Bett zerrte.

„Beeil dich, Serina. Du musst sofort das Nötigste zusammenpacken. Wir haben nicht viel Zeit.“ Tarik holte sofort einen Rucksack unter ihrem Bett hervor. Dann eilte er zum Kleiderschrank, holte etwas heraus und stopfte es in den Rucksack. Serina stand nur daneben und schaute ihm verwirrt zu. Sie verstand überhaupt nichts mehr. Warum sollte sie denn Sachen einpacken? Und was meinte Tarik mit wenig Zeit?

Als ihr Meister sah, dass sie nur tatenlos herumstand, hielt er kurz inne: „Was soll das, Serina? Los zieh dir was an. Ich werde noch etwas Proviant für dich einpacken.“

Aber Serina blieb immer noch fassungslos stehen. Endlich fand sie ihre Stimme wieder. „Was soll das alles, Meister? Ich verstehe überhaupt nichts.“

Tarik seufzte gequält. „Ich werde es dir später erklären. Aber bitte, zieh dich jetzt an. Es ist kalt draußen.“ Seine Stimme klang ernst und flehend. Das überzeugte Serina schließlich und sie eilte zu dem Stuhl, wo ihre Kleidung für den nächsten Tag lag. Es dauerte nicht lange, bis sie sich umgezogen hatte. Schnell noch zog sie ihren blauen Mantel über und stand dann schließlich bereit in der Tür. Sie war immer noch verwirrt, doch sie kannte ihren Meister bereits so lange, dass sie ihm blind vertraute.

Kaum eine Sekunde später stand er plötzlich neben ihr, mit einem vollen Rucksack in der Hand. „Wir müssen ganz still sein. Ich will nicht, dass uns irgendwer hört.“ Serina nickte verständigend. Tarik öffnete leise die Tür, doch zuvor pustete er noch die Kerze aus. „Wir dürfen nicht auffallen“, gab er zur Erklärung.

Serina folgte ihrem Meister auf Schritt und Tritt. Sie bewegte sich leise, doch gleichzeitig schnell und präzise, so wie es ihr Meister ihr beigebracht hatte. Sie huschten wie zwei Schatten durch die engen Gassen. Serina wusste bereits sehr früh, wo ihr Meister sie hinführte. Er konnte nur zum Hafen wollen. Und diese Erkenntnis ließ Serina erschrecken. Mitten in der Nacht kam Tarik zu ihr, schmiss sie aus dem Bett und verlangte, dass sie das Nötigste einpackte. Und jetzt waren sie auf dem Weg zu den Booten. Das konnte nur eins bedeuten. Und Serina hatte fürchterliche Angst davor.

Trotzdem folgte sie ihrem Meister. Er wüsste, was zu tun war. Zumindest hoffte sie das. Denn sie konnte sich nicht vorstellen, was sie täte, wenn es wirklich wahr sein sollte. Dafür war sie nicht ausgebildet worden. Mit dieser Tatsache würde sie nicht alleine fertig werden.

Sie lief fast in ihrem Meister, als er plötzlich stehen blieb. Dadurch, dass Serina in Gedanken versunken war, hatte sie gar nicht mitbekommen, dass sie bereits am Hafen eingetroffen waren. Tarik holte sofort ein Boot. Es war gerade so groß, dass es weitere Strecken schaffen könnte und dass es gerade noch so von einer Person geführt werden konnte. Nun hielt ihr Meister kurz inne. Das erste Mal für längere Zeit, seit er zu Serina geeilt war. Serina sah ihrem Meister panisch an. Sie wusste es bereits und sie las in seinen Augen, dass es der Wahrheit entsprach.

Serina war der nächste Avatar und das bedeutete, dass sie so schnell wie möglich von hier verschwinden musste. Tarik sah ebenfalls, dass Serina die Wahrheit erkannt hatte. „Es tut mir so leid für dich. Direkt als ich es erfahren habe, bin ich zu dir geeilt. Ich hoffe nur, wir waren schnell genug.“ Er schaute sich hektisch um. Doch noch nirgends waren Stimmen zu hören und Fackeln waren auch noch keine in Sicht. Er legte den Rucksack in das Boot und wandte sich wieder seiner Schülerin zu. Sie bedeutete ihm so viel. Seit sie ein kleines Kind war, hatte er sie unterrichtet. Sie war fast so etwas wie eine Tochter für ihn geworden. Es brach ihm das Herz, sie jetzt wegschicken zu müssen, doch das war ihre einzige Chance. „Du musst jetzt sofort los. Benutze am Anfang das Wasserbändigen, um schneller auf das Meer zu gelangen. Am besten du-“

„Nein!“, schrie Serina ihn an. „Ich will nicht weggehen. Das hier ist mein zu Hause. Hier bin ich aufgewachsen. Ich will nicht weg.“ Serina traten Tränen in die Augen, doch das war ihr egal. Wie sollte sie denn da draußen überleben? Sie hatte doch keine Ahnung, wie sie das bewerkstelligen sollte. „Ich weiß doch überhaupt nicht, was ich tun soll. Ich kann das nicht.“ Die Tränen kullerten ihr nun die Wange herunter.

Und dann tat ihr Meister etwas, was er noch nie zuvor getan hatte. Er umarmte sie. Erst war Serina überrascht, doch dann tat ihr die Nähe des Meisters gut. Sie schmiegte sich an ihn und krallte ihre Hände in seine Jacke. Er streichelte ihr über ihr Haar. „Ich weiß, dass du Angst hast. Das habe ich auch. Doch es ist die einzige Möglichkeit. Du musst von hier verschwinden.“

„Dann begleite mich wenigstens. Alleine kann ich das nicht.“ Sie schaute zu ihm empor, voller Hoffnung. Wie könnte er denn dazu ‚nein’ sagen. Doch Tarik schüttelte den Kopf. Und mit einem Mal war alle Hoffnung verblasst. Sie würde alleine sein. Alleine in dieser großen Welt.

„Das geht nicht“, versuchte Tarik ihr zu erklären. Doch seine eigenen Worte klangen selbst für ihn leer und hohl. „Nur hier kann ich dir noch etwas Zeit verschaffen. Ich werde sie versuchen aufzuhalten.“

Serinas Augen weiteten sich geschockt. „Aber sie werden dich töten, Tarik. Komm bitte mit mir.“ Es war das erste Mal, dass Serina ihn mit ‚Tarik’ ansprach und es erfüllte ihn mit Stolz. Gleichzeitig war er unendlich traurig, denn jetzt musste er seine geliebte Serina anlügen. Aber es war für einen guten Zweck. „Sie werden mich nicht töten, Serina. Ich bin Mitglied des Rates. Sie vertrauen mir. Ich werde ihnen erzählen, dass du bereits weg warst, als ich in dein Zimmer kam.“

Serina nickte, doch sie hatte ihren Meister durchschaut. Nach all diesen Jahren wusste sie, wann er die Wahrheit sprach und wann er log. Und in diesem Fall war es mehr als klar. Er log und Serina wusste, dass sie ihn nicht davon überzeugen könnte, mit ihm zu gehen. Nun weinte sie nicht mehr wegen der Ungewissheit der Zukunft und der Angst davor, sondern um ihren Meister, der alles tat, um sie zu retten.

Sie wusste nun, dass sie gehen musste, und dass sie das alleine tun musste. Ihrem Meister zuliebe, der alles riskierte. Deshalb setzte sie sich ins Boot. Ihr Meister schob es ins Wasser, doch plötzlich fiel ihr noch etwas ein. „Warte!“, sagte sie. Tarik hielt das Boot fest und sah seine Schülerin fragend an. „Was ist mit Paku? Vielleicht würde er-“

„Nein!“ Tarik hatte den Befehlston eines Meisters angeschlagen. Er klang sauer. Schnell beruhigte er sich jedoch wieder. „Das geht nicht, Serina. Du weißt, warum.“

„Aber er ist doch mein bester Freund“, widersprach sie ihm. Doch sie selbst wusste, dass das nichts ändern würde.

Somit gab sich Serina geschlagen. „Ich werde dich vermissen, Tarik. Du warst ein wirklich hervorragender Meister und auch ein guter Freund.“ Wieder wollten die Tränen die Freiheit und Serina ließ es zu. Der Meister war wie ein Vater für sie gewesen. Eine Familie, die sie nie gehabt hatte. Sie wusste noch immer nicht, wie sie ohne seinen Rat überleben sollte.

Tarik beugte sich vor und küsste Serina auf die Stirn. „Ich werde dich auch vermissen, meine kleine talentierte Wasserbändigerin. Ich wünsche dir alles Glück der Welt.“ Serina sah, wie sich auch bei ihrem Meister eine Träne löste. Sie hatte ihn noch nie weinen gesehen. Es zeigte ihr, dass sie ihm genau so viel bedeutete, wie er ihr.

„Einen letzten Rat will ich dir noch auf den Weg mitgeben. Sobald du das Erdkönigreich erreicht hast, kaufe dir neue Kleidung. Sie werden nach einer Wasserbändigerin suchen und so wärst du für sie ein leichtes Ziel. Ich habe genügend Geld in deinen Beutel gepackt. Und dann suche Toph. Sie wird deine neue Meisterin werden und dir helfen. Finde sie, sonst ist alles verloren.“ Mit diesen Worten gab Tarik dem Boot einen letzten Schubs und ließ es aufs Meer hinausgleiten.

Serina sah, wie ihr Meister immer kleiner wurde. Doch sie wollte noch nicht ihre Bändigungskräfte einsetzten, erst wenn sie ihn überhaupt nicht mehr sehen würde, wenn er ganz aus ihrem Blickfeld verschwunden war. Denn so lange sie ihn noch sehen konnte, solange war sie noch zu Hause. Erst wenn er weg war, war sie auf sich allein gestellt.

Nun sah sie nur noch einen kleinen schwarzen Punkt, nicht viel größer als ein normaler Ball und trotzdem wusste Serina, dass er immer noch dort stand. Und plötzlich tauchten aus der dunklen Stadt viele kleine Lichter auf. Serina beugte sich vor und wäre fast aus dem Boot gefallen, soweit hatte sie das Gewicht verschoben. Sie schaute den Lichtern zu, wie sie dem kleinen schwarzen Punkt immer näher kamen. Serina krallte die Hände in das Holz des Bootes. Sie könnte in ein paar Minuten zurück sein, wenn nicht noch schneller. Sie könnte ihnen sagen, dass Tarik ihr nicht geholfen hatte. Sie könnte ihn retten, so wie er sie retten wollte. Er musste nicht sterben. Er hatte doch nichts falsch gemacht, außer einem geliebten Menschen zu helfen. Doch Serina blieb im Boot sitzen. Nicht dass sie sich nicht traute, vielmehr wollte sie ihren Meister nicht enttäuschen. Es war eine Aufgabe, die er ihr aufgetragen hatte und sie würde sie, so gut es ging, ausführen. Vielleicht irrte sie sich ja auch und die Menschen waren gar nicht so schlecht, wie sie glaubte. Immerhin gab es schon mal einen Krieg und jeder wusste, wie schlimm das Töten war.

Deshalb drehte Serina sich um, den Blick auf das weite Meer gerichtet, und schlug ihre Hände nach hinten. Immer und immer wieder, sodass sie Wasser nach hinten spritzte und zusätzlichen Antrieb bekam. So wie es ihr Meister gewollt hatte. Sie gab sich große Mühe, um lange durchzuhalten. Denn je länger sie so vorankam, desto weiter war sie von ihrer alten Heimat entfernt und es würde ihnen schwer fallen, sie noch einzuholen.

Nach einer halben Stunde war sie mit ihren Kräften am Ende und das wortwörtlich. Sie legte sich in das Boot und verschnaufte erst einmal kurz. Nicht mal nach einem Tag härtestem Training war sie so erschöpft gewesen. Als sie wieder einigermaßen Luft bekam, setzte sie sich auf. Sie nahm den Rucksack und wühlte darin rum. Ihr Meister hatte wirklich an alles gedacht. Nicht nur Geld, Kleidung, Essen und Trinken war darin zu finden, sondern auch eine Karte, mit den verschiedenen Regionen der Nationen. Außerdem lag noch ein Buch bei, das hieß: „Die vier Nationen“. Serina hatte es schon einige Male bei ihrem Meister gesehen, doch nie getraut zu fragen, ob sie es mal haben dürfte. Nun lag es in ihren Händen und jetzt wollte sie es nicht so wirklich. Zwar würde es auf ihrer Reise sicherlich hilfreich sein, doch es erinnerte sie zu sehr an ihren Meister. Sie wollte es gerade zurückstecken, als sie sah, dass etwas zwischen den Seiten steckte. Sie öffnete das Buch und zum Vorschein kam ein Brief. Sie erkannte sofort die Schrift ihres Meisters.

Zuerst legte sie das Buch zurück, nahm sich eine Frucht aus dem Rucksack und machte es sich gemütlich. Dann nahm sie den Brief in die Hand und fing an zu lesen:
 

Liebe Serina,
 

wenn du das hier liest, bedeutet das, dass meine schlimmsten Befürchtungen sich bewahrheitet haben. Ich hatte schon lange die Vermutung, dass du der nächste Avatar sein könntest, doch ich wollte es nicht wahrhaben. Ich hätte dich viel mehr lehren können, wenn ich nicht so verbissen gewesen wäre. Aber leider kann ich nichts rückgängig machen. Ich hoffe, dass du mir das verzeihen kannst.

Du wirst jetzt einen langen und gefährlichen Weg vor dir haben. Als Avatar ist es deine Pflicht die vier Elemente zu meistern. Doch es hat sich einiges geändert und so einfach ist es leider nicht mehr. Das Erdbändigen wird, glaube ich, am Leichtesten werden. Du musst nur Toph finden, die auch Avatar Aang ausgebildet hat. Von ihr weiß ich, dass sie keine Vorurteile hat und dir helfen wird. Leider weiß ich nicht genau, wo sie anzutreffen ist. Den letzten Standort, der von ihr bekannt war, habe ich in deiner Karte markiert. Ich nehme aber an, dass sie sich, ganz wie es für die Erdbändiger typisch ist, im Gebirge oder in einer Höhle einquartiert hat. So hast du für die erste Etappe einen relativ sicheren Plan.

Ein Feuerbändigungslehrer ist mir trotz stundenlangen Grübelns keiner eingefallen, doch ich bin mir sicher, dass Toph dir auch dabei helfen kann. Das größte Problem wird jedoch noch das Luftbändigen, denn soweit ich weiß, gibt es keine Luftbändiger mehr. Selbst die Kinder des Avatars können nicht Luftbändigen. Dabei kann ich dir also auch nicht behilflich sein. Aber ich bin davon überzeugt, dass du einen Weg finden wirst, denn du bist stark, Serina. Sehr stark sogar und ich will, dass du dir das immer vor Augen hältst. Auch wenn du denkst, du kannst das alles nicht, habe ich immer an dich geglaubt und ich werde auch immer an dich glauben.

Das Allerschwierigste auf deinen Weg wird jedoch der Weg selber sein. Halte dich immer bedeckt, sage niemals deinen Namen und kleide dich immer entsprechend der Nation. Bald schon wird dich jeder suchen. Vielleicht wirst du dich einsam fühlen, doch das bist du nicht. Es gibt Leute da draußen, die noch immer an den Avatar glauben. Du musst sie nur finden. Toph ist auf jeden Fall eine davon. Halte dich immer an sie.

So, ich werde jetzt zum Schluss kommen. Ich möchte dir an dieser Stelle noch einmal sagen, dass du meine bisher beste Schülerin warst. Du bist talentiert und lernst sehr schnell. Du warst wie eine Tochter für mich und ich werde dich sehr vermissen. Meistere die Elemente und zeige der Welt, was ein Avatar wirklich ist. Zeige der Welt die Wahrheit.
 

In Liebe

Dein Meister Tarik
 

P.S.: Das beiliegende Buch wird dir hoffentlich hilfreich sein. So kannst du einiges über die Nationen erfahren und dich bestmöglich tarnen. So wirst du sicherlich weniger auffallen.
 

Serina las den Brief dreimal durch. Anschließend faltete sie das Blatt und steckte es in die Innentasche ihres Mantels. Ihr Meister hatte wirklich an alles gedacht. Er hatte sich sogar Gedanken darüber gemacht, bei wem sie lernen sollte, auch wenn schließlich nur ein Lehrer dabei herausgekommen war. Ohne ihn, hätte Serina in der Wüste gestanden. Doch dieser Brief zeigte ihr auch noch einmal deutlich, wie schwer dieser Weg werden würde. Sie hatte sich schon einiges vorgestellt, aber konnte man sich wirklich ausmalen, dass alle Nationen gegen einen waren. Nicht einmal jetzt konnte sie sich ein klares Bild davon machen. Es würde hart werden, härter als alles, was sie bisher erlebt hatte.

Sie musste an Paku denken. Wie oft hatten sie sich schon geschworen für immer zusammenzubleiben? Es war nicht nur einmal gewesen und jetzt sollten die ganzen Versprechen umsonst gewesen sein, nur weil sie der Avatar war? Das war nicht fair. Es war zutiefst gemein und trotzdem konnte sie daran nichts ändern. Sie musste ihr Schicksal annehmen, ob sie nun wollte oder nicht. Denn sie war stark, zumindest hatte das ihr Meister gesagt. Sie selber war nicht hundertprozentig davon überzeugt, aber Serina wusste, dass ihr Meister immer Recht hatte.

Sie setzte sich wieder aufrecht hin, nahm die Paddel in die Hand und ruderte Richtung aufgehende Sonne. Denn das Erdkönigreich war ihr nächstes Ziel. Und zumindest Toph würde sie finden, das nahm sich Serina fest vor.

Durch unbekanntes Land

Durch unbekanntes Land
 

Es dauerte noch etwa einen Tag, bis Serina wieder Land unter ihren Füßen hatte. Die Reise war sehr anstrengend gewesen. Immer wieder hatte sie ihre Geschwindigkeit durch Wasserbändigen zusätzlich erhöht. Glücklicherweise war das Meer ihr wohlgesonnen gewesen, denn es war den ganzen Tag ruhig und still. Nicht einmal einen Regentropfen hatte Serina abbekommen. Somit hatte sie die Reise ohne größere Probleme überstanden. Die Nacht hindurch hatte sie das Segel gesetzt und ein paar Stunden geschlafen, denn immerhin wollte sie nicht total übermüdet im Erdkönigreich ankommen. Sie hatte die Karte, die Meister Tarik ihr eingepackt hatte, genauestens studiert. Wenn sie wirklich dort auf Land treffen würde, wo sie dachte, hätte sie noch einen langen Weg vor sich. Sie musste durch drei Städte, bis sie an dem Ort war, wo Toph zuletzt gewohnt hatte. Dort erst konnte sie mit ihren Nachforschungen beginnen.

Serina zog das Boot aus dem Wasser und zerrte es die paar Meter in den nächsten Wald hinein. Dort sammelte sie abgebrochene Äste und Zweige und versuchte, so gut wie möglich, das Boot zu verdecken. Die Wasserbändiger sollten nämlich nicht direkt vom Meer aus sehen, wo sie an Land gegangen war. So einfach wollte sie es ihnen dann doch nicht machen. Als sie das Boot soweit versteckt hatte, dass man es kaum noch sah, setzte sie sich nieder und kramte wieder in ihrem Rucksack herum. Sie holte etwas Essbares heraus und führte es sich zur Gemüte. Sie sah sich um und betrachtete die großen Bäume.

Es war das erste Mal, dass Serina von zu Hause fort war und am Nordpol gab es nicht viele Pflanzen. Sie hatte schon oft Bilder von Bäumen in Büchern gesehen, doch dass sie tatsächlich so hoch wachsen würden, hatte sich Serina nie vorstellen können. Eine Zeit lang saß sie einfach nur da und bewunderte das Grün der Blätter. Von zu Hause kannte sie nur weiß. Alles war voller Schnee in ihrer Heimat. Sie würde das weiße Glitzern vermissen, doch nun lag ein anderer Weg vor ihr, eine andere Welt. Serina nahm die Karte hervor und betrachtete sie. Wenn sie alles richtig gerechnet hatte, musste sie sich jetzt an der nordwestlichen Küste des Erdkönigreichs befinden. Und sie müsste noch bis in den Osten vordringen, bis zur großen Stadt Ba-Sing-Se. Zwischen sich und der Stadt waren auf der Karte mehrere Gebirge eingezeichnet und als Serina in den Wald hineinblickte, konnte sie schon erkennen, dass es leicht bergauf ging. Es würde eine anstrengende und beschwerliche Reise werden. Und Serina konnte sich gut vorstellen, dass es mehrere Tage dauern würde. Sie hoffte nur, dass sie nicht umsonst durch das Gebirge stiefeln musste, sondern dass sie wirklich etwas über Toph in Ba-Sing-Se erfahren würde.

‚Hoffentlich finde ich nicht heraus, dass sie genau in diesem Gebirge jetzt lebt. Denn dann dürfte ich den ganzen Weg wieder zurücklaufen.’, dachte sie. Serina nahm noch mal die Karte in die Hand und schaute, was für sie der geeignetste Weg wäre. Gar nicht weit von der Küste entfernt lag ein kleines Dorf. Serina entschied erst einmal dorthin zu gehen und sich neue Kleidung zuzulegen. Vielleicht würde sie dort auch irgendein Fortbewegungsmittel auftreiben können. Zumindest verlor Serina nur noch mehr Mut, wenn sie daran dachte, die ganze Strecke zu Fuß zurücklegen zu müssen. Sie nahm noch einen Schluck Wasser, steckte die Karte zurück in den Rucksack und machte sich dann auf den Weg.

Am Anfang hatte sie gedacht, dass sie schnell erschöpft sein würde, aber nach dem zweistündigen Fußmarsch, den sie bereits zurückgelegt hatte, musste sie feststellen, dass sie durch ihr Training mit Meister Tarik wohl eine ziemlich gute Kondition erlangt hatte. Sie blieb kurz stehen und schaute sich um. Eigentlich hätte sie das Dorf schon längst erreicht haben müssen. Vielleicht hätte sie mehr an ihrem Orientierungssinn arbeiten sollen. Sie holte noch einmal die Karte hervor, doch es gab um ihr herum kein besonderes Anzeichen, worauf sie jetzt hätte schließen können, wo sie sich befand. Resigniert stopfte sie die Karte wieder zurück und stiefelt auf gut Glück weiter. Auch wenn sie die Bäume erst bewundert hatte und über ihre Schönheit gestaunt hatte, war sie spätestens jetzt nur noch von ihnen genervt. Sie blieb ständig an den Ästen und Zweigen hängen, die überall auf den Boden lagen. Ein paar Mal wäre sie fast hingefallen, doch sie hatte sich noch gerade halten können. Und die Zweige, die noch an den Bäumen hingen, waren ihr auch ständig im Weg.

Zu Hause war es dann doch um einiges schöner gewesen, wo nichts als Schnee war. Dort hatte sie sich behände bewegen können, bewegte sich viel zu graziös, um überhaupt hinfallen zu können. Und hier musste sie ständig auf den Boden blicken, nur um überhaupt vorwärts zu kommen. Serina konnte sich gut vorstellen, dass es auf dem Bergen nur noch schwieriger werden würde, denn da musste sie aufpassen, dass sie nicht auf irgendwelchen kleinen Steinchen ausrutschte. Denn da würde sie nicht nur fallen, dort würde sie den ganzen Berg wieder herunterkullern. Serina war schon fast vor Wut am Kochen, als sie endlich das Dorf erblickte. Sie sah schon von Weiten, dass es dort Wege und Straßen gab, also ebenen Boden. So schnell sie konnte, flitzte sie aus dem Wald heraus und in Richtung des kleinen Dorfes.
 

Alle auf den Straßen schauten sie misstrauisch an. Serina fühlte sich unwohl in ihrer Haut, aber das war bestimmt noch besser, als das, was sie noch zu erwarten hatte. Diese Reaktionen waren ja noch einigermaßen zu verstehen, immerhin kam es bestimmt nicht oft vor, dass ein Mädchen vom nördlichen Wasserstamm hier durch ihr Dorf spazierte. Sie hätte genau so geschaut, wenn eine ganz normale Person aus dem Erdkönigreich durch ihre Stadt gelaufen wäre.

Sie versuchte möglichst freundlich zu lächeln, um den Bewohnern zu zeigen, dass sie keine bösen Absichten hatte. Und es funktionierte auch einigermaßen, zumindest gab es einige, die sogar zurücklächelten. Ein Mann tat das sogar sehr breit. Serina entschied, ihn um Hilfe zu bitten. Sie ging an seinen Stand, denn er verkaufte sehr lecker aussehende Früchte und verschiedene Obstsorten.

„Na, meine Kleine, was treibt dich denn den weiten Weg ins Erdkönigreich?“ Seine Stimme klang sanft und war sehr freundlich. Serina mochte ihn auf Anhieb. Er war zwar ziemlich riesig und sah auf den ersten Blick furchterregend aus, doch sobald man ihn Lächeln sah, war das vergessen.

„Hallo!“ Serina verbeugte sich kurz. „Ich besuche eine gute Freundin von mir. Sie hat bald Geburtstag und da wollte ich ihr einen Überraschungsbesuch abstatten.“ Serina lächelte, wie eine 14-jährige zu lächeln hatte, etwas naiv und unschuldig.

„Das ist aber lieb von dir. Wohnt sie hier im Dorf?“, wollte der Verkäufer wissen. „Vielleicht kenne ich sie ja.“

Doch Serina schüttelte den Kopf. „Nein, leider habe ich mich ein wenig verlaufen. Mein Boot ist vom Kurs abgekommen und da bin ich an einer Stelle an Land gegangen, die ich gar nicht kannte. Zum Glück habe ich dieses Dorf gefunden, sonst würde ich wohl immer noch in den Wäldern rumlaufen.“ Eine kleine Träne bildete sich in ihrem Auge und lief dann ihre Wange herunter.

„Oh nein“, kam es von dem Mann. Er ging um seinen Tisch herum und kniete sich vor Serina hin. „Du musst doch nicht weinen. Ich werde dir helfen.“

Serina schniefte ein paar Mal und sah ihn dann verweint an. „Wirklich?“, fragte sie ganz ungläubig. Innerlich grinste Serina. Die Nummer vom kleinen weinenden Mädchen zog bei den Erwachsenen immer.

„Na klar, sieht mal hier.“ Er nahm eine kleine gelbe Frucht aus einem Korb vom Tisch und reichte sie Serina. „Die kannst du jetzt erst einmal essen, dann rufe ich meine Frau und wir überlegen uns, was wir tun können, um dir zu helfen.“

Serina lächelte, diesmal aber ehrlich. „Vielen Dank, mein Herr. Sie sind wirklich sehr freundlich.“ Sie betrachtete die gelbe Frucht in ihrer Hand. So eine hatte sie noch nie gesehen, wohl eine Spezialität aus dem Erdkönigreich. Sie biss vorsichtig eine kleine Ecke ab. Süß und gleichzeitig ein wenig sauer, wirklich köstlich. Mit ein paar weiteren Happen hatte sie schnell die ganze Frucht vernichtet. Und dann kam auch schon der nette Mann zurück, dicht gefolgt von einer wunderschönen, zierlichen Frau.

Auch sie beugte sich vor und nahm Serina ganz plötzlich in den Arm. „Oh, meine arme Kleine. Hast du dich verlaufen? Du brauchst wirklich keine Angst zu haben. Mein Mann Haro und ich werden dir helfen. Ich heiße Beria und wie heißt du, mein süßes Kind?“

„Ka-Kaya“, stotterte Serina. Zum einen, um ihr kleines Mädchen-Image nicht zu gefährden, zum anderen, weil sie über die stürmische Umarmung so überrascht war.

„Kaya also. Das ist wirklich ein sehr hübscher Name“, meinte Beria. „Dann komm erst mal mit in mein Haus. Da bekommst du dann etwas Ordentliches zu Essen.“

Auch wenn das sehr verlockend klang, musste Serina das ablehnen. Deshalb schüttelte sie erneut den Kopf. „Es tut mir leid, aber ich möchte so schnell wie möglich zu meiner Freundin. Ich bin nämlich schon sehr spät dran.“

Serina hatte kurz Angst, was sie jetzt sagen würden. Das sie ihr vielleicht nicht mehr helfen würden. Aber dann bückte sie Beria erneut und sah sie wieder mit diesem gewissen Gesichtsausdruck an. Serina wusste genau, was jetzt kam: wieder eine herzliche Umarmung. „Du bist ja so lieb. Ich verstehe das voll und ganz. Haro wird den Wagen holen und dann brechen wir sofort auf und bringen dich zu deiner Freundin, ganz gleich, wie weit das weg sein wird.“

Und diesmal erwiderte Serina die Umarmung. „Ich danke Ihnen vielmals.“ Dass die erste Etappe ihrer Reise so gut laufen würde, hätte Serina nicht in ihren kühnsten Träumen erwartet. Dass sie so nette Menschen getroffen hatte, war einfach unglaublich. „Ich muss mir aber noch etwas anderes zum Anziehen kaufen. Mit dieser dreckigen Kleidung kann ich nicht bei meiner Freundin auftauchen.“

„Kein Problem, Kaya. Ich habe noch ein paar alte Sachen von mir. Da müsstest du genau reinpassen.“ Sie reichte ihr die Hand und Serina ergriff sie freudestrahlend. So musste sie nicht mal ihr kostbares Geld für Kleidung ausgeben. Besser hätte es gar nicht laufen können.

„Wir gehen zusammen zu mir. Du kannst dich dann umziehen und ich werde dir schnell noch eine Kleinigkeit kochen, die du dann auf dem Weg essen kannst. Währenddessen macht Haro den Wagen bereit, immerhin muss er ja erstmal die Rentierbüffel fertig machen.“

Das Haus von Beria und Haro war ziemlich klein und trotzdem fand Serina es überaus hübsch. Es war stilvoll eingerichtet und es hatte etwas sehr gemütliches an sich.

Beria führte Serina in ein Zimmer, holte eine alte Kiste hervor und öffnete sie. „Das sind alles meine alten Kleider. Du kannst dir etwas aussuchen und dich dann hier umziehen. Ich werde inzwischen etwas Leckeres für dich zaubern.“ Und mit diesem Satz war sie auch wieder aus dem Zimmer verschwunden.

Serina beugte sich vor und durchwühlte die Kiste. Es waren wirklich schöne Kleider darin, doch Serina entschied sich für etwas Alltägliches. Immerhin wollte sie nicht auffallen. Es war die traditionelle Kleidung der Erdnation. Keiner würde sie mehr für eine Wasserbändigerin halten, solange sie sich nicht beim Bändigen erwischen lassen würde.

Keine zehn Minuten später saß sie hinten auf einem Karren, vorne saßen Beria und Haro, der die Zügel hielt. Beria hatte ihr eine Schüssel mit Reis gereicht. Sie war noch heiß und dampfte stark, doch das hielt Serina nicht ab. Sie hatte schon seit zwei Tagen keine warme Mahlzeit mehr gehabt. Schnell schlang sie den Reis herunter und kramte dann ihre Karte hervor. Sie zeigte Beria, wo sie hinwollte. Es war nicht Ba-Sing-Se, sondern die Stadt, die am nächsten davon gelegen war. Immerhin wollte sie diese beiden netten Menschen nicht in Schwierigkeit bringen. Haro sah ebenfalls auf die Karte. „Das dauert aber ein bisschen, Kaya. Bis heute Abend würde ich schätzen.“

„Das macht nichts“, beteuerte Serina. „Zu Fuß würde ich noch länger brauchen.“

„Weißt du, die Rentierbüffel sind nicht besonders schnell, dafür aber sehr stark und ausdauernd. Ich brauche sie, um meine Lieferungen zu versenden und außerdem, um die geernteten Früchte zum Markt zu bringen.“

Serina hörte kaum noch zu, da sie sich bereits hingelegt hatte und die Augen geschlossen hatte. Sie merkte, wie die Müdigkeit langsam die Oberhand gewann. Das Letzte, was sie hörte, war die leise Stimme von Beria. „Sieh nur, Haro, wie niedlich sie ist. Sie musste völlig erschöpft gewesen sein.“
 

Serina schlief tief und fest. Sie wachte erst auf, als der Wagen stehen blieb. Sie war froh darüber, dass sie nicht schlecht geträumt hatte, denn dazu hätte sie jeden nur erdenklichen Grund gehabt. Sie blickte sich um und sah, dass sie am Rande einer Stadt zum Stehen gekommen war.

Beria drehte sich um. „Ist das die richtige Stadt, mein Schatz?“

Serina nickte und war schon dabei ihre Sachen zusammenzupacken. Erst jetzt bemerkte sie, dass die Sonne bereits untergegangen war. „Ja, hier wohnt meine Freundin. Ich kann ihnen beiden gar nicht genug danken, dass sie mich bis hierher gefahren habe. Ich hoffe, dass ich mich irgendwann revanchieren kann.“ Mit einer gekonnten Bewegung sprang sie vom Karren. Leichtfüßig kam sie auf und war schon auf den Weg in die Stadt.

„Warte, Kaya“, rief Beria ihr hinterher. „Es ist schon dunkel, vielleicht solltest du nicht alleine hier rum laufen.“

Natürlich konnte Serina jetzt schwer behaupten, dass sie gut auf sich alleine aufpassen könne, nach dem sie so viel Mühe hatte, ihr kleines-Mädchen-Image aufzubauen. Deshalb drehte sie sich, mit einem naiven Grinsen auf dem Gesicht, noch einmal zu den netten Leuten um. „Das ist wirklich kein Problem. Meine Freundin wohnt direkt hier um die Ecke.“ Sie zeigte in die entsprechende Richtung.

Beria nickte, doch nur sehr widerwillig, wie Serina auffiel. Serina betete nur, dass Beria jetzt nicht vom Karren sprang und darauf bestand, sie noch bis zur Tür zu bringen, denn dann hätte sie ein Problem. Zum Glück gab es da aber noch Haro. Er beugte sich zu seiner Frau rüber und flüsterte ihr etwas zu. Daraufhin lächelte Beria Serina zu. „Okay, Kaya. Dann auf Wiedersehen. Es war nett, dich kennen zu lernen.“

Serina winkte zum Abschied, ging dann weiter, noch immer den Blick der beiden auf sich spürend. An der nächsten Abzweigung bog sie links ab und blieb dann an der Hauswand gelehnt dort stehen. Sie lauschte in die Nacht herein. Sie hörte, wie die Peitschte schnellte und sich dann der Karren in Bewegung setzte. Serina wartete noch etwa weitere zehn Minuten, bevor sie sich wieder auf die Hauptstraße begab. Zuvor lugte sie noch einmal kurz um die Ecke, um sich zu vergewissern, dass Beria und Haro auch wirklich schon außer Sichtweite waren.

Sie schlenderte die verlassenen Straßen entlang. Aus manchen Häusern drangen noch dumpfe Stimmen. Serina wurde ein bisschen traurig. Ihr fiel wieder ein, dass sie nun ganz alleine war, bis sie Toph fand. Und dann war auch noch die Frage, ob Toph ihr überhaupt helfen würde. Aber Tarik war sehr zuversichtlich gewesen und Serina vertraute Tarik. Sie hoffte nur, dass sie Toph genau so mögen würde, wie Tarik. Denn sie konnte sich schwer vorstellen einen Lehrer zu haben, den sie nicht leiden konnte.

In ihren Augenwinkel sah sie plötzlich etwas und ging ein paar Schritte zurück. Sie stand vor einem Gasthof. Ein Lächeln zeigte sich auf ihrem Gesicht. Sie schaute in ihren Rucksack, um zu sehen, wie viel Geld Tarik ihr eingepackt hatte. Eine letzte Nacht in einem warmen Bett konnte sie sich leisten, entschied Serina. So machte sie die Tür auf und trat ein. Die Frau, die im Empfangsbereich saß, sah sie zwar etwas skeptisch an, doch gab ihr ohne weitere Fragen ein Zimmer.

Serina ließ sich auf ihr Bett fallen. Eigentlich war sie gar nicht müde, da sie fast den ganzen Weg hierher geschlafen hatte und trotzdem nahm sich Serina vor, wenigstens noch ein paar Stunden zu schlafen, denn es war die Frage, wie viel Schlaf sie in den nächsten Tagen und Wochen überhaupt kriegen würde. Erst einmal nahm sie noch mal die Karte in die Hand und schaute auf das Kreuz. Ba-Sing-Se war also ihr Ziel. Die große Stadt des Erdkönigreichs. Das Herz der Erdbändiger. Serina seufzte laut. Sie hatte schon viele Geschichten über die Mauer gehört, die nach all den Jahren immer noch stand. Ein Schutzwall, um die Feinde fern zu halten. Serina schluckte, als ihr bewusst wurde, dass sie nun zu den Feinden zählte. Sie hoffte nur, dass die Wasserbändiger noch nicht so weit gekommen waren.

Schließlich steckte sie die Karte wieder zurück und holte zum ersten Mal wieder das Buch von Meister Tarik hervor. Sie hielt es einige Momente in der Hand. Der Einband fühlte sich rau an, doch das war nicht sehr verwunderlich, da dieses Buch schon sehr alt war. Es war zu einer Zeit geschrieben worden, wo noch alle vier Nationen in Harmonie zusammen gelebt hatten. Und das war nun schon ungefähr 150 Jahre her. Behutsam öffnete sie das alte Buch. Es war in vier Kapitel eingeteilt, für jede Nation eins. Der Autor des Buches war nirgends erwähnt, was sie ein wenig seltsam fand.

Sie zuckte mit der Schulter und schlug das Buch an der von ihr gewollten Stelle auf. Sie fing beim dritten Kapitel „Das Erdkönigreich“ an. Immerhin musste sie das als Erstes lernen. Die Entstehungsgeschichte der Erdbändiger überflog sie, da ihr diese nur zu gut bekannt war. Meister Tarik hatte sie sehr oft erzählt. Dafür las sie dann die Stelle, wo es um die Natur des Erdvolkes ging, etwas genauer. Nach dem Beschreibungen zufolge schien das Erdvolk ein sehr stolzes Volk zu sein. Stark und standhaft. Sie ließen sich nicht gerne von anderem Befehle erteilen. Sie folgten nur dem Stärksten, in ihrem Fall dem König. Serina überlegte kurz. Das war wohl auch der Grund, weshalb sie die Nation war, die am längsten gegen die Feuernation durchgehalten hatte. Ba-Sing-Se hatte standgehalten, bis Prinzessin Azula die Stadt von innen zerstört hatte.

Serina las noch etwas über die Stadt Ba-Sing-Se, denn schließlich würde sie schon morgen dort ankommen. Dann verstaute sie das Buch wieder und legte sich schlafen. Sie schloss die Augen, doch spürte überhaupt keine Müdigkeit. Höchstwahrscheinlich würde sie noch lange wach liegen, bis sie schließlich einschlief. Sie dachte an zu Hause. Wie sie mit Paku immer bis spät in die Nacht hinein, Geschichten erzählt hatte. Eine kleine Träne huschte über ihre Wange. Wie sehr wünschte sie sich, jetzt Paku an ihrer Seite zu wissen. Er würde sie trösten, so wie er es immer getan hatte, wenn sie traurig war und würde mit lustigen Geschichten versuchen, sie wieder aufzuheitern.

Sie beide, Serina und Paku, waren ohne Eltern aufgewachsen und hatten nur sich gehabt. Sie waren die besten Freunde, fast schon Geschwister füreinander. Und sie hatten sich geschworen, immer zusammen zu bleiben. Und jetzt hatte Serina ihn einfach so zurückgelassen, ohne sich überhaupt zu verabschieden. Sie fühlte sich schuldig deswegen. Meister Tarik hatte ihr verboten, ihn mitzunehmen, aber Serina musste in diesem einen Punkt ihrem Meister widersprechen. Er hatte ein falsches Bild von Paku. Immerhin waren er und Serina die besten Freunde, da würde er seine Vergangenheit vergessen. Es wäre ihm gleich, was damals passiert war. Da war sich Serina hundertprozentig sicher.

Mit den Gedanken an Paku schlief sie schließlich ein.

Ba-Sing-Se

Ba-Sing-Se
 

Ba-Sing-Se, die große Stadt des Erdkönigreichs. Serina fand eher, dass sie riesig war. Schon alleine die Mauer schien unüberwindbar zu sein. Der Weg hierhin war steinig gewesen und das wortwörtlich. Es war bereits schon später Nachmittag. Gleich hinter dem Berg, war die Beschreibung der Wirts-Frau gewesen. Wirklich weit klingt das ja nicht. Da hatte sich Serina jedoch getäuscht. Es war mühselig gewesen über den Berg zu kraxeln. Mehrere Male wäre sie fast auf den Steinen ausgerutscht. Serina fragte sich, wie sie Erdbändigerin werden sollte, wenn sie nicht einmal ohne Probleme einen Berg überqueren konnte.

Schließlich hatte sie es geschafft und saß jetzt in einem Gebüsch, wo sie den Eingang zur Stadt gut im Blick hatte. Ärgerlich betrachtete sie das Geschehen. Jeder Neuankömmling wurde genauestens kontrolliert. Die Wachen hatten mehrere Steckbriefe in der Hand. Auch wenn kein einziger Wasserbändiger zu sehen war, wusste Serina, dass sie dort waren. Vom Berg aus, hatte sie ihr Schiff gesehen. Sie waren schneller gewesen, als Serina gedacht hatte. Und jetzt saß sie hier und wusste nicht, wie sie in die Stadt gelangen sollte. Einfach durchs Haupttor war unmöglich. Und die Mauer konnte sie auch schwer überwinden. Wenn sie doch nur schon Luftbändigen könnte, dann wäre das kein großes Problem. Sie seufzte resigniert und starrte weiterhin auf die Wachen.

„Na, was sucht denn eine Wasserbändigerin so verdächtig hier im Gebüsch?“ Serina zuckte zusammen und schrie auf. Ein Junge stand plötzlich neben ihr, der ziemlich breit grinste. Sie hatte ihn gar nicht kommen hören, was Serina sehr merkwürdig fand. Sonst hatte sie sich immer auf ihre Ohren verlassen können. Der Junge ließ sich neben ihr nieder und betrachtete sie interessiert. Er legte den Kopf schräg, so wie Hunde es immer tun.

Erst jetzt realisierte Serina, was der Junge eben gesagt hatte. „Warum denkst du denn, dass ich eine Wasserbändigerin bin?“ Panik stieg in ihr auf. Wenn dieser Junge die Wahrheit wusste, war sie hier nicht mehr sicher.

„Also, der erste Anhaltspunkt ist deine Frisur. Keiner aus dem Erdkönigreich würde so eine blöde Frisur tragen.“ Serina packte sich auf den Kopf. Klug genug, um ihre Kleidung zu wechseln war sie, aber an die Haare hatte sie nicht gedacht. Schnell holte sie die Bändchen raus. Sie kämmte sich kurz mit den Fingern die Haare, damit sie glatt herunterfielen.

Der Junge lehnte sich gegen den nächsten Baum und verschränkte seine Arme hinter den Kopf. „Das sieht doch schon viel besser aus, Süße. Offene Haare stehen dir wirklich gut.“

Serina lächelte, als ihr plötzlich wieder einfiel, dass dieser Junge eine potentielle Gefahr bedeuten konnte. „Was willst du von mir?“, wollte sie wissen. Das Lächeln war nun von ihrem Gesicht gewichen und sie durchbohrte den Jungen förmlich mit ihren Blick.

Doch der ließ sich davon nicht beeindrucken. „Ganz ruhig, Süße. Die Frage lautet doch wohl eher“, er beugte sich vor und stupste ihr mit dem Zeigefinger auf die Nase, „was du von mir willst.“

Serina schaute ihn verdutzt an. „Wie bitte? Was redest du da eigentlich?“

Der Junge kramte in seiner Jackentasche, holte ein Blatt Papier hervor und hielt es Serina direkt vor die Nase. So nah wie es war, konnte sie überhaupt nichts erkennen, deshalb schnappte sie es sich und schaute genauer hin. Es war der Steckbrief, den auch die Wachen vorne am Tor in der Hand hielten. Es war ein relativ passables Bild von Serina darauf, sodass sie jeder sofort erkennen konnte. Und zu ihrem Erschrecken stand darunter, dass es eine Belohnung für sie geben würde, tot oder lebendig. Na toll, jetzt wird jeder hinter mir her sein, dachte sie. Etwas Positives war jedoch vorhanden, nämlich stand nicht darauf, dass sie der nächste Avatar war.

Sie schaute wieder zu dem Jungen und überlegte, ob er eine Gefahr war. Bis jetzt hatte er sich noch nicht gerührt, doch Serina entschied, dass es ein zu großes Risiko wäre. Vorsichtig holte sie ihre Wasserflasche hervor und dann ging alles sehr schnell. Sie schleuderte drei spitze Eiszapfen auf ihn zu, so gezielt, dass sie sich in der Kleidung verfangen sollten und ihm am Baum festnagelten. Doch soweit kam es nicht. Der Junge zückte blitzschnell sein Schwert und zerstörte zwei von den drei Geschossen. Die Dritte fand ihr Ziel und blieb im Baum stecken. Der Junge steckte sein Schwert weg. „Warte doch mal, Kleine.“ Serina blieb stehen, doch sie hatte bereits Wasser in ihrer Hand gesammelt. Eine falsche Bewegung und sie würde zuschlagen. „Ich will dich nicht verraten.“

Serina wusste nicht warum, aber sie glaubte diesem Jungen. Doch sie vergaß nicht ihre Ausbildung. Sie blieb in Kampfstellung, trat jedoch einen Schritt zurück, um ihm ein bisschen mehr Platz zu schaffen. „Sprich weiter“, verlangte sie.

Ganz langsam zog er den Eiszapfen aus dem Baumstamm. Daraufhin lehnte er sich wieder ganz gelassen an den Baum, als ob nichts geschehen wäre. „Ich kann dich gar nicht verraten, selbst wenn ich es wollte.“ Er warf ihr ein weiteres Blatt hin. „Dann würde ich nämlich selbst im Gefängnis landen.“

Serina betrachtete den Steckbrief. „Ein Dieb?“, fragte sie überrascht.

Er zuckte mit den Schultern. „Irgendwie muss man sich doch sein Essen verdienen. Und jetzt tu bloß nicht so edelmütig. Du musst etwas ganz Großes ausgefressen haben, wenn sie schon tot mit dir zufrieden sind.“

Serina schaute zu Boden. „Darüber möchte ich lieber nicht reden.“

„Ist okay, Püppchen. Aber eins weiß ich. Du hast niemanden umgebracht.“ Er grinste wieder so überlegen.

„Wie kannst du dir da so sicher sein?“ Serina musterte den Jungen. Er war irgendwie seltsam. Zum einen war er ein Dieb und trotzdem mochte sie ihn auf Anhieb. Er war zwar etwas unverschämt, doch irgendwie liebenswürdig.

„Es gibt ganze zwei Sachen, die ich besonders gut kann. Das eine ist Stehlen.“ Er holte ein Buch hervor. Erst beim näheren Hinsehen begriff Serina, dass es das Buch ihres Meisters war. Schnell nahm sie es ihm wieder aus der Hand. „Das zweite ist Menschenkenntnis. Du hast noch niemanden umgebracht und so zerbrechlich, wie du aussiehst, wirst du das auch nie tun.“

„Hör mal zu, du Großmaul. Ich bin ganz und gar nicht zerbrechlich. Wenn ich wollte, könnte ich dich mit einem Streich erledigen“, drohte sie ihm.

„Ja, das habe ich ja eben gesehen. Wirklich beeindruckend. Ich bin übrigens Tao. Ausgebildeter Dieb und Landstreicher.“ Er erhob sich und machte eine überschwängliche Verbeugung.

Sie ergriff seine Hand und zerrte ihn wieder zu Boden. Keiner durfte sie hier sehen. Natürlich nutzte Tao das aus und verlor absichtlich sein Gleichgewicht, sodass er voll auf sie drauffiel. „Und darf ich deinen Namen erfahren, Mäuschen?“ Er stützte sich ab, damit er ihr ins Gesicht blicken konnte. Und schon wieder legte er seinen Kopf schräg.

Serina fand ihn überaus süß, jedoch wollte sie nicht diese Nähe. Behände schlüpfte sie unter seinen Armen hinweg und rollte sich gekonnt zur Seite. „Wenn du dann endlich aufhörst, mir solche Spitznamen zu geben, liebend gern.“ Sie überlegte noch kurz, ob sie ihren richtigen Namen nennen sollte. „Mein Name ist Serina.“

„Wirklich ein überaus entzückender Name.“ Er setzte sich wieder auf.

Nun war Serina doch neugierig. „Also, Tao, was willst du eigentlich von mir?“

„Du hast es immer noch nicht begriffen.“ Gespielt enttäuscht schüttelte er den Kopf. „Wie ich schon vorhin gesagt habe, lautet die Frage eher, was du von mir willst.“

Serina verstand immer noch nicht, was Tao ihm damit sagen wollte. „Ich gebe dir einen kleinen Tipp.“ Er zeigte auf die Mauer. Serina folgte seiner Hand. „Ba-Sing-Se?“ langsam wurde es ihr peinlich, doch immer noch wusste sie nicht, was er meinte.

Tao seufzte frustriert auf. „Ich dachte, du wärst klüger. Willst du etwa nicht da rein? Ich dachte nur, weil du hier so verschwörerisch im Gebüsch hockst.“

Nun hellte Serinas Miene sich sichtlich auf. Sie wurde total aufgeregt. „Heißt das, du kennst einen Weg? Einen Weg ohne Wachen?“

„Spätzchen, ich bin Tao.“ Er zwinkerte ihr zu. „Natürlich kenne ich einen Weg.“ Er ergriff ihre Hand und zog sie hoch. „Komm mit.“ Er bedeutete ihr, sich gebückt zu halten. Serina tat, wie ihr geheißen. Wenn sie nach Ba-Sing-Se wollte, musste sie Tao vertrauen, auch wenn ihr Meister ihr etwas anderes geraten hatte. Sie liefen noch eine Zeit lang durch das Gestrüpp, bis Tao plötzlich stehen blieb. Er wandte sich an Serina. „Hier ist die einzige knifflige Stelle. Wir müssen jetzt rüber zur Mauer und zwar ohne von den Wachen da oben gesehen zu werden.“ Er zeigte an die Spitze, wo Serina alle paar Meter eine patrouillierende Wache ausmachen konnte.

„Soll ich für etwas Tarnung sorgen?“, fragte sie. Sie streckte ihre Hand aus und um sie herum bildete sich Nebel.

Tao schien zu überlegen, doch dann grinste er schief. „Nimm mir es nicht übel, Süße, aber so ein Fleckchen Nebel ist genau so verdächtig, wie zwei huschende Schatten.“

„Ich kann den Nebel so erzeugen, dass er das ganze Blickfeld der Wachen einnimmt.“

Für einen Moment schien Tao sprachlos. Dann schüttelte er jedoch den Kopf. „Das schaffen wir auch so, mein Schatz. Du hast dich eben so elegant aus meiner Umarmung befreit, dann wirst du das auch hinkriegen.“

Dieser Tao war wirklich ein Großkotz, doch Serina würde es ihm schon zeigen. Sie schaute zur Mauer und schätzte die Entfernung ab. Daraufhin analysierte sie die Bewegungen der Wachen. Sie schienen wie einstudiert. Die Wachen liefen auf der Mauer entlang und immer, wenn sie die Richtung wechselten, schauten sie kurz herunter. Gerade an so einer Stelle, schrie Serina „Jetzt!“ und rannte los. Sie war schon immer ziemlich schnell gewesen. Bei jeden Wettrennen hatte sie Paku geschlagen, obwohl er fünf Jahre älter war und wesentlich größer.

Serina spürte, wie Tao unwesentlich hinter ihr lief. Er war gut und Serina war gespannt, ob er sie überholen konnte. Sie legte noch an Geschwindigkeit zu und übersah dabei die Wurzel.

Ihr Fuß blieb hängen und dieses Mal schaffte sie es nicht, sich noch zu fangen. Mit voller Geschwindigkeit stürzte sie zu Boden.

Serina schaltete schnell, wollte direkt wieder aufspringen, doch ein Druck hielt sie am Boden. „Bleib liegen“, befahl Tao, der auf sie drauf gesprungen war. „Das wird zu knapp. Etwas Nebel wäre jetzt nicht verkehrt“, schlug er vor.

„Liebend gerne, doch dafür brauche ich meine Hand.“ Sie zog daran, doch Tao lag mit seinem gesamten Gewicht auf ihr.

„Tschuldigung“, meinte er und rollte sich zur Seite. Die Hand fühlte sich etwas taub an, doch es musste einfach funktionieren. Sie streckte ihr Arme aus und machte ein paar schlenkernde Bewegungen, so gut es ihr im Liegen möglich war. Sie versuchte sich zu konzentrieren, das Wasser in der Luft zu spüren. „Schneller“, beharrte Tao. Der Junge hatte Nerven. Es war nicht unbedingt ein Kinderspiel den ganzen Boden mit Nebel zu bedecken, selbst wenn die Luftfeuchtigkeit wie heute sehr hoch war. „Beeil dich, Serina.“ Tao schaute nach oben und sah, dass die Wache jeden Moment hinunterblicken würde.

Unter Druck war Serina noch nie wirklich gut gewesen. Als sie eben den Vorschlag gemacht hatte, hatte sie gedacht, sie hätte Zeit, sich zu konzentrieren. Sie holte ein paar Mal tief Luft und schloss die Augen. Sie musste das Drumherum vergessen, sich nur auf das Wasser konzentrieren. Du bist stark, Serina, kam das Geschriebene von Tarik ihr in den Sinn. Und in diesem Moment hatte Serina das ganze Wasser im Umfeld erfasst und verwandelte es mit einer Bewegung in Nebel. Genau in dem Moment sah Tao, wie der Wächter gerade den Kopf drehte. Tao atmete erleichtert auf, als er dann nur noch weiß um sich sah. Er drehte sich zu Serina um, mit diesen Lausbubengrinsen, als ob er überhaupt keine Angst gehabt hätte. „Da hast du es aber spannend gemacht.“

Sie legte einen Zeigefinger auf ihre Lippen. „Sei still. Wir sind noch nicht außer Gefahr. Sie könnten misstrauisch werden, immerhin wissen sie, dass ich eine Wasserbändigerin bin.“ In dem Moment, als Serina das aussprach, wurde ihr erst bewusst, in was für einer Gefahr sie sich befand. Sie blickte zu Tao, der durch den Nebel versuchte, die Wache zu beobachten. Ihn hatte sie genauso in Bedrängnis gebracht. Wenn sie in Ba-Sing-Se war, musste sie sich sofort von ihm trennen. Es war nicht fair, ihn zu gefährden, nur weil sie sich einsam fühlte. Es war ihr Schicksal und da musste sie ganz alleine durch.

„Ich glaube, wir können wieder“, flüsterte Tao ihr ins Ohr.

Serina schaute kurz nach oben. Vier Augen sahen immerhin mehr als zwei. Sie stimmte Tao zu, sagte es ihm und gemeinsam rannten sie die letzten Meter zur Mauer. Sie lehnten sich beide dagegen und verschnauften kurz. Der Nebel war mittlerweile wieder verschwunden, da sich Serina nicht länger darauf konzentrierte.

„Der Eingang ist nicht mehr weit. Ein paar Meter noch an der Mauer entlang.“ Er zeigte kurz in die entsprechende Richtung und stampfte dann los.

Was Tao für ‚ein paar Meter’ hielt, war für Serina schon wesentlich mehr. Das fiel Serina nur noch mehr auf, da irgendwie eine unangenehme Stille zwischen den beiden entstanden war. „Warum hilfst du mir eigentlich, Tao?“ Serina war schon die ganze Zeit darüber am Grübeln gewesen. „Willst du vielleicht irgendwas dafür?“

„Nein!“, sagte Tao bestimmt. Er ging noch immer weiter, den Rücken zu Serina gewandt.

„Aber warum tust du es dann?“, wollte Serina wissen.

„Naja“, jetzt drehte er sich um und ging dabei weiter rückwärts an der Mauer entlang. „wie du da im Gebüsch gehockt hast, sahst du irgendwie so verloren aus. Außerdem bist du ganz niedlich.“

Serina stemmte die Hände in die Hüften und wollte gerade etwas auf dieses ‚niedlich’ erwidern, als von Tao ein Schrei ertönte: „Wir sind da!“ Serina betrachtete die Stelle an der Mauer, wo sie gerade stehen geblieben waren, doch sie konnte nichts Besonderes erkennen. „Und was soll hier sein?“, fragte sie ein bisschen verärgert, doch wusste selbst nicht, warum.

„Wart’s ab, Süße.“ Tao zwinkerte ihr zu.

Plötzlich kam Serina etwas in den Sinn. „Bist du etwa ein Erdbändiger?“ Sie war ganz aufgeregt. Wenn es wirklich so sein sollte, hätte sie einen Ersatz, wenn sie Toph nicht finden würde.

Doch Tao zerstörte augenblicklich ihre Hoffnungen. „Nein“, meinte er ganz nüchtern. „Aber mein Freund, auf der anderen Seite.“ Tao klopfte gegen die Mauer, so wie man gegen eine Tür klopft.

„Das hört er doch niemals. Weißt du denn nicht, wie dick diese Mauer ist?“ In diesem Moment öffnete sich die Wand. Erstaunt und fassungslos starrte sie auf den gerade entstandenen Durchgang. Sie bückte sich, um tiefer in das Loch schauen zu können.

„Komm schon“, forderte Tao sie auf, der schon halb im Eingang stand. Er nahm Serinas Hand. „Ach ja und wegen meinem Freund. Er ist ein Dieb, wie er im Buche steht, also traue ihm bloß nicht.“

Sollte das eine Warnung sein? Meinte er etwa damit, dass sie ihm auch nicht trauen konnte? Plötzlich fühlte sie sich unwohl in ihrer Haut, folgte Tao jedoch trotzdem langsam. Doch dann fiel ihr etwas ein, dass sie wenigstens etwas beruhigte. Selbst wenn er das so gemeint haben sollte, würde sie ihn sowieso verlassen, kaum dass sie Ba-Sing-Se betreten hätte. Deshalb wollte sie es schnell hinter sich bringen und legte noch einen Zahn zu.

Es war stockfinster im Durchgang. Serina behielt deswegen immer eine Hand an der Wand, damit sie nicht plötzlich dagegen lief. Mit der anderen Hand hielt sie Tao fest. Genauso schnell, wie die Dunkelheit gekommen war, so schnell war sie auch wieder verschwunden. Die Helligkeit blendete sie und machte sie für ein paar Augenblicke blind. Und dann erstreckte sich die ganze Pracht von Ba-Sing-Se vor ihr. Es war dreckig, eng und heruntergekommen. Ganz anders, wie Serina es sich vorgestellt hatte. Sie war enttäuscht. Tao bemerkte ihren Gesichtsausdruck und beugte sich zu ihr vor. „Keine Angst, Süße, so sieht es nicht überall aus. Das hier ist die schlimmste Ecke von allen. Hier gammeln nur Gauner, Diebe und Betrüger rum.“

„Hey, Tao, alter Kumpel.“ Es kam ein junger Mann, so um die zwanzig Jahre vielleicht, auf sie zu. Er hatte kurze, hellblonde Haare und ein ähnliches Grinsen wie Tao auf dem Gesicht. Nur bei diesem Lächeln lief es Serina eiskalt den Rücken herunter. Es war nicht zu übersehen, dass es falsch war. Er streckte seine Hand aus und schüttelte die von Tao. Neben seinem Freund sah Tao aus, wie ein kleiner, dürrer Schwächling. Sein Freund war riesig und überaus muskelbepackt.

„Hey, Rock, lang nicht mehr gesehen! Wie laufen die Geschäfte so?“ Serina bemerkte sofort, dass das nur höfliches Geplänkel war. Anscheinend waren sie gar nicht so gute Freunde, wie sie zu Anfang gedacht hatte.

Rock jedoch ging gar nicht auf das Gesagte von Tao ein. Er hatte nur Augen für Serina. Sie fühlte sich unwohl in ihrer Haut, als er sie so musterte. Doch sie würde sich nicht von ihm einschüchtern lassen. Bevor Tao noch etwas sagen konnte, hatte sie schon ihre Hand zum Gruß ausgestreckt. „Hallo, mein Name ist Kaya.“ Rock ergriff sie sofort und gab ihr einen Kuss auf den Handrücken. Serina musste zugeben, dass er sich einschmeicheln konnte, aber davon würde sie sich nicht beirren lassen. Sie würde ihm nicht trauen, genauso wenig wie sie Tao weiterhin trauen würde. Es war falsch gewesen, das wusste sie jetzt. Auch wenn er nett gewesen war, auch wenn er ihr geholfen hatte, sie durfte ihm einfach nicht trauen. Immerhin hatte ihr Meister das befohlen. Sie sollte keinem vertrauen. Und sie würde sich an das Wort ihres Meisters halten.

Sie befreite ihre Hand und lächelte Rock zu. „Es war wirklich nett, dich kennen zu lernen, aber ich habe etwas Wichtiges zu erledigen und muss deshalb auf der Stelle los. Vielleicht begegnen wir uns irgendwann mal wieder. Es würde mich zumindest sehr freuen.“ Sie nickte zum Abschied und ging dann einfach davon. Tao hatte sie nicht mal mehr angesehen. Doch schon nach einigen Schritten, spürte sie ihn hinter sich. Als sie etwas weiter weg waren, in einer kleinen Gasse, holte Tao sie auf und hielt sie fest.

„Hey, Kleine, warum läufst du denn einfach weg, ohne Tschüss zu sagen?“

Serina drehte sich langsam um. Es hatte einen Grund gehabt, warum sie ihm nicht auf Wiedersehen gesagt hatte. Sie hatte ihn gern gewonnen und jetzt musste sie alleine weiter. Es war nun mal ihre Angelegenheit, diese Sache mit dem Avatar. Sie musste nun so schnell wie möglich weg. Jede Minute, die sie noch bei ihm war, würde ihn nur noch mehr gefährden. „Es tut mir leid, Tao. Aber ich muss jetzt alleine weiter. Ich bin dir wirklich dankbar, dass du mir geholfen hast. Aber ab jetzt brauche ich dich nicht mehr.“

„Aber vielleicht kann ich dir ja doch irgendwie helfen. Du weißt, ich bin relativ geschickt.“ Er zog eine Münze aus dem Nichts hervor.

Serina betrachtete die glänzende Münze. Doch schüttelte sofort den Kopf. „Nein, Tao“, sagte sie jetzt sehr energisch. „Das ist meine Aufgabe und die kann ich nur alleine machen.“

Sie musste wohl sehr überzeugend gewesen sein, denn Tao versuchte nicht mehr, sie irgendwie umzustimmen. Er sah sie nur noch an und nickte daraufhin. Serina drehte sich um und verschwand aus seiner Sicht.

„Viel Glück, Serina“, flüsterte er noch, was von Serina jedoch nicht mehr gehört wurde.

Die Stecknadel im Heuhaufen

Halli Hallo,

so, da bin ich auch schon wieder mit dem nächsten Kapitel. Ich konnte gar nicht mehr aufhören zu schreiben. Ich wollte auch noch meinen zwei Kommischreibern herzlich für die Kommentar danken.

Und jetzt wünsche ich euch viel Spaß beim Lesen.

LG

Lady_Sharif
 

Die Stecknadel im Heuhaufen
 

„Hey, Serina, ich hab dich.“ Paku zerrte den Vorhang beiseite. „Du musst wirklich mal lernen, dich besser zu verstecken. Es ist viel zu einfach, dich zu finden.“

Serina zog einen Schmollmund. „Du bist ja auch viel älter als ich. Da ist das doch kein Wunder.“ Beleidigt ließ sie sich auf den Boden nieder.

Paku hockte sich neben sie. „Das hat nichts mit dem Alter zu tun. Sondern mit Köpfchen.“ Er klopfte mit dem Zeigefinger gegen ihre Stirn. Serina schlug seine Hand weg und stand auf.

In der Tür hielt sie noch mal kurz inne. „Du bist so gemein. Natürlich hast du bessere Chancen, immerhin bist du schon elf. Ich bin doch gerade mal sechs.“ Mit diesen Worten stampfte sie lautstark davon. Sie hasste es, wenn Paku so war. Wenn er meinte, dass er nicht besser wäre, sondern dass sie einfach nur schlecht wäre. Außerdem konnte sie Verstecken spielen sowieso nicht leiden. Sie fand nie gute Verstecke und sie brauchte Stunden, bis sie Paku endlich mal gefunden hatte. Dafür war sie einfach nicht geboren. In anderen Sachen war sie dann schon viel talentierter. Zum Beispiel Wasserbändigen. Sie war die beste in ihrer Altersgruppe und wenn Paku sie mal zu sehr ärgerte, bekam er immer einen Schwall Wasser ab. Er war nämlich kein Wasserbändiger. Dafür trainierte er aber sehr hart mit dem Schwert, um irgendwann einmal ein starker Krieger zu werden.

Wenn Paku und Serina alleine waren, erzählte Paku ihr immer von seinen Plänen. Später, wenn er alt genug war, wollte er losziehen und den Mord an seinem Vater rächen. Serina mochte diese Gespräche nicht. Immer wenn sie darüber diskutierten wurde Paku so ernst und außerdem sah sie dann eine solche Wut in seinen Augen, die sie von ihm sonst nicht kannte. Er war eigentlich ein sehr lieber Junge. Immer war er für Serina da gewesen. In Zeiten, wo sie sich einsam gefühlt hatte, war er nachts in ihr Bett gekrochen und hatte ihr Gesellschaft geleistet.

Serina war froh, dass sie einen solchen Freund hatte. Er war der einzige Freund, den sie hatte, der einzige Mensch, der für sie so etwas wie eine Familie war. Serina sah in ihm sogar eine Art großen Bruder. Und wie große Brüder manchmal sind, konnte er auch ab und zu ziemlich nervig und gemein sein. Doch das legte sich schnell wieder.

„Hey, Serina, warte doch.“ Paku kam ihr hinterhergelaufen, doch Serina tat so, als ob sie ihn nicht gehört hatte. Stur ging sie weiter geradeaus. Mit einem kleinen Schlenker ihrer Hand ließ sie noch den Schnee hinter sich zu Eis gefrieren. Paku hatte nicht damit gerechnet, rutschte aus, konnte sich aber gerade noch rechtzeitig fangen, bevor er Bekanntschaft mit dem Boden machte. Nun sah er endlich ein, dass er ein wenig zu weit gegangen war. „Es tut mir leid“, sagte er in seinem sanftesten Tonfall.

Serina blieb stehen, drehte sich jedoch noch nicht um. „Ich wollte nicht so gemein sein. Ich will doch nur das Beste für dich. Du sollst, so viel wie möglich lernen und ich bringe dir das bei, was du von deinem Meister nicht lernst.“

Serina drehte sich um und sah ihn verständnislos an. „Verstecken und Leute aufspüren? Wofür soll das denn gut sein?“

„Wer weiß.“ Paku zuckte mit den Schultern. „Vielleicht wird es eines Tages mal sehr nützlich sein.“
 

Serina schlenderte über die großen und breiten Straßen von Ba-Sing-Se. Sie fühlte sich hier irgendwie verloren und klein. Ständig wurde sie von Leuten angerempelt, die ihren täglichen Pflichten nachgingen. Dabei sollte sie eigentlich unbemerkt bleiben. In einen kleinen Laden hatte sie sich noch schnell einen Umhang gekauft, damit nicht jeder sofort ihr Gesicht sah. Sie hoffte nur, dass sie so von den Wachen nicht so schnell bemerkt würde. Jetzt stand sie hier und blickte sich um. Überall waren Läden, Häuser und andere Gebäude. Irgendwo hier könnte Toph sein und Serina hatte keine Ahnung, wo sie mit ihrer Suche beginnen sollte. Paku hatte Recht gehabt, das Versteck spielen war vielleicht doch nicht so schlecht gewesen, leider war Serina nie wirklich besser darin geworden. Immer wurde sie von Paku in kürzester Zeit gefunden und sie hatte größte Probleme, von ihm eine Spur zu entdecken.

Und wie sollte sie erst in dieser Stadt Toph finden? Diese Stadt, die bestimmt dreimal so groß war, wie ihr zu Hause. Serina blieb für einen kurzen Augenblick stehen. Sie hatte sich geschworen, Toph zu finden. Sie hatte es ihrem Meister versprochen. Und deshalb würde sie es auch schaffen. Selbst Paku hatte immer Vertrauen in sie gehabt. Und was hatte ihr Meister immer gesagt: „Jeder hat Schwächen, Serina. Um diese zu begleichen, musst du deine Stärken ausspielen.“ Das würde sie tun. Und das Beste, was sie konnte, was sie täglich mit Paku trainiert hatte, war Lügen und das gekonnt umsetzten. Zumindest hatte das immer geklappt, wenn sie an ihr Ziel gelangen wollte. Schon auf dem Weg nach Ba-Sing-Se war es ihr gelungen. Vielleicht würde sie so auch Toph finden. Auch wenn es riskant war, so offen aufzutreten, beschloss sie es einfach zu tun. Eine andere Möglichkeit hatte sie nicht.

Somit ging sie weiter und trat in den nächsten Teeladen ein, den sie finden konnte. Sie setzte sich extra direkt an den Tresen. Der Inhaber war ein ziemlich großer, schlaksiger Kerl, mit einem grimmigen Gesichtsausdruck. Er wirkte nicht sehr sympathisch. Serina wollte als erstes die Lage analysieren, deshalb bestellte sie sich einen Kräutertee. Genüsslich nippte sie daran, immer nur einen kleinen Schluck, damit sie genügend Zeit hatte, sich umzuschauen. Meister Tarik hatte ihr oft eingetrichtert, ihre Umgebung im Auge zu behalten. Es war wichtig zu wissen, wo man ist, hatte er immer gesagt. So ließ Serina ihren Blick im Laden herumschweifen. Er war ziemlich voll, also eine gute Voraussetzung, für das, was sie vorhatte. Freunde und Familien saßen beisammen und redeten wild durcheinander. So würde keiner auf sie aufmerksam werden. Eine Person saß einsam an einem Tisch, doch der war in der hintersten Ecke und würde durch die Lautstärke wohl auch kaum etwas mitbekommen.

Serina entschloss, dass es nicht besser sein könnte, und wandte sich zum Ladeninhaber. „Entschuldigen Sie?“

Dieser schaute zu Serina, schien aber alles andere als begeistert zu sein, von einer Kundin angequatscht zu werden. „Was kann ich für sie tun?“, raunte er.

„Wie lange besitzen sie diesen Laden denn schon?“, fragte sie gekonnt interessiert.

Nun schien der Mann etwas weniger genervt zu sein. „Den habe ich schon mein Leben lang. Schon etwa an die zwanzig Jahre. Er ist mein ganzer Stolz.“

Perfekt, dachte Serina und lächelte in sich hinein. „Ich bin gerade auf einer langen Reise und recherchiere für ein Buch. Und da suche ich noch ein paar Informationsquellen.“

„Und sie denken da an mich?“, fragte er mit einem stolzen Unterton in der Stimme.

„Naja, sie könnten auf jeden Fall eine gute Hilfe sein. Ich suche eine ganz bestimmte Person. Sie soll hier in Ba-Sing-Se gewohnt haben oder lebt sogar immer noch hier.“ Sie wurde immer leiser, denn sie wollte so verschwörerisch wie möglich klingen, damit der Inhaber Interesse zeigte. Und es funktioniert, denn er kam etwas näher, um kein Wort zu verpassen.

„Um wen handelt es sich denn dabei? Sie müssen wissen, durch mein Geschäft, kenne ich sehr viele Leute.“ Es war nicht zu übersehen, dass er prahlte, doch das störte Serina wenig. Hauptsache, sie kam an die Information, die sie wollte.

„Sie heißt Toph Bei Fong. Sie hat beim Großen Krieg eine wichtige Rolle gespielt.“

Entrüstet richtete sich der Mann wieder auf. „Diese Verräterin suchen sie? Was soll das denn für ein Buch werden?“ Er war etwas laut geworden. Serina sah sich panisch um, doch zum Glück schien keiner aufmerksam geworden zu sein.

„Nicht, dass sie denken, ich würde mit dieser Person sympathisieren. Es geht mir hauptsächlich um eine gute Recherche. Und sie wäre dabei meine wichtigste Quelle. Also wissen sie, wo sie derzeit zu finden ist?“

Der Inhaber ging gar nicht mehr auf Serinas Frage ein. Er schnappte sich ein paar Tassen und fing an zu spülen. „Wenn sie mich fragen, hätte man sie aufhängen sollen. Sie ist und bleibt eine Verräterin. Eine Schande für das ganze Erdkönigreich.“

Serina wurde es langsam zu bunt. Wenn sie nicht bald die Information hatte, müsste sie ohne diese aus dem Laden verschwinden. Je länger sie an einem Ort blieb, desto größer wurde die Gefahr, dass die Wachen sie fanden. „Hören sie“, sagte sie nun etwas eindringlicher. „Ich will wirklich nur von ihnen wissen, ob sie wissen, wo sie heute wohnt? Immer noch hier in Ba-Sing-Se?“ Sie sah den Mann jetzt eindringlich an.

Dieser schien verwirrt zu sein. „Hier in Ba-Sing-Se? So verrückt wäre nicht mal Toph. Keine Ahnung, wo sie jetzt wohnt. Seit damals hat sie keiner mehr gesehen. Es gibt ein paar Gerüchte, dass sie irgendwo im Gebirge wohnt, wie ein Tier-“

„Dankeschön für die Auskunft.“ Serina stand auf, legte noch ein paar Münzen auf den Tresen und verließ so schnell wie möglich, den Laden. Sie hatte sich schon viel zu lange hier aufgehalten. Dabei bemerkte sie jedoch nicht, dass ein Augenpaar sie verfolgte.
 

Draußen angekommen atmete sie erstmal die frische Luft ein. Das war wirklich nicht von großem Erfolg gekrönt gewesen. Zumindest wusste sie jetzt, dass sie nicht hier in Ba-Sing-Se war. Das hieß jedoch nur, dass Serina sich ganz umsonst in diese Gefahr gebracht hatte. Und Toph zu finden, würde jetzt nur noch schwieriger werden, immerhin gab es nicht gerade wenige Gebirge im Erdkönigreich.

Hilflos schaute sie sich um. Jetzt hieß es, unbemerkt wieder aus der Stadt zu verschwinden. Sie überlegte kurz, ob sie es wagen könnte, über Nacht hier zu blieben, denn es wurde schon allmählich dunkel. Noch eine weitere Nacht in einem warmen Bett klang sehr verlockend, aber es war zu riskant. Außerdem würde sie im Dunkeln wohl leichteres Spiel haben, ungesehen aus Ba-Sing-Se zu verschwinden.

Somit machte sie sich auf den Weg zum Tor. Da es von innen so viel anders aussah und hinzukam, dass sie auf einen anderen Weg in die Stadt gelangt war, war es kaum verwunderlich, dass sie sich verlief. Irgendwann blieb sie verzweifelt in einer kleinen Gasse stehen. Sie rutschte an der Wand entlang zum Boden, zog ihre Knie an und legte den Kopf darauf. Sie war kurz davor, in Tränen auszubrechen. Wie hatte sie nur denken können, dass sie es alleine konnte? Ohne ihren Meister war sie nichts, nur ein verängstigtes kleines Mädchen. Sie war noch viel zu jung, um mit so etwas überhaupt fertig zu werden. Überall durch die Stadt marschierten Wachen auf der Suche nach ihr. Wer würde da nicht vor Angst eingehen? Wer würde da nicht verzweifeln?

Sie wusste, dass nur eine Person ihr in dieser Situation helfen konnte. Und das war ihr Meister. Sie knöpfte ihre Kleidung auf und fasste hinein. Dort ganz nah an ihrem Herzen hatte sie den Brief aufbewahrt. Doch sie konnte nichts spüren. Panisch ließ sie ihre Hand auf der anderen Seite suchen, doch dort war auch nichts zu finden. Sie packte ihren Rucksack und wühlte wie wild darin herum. Dort war der Brief auch nicht.

Nun war es so weit. Tränen liefen ihr die Wangen herunter. Dieser Brief war das Einzige, was sie an zu Hause erinnerte. Das Einzige, was ihr auf dieser Reise Mut hätte geben können. Die Worte ihres Meisters waren für Serina schon immer von großer Bedeutung gewesen. Und jetzt waren sie einfach weg. Verschwunden.

Serina hatte keine Ahnung, wo sie den Brief verloren hatte. Als sie die Kleidung gewechselt hatte, hatte sie den Brief sorgfältig in der Innentasche versteckt. Das nächste Mal hatte sie ihn zum Vorschein geholt, als sie morgens nach Ba-Sing-Se aufgebrochen war. Seitdem hatte sie ihn nicht mehr rausgeholt. Sie hatte dafür überhaupt keine Zeit gehabt, seit sie Tao getroffen hatte.

Tao! Hatte er etwa den Brief genommen? Immerhin hatte er ihr auch das Buch entwendet. Er war geschickt, leise und schnell. Serina war sich hundertprozentig sicher. Und das machte das Ganze nur noch schwerer. Tief in ihrem Inneren hatte sie gehofft, in Tao vielleicht einen Freund gefunden zu haben. Auch wenn sie ihn nicht mit auf ihre Reise nehmen konnte, hätte es gut getan zu wissen, dass nicht alle sie jagen würden, dass es ein paar Wenige gab, die auf ihrer Seite waren. Und nun hatte er sie so tief verletzt und verraten. Er war halt nur ein dreckiger, kleiner Dieb. Was hatte sie denn anderes erwartet?

Serina schalte sich selbst für ihre Naivität. Ab jetzt würde sie keinem mehr trauen. Jeden als einen Feind ansehen. Das war das Vernünftigste, was sie tun konnte. Am liebsten wäre sie jetzt auf die Suche nach diesem Dieb gegangen, doch das konnte sie nicht. Behalte dein Ziel immer im Auge. Das war das Motto ihres Meisters gewesen und er wäre zutiefst enttäuscht, wenn er wüsste, dass sie einem Stück Papier nachtrauerte.

„Nur noch einen kurzen Moment, dann mache ich weiter“, sprach sie leise zu sich selbst. Ihr wurde schlecht, als sie daran dachte, an den ganzen Wachen vorbei zu müssen. Ob das Tor wohl in der Nacht geschlossen wurde? Wenn das der Fall war, hätte Serina schlechte Karten.
 

„Warum denn so traurig, Mäuschen?“

Auch wenn Serina nicht mit dem Besuch von Tao gerechnet hatte, schaltete sie schnell. Vergleichbar mit der Schnelligkeit eines wilden Tieres war sie aufgesprungen und hatte Tao auf der gegenüberliegenden Wand festgenagelt. Ihre Augen funkelten vor Wut und ihre Stimme klang nicht anders. „Was willst du denn hier?“ Jedes einzelne Wort zog sie in die Länge. „Es wäre vielleicht klüger gewesen, nicht noch einmal aufzutauchen.“ Ihr Blut brodelte vor Zorn, doch sie wusste nicht, was sie tun konnte, um es zu besänftigen.

Tao hatte sich nicht großartig gewehrt und machte auch jetzt keine Versuche, um sich aus der Umklammerung zu befreien. Er wartete einfach nur ab, was Serina als Nächstes tun würde.

„Gib es mir zurück, dann lass ich dich vielleicht laufen“, befahl sie ihm. Sie lockerte ihren Griff ein wenig und ließ eine Hand von ihm los.

„Meinst du etwa das hier?“ Er zog ein Stück Papier aus seiner Tasche. Serina ergriff es sofort und faltete es voller Anspannung auf. Er war es. Es war wirklich der Brief von ihrem Meister. Überglücklich ihn wieder in Händen zu halten, vergaß sie Tao völlig. Ihre Augen huschten über jedes einzelne Wort und blieben schließlich an der Unterschrift von Tarik hängen.

Tao räusperte sich. „Schätzchen, ich will dich ja ungern stören, aber du hast ein gewaltiges Problem.“

Serina funkelte ihn böse an. „Ich würde wohl eher sagen, dass du ein gewaltiges Problem hast. Einfach meinen wertvollsten Schatz zu stehlen. Du hast vielleicht Nerven. Weißt du, was ich jetzt mit dir mache?“ Ihre Hand wanderte zu ihrer Wasserflasche.

„Stehlen? Ich habe den Brief nicht gestohlen. Du hast mein Ehrenwort als Dieb.“ Er hob seine rechte Hand, als Zeichen eines Schwurs.

„Ehrenwort?“, spottete Serina. „Du hast doch selbst gesagt, dass man Dieben nicht trauen kann.“

„Ja, aber solche Dieben wie Rock.“ Er klang überaus wütend. Serina war überrascht. Der dauergrinsende Tao konnte also auch zornig werden. „Rock war auch derjenige, der den Brief gestohlen hat.“ Seine Stimme wurde immer lauter. „Ich bin noch so nett, ihn dir zurückzubringen und dir fällt einfach nichts Besseres ein, als mich grundlos anzugreifen. Ich dachte, wir wären so etwas wie Freunde.“ Die letzten Sätze schrie er förmlich heraus.

Serina fühlte sich plötzlich total mies. Wie hatte sie Tao nur verdächtigen können? Sie war in dieser Ecke der Stadt so vielen Dieben und Gaunern begegnet. Es hätte wirklich jeder sein können. „Tao, es tut mir leid“, sagte sie etwas verlegen. Es war ihr peinlich, dass sie so ausgerastet war. Immerhin war es nur ein Brief. Nur ein paar Worte, mehr nicht.

„Ist schon gut.“ Er hatte sich zwar etwas beruhigt, aber Serina merkte ihm trotzdem an, dass er noch sauer war. „Es gibt jetzt wichtigere Sachen. Rock hat den Brief gelesen.“

„Was?“ Serina war entsetzt. Und das Einzige, woran sie dachte war, dass so ein Halunke etwas so Intimes von ihr gelesen hatte, bis ihr plötzlich einfiel, was dort in diesem Brief stand. Ihre Augen weiteten sich vor Schreck.

Tao nickte ihr zu. „Er hat mit dem König einen Handel abgeschlossen. Er hat die Informationen gegen seine Anschuldigungen in ein paar Fällen eingetauscht. Er ist jetzt ein freier Mann und das gesamte Erdkönigreich weiß jetzt, dass der Avatar sich in Ba-Sing-Se aufhält.“

Selbst als Tao diese Wort ausgesprochen hatte, konnte Serina sie noch nicht ganz fassen. Wie versteinert blieb sie einfach an Ort und Stelle stehen, nicht daran denkend, dass jeden Moment ein Erdbändiger um die Ecke spazieren könnte.

Tao ergriff ihre Hand. „Komm, Serina. Ich werde dich sicher aus dieser Stadt rausbringen.“ Sie sah ihn ungläubig an. Wie sollten sie zu zweit gegen eine ganze Stadt bestehen können? Jeder in Ba-Sing-Se hatte einen triftigen Grund, den Avatar an den König auszuliefern. Es war Angst.

Sie blickte noch einmal zu Tao. Er kannte die Wahrheit und hatte keine Angst. Er stand hier und wollte ihr helfen, genau wie Tarik ihr geholfen hatte. Er hatte ihr geholfen und hatte dafür bezahlt. Tao würde genauso dafür bezahlen. Niemand hilft ungestraft dem Avatar.

Sie wollte sich losreißen, doch Tao hielt sie weiterhin fest umklammert. Er blickte ihr in die Augen und durchschaute sie. Irgendwie wusste er immer, was sie gerade dachte. „Hab keine Angst, meine Kleine. Mir passiert nichts. Ich bin schon aus viel schlimmeren Situationen davongekommen. Und dich werde ich jetzt auch hier rausschaffen. Das verspreche ich.“ Mit diesen Satz lief er los und zog Serina einfach hinter sich her. Sie hatte keine andere Wahl, als ihm zu folgen. Sie hoffte nur, dass er Recht behalten würde.

Aufgeflogen!

Hey,

so endlich ist das nächste Kapitel fertig. Durch die Prüfungsphase hat sich das alles ein bisschen verschoben.

An dieser Stelle möchte ich einmal ganz herzlich meinen beiden Kommischreibern danken. Nochnoi und Kyuuo. Vielen Dank euch beiden.

Und jetzt wünsche ich euch nur noch viel Spaß beim Lesen.

LG Lady_Sharif
 

Aufgeflogen
 

Tao hielt sie immer fest an der Hand, fast so, als ob er sicher gehen wollte, dass er sie nicht verliere. Er rannte schnell, doch behielt dabei immer seine Umgebung im Auge. Bei jeder Ecke lugte er vorsichtig herum, um zu schauen, ob Wachen in der Nähe waren. Sie liefen nur dunkle, kleine Gassen entlang. Als sie einen Blick auf die Hauptstraße geworfen hatten, wusste sie, dass es zwecklos wäre. Überall liefen die Wachen umher und die normalen Leute wurden aufgefordert, sofort in ihre Häuser zurückzukehren. Bald würden nur noch Serina und Tao auf den Straßen herumrennen. Und natürlich die ganzen Wachen, die nur noch nach einem Mädchen suchten, was sich hier verbotenerweise aufhielt. Zwischen den Erdbändigern konnte Serina auch hier und da ein paar Wasserbändiger ausmachen. Leute, die sie kannte und die jetzt mit allen Mitteln nach ihr suchten. Vielleicht sogar Freunde. Menschen, die sie wegen ihrer Bändigerfähigkeiten immer gelobt und geachtet hatten. Serina konnte sogar Sorana erblicken, die Frau, die ihr das Heilen beigebracht hatte. Serina wurde traurig. Es gab nichts Schlimmeres, als Freunde, sie sich gegen einen stellen. Tao hatte sie von diesem Anblick weggezogen und jetzt irrten sie schon etwa zehn Minuten durch diese dunklen Gänge. Zumindest kam es Serina so vor. Sie musste sich eingestehen, dass sie ohne Tao wohl kaum so weit gekommen wäre. Vermutlich wäre sie sofort in einer Sackgasse gelandet und von Wachen umzingelt gewesen. Tao lief zwar Zick-Zack, doch an keiner Biegung zögerte er, sondern ging immer mit bestimmten Schritten weiter. Serina vertraute ihm nun völlig, sie hoffte nur, dass er seine Versprechen halten würde, sowohl das Eine, dass sie sicher aus der Stadt gelangte, als auch das Andere, dass ihm dabei nichts passierte. Es war schon schlimm genug, dass ihr Meister Tarik sich geopfert hatte. Es war nicht fair, dass ihre Freunde leiden mussten, nur weil sie der Avatar war.

Plötzlich blieb Tao stehen. Serina wäre ihm hinten reingelaufen, wenn er sich nicht umgedreht und sie abgefangen hätte. Er legte seine Hand auf ihren Mund, als sie vor Überraschung aufschreien wollte. Seine andere Hand wanderte zu seinem Mund und sein Zeigefinger legte sich vor seine Lippen. Serina nickte, um zu zeigen, dass sie verstanden hatte. Vorsichtig blickten sie um die Ecke. Schräg links vor ihnen lag das Tor. Es war sogar noch offen. Das wunderte Serina ein wenig. Wieso schlossen sie es nicht einfach und sperrten sie somit ein? Sie blickte Tao fragend an. Wie sie es erwartet hatte, musste sie ihre Frage nicht in Worte fassen, er verstand es auch so. Er bedeutete ihr ein paar Schritte zurückzugehen. Sie drückte sich so nah wie möglich an die Wand. „Sie lassen das Tor absichtlich offen“, meinte Tao leise.

„Aber warum? Das ist doch riskant“, warf Serina ein. Sie verstand es immer noch nicht, obwohl es für sie eine überaus gute Chance darstellte.

„Sieh dir das Aufgebot an Wachen an. Die wollen dich verspotten. Die wollen dir zeigen, dass du keine Chance hast. Das sind Erdbändiger, so sind sie nun einmal.“ Bisher war sein Tonfall sachlich und ernst, doch jetzt grinste er wieder. „Doch die wissen nicht, dass ich dir helfe. Da kann doch gar nichts mehr schief gehen.“ Er zog sein Schwert. Serina hatte ihn zwar bisher nur einmal kurz kämpfen gesehen, doch da hatte er großes Geschick bewiesen. Sie war davon überzeugt, dass er ein relativ guter Kämpfer war. Schnell war er zumindest. Serina gefiel es jedoch nicht, dass Tao immer dachte, dass er der Beste wäre.

Sie nahm ihre Wasserflasche hervor und öffnete sie. Mit einer Handbewegung zog sie das Wasser daraus hervor. „Vergiss nicht, dass ich auch noch da bin. Schließlich bin ich der Avatar.“

Taos Grinsen wurde noch breiter. „Ich mag starke Mädchen, Süße.“ Er schaute noch einmal kurz um die Ecke und wandte sich dann wieder Serina zu. „Pass auf, wir gehen folgendermaßen vor. Wir konzentrieren uns nur auf das Tor. Das Wichtigste ist, aus dieser Stadt zu gelangen. Wir werden nur die Erdbändiger ausschalten, die uns auf dem Weg in die Quere kommen.“

Eben noch stark und zuversichtlich, war Serina plötzlich sehr unsicher. Ausschalten? Wollte Tao die Leute etwa töten? Ihre Hand fing an zu zittern. Sie könnte doch niemanden umbringen. Auch wenn all diese Leute gegen sie waren. Auch wenn all diese Leute, sie ohne zu Zögern in die nächste Welt befördern würden, sie konnte das nicht. Sie starrte auf ihre Hand, auf das Wasser, das diese umschloss. Sie hatte bisher nur auf Zielscheiben geschossen, selten hatte sie gegen Mitschüler gekämpft. Sie hatte das nie gewollt aus der Angst heraus, dass sie jemanden verletzen könnte. Tarik hatte das immer respektiert. Auch wenn er zum Schluss hin immer öfter die Frage gestellt hatte, ob sie nicht doch mal gegen einen Mitschüler kämpfen wolle. Vielleicht hatte er geahnt, dass sie es in gar nicht allzu langer Zeit häufiger tun musste. Aber Serina konnte nichts gegen ihre Natur machen. Sie war zwar talentiert, doch eine Kriegerin war sie deshalb noch lange nicht.

„Hey, Serina, alles in Ordnung?“ Serina spürte Taos Hand auf ihrer Schulter. Erst jetzt merkte sie, dass sie auf den Boden saß. Sie schaute zu ihm auf. „Du bist plötzlich so blass geworden und deine Augen waren so weit aufgerissen“, gab er zur Erklärung.

„Ich kann das nicht.“ Es war fast nur ein leiser Hauch. „Ich kann-“, doch ihre Stimme brach weg und Tränen bahnten sich ihren Weg frei.

„Hey!“ Tao beugte sich zu ihr runter. „Was ist denn los?“ Man sah ihm deutlich an, dass ihm die Situation unbehaglich war. Er war sich unsicher, was er tun sollte. Immer wieder wanderte eine Hand nahe an Serinas Wange, doch berühren tat er sie nicht. Denn kurz davor zog er sie wieder zurück. Mit weinenden Mädchen hatte er noch nie gut umgehen können.

Schließlich entschied er sich dafür, Serinas Hand zu ergreifen, um sie wieder zur Vernunft zu bringen. „Hey, Kleine. Warum weinst du denn?“

Durch die Berührung kam sie wieder etwas zu sich. Sie sah Tao an, immer noch mit tränennassen Augen. „Ich kann das nicht, Tao“, gab sie unter Schniefen von sich.

„Was denn?“

„Ich meine … Du willst diese Menschen töten, oder?“ Sie hatte aufgehört zu weinen, doch Tao sah deutlich den Schmerz in ihren Augen. Jetzt verstand er endlich. Bis eben war er sich so hilflos vorgekommen, wusste nicht, was er tun sollte. Doch nun kannte er das Problem. Ein kleines Mädchen, das niemanden etwas zu Leide tun wollte.

„Hör mal zu, mein Liebes. Du musst niemanden töten und ich werde das auch nicht tun, wenn es sich vermeiden lässt. Wir müssen sie nur aufhalten. Solange, bis wir eben fliehen können. Es wird ganz einfach, das verspreche ich dir. Wenn du erst einmal dabei bist, macht es richtig Spaß.“ Wieder dieses Lächeln. Serina hatte es langsam satt. Schnell riss sie ihre Hand los.

„Spaß?“, fragte sie angewidert. „Ich will niemanden wehtun, Tao. Aber ich glaube, das kannst du nicht verstehen. Für dich ist das alles hier doch nur ein Spiel.“

„Nein, ist es nicht.“ Seine Stimme wurde lauter. „Ich weiß ganz genau, was hier auf dem Spiel steht. Nämlich dein Leben.“ Er sah sie kurz an.

„Und deines auch“, fügte sie leise hinzu.

Tao zeigte nicht, ob er es gehört hatte. „Ich weiß, dass wir ein paar Leute verletzten müssen, aber das ist es wert, Serina. Ich möchte nur, dass du heil aus dieser Stadt herauskommst.“ Er sah sie eindringlich an, schon fast flehend.

Serina wusste, wie ihm zu mute war. Sie wollte auch aus dieser Stadt heraus, doch sie konnte nichts gegen dieses Gefühl ausrichten. Sie hatte Angst davor, jemandem wehzutun. Sie wollte es nicht. „Das sind Mensch da draußen.“ Serina zeigte in die besagte Richtung. „Ich kann sie nicht verletzten.“

„Jetzt hör mal zu, Kleine. Die würden dich ohne mit der Wimper zu zucken, verletzten, wenn nicht sogar töten. Die haben kein Mitleid, also haben sie auch keines verdient. Verstehst du es endlich?“ Tao wurde ungeduldig. Serina konnte es förmlich spüren. Sie benahm sich ja auch kindisch, das war ihr mehr als bewusst. Doch sie konnte nichts dagegen tun.

„Vielleicht wäre es einfacher, wenn ich mich ergeben würde. Es ist nun mal mein Schicksal und früher oder später werden sie mich sowieso fangen. So würde zumindest keiner zu Schaden kommen.“

„Nein!“ Tao schlug mit seiner Faust gegen die harte Wand. Sein Atem ging schnell. Serina sah, dass er sich sehr beherrschen musste, um nicht sofort auszuflippen. „So etwas wie ein vorgegebenes Schicksal gibt es nicht. Man muss sein Schicksal selbst bestimmen. Und manchmal muss man sich auch wehren. Man kann nicht einfach Nichtstuend dasitzen und alles auf sein Schicksal abschieben. Man hat immer eine Wahl. Und deine Wahl ist jetzt, hier zu kämpfen und aus dieser Stadt zu gelangen. Wenn es nötig ist, werde ich dich aus dieser Stadt schleifen. Doch ich werde dich hier rauskriegen.“ Er sah sie nicht an, sondern starrte nur auf die Steine der Wand. Er atmete noch ein paar Mal tief ein, um sich zu beruhigen.

Serina stand auf. Immer noch dieses Gefühl im Magen, dass es falsch war. Doch Tao riskierte so viel, dass es unfair wäre, ihn jetzt einfach im Stich zu lassen. „Ich werde es versuchen, Tao. Ich kann für nichts garantieren, aber ich werde es versuchen.“

Tao nickte, immer noch ein wenig abwesend. Er schloss für einen Moment die Augen, verdrängte die Bilder, die ihm vor die Augen gehuscht waren. Bilder, die er für immer hatte vergessen wollen. Doch diese Situation war so ähnlich gewesen. Tao hoffte nur, dass sie nicht auf dieselbe Weise enden würde. Das würde er unter allen Umständen verhindern.

„Tao?“ Jetzt war es Serina, die ihn aus seinen Gedanken riss. Doch dieser hatte sich schneller wieder unter Kontrolle.

„Okay, dann lass es endlich losgehen. Halte dich immer an mich. Und wenn du Hilfe brauchst, dann ruf nach mir. Ich kann dich bestimmt nicht die ganze Zeit im Auge behalten.“

Serina nickte. Sagen konnte sie nichts, sonst hätte sie riskiert, dass sie sich wieder anders entschied, doch das wollte sie Tao nicht antun. Sie würde ihr bestes geben. Für Tao und für sich selbst auch.
 

Es ging alles so schnell, dass Serina überhaupt keine Zeit hatte, darüber nachzudenken, was sie tat. Gerade musste sie von rechts einen fliegenden Stein ausweichen, während sie links den Erdbändiger mit Eis umschloss. Sie handelte vielmehr instinktiv, als groß darüber nachzudenken. An ihrer Seite kämpfte Tao mit dem gleichen Prinzip. Er bewegte sich mit geschmeidigen Bewegungen. Wie ein Blitz huschte er durch die feindlichen Linien. Serina erkannte, dass es gar nicht so schlimm war, wie sie befürchtet hatte. Sie bemühte sich zwar, immer nur Attacken zu verwenden, die keinen einen größeren Schaden zufügen konnten, doch sie merkte, dass es ihr jetzt nur noch darum ging, diese Stadt zu verlassen. Die Feindseligkeit, die ihr förmlich entgegen geworfen wurde, konnte sie nicht mehr ertragen. Diese Leute griffen sie an, nur weil sie das Pech hatte, der Avatar zu sein.

Leider erwies sich ihr Ziel als schwerer als gedacht. Kaum waren sie aus ihrem Versteck getreten, waren sie sofort von Erdkugeln befeuert worden. Das hatte sie ablenken sollen. Zwar schlossen sie immer noch nicht das Tor, doch sie bauten eine menschliche Mauer davor auf. Es schien fast unmöglich, daran vorbeizukommen. Wie sollten sie eine derartige Überzahl an Leuten ausschalten.

Tao hatte dieselben Zweifel, doch behielt er sie für sich. Er wollte Serina nicht noch zusätzlich stressen. Immer wieder schaute er zu der menschlichen Kette, die einfach nur dastand und den Kampf beobachtete. Es waren genügend andere Bändiger dort, um die beiden zu beschäftigen. Tao und Serina kamen kaum von der Stelle. Hatten sie einen Erdbändiger ausgeschaltet, trat sofort der Nächste an seine Stelle. Es war zum Verzweifeln.

Es musste ein Wunder geschehen, damit sie hier rauskamen.

Serina und Tao kämpften jetzt schon beinahe eine halbe Stunde. Beide hatten mehrere Schrammen und Schnitte auf ihrem Körper verteilt. Doch keiner der beiden war im Begriff aufzugeben. Sie gaben alles, auch wenn es aussichtslos schien.

Und dann geschah das Wunder, als ob die Götter entschieden hätten, den einsamen zwei Kämpfern ihre Hilfe zu schicken. Wie aus heiterem Himmeln fing es plötzlich an zu regnen. Es war schon den ganzen Tag bewölkt gewesen, doch keiner hätte damit gerechnet, dass es genau in diesem Moment anfangen würde, zu regnen. Bisher hatte Serina nur mit dem wenigen Wasser kämpfen können, was sie in ihrer Flasche bei sich trug und hatte damit nicht mehr als zwei Leute gleichzeitig angreifen können. Doch bei diesen Wassermassen, die nun vom Himmel herunterfielen, sah das nun ganz anders aus.

„Tao“, rief sie. Er stand einige Meter von ihr entfernt. „Komm hinter mich.“ Sie konzentrierte sich weiter auf ihre Gegner und hatte keine Zeit, zu schauen, ob Tao sie gehört hatte. Doch schon eine Minute später spürte sie ihn hinter sich. Sie drehte sich kurz um. Er sah erschöpft aus. Sein Atem ging schnell und er schwitzte sehr. Serina ging es etwas besser. Sie hatte sich durch das harte Training eine gute Kondition angeeignet. „Halte mir den Rücken frei“, sagte sie zu ihm. „Ich werde jetzt vor uns ein bisschen aufräumen.“

Tao fragte nicht nach, was sie vor hatte. Er vertraute ihr und tat sein bestes, jeden Gegner, der es auf sie abgesehen hatte, zu erledigen.

Serina ließ das Wasser zurück in ihre Flasche gleiten. Dann streckte sie ihre Hände aus und die Tropfen, die vom Himmel fielen hielten plötzlich inne. Eine Wand aus Wasser baute sich vor ihr aus, die immer höher und dicker wurde, je mehr Wasser von oben hinzukam.

Die Erdbändiger, die sie von hinten angreifen wollte, hielten vor Erstaunen inne. So konnte auch Tao einen Blick riskieren, um zu erfahren, was hinter sich vorging. Er starrte auf die riesige Wand aus Wasser. „Wow“ Länger nahm er sich nicht Zeit, denn so hatte er die Chance, die paar Erdbändiger, die immer noch im Staunen versunken waren, ohne große Mühe zu besiegen.

Es war äußerst schwer, diese gewaltigen Wassermassen unter Kontrolle zu halten. Serina wusste, dass sie es nicht mehr lange aushalten würde. Wenn sie zu lange warten würde, würde das Wasser einfach auf den Boden fallen und sie und Tao dann genau so mit sich reißen, wie alle anderen. Deshalb entschied sie sich, kein weiteres Wasser mehr zu sammeln und es nun gezielt nach vorne zu stoßen. Es war erstaunlich. Es rauschte nach vorne wie eine riesige Flutwelle. Serina versuchte so gut es ging, die Schreie, die darauf folgten, zu ignorieren.

„Komm, Tao“, rief sie ihm über den Lärm entgegen. Es war zwar noch alles überflutet, doch Serina wollte für sie beide eine Gasse frei machen. So würden sie entkommen und hätten kaum welche verletzt. Es war wirklich ein Glück gewesen, dass es angefangen hatte, zu regnen. Serina wollte sich gar nicht ausmalen, was sonst passiert wäre. Sie wären beide nie aus dieser Stadt entkommen. Es wäre sinnlos gewesen.

Sie nahm Tao bei der Hand, sie wollte ihn nicht verlieren. Die andere Hand streckte sie aus und zwang das Wasser somit, für sie einen Weg frei zu machen. Sie schaute nur starr geradeaus, konzentrierte sich nur auf das Wasser. Sie wollte gar nicht die Menschen darin sehen, die versuchten unter der Wucht dieses Wassers wieder auf die Beine zu kommen. Sie spürte, wie Tao ihre Hand feste drückte, und es tat gut zu wissen, dass sie nicht alleine war.

„Das hast du gut gemacht, Schmetterling“, flüsterte er ihr ins Ohr. Er ließ sich von ihr führen, achtete nicht darauf, wo er langging, sondern behielt die Umgebung im Auge, denn er wusste, dass Serina genau das nicht tat. So waren sie auf alles vorbereitet. Sie waren ein gutes Team, fand Tao. Er hatte noch nie viel von einem Partner gehalten, er arbeitete lieber alleine, doch die Zusammenarbeit mit Serina gefiel ihm sehr.

Nun waren sie endlich am Tor angelangt. Die menschliche Mauer war nun verteilt und in einzelne Menschen zerbröckelt. Jeder versuchte sich selbst zu helfen. So konnten sie leicht hindurchgelangen. Die Freiheit war zum Greifen nahe, als plötzlich das Wasser verschwand.

„Serina?“ Tao hielt inne und einen Blick in Serinas Gesicht verriet ihr, dass sie nichts damit zu tun hatte. Und dann wurde es neblig um sie herum. So neblig, dass sie die Hand vor Augen nicht sehen konnten. Tao griff noch fester nach ihrer Hand. „Komm, lass uns von hier verschwinden.“ Nun übernahm er das Kommando. Er spürte, dass mit Serina etwas nicht stimmte. Sie war erschrocken stehen geblieben und ihre Hand hatte angefangen zu zittern. Er zog sie mehr mit sich, als dass sie selber lief.

„Wir sind fast in Sicherheit“, rief er ihr zu, als er von etwas Hartem an der Seite getroffen wurde. Instinktiv ließ er Serina los, damit sie nicht mit ihm zu Boden gerissen wurde. Er prallte auf den Boden und er spürte nur noch den Schmerz in seiner rechten Seite. Er schaute sich um, doch durch den Nebel konnte er nichts erkennen. Sein Feind blieb unerkannt. „Serina?“, rief er in das Weiß des Nebels, doch die Antwort blieb aus. Dabei müsste sie eigentlich nur zwei Schritte neben ihn stehen und ihn deutlich hören. Mit der linken Hand seine rechte Seite haltend, stand er unter Schmerzen wieder auf. Er tastete durch den dichten Nebel, doch er konnte Serina nicht finden. Anscheinend hatte er durch den Sturz die Orientierung verloren. Doch das hielt ihn nicht davon ab, weiter nach ihr zu suchen. Zumindest würde er sie nicht einfach hier zurücklassen.
 

Serina spürte nur noch wie Tao sie plötzlich losließ. Dann war sie alleine. Sie fürchtete sich und blieb stehen. Seit der Nebel aufgetaucht war zitterte sie vor Angst. Es könnte nur ein Zufall sein, doch das war sehr unwahrscheinlich. Es gab nur einen Wasserbändiger in ihrem Stamm, der es liebte seine Gegner zu verwirren, in dem er sie wie Blinde durch den Nebel irren ließ.

Schon als kleines Kind hatte sie Angst vor ihm gehabt. Schon immer war er gemein zu ihr gewesen. Bei seinen Gegnern zeigte er kein Mitleid und selbst bei Schülern war er skrupellos. Er meinte dann immer, dass es die Kinder auf das spätere Leben vorbereiten würde. Bei den meisten Kindern hatte es jedoch nur Angst und Schrecken vor Nebel verursacht. Und vor dem Mann, der ihn besser beherrschte, als jeder andere Wasserbändiger: Rahir.

Serina fühlte sich an ihren schlimmsten Trainingstag zurückversetzt. Der Nebel hatte sie umschlossen. Jedes Mal, wenn sie versucht hatte, den Nebel wieder in gewöhnliches Wasser zu verwandeln, war Rahir schneller gewesen. Er ließ keinen anderen Bändiger an sein Wasser heran. Sie hatte versucht, ihn anzugreifen, doch durch die Blindheit hatte sie keine einziges Mal getroffen. Dafür traf Rahir seine Gegner mit Präzision und Genauigkeit. Serina hatte den Kampf verloren, was keine Wunder gewesen war. Jeder Schüler hatte bisher gegen Rahir, den Oberkommandanten der Truppen des nördlichen Wasserstammes, verloren.

Und jetzt blühte Serina das gleiche Ende wie bei ihrem Trainingskampf. Sie wüsste nicht, wie sie ihn besiegen sollte. Wenn man blind war, konnte man nicht kämpfen. Besonders da sie fürchterliche Angst vor Nebel hatte, seit dem ersten Kampf mit Rahir. Wochenlang hatte sie Albträume gehabt, wie sie alleine durch den dichten Nebel irrte. Von Weitem hatte sie Paku immer wieder rufen hören, doch sie hatte ihn nie gefunden. Sie war ganz alleine gewesen.

Und jetzt war sie auch ganz alleine. Sie versuchte nicht einmal, den Nebel zu lichten. Es war ihr klar, dass das nichts nützen würde. Rahir würde es nicht zulassen. Sie stand nur da und wartete auf den Angriff. Denn dieser würde kommen. Schnell und brutal. Er würde sie besiegen. Vielleicht noch davor ein bisschen Spielen, wie er es nur zu gern tat. Wie um diese Tatsache zu bestätigen, ertönte plötzlich seine Stimme: „Na, Serina, hast du etwa schon Angst?“

So fing es immer an, mit diesem Satz. Sie hätte ihm am liebsten entgegengebrüllt, dass dies nicht der Fall war, doch ihre Lippen gehorchten ihr nicht mehr. Denn sie hatte fürchterliche Angst.

Sie hörte seine Schritte, seinen Atem, doch es schien aus allen Richtungen gleichzeitig zu kommen. Unmöglich konnte sie seine Position bestimmen. Vielleicht war er aber auch einfach nicht alleine. Serina blieb, wo sie war, rührte sich keinen Zentimeter. Was hätte es auch für einen Sinn, wegzulaufen, wenn man nicht wusste, wohin der Weg einen führte? So wartete sie still auf den Angriff. Doch dieser kam nicht. Sie hörte nur immer noch die Schritte, die mit jedem Mal näher zu kommen schienen. Und ein Flüstern, dass sie erschaudern ließ.

„Serina“, kam es immer wieder wie ein Windhauch an ihrem Ohr vorbei. Sie spürte eine Kälte ihren Nacken hochwandern. „Serina!“ Ein weiteres Flüstern aus einer völlig anderen Richtung, wie es schien.

Und dann: „Serina, wo bist du?“ Eine klare, helle, laute Stimme. Eine Stimme, die Serinas Herz höher schlagen ließ. Sie wollte antworten, doch sie war noch immer wie erstarrt. „Serina“, ertönte es erneut. Tao war hier. Tao war hier, um ihr zu helfen.

„Nein!“ Rahir flüsterte nicht mehr. Wütend vor Zorn schrie er. „Dein Freund wird dir nicht helfen. Du wirst hier und jetzt sterben.“

Dann sah Serina, wie für einen kurzen Augenblick, es war vermutlich nicht mal eine ganze Sekunde, der Nebel verschwand. Es war so kurz, dass Serina erst dachte, dass sie es sich eingebildet hätte. Doch sie hatte ganz deutlich seine Augen gesehen, die vor Wut, aber auch vor Vorfreude, glänzten.

Dann ging alles ganz schnell. Sie spürte, wie jemand an ihr vorbeilief und sich vor sie stellte. Dann hörte sie das Geräusch von zerspringenden Eis. Doch noch ein anderes Geräusch folgte. Ein schmerzlicher Schrei. Sie fasste nach vorne und bekam Taos Schulter zu fassen. „Tao?“, flüsterte sie.

„Es ist alles in Ordnung. Hier nimm das. Es wird dich aus dem Nebel führen.“ Tao nahm ihre Hand und drückte ihr ein Seil in die Innenfläche.

„Und was ist mit dir?“ Serina spürte, wie sich ihr ein Kloß im Hals bildete.

„Ich bin direkt hinter dir“, versicherte ihr Tao.

Serina hörte sofort, dass es eine Lüge war. Und trotzdem lief sie los. Das Seil fest in der Hand, hangelte sie sich an ihm aus dem Nebel heraus. Und sie tat es schon wieder. Wie sie vor zwei Tagen ihren Meister im Stich ließ, so ließ sie jetzt auch Tao zurück. Doch sie hatte zuviel Angst, um noch einmal umzukehren. Kaum war sie aus dem Nebel heraus, lief sie los. Irgendwo hin, Hauptsache weg von dieser fürchterlichen Stadt.

„Halt, Avatar, du bist fest genommen.“

Mit einen blick nach hinten sah sie, dass zwei Wachen ihr folgten. Doch sie drehte sich nicht um, um zu kämpfen. Dafür hatte sie keine Kraft mehr. Stattdessen legte sie noch an Geschwindigkeit zu. Im Weglaufen war sie schon immer ein Meister gewesen. Sie hörte, dass die beiden zurückfielen, doch sie gaben nicht auf. Steine sausten ganz knapp an ihrem Ohr vorbei. Es war ein Wunder, dass keiner sein Ziel traf.

Ganz kurz drehte sie sich um und sah, dass ein riesiger Felsbrocken nun genau auf sie zukam. Es ging so schnell, dass sie nicht mehr reagieren konnte. Sie schloss die Augen, doch der erwartete Schmerz blieb aus. Als sie ihre Augen wieder öffnete, war vor ihr eine riesige Mauer.

Und dann fiel Serina, als ob plötzlich der Boden unter ihren Füßen verschwunden wäre. Aber nur ein paar Meter, bis sie wieder fest und sicher stand. Doch dieser Boden bewegte sich. Er fuhr eindeutig nach unten.

Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis der Aufzug endlich stehen blieb. Serina musste in einer riesigen Höhle sein, vermutete sie. Es war so stockfinster, dass sie nichts erkennen konnte. Dann machte jemand unmittelbar vor ihr ein Feuer an.

Es war eine Frau, nicht besonders groß, mit langen zotteligen schwarzen Haaren und ihre Augen waren milchig weiß. „Ich habe gehört, dass du nach mir suchst. Dann sag mal: Was ist das denn für ein Buch, das du schreiben willst?“

Gewissensbisse

Serina brauchte eine kleine Weile, um zu begreifen, dass Toph vor ihr stand. Zwar war es offensichtlich, zum Einen wegen ihrer Augen, zum Anderen aufgrund ihrer Begrüßung, doch Serina war so verwirrt, da sie gerade noch von zwei Erdbändigern verfolgt worden war und plötzlich in einer riesigen unterirdischen Höhle stand, anscheinend gerettet.

„Ja, ... ich ...“, stotterte sie los, plötzlich von Tophs Erscheinung geradezu eingeschüchtert. Toph war zwar kaum größer als sie selbst, aber man sah ihr deutlich an, dass sie außerordentlich kräftig war.

Dann grinste Toph schief. Serina wusste nicht, ob sie das beruhigen sollte, oder ob sie wohl lieber noch mehr Angst haben sollte. Es war kein wirklich warmes oder herzliches Lachen. Vielmehr glaube Serina darin ein klein wenig Schadenfreude zu sehen. Vielleicht hatte ihr Meister Unrecht gehabt und Toph würde sie verraten.

Schon einige Sekunden später zweifelte Serina ihre eigenen Gedanken an. Toph hatte bestimmt nicht ohne jeden Grund die letzten Jahre so alleine und zurückgezogen gelebt. Sie war eine der besten Freunde des Avatars gewesen und hatte bestimmt zu ihm gehalten. Obwohl das nicht immer der Fall sein musste, wie Serina nur zu gut wusste.

Plötzlich drückte Toph ihr die Fackel in die Hand. „Folge mir!“, befahl sie, drehte sich um und war schon fast aus dem Lichtkegel verschwunden. Serina bemühte sich mit Toph Schritt zu halten. Sie wunderte sich, wie gezielt und sicher sich Toph bewegen konnte. Toph ging völlig im Dunkeln und trotzdem bewegte sie sich um einiges eleganter als Serina selbst. Sie musste immer wieder auf den Boden blicken, um nicht über irgendeinen Stein oder sonstiges zu stolpern. Und dabei sah Toph überhaupt nichts. Serina hatte zwar Geschichten gehört, dass Toph auf eine andere Art sehen konnte, doch bisher hatte sie diese Gerüchte immer angezweifelt. Nun war sie nicht mehr sicher, ob sie nicht doch der Wahrheit entsprachen. Aber vielleicht kannte sie sich hier auch nur hervorragend aus. Immerhin lebte sie wahrscheinlich schon fast 14 Jahre hier.

Serina kam es vor, als ob sie jetzt schon eine halbe Ewigkeit hinter Toph herstolperte. Die erste große Halle hatten sie schon längst hinter sich gelassen. Zwischendurch waren sie durch viele enge Tunnel gegangen. Manche waren sogar so klein, dass Serina sich auf allen Vieren fortbewegen musste. Das war nicht so einfach, denn sie musste gleichzeitig die Fackel tragen und aufpassen, dass diese nicht erlosch.

„To- ... ähm ... Miss Bei ... ähm ... wohin gehen wir eigentlich?“, wollte Serina nun endlich wissen, da Toph – seit sie ihr die Fackel in die Hand gedrückt hatte – kein einziges Wort mehr gesagt hatte. Langsam taten Serina die Beine weh und sie war nach diesem anstrengenden Tag unendlich müde. Am liebsten hätte sie sich einfach auf der Stelle, wo sie sich gerade befand, auf den Boden gelegt und geschlafen. Alle Sorgen, die ihr noch im Kopf herumschwirrten, einfach vergessen.

„Du kannst mich ruhig Toph nennen“, kam es anschließend von vorne. Serina spürte darauf, wie die Röte ihr ins Gesicht stieg. Aber zum Glück konnte Toph das nicht sehen … oder doch? „Und wo es hingeht, wirst du noch früh genug erfahren.“

Genervt stieß Serina Luft aus. Dass sich Lehrer nie klar ausdrücken konnten. Tarik hatte auch nie gesagt, wo sie spät in der Nacht immer hingingen. Sie sollte sich stets überraschen lassen. Serina konnte das nicht leiden. Konnte man nicht einfach klipp und klar sagen, was der Schüler tun und lassen sollte. Immer nur diese Hinweise, damit die Schüler selber was lernen. Serina hatte diese Hinweise nie verstanden und das war auch der Grund, warum sie sie nicht mochte.

Trotzig stampfte sie weiterhin Toph hinterher, die wieder nicht mit ihr sprach. Serina hatte nun auch keine Lust mehr auf ein Gespräch. Sie würde sich solange gedulden, bis sie an ihrem Ziel angekommen waren. Das würde hoffentlich nicht mehr so lange dauern. Sie mussten immerhin fast schon unter den Bergen angekommen sein. Zumindest fühlte es sich so für Serina an. Ihre Füße waren mittlerweile bestimmt schon so schwer wie Blei und ihr Arm war langsam taub vom Tragen der schweren Fackel. Eigentlich wollte sie sich nur noch hinlegen, aber das würde sie Toph nicht unter die Nase reiben, sonst hielt sie sie noch für einen Schwächling.

Und dann war es endlich soweit. Sie bückte sich unter der letzten niedrigen Decke hervor und stand wieder in einer riesigen Halle. Und dort blieb Toph endlich stehen. Sie drehte sich zu Serina um und hatte ein breites Grinsen auf dem Gesicht. „So, wir sind endlich da. Ich glaube, wir sind jetzt weit genug von der Stadt entfernt. Aber eigentlich schade. Gerade, wo es angefangen hatte, Spaß zu machen. Findest du nicht auch?“

Serina war der Meinung, dass Toph das mal ihren Füßen erzählen sollte, beließ den Kommentar jedoch lieber bei sich. Sie wollte nicht zu aufmüpfig klingen, immerhin hoffte sie doch, Toph als ihren Erdbändigermeister gewinnen zu können. „Ja, wirklich schade“, log Serina. „Und was tun wir hier jetzt genau?“ Sie blickte sich um, doch der Lichtschein der Fackel reichte nicht sehr weit, um Kleinigkeiten zu erkennen.

„Hier wirst du dein Training beginnen“, sagte Toph.

Serina blickte sie entgeistert an. „Wie bitte?“

„Du willst doch, dass ich dir das Erdbändigen beibringe, oder nicht? Ich dachte, das wäre der Grund, warum du mich aufgesucht hast.“

„Ja, schon, aber ich wusste nicht, dass sie wissen, wer ich bin.“ Mit jedem Wort wurde Serinas Stimme leiser. Sie merkte sofort, dass es ein wenig dumm klang.

„Naja, die ganze Stadt ist in Aufruhr, weil sich der Avatar in Ba-Sing-Se befinden soll und du bist das Mädchen, dass vor den Wachen davonläuft. Wer solltest du also sonst sein?“

Serina spürte, wie sie mal wieder rot im Gesicht wurde. „Stimmt schon.“ Doch dann erkannte Serina plötzlich den Sinn von Tophs Worten. „Sie wollen mir also tatsächlich helfen? Sie wollen mir das Erdbändigen beibringen?“ Serinas Herz pochte ganz schnell. Sie spürte es deutlich, doch es war ihr mehr als egal.

„Natürlich.“ Und nun lachte Toph wieder laut los, wie am Anfang ihrer Begegnung. „Ich meine, wer würde es sich schon nehmen lassen, zwei Avatare auszubilden. Ich werde in allen Geschichtsbüchern stehen.“

Serina fand diesen Grund mehr als seltsam, doch sie war einfach nur froh einen Lehrer gefunden zu haben.
 

„So, dann können wir also auch direkt anfangen. Zieh deine Schuhe aus“, befahl Toph.

„Was?“ Serina fragte nicht, weil sie Toph nicht verstanden hatte, sondern vielmehr, weil sie den Sinn dahinter nicht begriff.

„Zieh deine Schuhe aus. Die Dinger, die du an deinen Füßen trägst.“ Zusätzlich zeigte Toph noch darauf, damit auch jedes noch so kleine Kind sie verstehen würde.

„Ich habe schon verstanden, Toph. Aber warum soll ich bitte schön meine Schuhe ausziehen? Hier ist es doch furchtbar dreckig. Außerdem könnte ich mich an einem Stein verletzten.“

Toph verdrehte genervt die Augen. „Diese Wasserbändiger sind immer so reinlich“, sagte sie mehr zu sich selbst, als zu Serina. Zumindest kam es Serina so vor. Vielleicht hatte Toph sich ja angewöhnt, laut zu denken in den ganzen Jahren der Einsamkeit.

Auf jeden Fall ließ Serina es sich nicht noch mal sagen und zog ihre Schuhe aus. Der Boden war kalt und jede noch so kleine Bewegung tat ihr weh. Doch das zeigte sie Toph natürlich nicht. Sie wollte ihre Lehrerin nicht schon in den ersten fünf Minuten enttäuschen.

„Gut so. Und jetzt fehlt nur noch eine Sache.“ Toph zog etwas aus ihrer Tasche hervor. Es war ein Stück Stoff. Serina fragte sich, wozu das gut sein sollte. „Dreh dich um“, sagte Toph.

Dieses Mal war Serina schlau genug, nicht nachzufragen. Sofort drehte sie sich um. Sie spürte, wie Toph den Stoff um ihre Augen legte und einen festen Knoten machte.

„Und, kannst du noch etwas sehen?“

Serina schüttelte den Kopf. Aber eigentlich hatte sie davor ja auch nicht viel gesehen. Also wozu das alles?

„Ich werde jetzt gehen. Ich möchte, dass du die Augenbinde aufbehältst, egal was passiert. Es ist wichtig. Und deine Schuhe wirst du auch nicht wieder anziehen. Für Nahrung und Wasser ist gesorgt. Man sieht sich dann in drei Tagen.“ Serina spürte, wie Toph ihr einmal fest auf den Rücken schlug.

„Was? Toph, was meinst du damit? Drei Tage?“, fragte Serina mit einem leichten Zittern in der Stimme. Doch es kam keine Antwort. Serina drehte sich um, die Arme lang nach vorne gestreckt, doch Toph konnte sie nicht fühlen. Sie wanderte durch die Halle, vorsichtig, damit sie nicht hinfiel, doch sie konnte Toph nirgendwo finden. Anscheinend hatte sie sie alleine gelassen. Noch ein paar Mal rief sie ihren Namen, doch Toph gab keine Antwort. Also war Serina wohl wirklich allein.
 

Nach einer halben Stunde, in der Serina tastend die Höhle erkundet hatte, ließ sie sich müde auf den Boden fallen. Die Höhle war nicht besonders groß. Nicht so groß, wie sie zu Anfang vermutet hatte. Sie hatte einen Durchmesser von etwa dreißig Fuß. Außerdem hatte Serina drei Ausgänge gefunden. Einer davon, den sie mit einem Stein markiert hatte, war der Weg, von dem sie gekommen waren. Die anderen Beiden wollte Serina auf jeden Fall noch erkunden.

Sie hatte sich mittlerweile damit abgefunden, dass Toph sie alleine gelassen hatte. Sie durfte sich einfach nicht darüber ärgern und das Beste aus der Situation machen, in der sie jetzt festsaß. Auch wenn sie fand, dass Toph ihr etwas mehr hätte erklären können, wagte Serina nicht, ihre Schuhe wieder anzuziehen oder die Augenbinde abzunehmen. Vermutlich würde sie eh nicht viel mehr sehen, aber es ging ums Prinzip. Sie würde Toph zeigen, dass sie jede Art von Befehl ausführen konnte. So würde Toph nicht an ihrer Schülerin zweifeln.

Die Tasche mit dem Proviant hatte sie auch bereits gefunden. So saß sie jetzt im Dunkeln und führte sich etwas Nahrung zur Gemüte. Es tat gut, etwas Wasser zu trinken und eine Frucht zu essen. Und Serina fragte sich, wann sie das letzte Mal etwas gegessen hatte. Das war vermutlich am Morgen gewesen, als sie auf den Weg nach Ba-Sing-Se war.

Die Erinnerung traf sie wie ein Blitz. Es war nur ein Tag gewesen. Innerhalb eines Tages war sie nach Ba-Sing-Se rein und wieder raus. Und sie hatte Tao getroffen. Gerade mal einen Tag hatte sie ihn gekannt. Und er hatte sich sofort um sie gekümmert, obwohl er sie gar nicht kannte.

Es war so unheimlich viel passiert in den letzten Stunden. Am Morgen war sie noch zuversichtlich gewesen. Sie hatte sich fest vorgenommen, Toph zu finden. Das hatte sie zwar auch geschafft, doch Serina gefiel der Preis nicht, den sie dafür bezahlen musste. Nun wusste das ganze Erdkönigreich, dass der Avatar sich hier irgendwo versteckte und jeder würde nach ihr suchen. Wahrscheinlich sogar normale Bürger, Bauern und Verkäufer. Vielleicht sogar dieses nette Ehepaar, das ihr am ersten Tag geholfen hatte.

Serina spürte, wie ihr eine einzelne Träne über die Wange lief. Sie war ganz alleine auf der Welt. Sie hatte ihren Meister zurückgelassen und den einzigen Freund, den sie hatte, im Stich gelassen.

„Ich bin direkt hinter dir.“ Der letzte Satz von Tao spukte ihr im Kopf herum. Serina hatte es sofort gehört. Sie hatte bemerkt, dass er log. Trotzdem war sie einfach weggelaufen. Weggelaufen und hatte ihn einfach zurückgelassen. Sie war ein solcher Feigling. Nie konnte sie etwas richtig machen. Ihrem Meister hätte sie auch helfen müssen. Sie hätte ihn zwingen sollen, mit ihr zu kommen. Dann wäre das bestimmt alles nicht passiert. Ihr Meister hätte gewusst, was getan werden musste. Er hätte ihr helfen können.

Am liebsten hätte sie jetzt seinen Brief rausgeholt und ihn ein weiteres Mal gelesen. Doch das war nicht möglich. Deshalb rollte sie sich zusammen und schloss die Augen. Sie brauchte ein wenig Schlaf, wenn sie in den nächsten drei Tagen diese Höhle erkunden wollte. Außerdem war sie todmüde.
 

Serina wachte wieder auf, als sie jemanden hörte, der ihren Namen rief. Es war sehr leise und schien weit entfernt, doch Serina erkannte sofort diese Stimme. Augenblicklich nahm sie ihre Augenbinde ab. Es war ihr egal, was Toph sagen würde. Serina würde jede Strafe auf sich nehmen.

Doch als sie ihre Augen öffnete, konnte sie nichts erkennen. Aber es war nicht die erwartete Dunkelheit, die ihr die Sicht versperrte, sondern um sie herum war überall starker Nebel. Und schon wieder hörte sie diese Stimme.

Es war wie damals. Nach jedem Kampf mit Rahir hatte sie diesen Traum gehabt. Sie irrte im Nebel umher und vom Weitem hörte sie Pakus Stimme rufen. Doch dieses Mal war es nicht Paku, der sprach. Es war Taos Stimme. Auch wenn Serina ahnte, dass es sinnlos war, lief sie los und rief Taos Namen. Sie konnte ihn nicht ein weiteres Mal im Stich lassen. Sie musste alles versuchen, was in ihrer Macht stand.

Sie irrte stundenlang durch diesen unheimlichen Nebel, wie es ihr vorkam. Und immer noch hatte sie keine Spur von Tao gefunden. Seine Stimme hallte immer noch aus vielen verschiedenen Richtungen. Sie fiel auf die Knie und fing an zu weinen. „Tao, wo bist du?“, schluchzte sie vor sich hin. „Es tut mir so leid, dass ich dich im Stich gelassen habe. Ich hätte nie gehen dürfen. Es war falsch. Ich hätte bei dir bleiben sollen. Zusammen hätten wir es geschafft. Wir hätten beide fliehen können.“ Ihre Stimme versagte und die Tränen flossen nur noch aus ihren Augen.

Dann spürte Serina plötzlich eine Hand auf ihrer Schulter. Langsam drehte sie sich um und versuchte etwas durch ihre tränennassen Augen zu erkennen. Erstaunlicherweise hatte sich der Nebel um sie etwas gelichtet und deshalb hatte sie keine Probleme ihr Gegenüber zu erkennen. Sofort zauberte sich ein Lächeln auf Serinas Gesicht. Sie sprang auf und fiel ihrem Freund um den Hals. „Paku!“, rief sie freudig. „Was machst du denn hier?“

Paku erwiderte Serinas Umarmung. „Denkst du wirklich, dass ich dich alleine lassen würde? Ich bin doch dein großer Bruder, der auf dich aufpassen muss. Ohne mich bekommst du doch Nichts auf die Reihe.“ Er drückte sie fest an sich.

Serina wollte ihre Tränen wegwischen, doch es strömten immer weitere aus ihren Augen. Sie konnte einfach nicht aufhören zu weinen. Sie freute sich so sehr, dass Paku gekommen war.

„Aber jetzt sag mal“, er drückte Serina von sich weg, „warum weinst du denn? Ich denke, du bist schon ein großes Mädchen?“

Plötzlich fiel Serina wieder Tao ein, den sie über Pakus plötzliches Auftauchen kurz vergessen hatte. „Ich suche einen Freund. Er muss hier irgendwo sein.“ Und wie aufs Kommando hörte sie wieder Tao rufen. „Hörst du? Das ist er.“

Paku nickte und schaute sich um. Dann reichte er Serina seine Hand hin. „Dann komm. Suchen wir ihn gemeinsam.“

Serina ergriff seine Hand und ließ sich von ihm führen. Wie sehr hatte sie Paku vermisst. Am Liebsten hätte sie ihn mit auf die Reise genommen. Und jetzt war er hier. Er war ihr gefolgt, weil er sich Sorgen gemacht hatte. Sie schaute ihn an. Beobachtete seine Gesichtzüge. Er schaute ernst nach vorne, war vollkommen darauf konzentriert der unbekannten Stimme zu folgen. War er wirklich gekommen, weil er sich Sorgen gemacht hatte oder vielleicht doch aus einem anderen Grund?

„Warum bist du hier, Paku?“, fragte sie ein weiteres Mal.

„Weil ich auf dich aufpassen muss, kleine Schwester. Ich habe dir doch versprochen, dass wir immer zusammen bleiben werden.“ Er schaute sie ernst an. Es lag keine Lüge in seinen Augen.

„Aber Meister Tarik meinte, dass-“

„Tarik erzählt viel, wenn der Tag lang ist. Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du nicht alles glauben sollst, was er von sich gibt. Er kann sich auch mal irren. Du bist meine beste Freundin, Serina, und ich werde auf dich aufpassen, egal was kommen mag.“

Serina schloss für einen kurzen Moment die Augen und überlegte, ob sie die eine Frage noch stellen sollte, die ihr im Kopf rumspukte. Würde es ihn nur aufregen oder würde er Verständnis zeigen? Bevor sie den Gedanken zu Ende denken konnte, hörte sie wieder Taos Stimme. Diesmal war sie ganz nah. Aufgeregt schaute sie sich um. „Er muss hier irgendwo sein.“ Sie ließ Pakus Hand los und lief los. Sie folgte Taos Stimme und schien immer näher zu kommen.

Serina wollte ihren Augen nicht trauen. Dort lag er endlich. „Tao“, rief sie freudig und rannte zu ihm hin. „Was ist mit deinem Bein?“ Erschrocken blickte sie darauf. Ein Eiszapfen steckte darin und Blut floss heraus. Und nicht gerade wenig, wie Serina fand.

„Ach, das ist halb so wild. Sieht schlimmer aus, als es ist.“ Tao grinste sie frech an. Und unwillkürlich musste Serina auch lächeln. Tao schien nicht sauer oder wütend zu sein. Sie war so erleichtert. „Aber wer ist das denn, Kleine?“

Ohne nach Hinten zu schauen, antwortete Serina: „Das ist Paku, mein bester Freund. Wir kennen uns schon seit unserer Kindheit.“ Serina spürte eine wohlige Wärme in ihrem Inneren. Paku war hier bei ihr und sie hatten endlich Tao gefunden. Ab jetzt konnte es nur noch bergauf gehen. Serina hatte es im Gefühl, dass jetzt alles gut gehen würde.

„Nein, Serina, wer ist das?“ Tao streckte seinen Arm aus und zeigte auf die Person, die hinter Serina stand.

Verwirrt drehte Serina sich um. „Rahir!?“, flüsterte sie erschrocken. Was tat er denn hier? Und wo war plötzlich Paku abgeblieben?

„Hallo, Serina“, sagte Rahir zwar sanft, aber so, dass es einem eiskalt den Rücken runterlief.

Wie ein paar Stunden zuvor, erfror Serina zu Eis. Vor Angst konnte sie sich kaum noch bewegen. Sie selbst ärgerte sich darüber, dass dieser Mann eine solche Wirkung auf sie ausüben konnte. Es war frustrierend, doch Serina konnte nichts daran ändern.

„Was tust du hier?“, wollte Rahir von ihr wissen. Seine Stimme war scharf wie ein Messer.

„Ich … ich-“

„Willst du etwa deinem kleinen Freund helfen?“ Zaghaft nickte Serina. „Dafür ist es zu spät. Erinnerst du dich nicht? Du bist einfach weggelaufen und hast ihn im Stich gelassen.“

„Warum hast du das getan?“, kam es vorwurfsvoll von Tao. „Ich hätte dich gebraucht.“

Mit tränennassen Augen sah sie von Rahir zu Tao. Was sollte sie dazu sagen? Dass sie ein Feigling war und solche Angst gehabt hatte, dass sie nur noch weg wollte? „Es tut mir leid“, schluchzte sie.

„Er hat dir geholfen, Avatar. Das musste bestraft werden.“ Rahir grinste befriedigt und seine Augen glänzten vor Genugtuung an die Erinnerung. „Ich habe deinen kleinen Freund getötet.“

Erschrocken und verängstigt blickte sie zu Tao hinunter, der sich plötzlich vor ihren Augen einfach in Luft auflöste.

„Und du bist die Nächste. Ich werde dich finden.“ Mit dieser Drohung verschwand Rahir genauso wie Tao zuvor.

Serina bemühte sich, um nicht schon wieder vor Verzweiflung zusammenzubrechen. Sie schaute sich um und da stand Paku, als ob er die ganze Zeit dort gewartet hätte. Sie stolperte zu ihm hinüber, lehnte sich gegen seine Brust und gab ihren Gefühlen freien Lauf. Doch so sehr sie auch weinte, Paku bewegte sich keinen Millimeter. Sie hob ihren Kopf, um ihm ins Gesicht sehen zu können. Er sah wütend aus.

„Was ist los, Paku?“ Sie trat einen Schritt von ihm weg und wischte sich die Tränen fort.

Paku schaute sie eiskalt an. „Ich habe gehört, was du getan hast, Serina. Das ist unentschuldbar. Wenn du so etwas tust, kann ich nicht länger dein Freund sein.“

„Nein!“, schrie sie.
 

„Nein!“, rief sie und wachte von ihrem eigenen Schrei auf. Überwältigt von diesem Traum zog sie ihre Knie noch näher an ihre Brust heran und blieb so eine Weile liegen. Jedes einzelne Bild ihres Traumes zog noch einmal an ihrem inneren Auge vorbei.

Tao, wie er verletzt, aber trotzdem noch der Alte, am Boden gelegen hatte und wie er dann einfach so verschwunden war. Rahir, der Mann, der ihr mehr Angst machen konnte, als jede andere Person auf der Welt. Und dann Paku. Wie sehr hatte Serina sich gefreut, ihn wieder zu sehen. Doch es war etwas in ihr zerbrochen, als er sie mit diesem hasserfüllten Blick angesehen hatte.

Auch wenn dies nur ein Traum gewesen war, konnte Serina diese Erinnerung nicht mehr aus ihrem Gedächtnis löschen. Es gab nämlich immer noch diesen kleinen Zweifel…

Die Sturheit der Erde

Den ersten Gang hatte Serina mittlerweile erkundet. Nach diesem schrecklichen Traum hatte sie erstmal einige Zeit gebraucht, um sich wieder einigermaßen zu beruhigen. Doch sie hatte erkannt, dass es nichts helfen würde, einfach die drei Tage rumzusitzen. So hatte sie sich die Tasche mit den Vorräten genommen und hatte sich, an der Wand hangelnd, zum ersten Ausgang begeben. Der Traum hatte ihr nur das gezeigt, was sie sowieso wusste. Sie hatte etwas Schreckliches getan. Entweder konnte sie sich damit abfinden oder sie würde daran zerbrechen. Und sie hatte sich dafür entschieden, es so hinzunehmen und aus ihren Fehlern zu lernen. Wenn sie Paku jemals wieder sehen würde, würde sie ihm nichts verheimlichen und ihm alles erzählen. Doch sie würde auch nicht auslassen, wie mies sie sich danach gefühlt hatte, einfach so einen Freund im Stich gelassen zu haben. Und sie würde es nie wieder tun. Selbst wenn sie wieder vor Rahir stehen würde und sich vor Angst kaum rühren könnte. Sie würde keinen Freund jemals wieder im Stich lassen.

Und was Tao anging. Serina hatte sich geschworen, ihn zu retten, wenn er noch leben würde. Und sie war fest davon überzeugt, dass er noch nicht tot war. Immerhin war er einige Zeit mit dem Avatar unterwegs gewesen und hatte möglicherweise wichtige Informationen. Serina hoffte nur, dass sie ihm nicht allzu schreckliche Dinge antun würden. Sie wollte ihn so wieder sehen, wie sie ihn kannte: Frech und sorglos.

Serina hoffte nur, dass der Wirt in dieser Bar das plötzliche Auftauchen des Avatars nicht mit diesem merkwürdigen Mädchen verband, als dass sie sich ausgegeben hatte. Denn dann wüssten sowohl die Erdbändiger als auch die Wasserbändiger, was sie vor hatte. Und auch wenn sie nicht wussten, wo sich Toph aufhielt, so konnten sie ihnen wenigstens bei späteren Etappen ihrer Reise in den Weg kommen. Und Serina wollte jeden Ärger, der sich vermeiden ließ, umgehen. Es würde so schon schwer genug werden, die vier Elemente zu lernen. Nicht nur, dass sie erst mal Lehrer finden musste. Schließlich musste sie es auch schaffen, die Elemente zu beherrschen. Und wer sagte denn, dass sie das so gut können würde, wie das Wasserbändigen. Außerdem half auch nicht immer ein Lehrer weiter. Immerhin hatte sie für das Erdbändigen bereits einen gefunden. Und was hatte ihr das gebracht? Drei einsame Tage in einem wahrscheinlich endlosen Tunnelsystem mit schmerzenden Füßen.
 

Der Tunnel war lang gewesen. Serina hatte schwer einschätzen können, wie viel Zeit sie benötigt hatte. Wenn man nur im Dunkeln wandelte, bekam man ein völlig neues Zeitgefühl. Sie konnte auch nicht sagen, wie lange sie geschlafen hatte. Vielleicht war es noch mitten in der Nacht gewesen, als sie aufgewacht war. Nach diesem Traum hatte sie es nicht mehr gewagt, sich wieder hinzulegen. Es hätte aber auch gut schon morgen oder bereits Mittag sein können. Wahrscheinlich wäre Serina sehr überrascht, wenn Toph dann endlich zurückkam. Entweder die Zeit wäre ihr viel zu kurz vorgekommen oder auch viel zu lang. Serina glaubte aber eher an das Letztere. Denn bei der Vorstellung ganz allein im Dunkeln durch dieses unbekannte Tunnelsystem zu laufen, lief es ihr eiskalt den Rücken runter. Vermutlich würde sich die Zeit endlos hinziehen. Obwohl sie nicht nur tatenlos herumsaß, glaubte sie wenig, dass schon viel Zeit vergangen war.

Sie wurde außerdem zunehmend schneller und gewandter. Ihre Füße schmerzten zwar höllisch, vermutlich waren sie mit Kratzern und Wunden nur so übersät, aber mittlerweile hatte sie sich an die völlige Dunkelheit gewöhnt. Serina merkte eindeutig, wie ihre anderen Sinne dadurch zusätzlich geschärft wurden. Ihre Hände konnten fühlen, was ihre Augen nicht sehen konnten und ihre Ohren hörten das, was sie wahrscheinlich gar nicht wahrgenommen hätte. Kleine Tiere, wie sie über den Boden huschten oder kratzende Geräusche, die vermutlich von Nagern stammten. Auf jeden Fall nichts Aufregendes, wie Serina fand. Sonst war es da unten totenstill. Kein Anzeichen von irgendwelchen anderen Lebewesen. Serina war dort unten völlig allein, von der Zivilisation abgeschnitten. Und sie hatte nicht die geringste Ahnung, wie sie wieder herausfinden sollte.

Der erste Tunnel war eine Sackgasse gewesen. Nun trottete Serina gerade den langen Weg zurück. Sie hatte nicht vor, so schnell aufzugeben. Erst würde sie den zweiten Gang untersuchen. Wenn dort auch nichts zu finden sein sollte, würde sie den Weg nehmen, von dem Toph und sie gekommen waren. Immerhin war sie damals nur Toph hinterher geeilt und hatte sich nicht großartig um ihre Umgebung gekümmert. Vielleicht gab es dort noch andere Wege, die irgendwohin führten.

Gerade kam sie wieder in der großen Halle an. Es war eine Erleichterung. Auch wenn sie nichts sehen konnte, spürte sie förmlich, dass sie wieder mehr Platz hatte. Im Tunnel hatte sie zwar noch stehen können, aber viel mehr Raum war nicht vorhanden gewesen. Und jetzt fühlte sie, wie weit die Wände plötzlich entfernt lagen. Sie hätte hier drin tanzen können, doch das ließ Serina lieber bleiben. Nicht nur, dass Serina keine wirklich begnadete Tänzerin war. Sie wollte das auch nicht ihren geschundenen Füßen antun. Serina wünschte sich so sehr, etwas kühlenden Schnee vom nördlichen Wasserstamm. Zu Hause war sie oft barfuß gelaufen. Doch der Schnee war auch schön weich gewesen. Natürlich war er dazu noch eiskalt, doch Paku und sie hatten daraus immer lustige Mutproben gemacht. Wer am längsten mit nackten Füßen im kalten Schnee stehen konnte, hatte gewonnen. Serina musste lächeln, als sie daran dachte. Einmal hatten sie beide es echt zu weit getrieben. Keiner von Beiden hatte aufgeben wollen. Serina war es stundenlang vorgekommen. Am ganzen Leib zitternd hatten sie nebeneinander im Schnee gestanden. Ihre Füße waren blau und schon halb abgestorben. Doch beide wollten nicht nachgeben. Bis dann endlich Serinas Meister Tarik gekommen war. Paku und sie hatten großes Glück gehabt. Es war nichts Ernsteres passier, als eine starke Erkältung für sie beide. Nach der Genesung hatte jeder von ihnen seine Strafe bekommen. Serina hatte Tarik noch nie so wütend gesehen und sie hatte es damals nicht verstanden. Es war doch nur ein Spiel gewesen. Heute wusste sie, dass er einfach nur besorgt gewesen war. Und Serina musste auch zugeben, dass diese Wette mehr als dämlich gewesen war. Leider konnte sie sich nicht mehr daran erinnern, wer von ihnen beiden auf die Idee gekommen war. Aber eigentlich war es auch egal, schließlich hatte sie beide mitgemacht.

Mit Paku hatte man immer viel Blödsinn anstellen können. Er besaß ein wirklich sonniges Gemüt, zumindest meistens. Wenn er nicht gerade beim Training war, hatte er die ganze Zeit mit seiner kleinen Schwester herumgehangen. Alles hatten sie zusammen gemacht. Wenn sie traurig gewesen waren, hatten sie sich gegenseitig getröstet. Wenn sie fröhlich waren, haben sie gemeinsam gelacht. Und wenn sie sich gestritten hatten, haben sie sich mit schlechten Gewissen wieder versöhnt.

Serina vermisste Paku. Er wäre ihr eine große Hilfe gewesen. Schon allein durch seine bloße Anwesenheit wäre Serina um einiges mutiger gewesen. Er hätte ihr beigestanden und sie unterstützt. Oder nicht? Sollte ihr Meister vielleicht doch Recht behalten? Serina schüttelte den Kopf. Das konnte nicht sein. Paku war ihr bester Freund und er hatte ihr schon mehrere Male geschworen, dass sie immer zusammen bleiben würden, egal was komme. Und selbst dass Serina nun der Avatar war, durfte daran nichts ändern. Zumindest hoffte sie es.
 

Der nächste Tunnel war nicht viel größer als der Letzte. Hier war jedoch der Nachteil, dass er eher breit als hoch war. Serina passte nicht stehend hinein. Sie hätte sich zwar nur leicht bücken müssen, doch sie ließ sich lieber sofort auf alle Viere nieder. Zum einen war das nicht so unbequem und zum anderen könnte der Tunnel noch niedriger werden. So bewahrte sie sich zumindest vor einer großen Beule. Sie nahm sich vor auf den Hinweg die rechte Seite zu untersuchen, auf dem Rückweg die linke, damit sie keine möglichen Abzweigungen verpasste.

Serina hatte das Gefühl, gut voranzukommen. Sie hatte bestimmt schon einige hundert Meter hinter sich gelassen. Bisher hatte sie noch keinen weiteren Tunnel entdecken können, was Serina jedoch nicht sehr verwunderte. Sie nahm nicht an, dass es hier irgendwelche Abzweigungen gab. Vermutlich hatte Toph selbst dieses Tunnelsystem durch Erdbändigen angelegt. Zuzutrauen wäre es ihr. Wahrscheinlich gab es nicht mal einen Ausgang. Nur durch Erdbändigen käme sie hier heraus und das würde dann auch den gewünschten Lerneffekt erzielen. Doch Serina fragte sich, wie sie das anstellen sollte. Sie wusste, dass es ihr im Blut lag. Aber wie sollte sie die Erde bändigen, wenn sie es davor nie zuvor getan hatte und auch noch nie einen Erdbändiger dabei genau beobachtet hatte? Bei dem Kampf in Ba-Sing-Se war sie nämlich eher darauf konzentriert gewesen, heil aus dieser Stadt herauszukommen, als den Erdbändigern auf die Finger zu schauen. Wie sollte sie es denn ganz alleine schaffen? Sie hatte sich doch extra einen Meister zugelegt, damit sie es nicht alleine lernen musste.

Beim Wasserbändigen hatte sie nie große Probleme gehabt. Sie hatte sich in und um Wasser immer geborgen gefühlt. Die wellenförmigen Bewegungen hatte sie schnell nachempfinden können und mit jedem einzelnem Finger das Wasser in die gewünschte Form bringen können. Es war einfach gewesen. Sie hatte das Wasser fließen gefühlt.

Aber Erde war da was völlig anderes. Von Fließen konnte hier keine Rede sein. Sie nahm eine Hand voll Erde. Sie war hart und körnig. Kein Anzeichen von der Anmut des Wassers. Wie sollte sie daraus etwas formen? Serina versuchte es, versuchte der Erde ein neues Aussehen zu verleihen. So wie sie es mit Wasser auch tat. Doch es rührte sich nichts. Der Dreck blieb in seiner ursprünglichen Gestalt. Wütend warf Serina es wieder auf den Boden. Wie sollte man mit soviel Sturheit klar kommen? Wenn sich die Erde weigerte, konnte Serina auch nichts tun.

Zornig machte sie sich weiter daran, das Ende des Tunnels zu erreichen. Der Tunnel wurde mit jedem Schritt enger. Die Decke kam immer näher. Bald würde Serina nicht mehr durchpassen, befürchtete sie. Mittlerweile lag sie schon auf den Bauch und kroch mühselig voran. Immer enger und enger wurde es. Serina hatte Angst, dass sie gleich einfach stecken bleiben würde und nicht mehr hinaus konnte. Doch sie bewegte sich immer weiter vorwärts. Wenn sie hängen bleiben würde, müsste sie halt auf die Rückkehr von Toph ausharren. Aber sie wollte unbedingt wissen, ob dieser Tunnel nicht doch noch irgendwohin führte. Vermutlich wollte Toph sie nur ärgern, indem sie diesen Weg so eng gemacht hatte. Und Serina sollte Recht behalten. Nach einer endlosen Zeit kam sie aus dem Tunnel heraus. Er wurde nicht nur einfach breiter, sondern sie stand wieder in einer großen Höhle, aus der sie auch aufgebrochen war. Serina hatte es geschafft. Sie hatte nicht aufgegeben, war standhaft geblieben und hatte ihr Ziel erreicht.

Jetzt erst merkte sie, dass sie großen Hunger hatte. So setzte sie sich neben die winzige Öffnung und wühlte in der Tasche herum. Erst einmal trank sie etwas und dann nahm sie ein paar Früchte heraus. Zumindest glaubte Serina, dass es sich um Früchte handelte, doch ihr Geruchssinn ließ sie eigentlich nie im Stich, besonders nicht jetzt, dachte Serina. Sie ließ sich Zeit mit der Mahlzeit, um so auch ihre Energie wieder aufzutanken. Das letzte Stück durch den Tunnel war nicht einfach gewesen. Mehrere Male hatte sie sich einfach auf den Boden gelegt, um ein bisschen auszuruhen. Ihre Arme taten weh, weil sie ihren ganzen Körper damit gezogen hatte. Vielleicht sollte sie sich etwas ausruhen, überlegte Serina. Sie dachte auch nicht mehr lange darüber nach und legte sich hin. Wenige Zeit später war sie eingeschlafen. Diesmal war der Schlaf traumlos.
 

Serina erwachte durch eine heftige Erschütterung. Sofort war sie voll da. Und noch einmal fühlte sie dieses merkwürdige Beben. Es musste eindeutig etwas sehr Großes sein, was dieses verursachte. Sofort wünschte Serina sich die kleinen Tiere zurück, die sie vor ein paar Stunden noch als langweilig eingestuft hatte. Nach einem weiteren Beben sprang Serina auf. Sie wusste zwar nicht, was sie tun wollte, aber länger dort zu sitzen und auf das zu warten, was dort kam, war auch nicht sehr hilfreich. So entschied sie sich, die Höhle zu erkunden, um mögliche Fluchtwege zu finden.

Mir der rechten Hand immer an der Wand, wollte sie einmal um die ganze Höhle laufen. Außer, wenn das Beben stärker werden sollte, würde sie die erstbeste Abzweigung nehmen. Am Klügsten wäre es wohl, durch den Tunnel zu verschwinden, durch den sie gekommen war. Denn das Wesen, das diese Erschütterungen verursachte, passte wohl kaum durch die kleine Öffnung. Doch Serina wollte sich durch so ein winziges Erdbeben nicht wieder in ihrem Fortschritt zurückdrängen lassen. So machte sie sich an die Arbeit. Schnell, aber mit sicherem Schritt, fing sie an, die Höhle zu erkunden. Am Anfang kamen die Erschütterungen noch unregelmäßig, doch sie wurden immer mehr und es fühlte sich fast so an, als ob es direkt hinter der Wand vor sich ging. Serina hatte wahrscheinlich gerade mal die Hälfte der Höhle durchschritten, als ihr plötzlich bewusst wurde, dass sie diese Beben wirklich durch die Wand fühlen konnte. Und an der Stelle, wo sie gerade stand, spürte sie es besonders deutlich. Genau dahinter musste sich die Wesen aufhalten. Zum Glück war hier kein Durchgang, dachte Serina und atmete erleichtert aus. Die Wand war an dieser Stelle einfach nur sehr dünn, dass man es gut fühlen konnte. Sie würde also kaum die Bekanntschaft dieser Wesen machen. Beruhigt wollte sie gerade weitergehen, als sie spürte, wie sie langsam weggeschoben wurde. Erst nur ihre Hand, die auf der Wand lag und dann ihr ganzer Körper. Sie bewegte sich ganz von allein, als ob der Boden unter ihren Füßen bewegt wurde.

Voller Panik riss sie ihre Hand von der Wand fort und lief so schnell weg wie sie konnte. Sie rannte zur Mitte der Höhle hin. Weg von diesen unheimlichen Wänden. Was ging hier bloß vor? Ihre Hände wanderten zu dem Knoten hinter ihren Kopf, doch sie hielt noch rechtzeitig inne. Auch wenn sie zu gern sehen würde, was da gerade vor sich ging, durfte sie die Augenbinde nicht abnehmen. Toph hatte sie gebeten, sie aufzubehalten, egal was passierte. Und auch wenn das Serina gerade fast zu Tode erschreckt hatte, durfte sie die Binde nicht abnehmen. Sie musste sich doch an Tophs Anweisungen halten. Toph hätte sie hier bestimmt nicht alleine gelassen, wenn ihr Leben in Gefahr wäre. Vermutlich hörte sich das alles nur viel schlimmer an, als es eigentlich war. Vielleicht war es sogar Toph selbst, die mit Erdbändigen diese ganzen Geräusche gemacht hatte und Serina somit auf die Probe stellen wollte.

„Ja, das ist eine logische Erklärung. Das war alles bloß Toph“, versuchte Serina sich selbst zu beruhigen. „Ich meine, wie riesig müssten die Kreaturen sein, die eine solche Erschütterung verursachen können. Und außerdem welche Tiere können denn bitte schön Erd – aaah!“ Mit einem lauten Krach war gerade die Wand vor ihr zerborsten. Zumindest hatte es sich genauso angehört. Serina zog ihre Beine an und wagte nicht, sich noch irgendwie zu bewegen. Vielleicht konnte das riesige Tier sie dann nicht wahrnehmen. Doch mit klopfenden Herzen musste Serina feststellen, dass das Wesen sie wohl doch entdeckt hatte. Denn sie spürte ganz deutlich, dass da irgendetwas vor ihr war. Ein regelmäßiger Luftzug, was wohl der Atem der Kreatur war, erfasste Serina. Ganz still und am ganzen Leib zitternd saß sie da und hoffte, dass das Tier einfach wieder verschwinden würde. Stattdessen fühlte sie aber, wie das Wesen immer näher kam. Irgendetwas berührte sie an ihrem Kopf. Serina wagte nicht, sich zu bewegen. Sie hatte zwar fürchterliche Angst, doch sie blieb eisern. Jetzt wanderte es schon ihr Gesicht runter. Es war kalt und feucht. Vermutlich war es die Nase des Tieres, das wissen wollte, was es da vor sich hatte. Jeder vernünftige Mensch wäre schon längst weggelaufen, dachte Serina. Nur sie saß noch da und starb fast vor Furcht.

Aber je länger das Tier sie beschnupperte, desto weniger Angst hatte Serina. Wenn es ihr etwas tun wollte, hätte es das wahrscheinlich schon längst getan. Außerdem fing es an zu kitzeln, denn das Tier wurde immer aufdringlicher mit seinem Schnuppern. Irgendwann konnte Serina nicht mehr an sich halten und musste laut loslachen. Sie drückte die Nase sanft von sich. „Nein, bitte, hör endlich auf damit!“, schrie sie vor Lachen.

Zu Serinas Verwunderung wandte sich das Tier ab. Also war es wohl wirklich nicht bösartig. Serina fiel ein Stein vom Herzen. Aber nun interessierte es sie, das Tier genauer zu betrachten. Vorsichtig streckte sie ihren Arm aus. Sie bekam die Nase zu fassen, wobei sie kurz zurückzuckte, erschrocken, weil die Nase so nass und kalt war. Doch dann stand Serina auf und betastete das Tier weiter. Anscheinend hatte es nichts dagegen, denn es hielt ganz still. Allein schon der Kopf war fast so groß wie Serina. Sie wollte sich gar nicht vorstellen, wie gewaltig dann das ganze Tier sein mochte. Was es wohl war? Serina konnte sich nicht erinnern ein solches Tier schon einmal gesehen zu haben, aber Serina war ja bisher auch noch nie im Erdkönigreich gewesen. Wahrscheinlich gab es auf der Welt viel Tiere, die sie noch nicht gesehen hatte. Aber ein Tier, das erdbändigen konnte und sich somit durch diese unterirdischen Höhlen fortbewegte? Und dann fiel es Serina plötzlich ein. Im Buch ihres Meisters hatte sie von diesen Geschöpfen gelesen. Die Leute im Erdkönigreich hatten das Erdbändigen von Tieren erlernt. Wie hießen sie noch einmal? Serina musste lange nachdenken, bis es ihr wieder einfiel. Dachsmaulwurf war ihr Name.

Traurig streichelte Serina das riesige Tier, das neben ihr stand. „Du kannst also erdbändigen. Schade, dass du es mir nicht zeigen kannst, wie es geht. Aber leider wirst du mich wohl kaum verstehen.“ Resigniert ließ sie den Kopf hängen. Sie musste wohl einfach hier ausharren und darauf warten, dass Toph zurückkehrte. Anders würde sie nie rausfinden. Es waren ja nur noch zwei Tage. Zwei vergeudete Tage, in denen sie schon vieles hätte lernen können.

Plötzlich stupste der Dachsmaulwurf sie an. „Was ist? Was willst du von mir?“, fragte Serina überrascht. Serina hatte noch nie viel mit Tieren zu tun gehabt. Deshalb wusste sie nicht, was es von ihr hätte haben wollen. Doch es stupste sie noch einmal an und wanderte mit seiner Nase zu ihrer rechten Seite. „Ach so“, verstand sie nun. Sie holte etwas Essbares aus ihrer Tasche und hielt es dem Tier hin. Der Dachsmaulwurf fraß es freudig. Währenddessen streichelte Serina ihm über die Nase. Sein Fell war überall sehr weich und sie hätte alles dafür gegeben, um nur ein paar Stunden auf seinem kuscheligen, warmen Fell schlafen zu können, an Stelle von dem steinharten Boden.

„Bleibst du ein bisschen bei mir und leistest mir Gesellschaft?“, fragte Serina. Es tat gut mit jemanden reden zu können, auch wenn es nur ein Tier war. „Ich hatte lange nicht mehr die Gelegenheit, richtig mit jemanden reden zu können. Es ist so viel passiert in den letzten Tagen.“ Und ehe sich Serina versah, erzählte sie dem Dachsmaulwurf ihre ganze Lebensgeschichte oder zumindest die letzten aufregenden Tage. Als sie fertig war, musste sie feststellen, dass es ihr richtig gut getan hatte, darüber zu reden. Sie hatte von Tao berichtet, von Ba-Sing-Se und von der Angst, dass jeder in ihrer Umgebung in Gefahr war. „Ich muss jetzt ganz schnell die vier Elemente beherrschen lernen, sonst wird alles nur noch schlimmer.“

Und mit diesem Satz stand der Dachsmaulwurf plötzlich auf. Serina, die sich gegen ihn gelehnt hatte, fiel fast nach hinten über. „Hey, warte, wo willst du denn hin?“ Sie rannte ihm hinterher, obwohl sie ihn nicht sehen konnte. Aber es war nicht besonders schwer, ihm zu folgen, bei dem Lärm, den er verursachte. Es war jedoch nicht nur der Lärm, den Serina vernahm. Irgendwie konnte sie ihn durch den Boden fühlen. Sie spürte die Vibrationen in der Erde. Aber nicht so, wie es vorhin noch der Fall gewesen war. Nun konnte sie den exakten Ort bestimmen, von dem sie auskamen.

Serina lief diesem riesigen Wesen hinterher, ohne genau zu wissen, warum sie das tat. Vielleicht sehnte sie sich nur nach etwas Gesellschaft und wollte nicht wieder alleine sein. Vielleicht hoffte sie aber auch, irgendwie durch ihn nach draußen zu gelangen. Immerhin konnte das Tier erdbändigen. Es konnte gehen, wohin es wollte. Es besaß eine Freiheit, die Serina nie hatte. Selbst am nördlichen Wasserstamm hatte Serina nicht viel Freiraum besessen. Sie war noch zu klein, um groß auf Reisen zu gehen, hieß es immer. Selbst wenn Paku versicherte, auf sie aufzupassen, durften sie nicht alleine weg. Er war zwar fünf Jahre älter als sie, dennoch sahen die Erwachsenen ihn immer noch als Kind. Das Problem daran war, dass sie beide sozusagen von der ganzen Stadt groß gezogen worden waren. Sie hatten früh ihre Eltern verloren und weil keiner sie adoptiert hatte, hatte jeder auf die beiden Waisen aufgepasst. Zum einen war es toll gewesen, weil jeder irgendwie mit ihr verbunden war, zum anderen fühlte sich jedoch keiner hundertprozentig für sie verantwortlich und hatte nie eine elterliche Beziehung zu ihr aufgebaut. Wenn es schon schwierig genug war, sich gegen zwei Eltern aufzulehnen, war es noch hundertmal schwerer, sich gegen jeden Erwachsenen, der in der Stadt lebte, zu wehren. Vielleicht war das auch der Grund, warum Paku und sie immer so viele Streiche gespielt hatten. Sie wollten sich wehren.

Voller Neid lief sie dem Dachsmaulwurf immer noch hinterher, bis er plötzlich stehen blieb. Serina merkte es sofort, weil die Vibrationen aufgehört hatten. „Was ist denn?“ Überrascht ging sie an dem massigen Körper vorbei, bis sie beim Kopf angekommen war. Dann spürte sie plötzlich, wie sie von hinten etwas noch weiter nach vorne drückte. Die Tatze des Tieres schob sie sanft nach vorne, bis sie an der Wand vor ihnen angekommen war. Serina betastete sie. Sie war wie alle anderen Wände, die sie hier schon untersucht hatte. Fest und undurchdringbar. Hatten sie sich etwa die ganze Zeit mit Erdbändigen einen Weg gebahnt? „Was willst du von mir? Ich kann nicht erdbändigen. Du hast das doch bisher ganz gut hingekriegt. Warum machst du denn nicht einfach weiter?“

Dann fühlte Serina, wie die Tatze des Tieres sich auf ihre Hand legte und die Wand vor ihr verschwand. „Wow!“, war die einzige Reaktion, die Serina dazu abgeben konnte. Es war merkwürdig gewesen. Sie hatte gespürt, wie die Erde sich dem Willen des Tieres gebeugt hatte. Irgendwie war es fast so, als ob die Erde Respekt vor ihm gehabt hätte. Sie hatte mit Freuden den Weg frei gemacht, weil der Dachsmaulwurf diese Ausstrahlung besaß. Serina war es von Anfang an aufgefallen. Dieses Tier trat mit einer Bestimmtheit auf, die sie bisher nur bei einem anderen Menschen gesehen hatte. Und das war Toph. Toph bewegte sich ähnlich wie der Dachsmaulwurf. Sie besaß einen festen Schritt, der zeigte, dass ihr sich nichts entgegen stellen konnte. Serina hatte es so empfunden, dass Toph jedes Hindernis überwinden konnte.

Vielleicht musste Serina auch nur eine solche Entschlossenheit finden, um die Erde bändigen zu können. Beim Wasserbändigen hatte ihr immer Ruhe und Gelassenheit geholfen. Beim Erdbändigen musste sie einen anderen Ansatz finden. Sie musste standhaft sein, vielleicht sogar ein wenig stur. Wie sonst sollte sie gegen die Sturheit der Erde ankommen? Entschlossen begab sie sich in einem festen Stand, genau vor der Wand, die nur um ein paar Zentimeter verschoben worden war. Serina atmete einmal tief durch und konzentrierte sich. Nicht fließend, sondern fest und standhaft musste sie jetzt sein. Sie legte beide Hände auf die Wand, versuchte das Wesen der Erde zu erfühlen. Es war hart, wie immer, und Serina musste nun auch hart sein. So hart wie Stein.

Sie legte all ihre Energie in ihre Hände und wollte die Erde bändigen. Doch es rührte sich nichts. Dabei hatte sie doch gedacht, dass es diesmal klappen würde. Oder hatte sie die Erde immer noch nicht richtig verstanden? Wütend stampfte sie mit dem Fuß auf. „Das ist doch zum Verrückt werden. Da gibt man sich soviel Mühe und was ist?“ Voller Zorn schlug sie gegen die Wand. Immer und immer wieder. „Was denkst du dir eigentlich dabei, mir den Weg zu versperren? Ich bestimmte, wo es langgeht.“ Mit dem nächsten Schlag gegen die Wand fiel sie plötzlich vornüber. Ein Stück der Wand vor ihr, nämlich genau das Stück, wo sie gegen geschlagen hatte, hatte sich bewegt. Serina kniete zwar halb auf dem Boden, doch sie war überglücklich. Sie hatte es geschafft. Sie hatte gerade tatsächlich Erde gebändigt. Es war unglaublich. Sie spürte, wie der Dachsmaulwurf sie von hinten anstupste. Sie drehte sich um und umarmte seine Schnauze. „Vielen Dank. Ohne deine Hilfe hätte ich es nicht geschafft.“ Der Dachsmaulwurf gab zum ersten Mal einen Laut von sich, aber es hörte sich freudig an. Es sprach Serina aus der Seele.

„Kannst du mir den Weg nach draußen zeigen? Ich brauche mal wieder ein bisschen frische Luft.“ Zur Bestätigung fühlte Serina eine starke Erschütterung. Und als sie ein paar Schritte vorwärts ging, wusste sie, dass der Dachsmaulwurf einen ganzen Tunnel geschaffen hatte. Freudig hüpfte sie den Weg entlang. Es war unglaublich, wie gut Serina sich fühlte. Sie hatte es geschafft, Erde zu bändigen und jetzt war sie sogar noch auf den Weg nach draußen.

Sie spürte, wie der Dachsmaulwurf immer einen Schritt hinter ihr ging. Sie hatte ihm soviel zu verdanken. Nach gar nicht so langer Zeit, kam Serina jedoch wieder an einer Wand an. Sie war also doch noch nicht draußen. Der Dachsmaulwurf schob sie wieder sanft von hinten an. „Meinst du damit, dass ich das letzte Stück freimachen soll?“ Der Dachsmaulwurf schob sie noch ein Stück weiter vor. „Okay, ich mach ja schon.“

Sie stellte sich genauso hin, wie noch wenige Minuten zuvor. Die Füße fest auf den Boden. Mit einer noch größeren Entschlossenheit als vorher, weil sie wusste, dass hinter dieser Mauer Sonne und Luft sein würde, legte sie ihre Hände gegen die Wand. Einmal kräftig schlug sie dagegen und Serina spürte sofort die wärmende Sonne auf ihrer Haut. Sie trat einen Schritt vor und atmete die frische Luft ein. Serina hätte nie gedacht, dass sie sich jemals über etwas so Belangloses wie Sonne oder Luft freuen könnte. Sie legte sich ins Gras und zog diesen unglaublichen Duft in ihre Nase. Es war einfach nur herrlich.

Doch dann stand sie noch mal auf und ging zu dem Dachsmaulwurf zurück. Sie streichelte ihm über die Schnauze. „Vielen Dank für deine Hilfe. Und wenn ich dir irgendwann mal helfen kann, sag einfach bescheid.“ Serina spürte, wie der Dachsmaulwurf sich umdrehte und wieder zurück in die Höhle marschierte. Hinter ihm zog sich die Wand aus Erde wie von Geisterhand wieder hoch. Serina war zwar ein bisschen traurig, aber sie war froh endlich wieder draußen zu sein. Sie setzte sich ins Gras und ließ sich von der Sonne bestrahlen. Die Augenbinde beließ sie auf, denn die drei Tagen waren ja noch nicht vorbei. Serina würde jetzt einfach hier sitzen bleiben und auf Tophs Rückkehr warten.

Gespräche am Lagerfeuer

„Naja, das hast du ja ganz passabel hinbekommen“, hörte Serina Toph sagen und spürte, wie sie sich ihr in die Sonne stellte. „Das hast du aber nur Jerry zu verdanken. Der war nämlich mal wieder viel zu neugierig. Eigentlich sollten sie dich erstmal zwei Tage schmoren lassen.“

Serina konnte sich gut vorstellen, dass Toph wieder ein fettes Grinsen auf dem Gesicht trug, aber sie konnte es nicht sehen, da sie immer noch ihre Augenbinde auf hatte. Sie wagte es jedoch nicht, sie abzunehmen, bevor Toph es ihr erlaubte.

„Denk aber bloß nicht, dass du jetzt meine Lieblingsschülerin bist!“ Mit diesen Worten stand Toph auf und ging einfach. Serina beeilte sich, ihr nachzukommen. Eilig stand sie ebenfalls auf und stolperte ihr hinterher. Hier draußen hielt sie ihre Arme nach vorne, damit sie nicht plötzlich gegen einen Baum lief.

Toph, die das alles genau wahrnahm, konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. Natürlich hätte sie Serina anbieten können, die Augenbinde abzunehmen, aber so machte das alles doch viel mehr Spaß. Wozu war ein Schüler da, wenn man ihn nicht ab und zu etwas quälen durfte? Auch wenn sie wusste, dass dieses Mädchen wahrscheinlich in den letzten Tagen einiges mitgemacht hatte, konnte sie sich diese Genugtuung nicht verkneifen. Es war nun einmal ihre Art.

Nach etwa einer halben Stunde war Toph an ihrem Ziel angekommen. Serina war ein wenig zurückgefallen, doch sie würde den Weg schon finden. Toph machte sich mittlerweile daran, etwas zu Essen vorzubereiten. Das Holz hatte sie schon gesammelt. Nun machte sie sich daran, das Feuer zu entzünden. Selbst nach all den Jahren hatte sie noch immer Probleme damit. Es dauerte meist länger, als sie es eigentlich wollte. Schließlich hatte sie es geschafft und nun trudelte auch Serina ein. Mit einem lauten Seufzer ließ sie sich auf den Boden nieder. Toph konnte nicht umhin, sie ein wenig zu achten. Für sie musste es eine Qual sein mit dieser Augenbinde herumzulaufen und sie fragte nicht einmal, ob sie sie absetzten durfte. Sie war wohl nicht nur ein schwächliches kleines Kind.

„Setz dich“, sagte Toph überflüssigerweise nachträglich. „Ich mache uns gerade etwas zu essen. Ich hoffe, du magst Fisch.“

Serina fand, dass das eine wirklich dämliche Frage war, immerhin war ihr Heimatort der nördliche Wasserstamm. Was dachte Toph, was es da zu essen gab? Wild? Aber Serina meinte nur: „Ja, den esse ich wirklich gerne.“ Sie musste auch zugeben, dass sie Toph wirklich dankbar war. Das Wasser lief ihr im Mund zusammen, wenn sie nur daran dachte, mal wieder eine warme Mahlzeit zwischen den Zähnen zu haben. Und dann war es auch noch Fisch, was sie ein wenig an ihr zu Hause erinnerte.

Damit sie sich nicht die ganze Zeit anschwiegen, entschied Serina ein Gespräch anzufangen. „Du hast eben von irgendeinem Jerry geredet? Wen meintest du denn damit?“

„Na, der kleine Dachsmaulwurf. Wen hast du denn sonst da unten noch getroffen?“ Toph schien sichtlich interessiert, jedoch tat sie nur so. Sie war bestens über jeden Schritt informiert, den Serina in den Höhlen getan hatte. Toph hätte nie im Leben riskiert, dass dem Mädchen etwas geschah. Sie war jetzt ihre Lehrerin und war somit für das Mädchen verantwortlich. Sie würde sie beschützen.

Serina war überrascht. Nicht über die Tatsache, dass Toph sich mit Dachsmaulwürfen unterhielt und denen sogar Namen gab, sonder über eine andere Sache. „Klein?“, brachte sie nur hervor.

„Ja, natürlich. Für einen Dachsmaulwurf ist Jerry noch sehr klein. Der wird bestimmt noch doppelt so groß werden.“ Toph hörte sich fast ein bisschen stolz an, fand Serina. Aber das war ja auch kein Wunder. Die Dachsmaulwürfe waren bestimmt die einzigen Wesen, mit denen Toph sich unterhielt. Da war es nicht ungewöhnlich, dass sie sie ins Herz geschlossen hatte. Serina war es da nicht anders ergangen. Sie hatte Jerry zwar nicht lange gekannt, aber sie hatte ihn sehr gemocht, besonders weil er ihr Gesellschaft geleistet hatte.

„Du kannst jetzt auch mal deine Augenbinde abnehmen, Serina. Das Essen ist gleich fertig“, sagte Toph eher beiläufig.

Serina war froh, dass Toph dieses Thema endlich ansprach. Sie selbst hatte nämlich nicht fragen wollen. Glücklich machte sie den Knoten auf. Und wie sie vermutet hatte, war es wirklich schon dunkel geworden. Es war nämlich immer kälter geworden, auch wenn man direkt neben dem Feuer saß. Sie blinzelte ein paar Mal, denn auch wenn es dunkel war, mussten sich ihre Augen erst einmal wieder daran gewöhnen, überhaupt etwas zu sehen. Es war zwar befreiend wieder sehen zu können, doch Serina musste zugeben, dass es sehr interessant gewesen war, mal blind durch die Gegend zu laufen und zu sehen, wie gut man damit zurecht kam.

„Nimm endlich!“ Toph hielt ihr einen Fisch unter die Nase. Nach der Tonlage ihrer Stimme zu schließen tat sie das schon etwas länger. Serina war so abgelenkt gewesen, dass sie es gar nicht bemerkt hatte. Dankend nahm sie ihn entgegen. Und er duftete herrlich.

Toph hatte ihren schon halb aufgegessen, darum wartete Serina auch nicht länger. Mit ein paar großen Bissen verschwand er in ihren Magen. Mit Freuden bemerkte Serina, dass zwei weitere Fische über den Feuer brutzelten.
 

Während des Essens waren Toph und Serina beide sehr still gewesen. Toph war sowieso nicht der gesprächige Typ und Serina war einfach froh, erst einmal etwas in den Magen zu bekommen.

Doch als Serina satt war, wollte sie mehr wissen. Schon seit sie in dem Brief ihres Meisters gelesen hatte, dass sie Toph aufsuchen soll, war sie sehr aufgeregt gewesen. Diese Person war eine lebende Legende und sie war eine der wenigen Personen, die genau wussten, was vor sechzehn Jahren passiert war. Sie war dabei gewesen und vielleicht würde sie es Serina erzählen. Eigentlich musste sie es ihr erzählen, denn schließlich war Serina der Avatar und als dieser sollte man jede Einzelheit über diesen Tag wissen.

Jedoch traute Serina sich nicht so recht, Toph einfach auf das Thema anzusprechen. Sie hatte bisher nur ein paar Sätze mit ihr gewechselt, nichts Tiefgründiges. Und eigentlich kannte sie Toph noch nicht gut genug, um sie auf so ein ernstes Thema anzusprechen.

Als Serina aufblickte und in Tophs Gesicht sah, erblickte sie ein leichtes Lächeln. Aber nicht das überlegene, schadenfrohe Lächeln, was sie bisher von ihr kannte. Serina fand, dass es ein wenig traurig aussah. „Du willst wissen, was damals geschehen ist, stimmt’s?“

Serina nickte verlegen und als ihr einfiel, dass Toph blind war, sagte sie laut: „Es interessiert mich sehr und ich glaube, dass es von großer Bedeutung ist. Immerhin bin ich der Avatar.“ Serina fiel auf, dass sie diesen Satz bisher erst einmal gesagt hatte. Zum einen, weil sie Angst vor der Zukunft hatte. Als Avatar besaß man auch immer eine Menge Verantwortung. Zum anderen, weil sie einfach niemanden davon erzählen konnte.

Toph antwortete lange nicht. Sie schien an das Vergangene zu denken und anscheinend war das alles nicht sehr schön gewesen. Schließlich meinte sie: „Ich bin mir darüber im Klaren, dass du die Wahrheit erfahren musst, Serina. Doch ist weder heute der richtige Tag dafür, noch bin ich der richtige Ansprechpartner. Es wird sich irgendwann die Gelegenheit für die Wahrheit zeigen.“

Serina war nicht sehr erfreut über diese Aussage. Am Liebsten hätte sie hier und jetzt alles erfahren. „Aber wäre es nicht besser, schon früh die Wahrheit zu wissen, um dementsprechend handeln zu können“, versuchte sie es noch einmal.

„Du weißt, was die Leute sagen und erzählen. Was sie glauben, was damals geschehen ist. Vielleicht entspricht es der Wahrheit, vielleicht sind es aber auch nur Lügen, gesponnen aus den Ängsten der Menschen. Eigentlich sollte es für dich keine Rolle spielen. Du musst dich als Avatar auf deine Ausbildung konzentrieren und darauf, am Leben zu bleiben. Was nützt dir die Wahrheit, wenn kein Anderer sie kennt?“ Tophs leere Augen starrten ins Feuer.

Serina war immer noch nicht zufrieden mit der Antwort, aber sie sah ein, dass es wohl wenig Sinn hatte, weiter mit Toph zu diskutieren. Da sie eine Erdbändigerin war, war sie bestimmt auch sehr stur. Darum beließ sie es dabei.
 

Toph jedoch wollte ein bisschen mehr über Serina erfahren. Sie würde eine lange Zeit, mit ihr zusammen unterwegs sein. Da sollte man sich ein wenig kennen. „Ich weiß, dass du mit meiner Entscheidung bestimmt alles andere als zufrieden bist. Aber später wirst du mich vielleicht irgendwann verstehen. Aber jetzt lass uns über ein anderes Thema reden. Erzähle mir ein wenig von dir.“ Toph hoffte, dass Serina dadurch etwas abgelenkt würde.

Damit hatte Serina nun wirklich nicht gerechnet. „Was willst du denn wissen?“ Sie hätte gar nicht gewusst, wo sie hätte anfangen sollen.

„Berichte mir erst einmal von deiner bisherigen Reise. Ich habe zwar schon einiges mitbekommen, aber ich will es von deinem Standpunkt aus hören“, forderte Toph sie auf.

Serina hatte das schon alles Jerry erzählt, doch sie merkte, dass es bei Toph um einiges schwerer war. Sie konnte nicht einfach ihre Ängste und Befürchtungen mit ihr teilen. Das war etwas völlig anderes. Trotzdem fing sie zögernd an. Sie sprach über die Nacht, in der ihr Meister Tarik in ihr Zimmer gestürmt war und sie aus dem Schlaf gerissen hatte. Serina kam das alles so weit weg vor, dabei war nicht einmal eine Woche vergangen.

„Mein Meister hat mir auch ein paar nützliche Dinge und Ratschläge mit auf die Reise gegeben“, meinte sie gerade. Den Brief erwähnte sie nicht. Das war zu persönlich, besonders die Tatsache, was das Stück Papier für sie bedeutete. „Zum Beispiel dieses Buch hier.“ Sie kramte in ihrer Tasche herum und holte das Buch heraus. Sie hielt es Toph hin.

Toph war jedoch nur am Grinsen. „Das sieht sehr interessant aus.“ Sie nahm das Buch entgegen und blätterte darin herum. Ihr Blick war auf das Buch gerichtet, doch natürlich konnte sie nichts sehen.

Serina musste anfangen zu lachen. „Du hältst das Buch falsch herum, Toph.“

„Oh!“ Sofort korrigierte Toph den Fehler. „So besser?“

Serina wusste, warum Toph das tat. Sie wollte sie ein wenig aufmuntern. Und Serina stellte fest, dass es wirklich funktionierte. Einfach mal zu lachen, tat richtig gut. Es lenkte sie ab von der Tatsache, dass sie eigentlich jede Minute auf der Hut sein musste. „Ja, so ist es richtig. Das Buch ist sehr interessant und aufschlussreich geschrieben. Es handelt über die vier Nationen und stammt noch aus der Zeit vor dem großen Krieg. Leider steht kein Autor drin, denn das würde mich sehr interessieren.“

Toph gab ihr das Buch zurück. „Dein Meister scheint an alles gedacht zu haben.“

„Ja, mein Meister hat immer an alles gedacht. Ich habe ihm viel zu verdanken“, sagte Serina traurig.

„Und du bist ganz alleine aufgebrochen?“ Toph wusste, dass es logischer war. Dass man alleine weniger auffiel, aber es war auch um einiges schwerer. Sie wusste das aus eigener Erfahrung. Sie war von klein auf, immer allein gewesen, bis sie Aang und die Anderen getroffen hatte.

„Ja. Mein Meister wollte nicht mit und er hat mir verboten, Paku zu fragen.“ Wieder wurde es Serina schmerzlich bewusst, wie sehr sie Paku vermisste. Früher war sie nie von ihm getrennt gewesen. Jeden Tag hatten sie sich gesehen. Ob er sie wohl auch vermisste?

„Wer ist Paku?“, wollte Toph wissen.

„Paku ist mein bester Freund. Schon seit unserer Kindheit waren wir nie zu trennen gewesen. Ich würde alles für ihn tun und er bestimmt auch für mich.“

Toph spürte, wie sehr sie ihn vermisste. Sie vermisste ihre alten Freunde auch sehr. „Und warum hat dein Meister es verboten? Zu zweit fühlt man sich doch nicht so allein.“ Eigentlich wollte Toph das gar nicht laut gesagt haben. Es machte sie angreifbar, doch Serina schien den letzten Satz gar nicht wahrgenommen zu haben.

„Es hat mit seiner Vergangenheit zu tun“, fing Serina zögernd an. „Sein Vater war damals dabei und wurde getötet. Das hat Paku nie vergessen können. Er sinnt nach Rache. Immer wenn er davon sprach, kam er mir so fremd vor. Er hat mir fast schon Angst gemacht.“ Serina erinnerte sich nicht gerne an eine dieser Situationen. Ihr Freund war dann nie er selbst gewesen. Er war nicht ihr Paku gewesen.

Toph nickte verstehend. „Ich stimme deinem Meister zu. Es wäre ein zu großes Risiko.“

Serina schüttelte heftig den Kopf. „Ihr Erwachsenen seht immer nur das Große und Ganze. Was wir uns gegenseitig bedeuten, darüber denkt ihr nicht einmal nach. Ich weiß ganz genau, dass Paku zu mir halten würde. Er ist mein Freund und er hat mir versprochen, immer für mich da zu sein.“ Eine Träne löste sich aus Serinas Auge.

„Es tut mir leid. Vielleicht hast du sogar recht. Aber jetzt ist es sowieso zu spät, darüber zu diskutieren. Er ist am Nordpol und du bist hier.“

Serina nickte traurig. „Ja, es ist zu spät.“ Sie würde Paku eine lange Zeit nicht sehen und damit musste sie sich abfinden. Aber vielleicht konnte sie einem anderen Freund helfen. „Toph, ich hätte noch eine Bitte.“

„Schieß los.“ Toph wollte es sich zumindest anhören. Auch wenn sie Serina wahrscheinlich wieder enttäuschen müsste.

„Ich habe jemanden in Ba-Sing-Se kennen gelernt. Er hat mir sehr geholfen, aber ich habe … er wurde gefangen genommen. Ich wollte dich bitten, dass wir versuchen, ihn zu befreien. Das bin ich ihm schuldig. Ohne ihn hätte ich nämlich überhaupt nicht fliehen können.“

Serina hätte noch tausend weitere Gründe nennen können, warum es notwendig war, ihn zu retten, doch Toph unterbrach sie: „Du willst also zurück nach Ba-Sing-Se, um den Jungen zu retten, der dir geholfen hat, erst aus dieser Stadt zu fliehen?“

Serina nickte. Dazu konnte sie nichts sagen. So war es nun mal. Nicht sehr logisch, aber sie musste ihrem Herzen folgen.

„Du weißt, dass du direkt ins Netz der Spinne läufst, wenn du das tust?“

Serina nickte erneut.

„Gut, kein Problem.“

Serina konnte es nicht fassen. Hatte sie das gerade richtig verstanden? Hatte Toph gerade ihrem Plan zugestimmt? Am liebsten wäre Serina jetzt vor Freude in die Luft gesprungen.

„Aber nur unter einer Bedingung.“ Toph hob einen Finger und hielt ihn direkt vor Serinas Nase. „Ich werde bestimmen, wann wir ihn retten. Vielleicht dauert es noch ein paar Tage, vielleicht noch Wochen. Ich will, dass du genügend gerüstet bist. Und du wirst dich an jeden Befehl halten, den ich dir nenne. Bist du einverstanden?“

„Ja, bin ich.“ Serina versuchte ihre Stimme so ernst wie möglich klingen zu lassen und nicht so euphorisch, wie sie sich fühlte. Der Gedanke, Tao noch etwas länger sitzen zu lassen, gefiel ihr zwar nicht besonders, aber sie wusste, sonst würde Toph nein sagen. Serina müsste sich halt beim Training nur genügend anstrengen, damit es schneller ging.
 

Serina saß noch einige Minuten schweigend da, einfach nur froh, die Gewissheit zu haben, dass sie Tao bald wieder sehen würde. Mit Tophs Hilfe konnte zumindest nichts mehr schief gehen.

Somit war der nächste Schritt ihrer Reise geplant, doch Serina hatte keine Ahnung, wie es danach weitergehen sollte. Meister Tarik hatte in seinem Brief geschrieben, dass Toph bestimmt Rat hätte. Vielleicht sollte Serina sie einfach mal fragen.

„Toph?“

„Ja, Serina?“ Toph blickte Serina neugierig an.

„Wie geht es jetzt eigentlich weiter?“

„Ich werde mit dir jetzt erst einmal das Erdbändigen üben und dann befreien wir deinen Freund. Das haben wir doch schon geklärt.“

„Nein.“ Serina schüttelte ihren Kopf. „Das meine ich nicht. Ich möchte wissen, was ich jetzt tun muss. Mein Meister sagte zu mir, ich muss der Welt zeigen, was ein Avatar wirklich ist. Wie soll ich das denn anstellen?“

Toph schien kurz zu überlegen. „Erst einmal musst du der Avatar werden, bevor du den Leuten seine Bedeutung zeigen kannst. Ich würde sagen, du konzentrierst dich erst auf deine Ausbildung. Das wird nämlich fürs Erste schwer genug werden.“

„Du meinst das Luftbändigen, stimmt’s?“ In Serina zog sich alles zusammen, wenn sie nur daran dachte. Es wurde ihr übel bei dem Gedanken, keinen Meister dafür finden zu werden.

Toph nickte. „Du wirst es dir vermutlich selbst beibringen müssen.“ Serina hatte so etwas schon befürchtet und trotzdem war es etwas ganz anderes, es laut zu hören. Es war niederschmetternd.

„Warum denkst du, habe ich dich alleine in der Höhle gelassen?“ Toph sah ihre neue Schülerin fragend an.

Serina war viel zu verwirrt, um Tophs Gedankengänge interpretieren zu können. Somit zuckte sie nur mit den Schultern.

„Überleg doch mal, Serina“, forderte Toph sie auf.

„Vielleicht damit ich den Grundsatz des Erdbändigens selbst erlerne?“, fragte Serina unsicher, obwohl sie schon ahnte, dass es richtig war.

Toph nickte. „Ganz genau. Wenn man mit der Gabe des Bändigens geboren wird, ist es nicht schwer, den Ansatz zu finden. Man muss nur noch lernen, es zu kontrollieren. Als Avatar ist das etwas völlig anderes. Du musst das neue Element kennen lernen, erkennen wie du es bändigen kannst. Meist ist das schon das Schwerste. Ich weiß noch, wie dumm Aang sich bei unserem ersten Training angestellt hat.“ Ein kurzes Lächeln huschte über Tophs Gesicht.

Serina fragte sich, ob sie es noch mal wagen sollte. Der Zeitpunkt schien perfekt zu sein. Bevor sie jedoch noch mal darüber nachdenken konnte, kam ihr eigener Mund, durch die große Neugier beflügelt, ihr zuvor: „Willst du mir nicht doch erzählen, was damals passiert ist?“

Toph schüttelte bestimmend den Kopf. „Nein. Wie schon gesagt, werde ich es dir nicht verraten. Ich bin nicht die richtige Person dafür.“

Serina wusste nicht, was sie erwartet hatte. Dass Toph in der halben Stunde ihre Meinung geändert hatte? Trotzdem hatte sie sich kurz Hoffnungen gemacht und somit war sie jetzt wieder enttäuscht.

Toph bemerkte dies natürlich. „Es tut mir leid, Serina, aber ich kenne auch nicht die ganze Wahrheit. Für mich kam damals nur die Frage auf, ob ich zu meinem Freund stehe oder nicht.“

Selbst diese Erklärung heiterte Serina nicht auf. Mit der halben Wahrheit wäre sie auch zufrieden gewesen.

„Aber wenn du die Wahrheit unbedingt wissen willst, gibt es noch eine andere Möglichkeit, als mich zu fragen.“ Serina horchte auf, doch Toph sah sie nur herausfordernd an. Schließlich fuhr sie fort: „Du als Avatar hast eine Möglichkeit, die kein Anderer besitzt.“

Als Serina begriff, was Toph ihr sagen wollte, wurde sie sauer. „Nein! Ich werde ihn nicht fragen.“ Außer sich vor Wut sprang sie auf. „Er ist doch an Allem schuld. Er ist schuld daran, dass ich mich verstecken und um mein Leben bangen muss. Dass jeder, der mit mir zu tun hat, in Gefahr ist.“ Angestrengt hielt sie die Tränen zurück. „Niemals werde ich Avatar Aang fragen.“ Damit war Serina im Wald verschwunden.

Toph blickte traurig zu Boden, während sie jeden Schritt von Serina verfolgte.

Anstrengendes Training

Serina wollte nicht zu Toph zurück. Sie hatten sich zwar nicht gestritten, aber schon allein der Vorschlag von Toph machte Serina unglaublich wütend. Sie wusste, dass Toph nicht daran glaubte, was die Leute erzählten, und sie konnte sich denken, dass sie Avatar Aang vermutlich bis zum Schluss vertraut hatte. Wahrscheinlich hatte Serina Toph mit ihrer Reaktion sehr verletzt, doch das war ihr egal. Aang war an allem Schuld, ganz gleich, ob er es jetzt getan hatte oder nicht. So einfach konnte Serina das nicht vergessen. Immerhin saß sie seinetwegen jetzt alleine hier im Wald mitten im Erdkönigreich, verfolgt von den Erdbändigern, sowie den Leuten aus ihrem eigenen Stamm.

Serina wanderte alleine durch die Gegend. Sie war sich im Klaren darüber, dass es alles andere als ungefährlich war, doch das war ihr im Moment mehr als gleichgültig. Erst einmal musste sie dafür sorgen, dass sie wieder einen klaren Kopf bekam. Unmöglich könnte sie sich sonst auf etwas anderes konzentrieren. Schon früher hatte sie immer den ganzen Trainingsraum unter Wasser gesetzt, wenn ihr irgendetwas im Kopf rumgespukt hatte. Meist hatte dann ein Gespräch mit Paku oder ihrem Meister geholfen. Doch die waren jetzt nicht hier. Serina musste damit ganz alleine zurecht kommen. Mit ihrer unglaublichen Wut. Nicht unbedingt auf Toph, aber auf die ganze Situation. Bis jetzt hatte Serina sich einfach damit abgefunden. Sie war der nächste Avatar und damit hatte sich die Sache. Aber eigentlich war sie sauer. Sie war sauer, dass es sie getroffen hatte, dass ihr ganzes Leben dadurch auf den Kopf gestellt wurde. Es war ganz und gar nicht fair. Und besonders nicht, dass sie alles aufgeben musste. Ihr zu Hause, ihre Freunde und ihre Freiheit.

Sie war wütend über ihr Schicksal.
 

Serina wusste nur zu gut, dass sie nichts daran ändern konnte, aber sich einmal darüber aufregen war doch bestimmt erlaubt. Was wohl Toph dazu sagen würde? Wahrscheinlich fände sie es unsagbar kindisch. Eigentlich war es das ja auch. Eine erwachsene Person würde ihr Schicksal annehmen, ob es ihr jetzt gefiel oder nicht. Nur Kinder konnten sich über so was überhaupt aufregen.

Gedankenverloren kickte sie einen Stein vor sich her, ohne darauf zu achten, wo sie hinging. Sie fühlte sich mal wieder völlig einsam auf der Welt. Die erste Person, die ihr geholfen hatte, hatte sie schmählich im Stich gelassen. Die Nächste, die bereit war, ihr beizustehen, hatte sie jetzt einfach sitzen lassen, nur weil Serina eine Bemerkung von ihr nicht gefallen hat. Dabei hatte Toph gar nichts Falsches getan. Sie hatte ihr nur helfen wollen, hatte ihr eine Lösung für ihr Problem angeboten.

Plötzlich fühlte sie sich richtig mies. Sie musste sich unbedingt bei Toph entschuldigen. Nicht nur wegen ihrem schlechten Gewissen, sondern auch wegen der Tatsache, dass sie sich sonst eine neue Lehrerin suchen müsste. Und diese zu finden, war schon schwer genug gewesen.

Entschlossen jetzt Toph zu suchen, um sich bei ihr zu entschuldigen, blickte sie auf. Und genau in dem Moment kam ein riesiger Steinbrocken auf sie zu. Natürlich musste sie auch gerade jetzt angegriffen werden. Es ging alles so schnell, dass Serina kaum denken konnte. Im letzten Moment schaffte sie es gerade noch so, dem Stein auszuweichen. Halb auf dem Boden liegend, wanderte ihre Hand zu der Trinkflasche an ihrem Gürtel. Doch als sie aufblickte, um ihren Feind in die Augen zu blicken, sah sie dort Toph stehen.

Sie hatte die Hände in die Hüften gestemmt. „Wieso hast du den Fels nicht aufgehalten? Ich dachte, du könntest Erdbändigen?“

„Doch noch nicht in so einer Situation. Ich war viel zu überrascht“, raunte sie zurück. Im Grunde wollte sie nicht so einen barschen Ton anschlagen, doch irgendwie fühlte sie sich von Toph provoziert. Eigentlich wollte sie sich ja entschuldigen, doch Toph hatte sie nur noch mehr angestachelt.

„Gut, dann wissen wir ja, was wir jetzt zu tun haben. Auf mit dir.“ Toph stampfte einmal auf den Boden, Serina spürte nur noch einen Schmerz unter ihrer Brust und dann stand sie auch schon wieder auf beiden Beinen. Sie klopfte sich den Dreck von der Kleidung und meinte bissig: „Das hättest du auch ein bisschen sanfter machen können.“

„Training ist nun einmal hart. Je früher du das lernst, desto besser.“ Toph wandte ihr den Rücken zu und ging einfach.

Das war Serina ja schon von ihr gewöhnt. ohne ein Wort zu verlieren, verschwand sie einfach. Wie sollte sie mit so jemanden denn zurecht kommen. Wütend stampfte sie ihr jedoch hinterher. Wo sie wohl hinwollte? Fragen würde sie auf keinen Fall, sonst bekäme sie nur wieder eine dämliche Antwort.

„Falls du dich fragen solltest, wo wir hingehen: wir gehen zum Trainingsgelände. Hier im Wald ist ja nicht gerade die beste Umgebung, um das Erdbändigen zu üben.“ Damit schwieg Toph jedoch auch wieder.

Serina hatte daraufhin nichts zu sagen und ging auch einfach schweigend hinter Toph her. Das würde bestimmt ein heiteres Training werden.
 

Serina fand, dass das Trainingsgelände nicht viel her machte. Eigentlich war es bloß ein Steinplateau. Wo man auch hinblickte, war nur Fels und Stein zu sehen. Mittlerweile konnte Serina es nicht mehr sehen. Dieses Element war bestimmt nicht ihr Lieblingselement. Allein schon wegen der Tatsache, dass Toph es wohl so toll fand.

„So, hier sind wir. Dann können wir ja anfangen. Am besten fangen wir mit dem Kindergartenniveau an. Das scheint für dich genau richtig zu sein, immerhin führst du dich wie ein kleines Gör auf.“

Zornig sog Serina Luft ein und stieß sie direkt daraufhin wieder aus. „Was soll das denn heißen? Wer führt sich denn hier wie ein Kind auf, obwohl er schon längst erwachsen ist?“

Toph ging gar nicht weiter auf die Bemerkung ein und ging einige Schritte vor. Dort war eine Stelle, die nur mit Erde bedeckt war. „Diese Übung macht jeder zu Beginn seiner Ausbildung. Sie ist nicht schwer, verlangt aber, dass man die Grundprinzipien des Erdbändigens verstanden hat.“ Toph brachte ihre flachen Hände in Position, mit den Fingerkuppen nach unten zeigend. Dann stieß sie abwechselnd ihre Hände in die Erde, erst langsam, dann immer schneller. Mit jedem Stoß gelang sie etwas tiefer hinein.

Serina schaute ihr einige Sekunden lang zu und stellte sich dann neben Toph. Das war ja wohl nicht schwer und sie würde ihr beweisen, dass sie das auch konnte. Sie hielt ihre Hände in der gleichen Position. Blitzschnell ließ sie ihre rechte Hand nach unten schießen, jedoch gelang es ihr nicht, in die Erde einzutauchen und knickte sich die Finger um. „Aua!“ Sie schüttelte ihre rechte Hand, um den stechenden Schmerz loszuwerden. Sie blickte zu Toph und glaubte ganz kurz ein Grinsen auf ihrem Gesicht zu sehen.

„Auch wenn die Übung leicht erscheint, sollte man sich konzentrieren.“ Belehrend hob Toph ihren Zeigefinger in die Höhe. „Versuch es noch einmal!“

Auch nach drei weiteren Malen wollte es Serina nicht wirklich gelingen. Nach jedem Versuch regte sie sich mehr auf. Zum Einen, dass es ihr nicht gelang, zum anderen, dass Toph das wohl noch mehr Genugtuung bereitete.

„Du musst dich konzentrieren“, wiederholte Toph.

„Ich konzentriere mich ja“, brachte Serina verärgert hervor. „Diese Übung ist wohl einfach nicht das Richtige für mich.“ Beleidigt verschränkte sie ihre Arme und weigerte sich, es noch einmal zu probieren.

„Na schön, vielleicht sollten wir dann etwas Anderes probieren“, schlug Toph vor. Es zerrte an ihren Nerven, dass Serina so anstrengend war.
 

Jedoch wollte keine Übung gelingen, die Toph vorschlug. Serina bekam es einfach nicht hin. Was sie in der Höhle mit viel Anstrengung erarbeitet hatte, war jetzt wie aus ihrem Gedächtnis weggefegt. Sie wusste nicht mehr, was sie tun musste, um die Erde in Bewegung zu setzen. Und besonders wollte es nicht funktionieren, weil sie Toph etwas beweisen wollte. Dadurch konnte sie sich nicht richtig konzentrieren, obwohl sie das nie zugegeben hätte.

Schließlich hatte sie einfach keine Lust mehr. „Können wir nicht aufhören für heute? Vielleicht klappt es ja morgen.“ Serina war wirklich müde. Es war mühevoll, sich gegen Toph aufzulehnen. Sie hatte einfach keine Lust mehr. Und gerade wenn sie soweit war, sich zu entschuldigen, schaffte Toph es wieder, sie von neuem aufzustacheln.

Toph verschränkte die Arme. „Hast du bei deinem alten Meister auch so schnell aufgegeben, wenn etwas nicht geklappt hat? Das ist wirklich bedauerlich.“

Das reichte jetzt. So durfte Toph wirklich nicht mit ihr reden. Schon viel zu lange hatte Serina sich ihre Sticheleien angehört. „Nein, das habe ich nicht getan“, schrie sie Toph an. „Aber vielleicht hat das auch mit dem Element zu tun. Wasser ist um einiges kompromissbereiter. Erde hingegen ist stur und wenn man mit ihr reden will, läuft man nur gegen eine Wand.“ Sie funkelte Toph zornig an. Es war unmöglich, dass Toph den Hinweis nicht verstanden hatte. „Vielleicht sollte ich es ganz lassen. Mit Wasser alleine bin ich bisher sehr gut zurecht gekommen. Warum muss ich eigentlich alle vier Elemente beherrschen?“

„Weil du die Kraft der Erde, das Temperament des Feuers und die Schnelligkeit des Windes brauchst, um am Leben zu bleiben. Sonst hast du keine Chance gegen den Rest der Welt.“

„Da bin ich anderer Meinung. Ich denke, dass ich gegen jeden Gegner mit meinem Element bestehen kann“, sagte sie überzeugt.

„Bist du dir sicher?“, fragte Toph.

Serina nickte bestimmt. „Ja, das bin ich.“

„Gut, dann beweise es mir.“ Mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht ging sie in Kampfstellung. „Besiege mich!“

Serina war von der Aufforderung wie vor dem Kopf gestoßen. Sie konnte doch nicht gegen Toph kämpfen. Sie war ihre Meisterin. Und sie hätte bestimmt keine Chance gegen sie. Soweit reichte ihre Auffassungsgabe noch. Toph war um längen besser, doch sie selbst war auch nicht schlecht. Vielleicht würde sie nicht gewinnen, doch sie könnte Toph zeigen, was sie drauf hatte. Ihr früherer Meister hatte immer gesagt, dass sie sehr talentiert war. Und das stimmte auch. Serina war ihren Mitschülern immer weit voraus gewesen und sie hatte manchmal Sachen mit Wasser anstellen können, wo selbst die alten Meister noch gestaunt hatten. Vielleicht also könnte sie Toph soweit bringen, dass sie wenigstens ein bisschen Respekt hatte.

Um ihre Antwort zu zeigen, löste sie den Stopfen von ihrer Wasserflasche. „Von mir aus, können wir loslegen.“
 

Serina wartete nicht ab, bis Toph den Anfang tat. Blitzschnell sog sie das Wasser aus der Flasche, verwandelte es in Eis und schoss die Spitzen auf ihren Gegner ab. Toph errichtete einfach eine Wand vor sich, an der die Eisspitzen zerbrachen.

Serina war nicht erstaunt über Tophs Abwehr. Mit so etwas hatte sie schon gerechnet. Das sollte auch nur zur Ablenkung dienen. Mit weiten Schritten lief sie einmal um Toph herum. Als Nächstes wollte sie sie von hinten angreifen. Doch bevor sie dazu kam, stolperte Serina. Sie wusste nicht, ob der Stein schon davor dagelegen hatte oder ob Toph das Hindernis errichtet hatte. Schlussendlich lag sie auf dem Boden.

„Regel Nummer eins: Behalte deine Umgebung im Auge. Du musst deinen Blick überall haben.“ Tophs Stimme klang belustigt.

Mit einem Sprung stand Serina wieder auf ihren Beinen. „Das war noch lange nicht alles!“ Beim Aufstehen hatte sie Wasser aus dem Boden gezogen und griff Toph nun mit der Peitsche an. Das war eine von Serinas ersten richtigen Übungen gewesen. Sie benutzte sie immer noch gern. Und sie beherrschte sie mit einer unglaublichen Präzision.

Doch um Toph zu erwischen, war es wohl nicht genug. Mit einer tänzelnden Eleganz wich sie jedem ihrer Schläge aus. „Regel Nummer zwei: Unterschätze nie deinen Gegner.“

Serina feuerte noch ein paar Angriffe ab, doch keiner erreichte sein Ziel. Langsam fing sie an zu verzweifeln. Es konnte doch nicht sein, dass Toph so gut war. Irgendeinen Schwachpunkt musste sie doch haben. Aber Serina hatte keine Zeit mehr, diesen herauszufinden.

Plötzlich spürte sie, wie sich etwas um ihre Füße schlang. Als sie einen Schritt nach vorne gehen wollte, fiel sie auf die Knie. Ihre Füße waren mit Erdfesseln gefesselt. Verloren blickte sie zu Boden. Tränen bildeten sich in ihren Augen. So konnte es doch nicht weitergehen. Das würde sie nicht aushalten. Ein ständiger Kampf mit Toph musste sie unbedingt vermeiden.

Sie grub ihre Hände in die Erde. „Es tut mir leid, Toph“, sagte sie, immer noch auf den Boden blickend. „Ich hätte das nicht sagen sollen. Ich war nur so wütend, weil ich das alles nicht verstehe. Ich verstehe nicht, warum ausgerechnet ich der Avatar sein muss. Das ist alles so unfair.“

Toph beugte sich zu ihrer Schülerin hinunter. Beruhigend legte sie einen Arm auf ihren Rücken. „Ich weiß, dass es schwer ist. Aang fand es manchmal auch unfair, dass er ganz alleine den Feuerlord besiegen sollte. Er hatte auch schwer damit zu kämpfen. Aber manchmal muss man sich eben seinem Schicksal hingeben, wie hart es auch sein mag.“

Verweint blickte Serina Toph an. Selbst die große Toph wusste keinen besseren Rat, als dass man damit leben musste. „Es ist trotzdem nicht fair“, schmollte sie.

„Wann ist das Leben denn schon mal fair?“, fragte Toph. „Es nimmt einen deine Freund, einem nach dem Anderem und lässt dich ganz alleine zurück.“ Abwesend blickte sie in den Himmel. Serina schaute Toph interessiert an. Sie musste wirklich viel durchgemacht haben. Es war bestimmt schrecklich, mitzuerleben, wie sein eigener Freund sich gegen einen stellte.

„Wir sollten jetzt etwas schlafen. Es ist schon spät und morgen fangen wir mit dem richtigen Training an.“

Serina lächelte leicht und nickte Toph zu.
 

Am nächsten Tag war Serina gleich viel erholter und sie freute sich richtig auf das Training. Schlimmer als gestern konnte es ja auch gar nicht mehr kommen. Und sie hatte sich nicht zu früh gefreut. Auch Toph schien um einiges entspannter zu sein.

„Wir wollen am besten gestern einfach vergessen und noch einmal von vorne anfangen“, schlug Toph vor. „Was hältst du davon?“

Serina war mehr als begeistert. Sie wollte auch so schnell wie möglich den gestrigen Tag vergessen. „Klar doch. Also fangen wir an? Ich kann es kaum noch erwarten.“

Toph nickte. „Davor musst du jedoch das hier wieder anziehen.“ Toph hielt Serina ein Stück schwarzem Stoff entgegen, was ihr nur zu gut bekannt war. Etwas zögerlich griff sie nach der Augenbinde. Die völlige Dunkelheit hatte sie noch gut in Erinnerung und eigentlich hätte sie auf ein weiteres Mal verzichten können. Jedoch meckerte sie nicht und band sie sich um.

Sofort war es wieder wie ein paar Tage zuvor in der Höhle. Sie verließ sich nun direkt auf ihre anderen Sinne. Ihr Gehör bemerkte sofort die kleinen Geräusche, die sie vorher nicht wahrgenommen hatte. Sie glaubte sogar zu erahnen, wo Toph gerade stand. Doch Serina war sich nicht hundertprozentig sicher.

„Beim Erdbändigen geht es nicht alleine um die Kraft, wie die Meisten vermuten. Wenn du es richtig beherrschen willst, musst du lernen zuzuhören. Erst dann hast du das Wesen der Erde verstanden. Also wird das unsere erste Übung sein.“ Toph machte eine kurze Pause. Sie betrachtete ihre Schülerin. Ob Serina das wohl so schnell lernen würde? „Ich werde mich jetzt im Kreis um dich bewegen. Und du sollst herausfinden, wo ich bin. Wenn du denkst, dass du meine Position kennst, feuere etwas Wasser auf mich ab. Aber sei bitte ganz sanft. Also, los geht’s.“

Mit diesen Worten war es still. Serina hatte Toph ganz genau zugehört. Sie musste also lernen, auf die Erde zu hören. Das hörte sich leichter an, als es eigentlich war. Und Toph hatte gut reden. Immerhin war sie von Geburt an blind gewesen und hatte halt nur so sehen können. Für jemanden, der sonst mit den Augen sah, war das etwas ganz Anderes. Trotzdem ließ Serina sich nicht direkt entmutigen. Sie wollte alles Mögliche tun, um besser zu werden. Immerhin musste sie Tao noch befreien und dazu musste sie stärker werden.

Sie schloss zusätzlich die Augen unter der Binde, um sich noch besser konzentrieren zu können. Sie versuchte die Geräusche, die sie umgaben und nicht wichtig waren, zu ignorieren. Sie wollte Toph finden, das war das Einzige.

Nach ein paar Minuten musste Serina feststellen, dass es sogar noch schwieriger war, als sie zu Anfang vermutete hatte. In der Höhle hatte sie es geschafft, den Dachsmaulwurf zu erfühlen, doch dieser war auch um einiges schwerer gewesen als Toph. Außerdem bewegte sich Toph sehr leise, dass man sie nicht einmal anhand von Geräuschen orten konnte. Es war zum Verzweifeln. Serina hatte nicht die geringste Ahnung, wo sich ihre Lehrerin zurzeit aufhielt. Sie könnte sogar einen Meter vor ihr stehen und sie wüsste es nicht.
 

Toph war nicht sehr überrascht, dass Serina dieser Übung schwer fiel. Sie entschied sich deswegen, es ihr ein wenig leichter zu machen. Anstatt vorsichtig einen Fuß vor den Anderen zu setzten, stampfte sie jetzt richtiggehend auf dem Boden herum.

Toph bemerkte sofort den Unterschied. Serina schien aufmerksamer zu sein. Ihr Gesichtsausdruck verriet Toph, dass sie etwas gespürt hatte, sich aber vielleicht noch nicht ganz sicher war. Es wäre aber auch zu vermuten, dass sie einfach das Geräusch wahrgenommen hatte.

Toph überlegte kurz, nahm dann einen Stein und warf ihn ein paar Meter von sich auf den Boden. Blitzschnell reagierte Serina, indem sie einen Schwall Wasser in die Richtung des Steines schoss. Toph hatte also Recht gehabt. Serina konzentrierte sich zu sehr auf die Geräusche, die sie umgaben. Doch das Gehör konnte genauso irreführend sein, wie das Sehvermögen.

„Halte deine Ohren zu, Serina, und konzentriere dich nur auf das, was deine Füße spüren“, riet Toph ihr.

Serina stellte keine Fragen und tat, was ihre Meisterin ihr gesagt hatte. Toph war gespannt, ob Serina sie jetzt bemerken würde. Mit noch mehr Nachdruck stampfte sie auf den Boden herum und direkt danach wurde sie von einem kalten Schwall Wasser getroffen. Toph grinste. Das war nicht schlecht. Ganz und gar nicht.

Jetzt bewegte sie sich wieder vorsichtiger vorwärts. Das hatte keinen Angriff zur Folge.

Immer wieder änderte Toph ihren Schritt und jedes Mal, wenn sie etwas fester auftrat, reagierte Serina. Toph machte dies eine ganze Zeit so, bis sie merkte, dass Serina immer schneller wurde. Schließlich hielt Toph es für angebracht eine kleine Pause einzulegen.

„Was hältst du von einer kleinen Pause?“, fragte Toph. Sie sprach etwas lauter, damit Serina sie verstand, da sie sich ja die Ohren zuhielt.

Serina ließ ihre Hände sinken und merkte erst jetzt, dass sie sehr geschafft war. Eine kleine Erholung würde ihr gut tun. Sie nahm die Augenbinde ab. „Und, wie war ich?“

„Gar nicht mal so schlecht, aber von mir bist du noch Welten entfernt.“ Toph grinste sie schief an. „Aber ich habe Hunger, wie sieht es mit dir aus?“

Serina nickte nur. Training machte wirklich hungrig.

„Dann lass uns im Wald nach etwas Essbarem suchen“, schlug Toph vor.
 

Ein paar Minuten später spazierten sie durch den Wald. Serina fühlte sich richtig gut. Toph hatte gesagt, dass sie gar nicht schlecht gewesen war und das munterte sie auf. Sie glaubte nämlich, dass es sehr schwer war, sich ein Lob von Toph zu holen. Doch sie hatte es geschafft und es verschaffte ihr ein warmes Gefühl in ihrem Inneren. Sie fühlte sich gestärkt und glaubte schon bald das Erdbändigen beherrschen zu können.

Doch jetzt galt es erst einmal, etwas zu Essen zu besorgen. „Was gibt es denn heute Leckeres, Toph? Wie wär’s mit ein paar schmackhaften Beeren?“ Serina überlegte, was man noch essen könnte, als Toph sie packte.

„Vorsicht!“ Toph drückte Serina zu Boden. Sie hatte eindeutig etwas gespürt. Jemanden. Der näher zu ihnen kam. Toph hatte zwar keine großen Bedenken, da es sich nur um eine Person handelte, doch sie wollte erst einmal die Lage analysieren.

„Was ist denn?“, flüsterte Serina. Sie versuchte, sich umzublicken, doch Toph hielt sie so fest, dass es kaum möglich war. „Ist hier jemand?“

Toph nickte daraufhin. „Du bleibst hier. Ich werde das erledigen.“

Serina hatte nichts dagegen einzuwenden. Wenn Toph das regelte, hatte sie nichts zu befürchten. Das hatte sie am eigenen Leib gespürt.

Toph wollte gerade aufstehen und sich den Gegner stellen, als dieser in ihr Blickfeld trat. Er stand nur noch knapp zwanzig Meter von ihnen entfernt. Bald würde er sie entdeckt haben. Doch Serina konnte nur noch dem Atem anhalten beim Anblick der Person.

Sie hielt Toph am Arm fest. „Warte!“

Freund oder Feind?

„Warte, Toph!“ Serina zog kräftig an ihrem Arm, weil Toph beim ersten Mal keine Anzeichen gezeigt hatte, dass sie Serina überhaupt bemerkt hatte. „Bitte, warte noch kurz.“

Sie hätte Toph wahrscheinlich eindringlich angesehen, doch sie konnte den Blick nicht von dem jungen Mann wenden, der nur ein paar Meter vor ihnen stand. Er schaute sich suchend um, wobei Serinas Herz einen Sprung nach oben machte. Er war wirklich hier. Hergekommen, um ihr beizustehen. Fast schon wäre sie einfach aufgesprungen und zu ihm gerannt, doch jetzt war Toph diejenige, die ihre Schülerin zurückhielt.

„Was ist los? Kennst du ihn etwa?“ Tophs Stimme klang nicht gerade begeistert. Niemand hielt sie sonst zurück und besonders nicht irgendein kleines Mädchen, was überhaupt keine Ahnung hatte.

Serina fand es schwer, ihre Stimme wieder zu finden. Sie war so glücklich, dass sie es gar nicht in Worte fassen konnte. „Jaah“, brachte sie schließlich hervor. Zu mehr war sie nicht im Stande.

Toph seufzte genervt. Bei Serina musste man wohl alles aus der Nase ziehen. „Und? Wer ist es oder hat er keinen Namen?“

„Es ist Paku.“ Serinas Stimme hallte nur so von Fröhlichkeit wieder. Doch die Lage war wohl ein wenig zu laut, denn Paku drehte sich um, als ob er etwas gehört hatte.

„Paku?“ Toph klang besorgt, doch das merkte Serina gar nicht.

„Ich muss zu ihm. Er ist den ganzen Weg hergekommen, nur um mich zu suchen.“ Serina wollte aufstehen, doch Toph hielt sie zurück. Fragend schaute sie zu ihrer Meisterin.

„Serina.“ Toph versuchte, so verständnisvoll zu klingen, wie möglich. Eigentlich konnte sie sie gut verstehen, jedoch musste sie auch an Serinas Sicherheit denken. „Es gibt einen Grund, warum dein Meister nicht wollte, dass dieser Junge mit auf die Reise geht und ich kann gut verstehen, warum er es dir verboten hat. Wir sollten lieber von hier verschwinden.“

„Nein!“ Serina schüttelte fassungslos den Kopf. „Nein, bitte, Toph. Das kannst du mir nicht antun. Da steht er, so nah. Ich muss ihn unbedingt sehen. Er ist nur meinetwegen hier.“ Sie versuchte sich aus der Umklammerung von Toph zu lösen, doch es gelang ihr nicht.

„Das mag wohl sein, aber es ist die Frage, aus welchem Grund er auf die Suche nach dir gegangen ist.“ Toph spürte etwas bei diesem Jungen, was ihr ganz und gar nicht behagte.

„Bitte, Toph, er ist mein Freund. Du hast doch Avatar Aang auch vertraut, obwohl keiner dir glauben wollte. Bitte“, flehte sie.

Toph versetzte der Name von Aang einen Stich. Sie wusste, dass das ihr schwacher Punkt war und Serina wusste das wohl auch. Schließlich nickte Toph. „Okay, aber sag nicht, dass ich hier bin.“ Langsam ließ sie Serina los.

Kaum, dass sie spürte, dass Toph den Druck verringert hatte, sprang sie auf und rannte los.
 

„Paku!“, rief sie und rannte ihm entgegen. Er stand mit dem Rücken zu ihr und gleich würde er sich umdrehen. Sie mit dem Lächeln begrüßen, was sie so an ihm liebte. Es kam Serina wie eine Ewigkeit vor. Sie sah jeden Zentimeter als Bild vor ihrem Auge. Doch als er sich schließlich ganz umgedreht hatte, blieb sie geschockt stehen.

Das war nicht ihr Paku. Ihr Paku war heiter und fröhlich. Das war der Paku, den sie immer gefürchtet hatte, dessen Augen vor Zorn und Wut nur so funkelten. Das war der Paku, der nur an seine Rache dachte. Der alles tun würde, um seinen Vater zu rächen.

Aber vielleicht irrte sie sich auch nur. Vielleicht hatte er in den letzten Tagen einfach nur viel durchgemacht, genau wie sie. Woher sollte sie denn wissen, was für Strapazen er auf sich genommen hatte, um sie zu finden. Immerhin hatte er es geschafft und kein anderer. Er kannte sie wirklich gut.

„Paku“, sagte sie noch einmal, diesmal etwas zögerlicher. Sie hatte Angst. Angst, dass es nicht ihr Paku war.

„Serina!“ Paku lächelte sie an und hielt ihr seine Hand entgegen. Er versuchte, so wie immer zu sein, doch Serina konnte er nicht täuschen. Er war anders, durch und durch. Sein Lächeln war falsch und eiskalt. Sie schauderte bei dem Anblick.

Anstatt zu ihm zu gehen, trat sie sogar noch einen Schritt zurück. „Was ist mit dir, Paku? Warum bist du so?“ Ihre Stimme zitterte. Am Liebsten wäre sie sofort weggelaufen, weil sie diesen Anblick kaum noch ertragen konnte, doch Paku war ihr Freund und sie musste ihm helfen.

„Wieso, was soll schon sein? Ich bin doch so wie immer.“ Und schon wieder zeigte er sein falsches Lächeln.

Serina schüttelte den Kopf. „Nein, nein“, flüsterte sie immer wieder vor sich her. Egal, was er sagte, sie wusste, dass das nicht ihr Paku war. Ganz bestimmt nicht.

„Ich habe dich gesucht, Serina. Ich bin den ganzen weiten Weg gekommen, nur um dich zu sehen.“ In seiner Stimme lag keine Lüge, wie Serina feststellte. Er sagte die Wahrheit, aber das war ihr sowieso klar gewesen. Nur war die Frage, warum er gekommen war. Toph hatte vollkommen Recht gehabt und ihr Meister auch. Paku war nicht mehr er selbst.

Aber sie hatte den beiden auch versichert, dass er ihr Freund ist. Dass er für sie alles bedeutet und es umgekehrt auch bestimmt so war. Wie konnte sie den beiden das ins Gesicht sagen und jetzt selbst daran zweifeln. Vielleicht war Paku nur verwirrt und sie könnte ihm helfen. Vielleicht brauchte ihr großer Bruder auch mal Hilfe. Es war nicht immer sie, die ihn um Hilfe bitten konnte.

„Weißt du, Serina“, er holte seinen Bumerang hervor und spielte damit herum. „Als ich vor ein paar Tagen erfuhr, dass du der Avatar bist und Meister Tarik dir zur Flucht verholfen hat, wollte ich natürlich sofort aufbrechen. Es wurde eine ganze Truppe losgeschickt. Ich hätte eigentlich dabei sein sollen.“ Er ballte die Faust und verzog wütend das Gesicht. „Rahir meinte, dass das nicht ging, weil es für mich zu persönlich wäre. Dieser Rahir wusste noch nie, wovon er sprach. Er handelte selbst nur aus Vergnügen. Wieso darf ich es dann nicht auch tun?“ Er hielt kurz inne.

Serina spukten mittlerweile mehrere Fragen im Kopf herum. Die Wichtigste davon war, was aus Meister Tarik geworden war. Paku musste es wissen. Er hatte ihn gerade erwähnt. Aber wollte Serina wirklich die Wahrheit wissen? Wahrscheinlich würde sie daran zerbrechen. Selbst wenn er nur gefangen war, war es ihre Schuld, dass er den Rest seines Lebens in einem dunklen Loch hocken würde. Dennoch war Unwissenheit bestimmt auch nicht besser. Nach dieser Begegnung würde Serina sich nur immer wieder den Kopf zermatern, was nun aus ihrem alten Meister geworden war. Vielleicht sollte sie Paku einfach fragen, dann wäre das alles vorbei.

„Paku? Was ist mit Tarik passiert?“, fragte sie zögerlich. „Haben sie ihn-“ Serina konnte es nicht aussprechen. Es war einfach zu qualvoll.

Paku schien das jedoch alles ziemlich kalt zu lassen. Serina brach es das Herz, in so zu sehen. Sonst hatte er sich immer gut mit Tarik verstanden, auch wenn es ein ziemlich höfliches Verhältnis gewesen war. Schon allein wegen der Tatsache, dass Serina ihn über alles liebte, hätte Paku die Nachricht über Tariks Verbleib interessiert.

Jetzt jedoch zuckte er mit den Schultern. „Keine Ahnung, was sie mit ihm gemacht haben. Sie wollten es mir nicht verraten. Genauso wenig wie sie mich bei dieser wichtigen Mission dabei haben wollten. Sie vertrauen mir wohl nicht.“

Serina konnte das nicht länger mit ansehen. Was sprach Paku da überhaupt? Er redete von der Mission, sie zu fangen und zu töten. Wollte er wirklich dabei sein? „Paku! Sie wollen mich töten. Deshalb sind sie hinter mir her.“ Sie sah ihn an, wartete auf irgendeine Reaktion. Eine Reaktion, die ihr sagte, dass es ihm nicht egal war. Dass er sie liebte und alles dafür tun würde, damit es ihr gut ging.

„Ich weiß!“, sagte er jedoch nur kaltherzig.
 

Nun konnte Serina es nicht mehr verhindern. Erste Tränen kullerten ihr aus den Augen. Hatte ihr bester Freund, der ihr schon jahrelang versprochen hatte, nie von ihrer Seite zu weichen, gerade wirklich gesagt, dass er sie töten wollte? Das konnte doch alles nicht wahr sein. Das war bestimmt nur wieder ein böser Traum. Genau wie der in der Höhle. Das war auch nicht real gewesen. Es war nur eine logische Konsequenz von dem Gespräch, das sie mit Toph geführt hatte. Ihre Zweifel, die sie immer noch nicht richtig verarbeitet hatte, zeigten sich jetzt in einen Albtraum.

Aber tief in ihrem Inneren wusste Serina, dass es real war. Das alles, was Paku gesagt hatte, auch so gemeint war. Sie kannte diese andere Seite von ihm, doch hätte nie für möglich gehalten, dass sie so stark werden könnte. Die paar Male, die Serina sie gesehen hatte, hatten ihr gereicht. Und jetzt stand dieser veränderte Paku vor ihr und wollte – ja, was wollte er eigentlich?

Serina nahm all ihren Mut zusammen. Einmal tief atmete sie ein. „Paku? Was willst du hier?“

Paku jedoch sah sie gar nicht an und ging auch nicht auf ihre Frage ein. Vielmehr führte er seine vorigen Erklärungen weiter: „Sie wollten nicht, dass ich mitkomme. Deshalb habe ich mich alleine auf den Weg gemacht. In der Nacht habe ich mir ein Boot gestohlen. Ich bin ganz alleine aufs Meer hinausgefahren, so wie du.“ Er sah sie an, lange und schweigsam. Serina wagte nicht, irgendetwas zu sagen. Es war ihr unangenehm. Früher hatte er sie nie auf eine solche Art betrachtet. Was er wohl gerade dachte? Aber vielleicht wollte sie das lieber nicht wissen.

„Wie hast du mich gefunden?“ Das hatte sie sich schon seit dem ersten Augenblick gefragt. Die ganze Erdnation war hinter ihr her, doch seit dem Zwischenfall in Ba-Sing-Se war nichts mehr geschehen. Keiner hatte sie gefunden, obwohl bestimmt jeder nach ihr suchte. Doch Paku war es gelungen. Er stand hier vor ihr.

„Du vergisst einen wichtigen Punkt, Serina. Ich kenne dich gut. Und deinen alten Meister auch. Ich hatte mir schon gedacht, dass du Toph als deinen Erdbändigungsmeister aussuchen würdest. So habe ich nach dem Tumult in Ba-Sing-Se erst einmal die Läden abgeklappert und gefragt, ob ein junges Mädchen nach Toph gefragt hatte. Wie schnell mir jemand eine Auskunft gegeben hat. Es war fast zu einfach.“ Geistesabwesend spielte er mit seinen Bumerang. Seine Augen weilten in der Vergangenheit. „Da Toph wohl nicht in Ba-Sing-Se war und mir jemand erzählte, dass der Avatar auf der Flucht hinter einer Wand aus Fels verschwunden war, habe ich eins und eins zusammengezählt. Toph hatte dich gefunden und ihr wart noch irgendwo in der näheren Umgebung von Ba-Sing-Se. So habe ich mich auf den Weg gemacht. Ich streiche schon mehrere Tage durch diese Gegend, aber wie man sieht, war es erfolgreich. Ich habe dich gefunden.“ Nun schaute er sie wieder direkt an, mit einem stechenden Blick. Es lag etwas in diesem Blick, dass Serina frösteln ließ.

Serina schloss kurz die Augen. Nur für einen Moment wollte sie vergessen, wo sie gerade war. Mit wem sie zusammen war. „Was willst du von mir, Paku?“, fragte sie erneut, nun mit einer etwas festeren Stimme, dabei die Augen immer noch geschlossen.
 

Toph hatte bisher nur stillschweigend das Gespräch der beiden verfolgt. Sie hatte sich also wirklich nicht geirrt. Sie hatte gespürt, dass Paku aufgeregt war. Und seine Wut konnte man noch hundert Meter weiter fühlen. Sie hatte Serina nur gehen lassen, weil sie sie gut verstehen konnte. Damals hätte sie sich auch eine Chance gewünscht, mit ihm reden zu können.

Vielleicht schaffte sie es ja wirklich. Zumindest hatte Toph das noch am Anfang gehofft, doch mittlerweile zweifelte sie daran. Dieser Paku war so von seiner Rache besessen, dass er wohl alles andere vergessen hatte. Vor ihm stand seine beste Freundin und er zeigte keinerlei Reaktion, dass es ihn freute, sie wieder zu sehen.

Toph fand das überaus traurig. Es war nicht fair, wie die Welt manchmal verlief. Die besten Freunde wurden zu Feinden und man konnte nichts dagegen tun. Sie waren einfach zu blind, um die Wahrheit zu erkennen.

Toph hatte sich vorgenommen, zu warten. So lange auszuharren, bis es wirklich brenzlig wurde. Serina hatte eine Chance verdient, denn dann würde sie besser verstehen, dass ihr alter Freund nun ihr Feind war. Sie sollte es selbst sehen.
 

„Serina!“ Paku sah sie an wie ein dummes, naives, kleines Kind. Er steckte seinen Bumerang weg und anstelle davon umklammerte seine Hand nun den Griff seines Schwertes.

Serinas Herz hämmerte lauter und lauter. Er konnte doch nicht wirklich hierher gekommen sein, um sie zu töten? Er war ihr Freund. So etwas würde er nicht tun. Sie schüttelte den Kopf. „Nein, Paku, das willst du doch gar nicht. Ich bin doch deine beste Freundin. Wir haben schon so viel zusammen durchgemacht.“ Ihre Stimme klang verzweifelt und überaus traurig. Sie wollte es immer noch nicht wahr haben.

„Du bist der Avatar“, sagte er nur und hielt die Spitze seines Schwertes schuldig in ihre Richtung.

Tränen strömten aus Serinas Augen hervor. All das Leid, was sie in den letzten Tagen erlebt hatte. All die Strapazen. Alles war nur auf dieses eine kleine Wort zurückzuführen.

Avatar!

Serina konnte es langsam nicht mehr hören. Als ob sich dadurch irgendetwas in ihr verändert hätte. Alle hatten furchtbare Angst vor ihr, dabei war sie nur ein kleines unschuldiges Mädchen, das keinem etwas Böses wollte. Tao hatte es erkannt, der Einzige bisher.

„Paku, es stimmt, ich bin der Avatar. Aber ich habe mich deswegen doch nicht verändert. Ich bin immer noch die Serina, die du kanntest. Die dich liebt und alles für dich tun würde. Hörst du das, Paku? Ich würde sogar für dich sterben.“ All die Wut, die sich in ihr gesammelt hatte, ließ sie nun heraus. Es konnte doch nicht sein, dass er so blind war. Es musste ihm doch irgendetwas bedeuten. Die langen Jahre, wo sie wie Geschwister füreinander gewesen waren.

Kurz glaubte Serina eine kleine Veränderung in Pakus Augen zu erkennen, doch sofort war sie wieder verschwunden. Das hatte sie sich wohl nur eingebildet. Empfindungslos wie bisher musterten seine kalten Augen sie abschätzend.

„Du bist der Avatar“, wiederholte er, als ob er sich selbst davon überzeugen müsste. „Er … er hat ihn umgebracht.“ Paku war es schon immer schwer gefallen, über seinen Vater zu reden. Es war ein heikles Thema bei ihm. Über alles hatte er seinen Vater bewundert und geliebt. Und mit fünf Jahren wurde er ihm für immer geraubt. Serina fand diese Geschichte schon immer unsagbar traurig. Besonders auch wegen der Tatsache, dass kurz darauf seine Mutter ebenfalls gestorben war. Doch hatte Serina nie verstanden, warum Paku so versessen auf Rache war. Es war zwar furchtbar, was mit seinem Vater damals geschehen war, doch Rache würde daran auch nichts ändern. Sein Vater würde niemals mehr zurückkommen.

Vorsichtig ging Serina einen Schritt auf Paku zu. Plötzlich fühlte sie nur noch Mitleid mit ihm. Er war nur hier, weil er seinen Vater über alles vermisste. Er dachte bestimmt, dass er sich danach besser fühlen würde. „Paku.“ Sie streckte ihre Hand nach ihm aus, blieb aber einige Meter von ihm entfernt stehen. „Ich verstehe, was du durch gemacht hast. Ich habe auch früh meine Eltern verloren. Aber das, was du jetzt tun willst, ist nicht richtig. Dein Vater wird nicht zurückkommen, egal was du tust. Du wirst dich nur noch viel schlechter fühlen.“

„Nein!“, schrie er voller Verzweiflung. „Er hat ihn mir genommen. Und du“, das Schwert in seiner Hand kam noch ein Stück näher an Serina heran, „bist nun der Avatar. Wenn man dich nicht aufhält, wird sich alles noch einmal wiederholen.“

Sie hatte Paku bisher immer für klug und gerissen gehalten. Für jede Situation hatte er eine hervorragende Lösung gefunden. Und jetzt zeigte er, dass er unglaublich blind und dumm sein konnte. Er glaubte doch nicht wirklich, dass sie alles noch mal wiederholte? „Paku, ich bin immer noch Serina. Ich werde nichts tun, von dem, was Avatar Aang getan hat. Glaubst du wirklich, ich wäre zu so etwas fähig?“

Pakus Hände zitterten, doch er ließ sein Schwert nicht sinken. „Von Avatar Aang hätte das auch niemand erwartet. Und schließlich hat er meinen Vater getötet. Er hat seinen besten Freund umgebracht.“ Serina sah unglaublich großen Schmerz in Pakus Augen und es brach ihr das Herz, ihn so zu sehen. „Er hat seinen besten Freund getötet und ich werde verhindern, dass so etwas noch einmal geschieht.“

Fassungslos schüttelte Serina den Kopf. „Dann sieh doch einmal genau hin. Denn genau das willst du doch gerade tun.“ Doch Paku zeigte keine Anzeichen, dass er dies einsah. Vielmehr ging er noch einen Schritt auf Serina zu und holte mit seinem Schwert zum Schlag aus. Serina verweilte an Ort und Stelle und schloss die Augen. Sie würde nicht gegen ihren Freund kämpfen, aber weglaufen würde sie auch nicht.

„Jetzt reicht es!“ Toph sprang aus ihrem Versteck hervor. Bevor Paku überhaupt realisieren konnte, was gerade geschehen war, wurde ihm auch schon sein Schwert aus der Hand geschlagen und seine Füße und Hände gefesselt. Mit einer weiteren Erdwelle, brachte Toph ihren Gegner aus dem Gleichgewicht, sodass er zu Boden fiel. Nun schloss sie noch Erde um seinen gesamten Körper, den Kopf ließ sie jedoch frei, und verhärtete sie. Ein Gefängnis, woraus man wohl nicht so leicht entfliehen konnte.

Toph trat an Paku heran und stellte ihren Fuß triumphal auf seiner mit Erde umschlossenen Brust ab. Sie grinste ihn breit an. „Mal sehen, wie lange du brauchst, um hier wieder rauszukommen.“

Paku zappelte wie wild herum und benutzte all seine Kraft, doch es war nicht von Erfolg gekrönt.

Toph grinste nur noch breiter. „Nein, so funktioniert das nicht. Du hättest höchstens eine Chance, wenn es anfangen würde, zu regnen. Und jetzt entschuldige uns, wir müssen leider los.“ Damit wandte sie sich von dem Jungen ab, ging zu Serina herüber und fasste sie an der Hand. Diese hatte ihren Blick immer noch auf Paku gerichtet und sah nicht danach aus, als ob sie jetzt einfach verschwinden wollte. Doch Toph war das ziemlich gleichgültig. Ihre Schülerin tat das, was sie ihr sagte. „Komm mit“, befahl sie ihr.

Mit einem traurigen Blick sah Serina Paku das letzte Mal an und drehte sich dann zu Toph um. Sie wollte nur noch weg von hier. Weg von diesem traurigen Anblick.

Sie hörte Paku noch rufen. „Ich komme hier raus und dann finde ich euch. Hörst du, Serina? Ich werde dich finden.“

Serina biss die Zähne zusammen und zwang sich weiterzugehen. Einfach zu ignorieren, was ihr alter Freund alles gesagt hatte. Sie kämpfte mit den Tränen und verlor kläglich. Nun ließ sie sich nur noch von Toph führen. Sie wüsste schon, was jetzt zu tun war.
 

Es dauerte nicht lange, bis Toph sich zu Wort meldete. „Du hättest es mir sagen müssen, Serina.“ Toph klang wütend, was Serina nur noch mehr verzweifeln ließ. Sie hatte nicht die Kraft und die Lust, sich jetzt mit ihr zu streiten.

„Was denn?“ Dass ihr bester Freund sich gegen sie stellen würde, alles vergessen würde, was sie zusammen durchgemacht haben und total ausflippen würde? Wie hätte Serina denn das voraussagen können.

„Was denn?“ Sie blieb kurz stehen und drehte sich zu ihr um. „Dass er Sokkas Sohn ist. Eine wichtige Information, die du mir vorenthalten hast.“

„Oh!“ Daran hatte Serina jetzt gar nicht gedacht. Eigentlich hatte sie völlig vergessen, dass Toph dies nicht wusste. Sie hatte es ihr bewusst vorenthalten, weil sie bei dem Gespräch neulich gedacht hatte, dass es Toph nur traurig stimmen würde. Immerhin war Sokka auch ein guter Freund von ihr gewesen. „Es tut mir leid, ich wollte nur-“

„Das spielt jetzt keine Rolle mehr“, unterbrach Toph sie. Sie drehte sich wieder um. Vielleicht um ihr Gesicht zu verbergen, dachte Serina. „Ich hoffe, du hast letzte Nacht gut geschlafen?“ Mittlerweile hatte Toph ihre Schülerin losgelassen.

„Wie bitte? Wieso ist das denn so wichtig?“ Serina verstand den Sinn hinter der Frage nicht.

„Weil wir keine Rast machen werden, bis Ba-Sing-Se weit hinter uns liegt. Hier ist es viel zu gefährlich geworden.“

Erschrocken blieb Serina stehen. „Und … und was ist mit Tao?“ Er war der Einzige, der sie verstand und ihn sollte sie einfach so zurücklassen? Das konnte sie nicht tun und das würde sie auch nicht.

„Es tut mir leid, Serina, aber deine Sicherheit geht vor.“

„Nein!“ Sie verschränkte die Arme und blieb beleidigt stehen. „Ich rühre mich erst von der Stelle, wenn wir Tao befreit haben.“

Toph atmete tief durch, um die aufkommende Wut zu unterdrücken. Für einen Streit hatten sie jetzt keine Zeit. „Ich weiß, dass ich es dir versprochen habe, Serina, und ich werde mein Wort auch halten. Aber erinnere dich daran, dass ich sagte, dass ich bestimme, wann wir ihn retten. Und jetzt werden wir erst einmal dich retten. Wir werden zurück kommen und Tao holen, aber er muss noch ein wenig Geduld haben. Okay?“ Toph sah ihre Schülerin drängend an. Irgendwann musste sie doch einmal Vernunft annehmen.

„Okay!“ Serina nickte und eilte hinter Toph her. Auch wenn sie liebend gern, Tao sofort befreit hätte, wusste sie, dass man mit Toph jetzt nicht diskutieren konnte. Es würde der Tag kommen, an dem sie Tao wieder sehen würde.

Berufsgeheimnis

Serina und Toph waren gerade mal knapp eine halbe Stunde unterwegs und Serina hatte jetzt schon keine Lust mehr. Nicht, dass sie müde war, aber sie hatte einfach keine Kraft mehr, immer nur weg zu laufen. Sollte das jetzt etwa immer so gehen? Sobald irgendeine Gefahr auftauchte, würden sie wegrennen und sich verstecken. Für Serina war das schwer vorstellbar. Sie war immer gern unter Menschen gewesen und jetzt sollte sie ein Einsiedlerleben führen.

Aber sie wagte es nicht, sich zu beschweren. Toph war schon sauer auf sie, weil sie ihr nicht erzählt hatte, dass Paku Sokkas Sohn war. Sie sagte zwar nichts darüber, aber Serina konnte es deutlich spüren. Teilweise konnte Serina es sogar gut nachvollziehen. Toph war vor den Kopf gestoßen worden. Serina hätte es ihr erzählen müssen. Aber wahrscheinlich hätte Toph sie dann nie mit Paku reden lassen. Aber vielleicht wäre das auch besser gewesen.

Immer noch hatte Serina seine zornfunkelnden Augen vor ihrem Gesicht. Es lief ihr ein Schauer über den Rücken, wenn sie daran dachte. Sie konnte ihn immer noch nicht verstehen. Sie waren die besten Freunde gewesen und ihm bedeutete das überhaupt nichts mehr. Er wollte einfach nur seine Rache. Er wollte den Avatar töten, egal ob der Avatar mal seine beste Freundin war oder nicht. Serina spürte, wie ihr wieder Tränen in die Augen stiegen.

Wahrscheinlich sollte sie einfach mit Toph darüber reden, doch Serina wollte dies nicht. Toph würde dann nur sagen, dass sie es von Anfang an gewusst hatte. Und das verkraftete Serina noch nicht. Sie brauchte einen Freund, mit dem sie reden konnte und nicht eine Lehrerin, die alles besser wusste. Wie sehr brauchte sie jetzt einen Freund. Jedoch musste sie sich wohl damit abfinden, dass sie eine lange Zeit keinen Freund zum Reden haben würde. Erst wenn sie Tao wieder befreit hatten. Und dann war da noch die Frage, ob er überhaupt mit ihnen gehen wollte. Immerhin war Serina der Avatar und jeder, der bei ihr war, war in großer Gefahr. Tao hatte schon einmal die Konsequenzen gespürt und vermutlich wollte er sie nicht noch ein weiteres Mal erleben. Wenn sie Tao befreien würden, würde es wohl das letzte Mal sein, dass sie ihn sah.
 

„Es tut mir leid, dass ich dich angeschrieen habe.“ Toph drehte sich um. „Ich war aufgewühlt und konnte nicht klar denken. Trotzdem hätte ich es nicht tun dürfen. Es war schwer für mich, denn dein Freund sieht Sokka wirklich sehr ähnlich. Er ist ihm fast aus dem Gesicht geschnitten.“

Toph sah sehr traurig aus, deshalb ging Serina zu ihr und legte die Hand auf ihren Arm. „Es tut mir auch leid, dass ich es dir nicht erzählt habe. Ich dachte nur-“

„Ich weiß, warum du es mir nicht gesagt hast. Und dafür möchte ich dir danken.“ Plötzlich schaute Toph weit in die Ferne und schien sich zu konzentrieren. „Soll das ein schlechter Witz sein?“, sprach sie eher zu sich selbst, als zu Serina.

„Was ist? Sind Feinde unterwegs?“ Serina sprach sehr leise, denn sie wollte nicht, dass sie gefunden wurden.

„Ich weiß nicht“, gab Toph zurück. „Aber ich glaube nicht. Immerhin ist er nur ein Junge. Außerdem scheint er verletzt zu sein. Trotzdem sollten wir eine Begegnung vermeiden.“ Sie nahm Serina an die Hand und zog sie hinter sich her.

Diesmal störte es Serina nicht. Toph wusste, wo sich dieser Fremde aufhielt und sie würde ihm aus dem Weg gehen. Es gab keinen Grund, sich zu fürchten. Solange es nur eine einzelne Person war, bedeutete es keine Gefahr für sie. Sie beide waren stark genug, um sich zu wehren.

„Du sagtest eben, dass der Junge verletzt sei? Meinst du, er braucht Hilfe?“ Serina wusste auch nicht, warum sie diesem Jungen plötzlich helfen wollte. Er könnte ein Feind sein, jedoch könnte es auch einfach nur ein Junge sein, der sich verlaufen hatte und jetzt alleine nicht mehr zurückfand. Es lag wohl einfach in ihrer Natur, sich Sorgen zu machen.

Toph blieb jedoch nicht stehen. „Wir können leider nicht die heiligen Samariter spielen, Serina. Das erlaubt unsere derzeitige Situation nicht. Es könnte nämlich genauso gut eine Falle sein. Ein verletzter Junge, der womöglich Hilfe benötigt, soll uns anlocken und sie überraschen uns aus dem Hinterhalt. Das ist einfach zu gefährlich. Das können wir nicht riskieren.“

„Aber müsstest du nicht die Anderen auch spüren können, wenn welche da wären?“, fragte Serina neugierig. Eigentlich hatte sie Toph noch nie so richtig gefragt, wie sie genau sehen konnte.

Toph schüttelte den Kopf. „Nicht unbedingt, Serina. Ich sehe durch die Vibrationen, die durch die Erde laufen. Wenn sie aber zum Beispiel auf Bäumen sitzen, könnte ich sie nicht spüren. Wir können also leider nichts tun. Aber damit du dich nicht so schlecht fühlst: der Junge ist nicht stark verletzt. Er hat nur ein wenig gehumpelt, aber er kann auf jeden Fall noch laufen.“ Sie lächelte ihrer Schülerin zu.

Irgendwie hatte Serina plötzlich ein komisches Gefühl. Als ob es da eine Sache gab, an die sie sich erinnern musste, aber nicht konnte. Sie wusste nicht, was es war und was dieses Gefühl überhaupt ausgelöst hatte. Es musste irgendetwas mit dem zu tun haben, was Toph gerade zu ihr gesagt hatte. In der Hoffnung bei einer Wiederholung würde es ihr auffallen, fragte sie Toph: „Was hast du gerade gesagt?“

Toph blieb stehen. „Er ist weg!“, sagte sie.

Serina sah sie voller Panik an. „Was meinst du damit, Toph? Er kann doch nicht einfach so verschwinden.“

„Vermutlich war es wirklich eine Falle und sie haben begriffen, dass wir es bemerkt haben. Er ist zu seinen Komplizen auf einen Baum geklettert. Serina, du musst für mich jetzt sehen. Halte Augen und Ohren geöffnet. Der Junge war zuletzt in westlicher Richtung von uns, deshalb werden wir uns jetzt nach Osten wenden. Wenn du irgendetwas siehst, gib mir sofort die Richtung an. Hast du verstanden?“

„Ja, habe ich.“ Serina versuchte die aufkeimende Angst zu unterdrücken. Es gab eigentlich keinen Grund, sich Sorgen zu machen. Zumindest versuchte sie sich, dies einzureden. Wenn nämlich eine ganze Armee hinter ihnen her war, könnten sie wahrscheinlich nicht viel unternehmen.

„Mach dir keine Sorgen“, sagte Toph, die die Verwirrung ihrer Schülerin deutlich spürte. „Es kann keine große Gruppe sein, sonst würden sie zu sehr auffallen. Es können höchstens fünf Personen sein und zusammen werden wir mit ihnen fertig.“

Serina nickte und blickte sich dabei immer aufmerksam um. Ihre Blicke waren nach oben auf die Bäume gerichtet. Bisher hatte Serina die Bäume immer für einen guten Schutz gehalten. Doch jetzt waren sie zu ihren Feinden übergelaufen, denn diese boten ihnen ein Versteck, das sogar Tophs Sicht nicht erreichen konnte. Serina glaubte kaum, dass sie den Gegner direkt erspähen würde, dafür waren die Äste auf den Bäumen viel zu verzweigt. Es gab zu viele Möglichkeiten, um ihrem Blick zu entgehen. Trotzdem gab sie nicht auf und gab ihr Bestes. Das war es, was Toph von ihr verlangte und das würde sie auch tun.
 

Mittlerweile waren sie wieder eine ganze Zeit gelaufen. Toph hatte Serina versichert, dass sie wohl nicht verfolgt wurden, sonst hätten sie bereits etwas bemerkt. Doch Serina beruhigte das nicht völlig. Sie vertraute zwar Tophs Urteil, aber irgendwie hatte sie immer noch so ein eigenartiges Gefühl. Als ob sie etwas nicht bedacht hätte.

Deshalb blieb sie weiterhin wachsam. Ihr Blick war zwar nicht mehr die ganze Zeit auf die Bäume rings um sie gerichtet, dennoch hielt sie ihre Ohren offen. Bei jedem kleinsten Geräusch zuckte sie zusammen. Bisher waren es jedoch nur Tiere oder sie selbst gewesen, die irgendwelche Geräusche verursacht hatten.

Langsam sah Serina ein, das wohl keine Gefahr mehr bestand. Sie musste sich einfach etwas beruhigen. Gerade als sie das einsehen wollte, hörte sie hinter sich etwas knacken. Es hörte sich an, wie ein Ast, der unter einer zu schweren Last gebrochen war. Bevor sie sich umdrehen konnte, vernahm sie eine Stimme: „Da willst du einfach gehen, ohne dich von mir zu verabschieden?“

Serina und Toph drehten sich beide gleichzeitig um. Eigentlich hätte Toph dem Jungen direkt einen Stein vor sein großes Maul gedonnert, doch durch diesen Satz hatte sie bereits eine Vermutung, wer dieser Junge sein könnte.

Serina suchte in den Bäumen nach der Quelle dieser Stimme. Als sie ihn endlich erblickt hatte, sprang er elegant vom Baum herunter und landete auf einem Bein. Sein anderes Bein war bandagiert, das bemerkte sie sofort. „Was soll denn das, mein Täubchen?“

Bevor Serina sich versah, war sie auch schon losgerannt und fiel Tao um den Hals. Sie drückte ihn ganz fest an sich. „Dir geht es gut, Tao. Oh mein Gott, ich bin ja so froh“, sprudelte es aus ihr heraus. Und dann bemerkte sie plötzlich, was sie gerade tat. Sie umarmte einen Jungen, den sie kaum kannte. Ohne es verhindern zu können, lief sie rot an. Sofort wich sie einen Schritt zurück. Verlegen schaute sie auf den Boden. „Ähm … tut mir leid … ich wollte nicht-“

Tao jedoch grinste nur breit. Als Serina das bemerkte, musste sie auch lächeln. Das war typisch Tao und sie freute sich so ungemein, dass er wohl immer noch der Alte war. Er schien nicht sauer auf sie zu sein, obwohl er einen guten Grund dafür gehabt hätte. Plötzlich spukten ihr tausend Fragen durch den Kopf. Sie sah ihn ungläubig an. Die Dringendste stellte sie zuerst: „Was ist mit deinem Bein, Tao? Tut es sehr weh?“ Serinas Stimme überschlug sich fast, so schnell brachte sie die Wörter aus ihrem Mund heraus.

Tao schüttelte den Kopf. „Wirklich süß von dir, dass du dir Sorgen um mich machst, mein Schmetterling. Aber es ist wirklich nur ein Kratzer, nichts weiter.“

Erleichtert atmete Serina aus. Sie hätte es sich nie verzeihen können, wenn Tao ihretwegen schwer verletzt worden wäre. „Und wie hast du es überhaupt geschafft, zu fliehen?“

Jetzt lächelte Tao überlegen. „Sie haben mich in die sicherste Zelle gesteckt, die sie hatten. Immerhin kannten sie mich ja schon von früher.“ Er zwinkerte Serina zu. „Aber eins haben die Wachen vergessen, als sie mich da eingeschlossen haben.“ Er machte eine kurze Pause, um Spannung aufzubauen.

Serina sah ihn neugierig an. Sie konnte sich gar nicht vorstellen, wie man alleine aus einer Zelle in Ba-Sing-Se ausbrechen konnte. Dieser Junge musste wirklich sehr talentiert sein.

Tao streckte seine Arme weit aus, um sich zu präsentieren. Schließlich vollendete er seinen Satz: „Ich bin Tao!“

Serina rollte genervt mit den Augen. Jetzt fing er schon wieder damit an. „Nein, jetzt sag mal wirklich? Wie hast du es geschafft?“

Tao ging einen Schritt auf sie zu. Dabei bemerkte Serina sofort, dass er auf dem linken Bein humpelte. Wieder bekam sie ein schlechtes Gewissen. „Du willst es wirklich wissen?“

Serina nickte bestätigend. Sie war schon richtig gespannt darauf.

„Auch, wenn es nicht ganz ohne Blutvergießen abgelaufen ist?“, gab Tao zu Bedenken.

Serina wurde ein bisschen mulmig zumute, doch ihre Neugier war immer noch nicht zu bremsen. „Ja, jetzt erzähl schon“, forderte sie ihn auf.

Tao kam noch einen Schritt näher. Jetzt stand er direkt vor Serina. Langsam beugte er sich vor. Serina wusste nicht, was sie tun sollte. Es war ihr unangenehm, dass er plötzlich so nah bei ihr stand. Sein Mund wanderte zu ihrem Ohr. Sie spürte seinen warmen Atem ganz deutlich. Es kitzelte sie und sie war fast schon dran, sich einfach von ihm wegzudrehen. Doch Serina wollte es jetzt endlich wissen.

Dann flüsterte Tao es ihr ins Ohr: „Berufsgeheimnis, Süße!“
 

„Und was wäre, wenn du zu unseren Feinden übergelaufen bist und so deine Freiheit wiedererlangt hast?“, meldete sich nun auch einmal Toph zu Wort. Ihr war der Junge irgendwie nicht sehr sympathisch. Er sülzte ihr viel zu viel herum. Aber diese Frage hatte nichts mit ihren eigenen Abneigungen zu tun. Sie fand es einfach eigenartig, dass er nicht verriet, wie er geflüchtet war. Das war mehr als verdächtig. Immerhin hatten schon einige unter einer starken Folter nachgegeben.

Nun wandte sich Tao zum ersten Mal Toph zu. Er betrachtete sie genau und wusste, dass er sich bei ihr nicht einschmeicheln konnte. Toph war eine starke Frau, die sich bestimmt von niemanden etwas sagen ließ. „Das habe ich bestimmt nicht getan“, versicherte er ihr mit fester Stimme. Es beleidigte ihn keineswegs, dass Toph diese Anschuldigung gegen ihn erhoben hatte, vielmehr freute es ihn, dass Serina eine so gute Meisterin gefunden hatte, die sich wohl sehr um ihre Schülerin sorgte. „Ich habe ihr immerhin geholfen, in die Stadt und auch wieder hinaus zu gelangen.“

Toph nickte. „Ja, das hat Serina mit erzählt. Aber was ist, wenn es von vornherein so geplant war. Du hast den Steckbrief gesehen und dir einen guten Plan zurecht gelegt, wie du etwas für dich rausschlagen kannst.“

„Sie halten mich für einen dreckigen kleinen Dieb.“ Er sah Toph mit entschlossenem Blick an. Seine Stimme war immer noch sehr ruhig. „Aber ich kann ihnen versichern, dass ich nicht so bin wie die Anderen. Ich bin nicht so ein Feigling.“

Jetzt grinste Toph. „Vielleicht bist du doch gar nicht so übel. Zumindest hast du die Wahrheit gesagt.“

Serina sah ihre Meisterin an. „Das heißt, es ist in Ordnung? Er ist okay?“

Toph nickte. „So okay, wie ein kleiner Charmeur nun mal sein kann.“

Serina strahlte förmlich. Für kurze Zeit hatte sie Angst gehabt. Als Toph diese Frage gestellt hatte, lief es Serina eiskalt über den Rücken. Daran hatte sie nämlich überhaupt nicht gedacht. Bisher hatte sie jeder verraten, sogar ihr bester Freund. Also warum sollte Tao anders sein? Aber Serina vertraute Tophs Urteil und wenn sie sagte, dass er gut sei, dann war das auch so.

„Aber jetzt müssen wir weiter. Verabschiede dich von deinem Freund, Serina“, forderte Toph ihre Schülerin auf. Sie wollte nicht noch länger an derselben Stelle bleiben. Je länger sie an einem Ort blieben, desto größer war die Gefahr, dass sie entdeckt wurden.

Serina wandte sich an Tao. Es brach ihr das Herz, dass sie jetzt schon wieder Lebwohl sagen musste. Doch bevor sie überhaupt ihren Mund öffnen konnte, ging Tao an ihr vorbei und stellte sich vor Toph. „Sehr geehrte Miss Toph, ich würde mich gerne ihrer kleinen Gruppe anschließen.“ So freundlich war er schon lange zu keinem mehr gewesen. Doch diese Sache bedeutete Tao sehr viel, deshalb wollte er nichts Falsches sagen.

Toph überlegte kurz. „Nein!“, sagte sie. „Komm jetzt, Serina.“

Traurig blickte Serina zu Tao. Sie wollte so sehr, dass er mitkam. Dann hätte sie endlich jemanden, mit dem sie reden könnte. Sich über Sachen unterhalten, über die sie mit Toph nicht sprechen konnte. Oder sich über Toph aufregen. Dann würde es vielleicht nicht so viele Situationen geben, wo es eskalierte, wie vor einem Tag. Aber Serina wusste auch, dass sie nichts sagen konnte, was Toph umstimmen würde. Sie müsste sich damit abfinden und wahrscheinlich war es auch besser so. Immerhin war Tao so mehr oder weniger in Sicherheit.

Doch Tao ließ sich nicht so leicht abschütteln. „Dürfte ich den Grund dafür erfahren“, hakte er weiter nach.

„Je größer unsere Gruppe ist, desto leichter fällt sie auf. Es wäre zu riskant. Außerdem wüsste ich nicht, wie du uns vom Nutzen sein könntest. Wahrscheinlich wärst du nur ein Klotz am Bein.“ Toph klang bestimmend. Es verlangte keine Widerworte.

Trotzdem wollte Serina gerade einwerfen, dass Tao hervorragend kämpfen konnte. Sie hatte noch niemanden gesehen, der so geschickt mit einem Schwert umgehen konnte. Tao hielt sie jedoch zurück. „Bei allem gebührenden Respekt, Miss, ich wüsste da eine Sache.“ Er lächelte leicht.

Toph konnte ganz deutlich seinen Übermut spüren. „Willst du mit mir kämpfen, Kleiner?“ Es hätte ihr eine überaus große Genugtuung bereitet, diesen kleinen Jungen in den Boden zu rammen.

Doch Tao schüttelte den Kopf. „Das meine ich nicht. Ich weiß, dass sie um einiges stärker sind als ich. Aber ich habe einen anderen Vorteil. Ich kenne mich sehr gut im Erdkönigreich aus. Ich bin viel herumgekommen. Ich kenne viele Leute und weiß, wem man vertrauen kann. Sie hingegen haben in den letzen Jahren in der Erde gewohnt und nichts von der Außenwelt mitbekommen. Es hat sich viel verändert, müssen sie wissen. Sie wären schneller in der Klemme, als sie glauben würden. Aber ich könnte das vielleicht verhindern. Ich könnte sie führen.“

Serina sah ihre Meisterin voller Erwartungen an. Sie schien ernsthaft zu überlegen. Anscheinend hat Tao etwas vorgebracht, was sie bisher nicht bedacht hatte. Jemanden zu haben, der sich gut auskannte, war nicht verkehrt. Er kannte Verstecke, an die sie wahrscheinlich nie gedacht hätten.

Und Serina hätte einen Freund. „Bitte, Toph“, flehte Serina.
 

„Erst habe ich noch ein paar Fragen an den Jungen, bevor ich mich entscheiden kann.“

Tao nickte. Er war auf alles vorbereitet. Er war schon häufig bei einem Verhör anwesend gewesen, doch noch nie war es von so großer Bedeutung gewesen. er würde sich nicht verstellen. Einfach er selbst bleiben.

„Die erste Frage: Wie stehst du zum Thema Avatar?“ abwartend blickte Toph ihn an.

Tao überlegte. Eine gute Antwort war wichtig, aber auch eine ehrliche. „Bisher habe ich dem Thema Avatar ziemlich neutral gegenüber gestanden. Ich glaube nicht an alles, was die Leute sagen. Aber jetzt“, er sah kurz zu Serina und zwinkerte ihr zu, „bin ich dem Thema Avatar wohl eher positiv eingestellt.“

Serina bezweifelte, dass Tao mit seinen Sprüchen gut bei Toph ankam. Sie drückte ihm fest die Daumen.

Toph hielt zwei Finger in die Höhe. „Zweite Frage: Kannst du Befehlen folgen? Denn ich habe hier das Sagen und alles, was ich sage, wird auch befolgt.“

„Um ganz ehrlich zu sein, war ich bisher immer alleine und war mein eigener Herr und Meister, aber ich werde mich bemühen, jeden Befehl von ihnen zu folgen.“ Bisher hatte er sich immer alleine durchgeschlagen, der Einzige, der ihm vielleicht mal einen Befehl gegeben hatte, war Rock. Und da hatte Tao immer noch die Möglichkeit gehabt, einfach nein zu sagen. Hier musste er sich jetzt jedem Befehl beugen. Aber Tao war eigentlich zuversichtlich, dass er dieser Herausforderung gewachsen war.

„Eine letzte Frage noch. Wie bist du entkommen?“ Toph hielt sehr viel von Ehrlichkeit. In einer Gemeinschaft war es wichtig, dass man sich vertrauen konnte. Man musste nicht seinen ganzen Lebenslauf offenbaren, aber man sollte auch nicht lügen.

Tao seufzte. Es war viel zu wichtig, um jetzt einen blöden Spruch abzulassen. Er musste die Wahrheit sagen. „Eine alte Freundin hat mir geholfen. Dabei will ich es belassen.“

Toph sah Tao noch einige Sekunden an. Alles, was er gesagt hatte, war die pure Wahrheit gewesen. Kein einziges Mal hatte er gelogen. Schließlich sagte sie: „Ich werde das bestimmt noch bereuen.“ Sie seufzte einmal hörbar auf. „Du darfst uns begleiten, Tao.“

„Jaah!“ Vor Freude sprang Serina in die Luft. „Ich danke dir, Toph. Ich schulde dir was.“

Toph grinste breit. „Das werde ich mir merken!“
 

Toph hatte es erlaubt, dass sie noch ein paar Minuten Pause machen durften. Sie wollte nicht, dass Tao sie durch sein verletztes Bein aufhielt. Währenddessen meinte sie, dass sie die Gegend erkunden wolle.

So setzte sich Serina also neben Tao auf den Boden. Sie holte ihre Flasche hervor und meinte: „Dann nimm jetzt mal bitte den Verband ab, Tao.“

„Du gehst aber ran, meine Süße.“ Er grinste sie an und fand es sehr amüsierend, dass sie schon wieder knallrot anlief. Den Verband nahm er aber trotzdem ab, kurz in Gedanken bei dem Mädchen, dass es ihm fürsorglich umgebunden hatte. Er hoffte nur, dass sie keinen Ärger hatte.

Serina begann mit der Behandlung und bemerkte, dass Tao ein wenig abwesend schien. „Ist alles okay? Tut es etwa weh?“ Direkt zog sie ihre Hand zurück, da sie befürchtete, Tao weh getan zu haben.

Tao schüttelte mit dem Kopf. „Nein, nein, ich war nur in Gedanken. Du kannst ruhig weiter machen.“

Serina beobachtete ihn weiterhin. So kannte sie Tao gar nicht. Er wirkte fast schon ernst. Vielleicht könnte sie jetzt einmal normal mit ihm reden. „Es tut mir leid“, sagte sie zögerlich. „Ich bin einfach weggelaufen. Dabei hätte ich bei dir bleiben müssen. Ich habe dich im Stich gelassen.“

Tao ergriff ihre Hand. „Ich wollte doch, dass du fliehst. Du musst dir wirklich keinen Kopf darüber machen, Schmetterling. Ich habe dich angelogen, als ich sagte, dass ich direkt hinter dir wäre.“

Serina blickte zu Boden. Es bereitete ihr immer noch ein schlechtes Gewissen. „Ich wusste, dass du gelogen hast. Und trotzdem bin ich gegangen.“ Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Wie könnte sie das je wieder gut machen? Für sie klang ihre Entschuldigung ziemlich lahm. Immerhin hatte sie ihn in Lebensgefahr gebracht. Das verzieh man nicht so schnell. Wie konnte er ihr überhaupt in die Augen blicken?

„Hör zu, Serina.“ Er sah ihr tief in die Augen. Als sie sich abwenden wollte, hielt er sie am Kinn fest. Sanft, aber so fest, dass sie ihn ansehen musste. „Ich wollte, dass du aus der Stadt fliehst und dich selbst rettest. Eigentlich muss ich mich entschuldigen, weil ich mein Versprechen nicht gehalten habe. Wahrscheinlich hast du dir große Sorgen gemacht und das tut mir leid.“

Serina sah ihn immer noch an und wusste nicht, was sie sagen sollte. Er meinte das alles wirklich toternst. Er entschuldigte sich bei ihr, obwohl sie ihn in Gefahr gebracht hatte. Sie verstand es nicht, aber seine aufrichtigen Augen beruhigten sie irgendwie. Sie fühlte sich ein wenig besser.

„So, ihr zwei Jungspunde, seid ihr fertig mit der medizinischen Behandlung?“

Vor Schreck über Tophs plötzliches Auftauchen sprang Serina hastig auf. Sie verstaute ihre Flasche und stotterte: „Ja … ja … alles bestens.“

„Gut, dann können wir ja endlich von hier verschwinden“, sagte sie mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht. „Ich mochte diese Stadt noch nie.“

Tao hatte sich ebenfalls erhoben. „Toph, wie gedenken sie denn von hier zu verschwinden. Wenn sie Ba-Sing-Se den Rücken zukehren wollen, gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten. Entweder wir besorgen uns ein Boot.“ Tao lächelte breit. „Oder wir nehmen den Schlangenpass, wovon ich jedoch abraten würde. Es ist um einiges leichter, ein Boot zu stehlen … ähm, zu besorgen, als über den Schlangenpass zu gelangen.“

Serina war ganz klar für das Boot, auch wenn ihr der Gedanke missfiel, eines zu stehlen. Aber dafür gäbe es bestimmt noch andere Möglichkeiten. Allein die Geschichten vom Schlangenpass reichten ihr. Ihn in Natura zu sehen brauchte sie wirklich nicht.

Toph überlegte nur kurz. „Eigentlich mag ich Boote nicht besonders. Ich bevorzuge die gute, alte Erde unter meinen Füßen.“

Tao schien sich zu freuen. „Dann also der Schlangenpass.“

„Aber müssen wir nicht ziemlich nah an Ba-Sing-Se vorbei, wenn wir überhaupt da hingelangen wollen?“, warf Serina ein, in der Hoffnung, dass Toph es sich vielleicht doch noch mal anders überlegen würde.

„Da hast du Recht, Serina“, meinte Toph. „Aber der Feind vermutet uns schon sehr weit weg. Die würden nie auf die Idee kommen, dass wir hier noch irgendwo herumsitzen. Also wäre das wahrscheinlich der sicherste Weg. Außerdem glaube ich, dass sie den Schiffsverkehr sehr gut überwachen werden. Vor dem Schlangenpass hingegen fürchten sich sogar die Erdbändiger. Das wird unser Weg.“ Toph schien sehr zufrieden zu sein.

Serina hingegen fühlte sich nicht besonders wohl. Wenn schon die Erdbändiger sich davor fürchten, gab es bestimmt gute Gründe dafür. Und die wollte Serina nicht unbedingt kennen lernen. „Aber-“, fing sie noch mal an, brach jedoch sofort wieder ab, da sie wusste, dass es nichts bringen würde. Tophs Argumente waren logisch und nicht zu bestreiten.

„Keine Angst, Serina. Am Schlangenpass ist wirklich nicht viel, wovor man sich fürchten muss. Ich bin schon einmal drüber gelangt. Und außer einer kleinen Seeschlange ist uns da nichts begegnet.“ Toph schlug ihr auf den Rücken.

Tao trat neben sie. „Und nicht vergessen, ich bin auch noch da, Süße. Die Seeschlangen werden vor mir erzittern.“

Serina lächelte schwach. „Okay, dann auf zum Schlangenpass“, sagte sie wenig enthusiastisch.

Der Schlangenpass

„Das ist doch nicht wirklich dein Ernst, oder Toph?“ Geschockt sah Serina ihre Meisterin an. Das konnte wohl nur ein schlechter Scherz sein. Das hatte sie wahrscheinlich nur gesagt, damit Serina noch zusätzlich Angst bekam.

Doch Toph grinste sie schief an und Serina wusste sofort, dass es ihr ganz und gar ernst war. Doch viel schlimmer war es noch, dass Toph daran so einen großen Gefallen hatte. „Seit wir hier durch die Gegend gelaufen sind, hatten wir überhaupt keine Zeit zu trainieren. Da wird es höchste Zeit. Immerhin willst du doch eine Meisterin der Erde werden. Da dürfen wir keine Zeit verlieren.“

Seufzend nahm Serina die Augenbinde entgegen. „Aber doch nicht unbedingt, wenn wir gerade den Schlangenpass überqueren“, sagte sie resigniert. „Das ist doch gefährlich genug.“

„Da wir jetzt zu dritt sind, gibt es keine Probleme. Du konzentrierst dich auf dein Training. Ich achte auf die Umgebung, sowie auf deine Sicherheit und Tao wird das Wasser im Auge behalten. So kann uns nichts überraschen.“ Toph schien mit ihrer Planung sehr zufrieden zu sein und Serina musste zugeben, dass es gut durchdacht war. Sie nahm die Augenbinde entgegen.

„Aber warte noch bis wir dort sind. Ich denke, sie werden Wachen postiert haben.“

Der Weg zum Schlangenpass verlief ohne Zwischenfälle. Obwohl sie wieder so nah an Ba-Sing-Se waren, dass sie die einzelnen Steine sehen konnten, aus dem die Mauer gefertigt worden war, begegneten sie keiner einzigen Patrouille. Toph hatte Rech behalten, als sie vermutet hatte, dass sie schon viel weiter entfernt nach ihnen suchten.

„Wachen?“, fragte Serina geschockt. Das wurde ja immer besser.

„Natürlich“, antwortete Toph, als ob es die selbstverständlichste Sache auf der Welt sei. „Sie wollen wissen, wohin wir gehen, darum werden sie alle Posten bewachen, an denen wir vorbeikommen könnten. Aber wir werden nicht mit ihnen kämpfen. Und auf keinen Fall wirst du deine Wasserbändigerfähigkeiten einsetzen. Das wirst du von jetzt an überhaupt nicht mehr tun. Außer im äußersten Notfall, wenn ich es dir erlaube.“

Serina schluckte. Ihre Wasserbändigerkräfte waren bisher das Einzige, was ihr Mut gemacht hatte, denn Wasserbändigen war das Einzige, was sie so richtig gut konnte und es verschaffte ihr eine Art von Sicherheit. Wenn sie nicht mehr bändigen durfte, konnte sie sich überhaupt nicht mehr verteidigen. Ein unbehagliches Gefühl machte sich in ihr breit. Ein Gefühl der Hilflosigkeit.

„Du wirst von jetzt an nur noch Erdbändigen. Das wird zum Einen eine gute Übung und zum Anderem eine hervorragende Tarnung sein“, fügte Toph noch hinzu.

Serina war alles andere als angetan von der Idee. Zwar stimmte sie Toph in allen Punkten zu, trotzdem hatte sie Angst, ihren einzigen Schutz, den sie besaß, einfach so aufzugeben.

Tao bemerkte das natürlich, wie er sonst auch alles bemerkte. Er trat von hinten an Serina heran. Er legte eine Hand auf ihre Schulter und beugte sich zu ihr herunter. „Ich bin bei dir“, flüsterte er ihr ins Ohr.

Serina lächelte leicht und freute sich ein weiteres Mal, dass Tao sie begleitete. Vielleicht war sie ja doch nicht so hilflos und alleine, wie sie glaubte.

„Meine süße Zuckerschnute“, fügte er nun lauter hinzu.

„Tao!“, regte sich Serina auf und konnte nicht verhindern, dass sie rot anlief.

„Was ist denn?“, kam es gespielt unschuldig von Tao. Doch niemand hätte ihm das bei seinem schelmischen Grinsen abgekauft.

Toph schüttelte den Kopf vor so viel kindlichem Verhalten. Sie konnte sich nicht erinnern, selbst einmal so gewesen zu sein. „Hört zu. Wir haben keine Zeit für so etwas. Wir müssen dringend hier weg. Und ich habe auch schon eine Idee, wie wir an den Wachen vorbeikommen.“
 

Eine wirklich zutiefst langweilige Arbeit. Eigentlich hatte er sich am Schlangenpass etwas mehr Action versprochen. Doch dieser Wachdienst war nicht viel aufregender als jener auf der Mauer. Man stand sich nur stundenlang irgendwelche Löcher in den Bauch, ohne dass irgendetwas geschah.

Und wenn man ihn gefragt hätte, hätte er direkt gesagt, dass dieser Wachposten eigentlich ziemlich überflüssig sei. Immerhin ging es dort zum Schlangenpass und selbst der Avatar konnte nicht so verrückt sein, dass er dort hinüber wollte. Die Geschichten müssten eigentlich bis zum Wasserstamm vorgedrungen sein. Aber er hatte natürlich keine Angst. Er war ein furchtloser Erdbändiger. Ihn konnte so leicht nichts umhauen.

Ein leises Rascheln und er zuckte zusammen. Sein Kollege musste sich bemühen, nicht vor Lachen auf die Knie zu fallen. „Hey, Alter, das war bestimmt nur ein Tier.“ Er klopfte ihm kameradschaftlich auf die Schulter.

Doch Mikor war sich da nicht so sicher. Das Rascheln ließ wenn überhaupt schon auf ein großes Tier schließen. Vielleicht sogar ein sehr großes Tier. Er hatte zu viele Geschichten vom Schlangenpass gehört, als jetzt ruhig bleiben zu können. Er schüttelte den Kopf. „Wir sollten aufpassen“, riet er seinem Partner.

„Mach dir mal nicht in die Hose. Hier ist weit und breit keine lebende Seele außer uns beiden!“

Doch dann raschelte es erneut. Dieses Mal wurde es sogar lauter und Mikor zuckte ein weiteres Mal zusammen. „Da ist auf jeden Fall etwas. Das kannst du nicht verleugnen“, sagte er verängstigt. Er wollte gar nicht so genau wissen, worum es sich handelte. Am liebsten hätte er sofort das Weite gesucht.

Sein Partner, der wohl die Gedanken von Mikor gelesen hatte, meinte: „Bleib bloß auf deinem Posten. Sonst bist du schneller gefeuert, als dass du Pentapocken sagen kannst.“

Auch wenn Mikor seinem Kollegen ungern Recht gab, so tat er es dieses Mal. Er musste dort ausharren, was auch kommen möge. Und dann kam es.

Jetzt waren deutlich auch noch Schritte zu hören. Beide Wachen verkrampften sich, doch blieben konzentriert. So viel Erfahrung hatten sie immerhin. Sie machten sich auf eine große Bestie bereit, die leider ausblieb. Aus dem Gebüsch kam eine alte Frau gestolpert, ihren Körper auf eine Krücke gestützt. Sie schien nicht genau zu wissen, wo sie war, denn sie sah sehr verwirrt aus. Außerdem schien sie blind zu sein, wie Mikor fest stellte, als er sie näher betrachtete.

Er ging einen Schritt auf sie zu. „Können wir ihnen helfen, Mam? Haben sie sich verlaufen?“

Die alte Frau blickte auf, als sie die Stimme der Wache vernahm. „Bist du das, Kel? Wieso hast du mich einfach so alleine gelassen?“ Sie ging auf die Quelle der Stimme zu und packte die Wache fest am Arm. „Jetzt kannst du mir nicht einfach wieder so davon laufen.“

Mikor versuchte sich zu befreien, doch die alte Dame hatte für ihre Statur und Alter einen ziemlich festen Griff. Ein bisschen eigenartig kam ihm das schon vor, aber vielleicht war das auch nur Einbildung. „Entschuldigen Sie, Fräulein, ich bin nicht dieser Kel, für den sie mich halten. Ich bin nur eine einfache Wache-“ Er brach ab, als die Frau ihm kräftig auf die Brust schlug.

„Sei nicht wieder so albern, Kel. Das mag ich nicht und das weißt du auch. Außerdem sind wir schon spät dran. Wir müssen unbedingt weiter.“ Sie zerrte an ihm. Mikor konnte nur noch hilfesuchend zu seinem Partner schauen. Dieser wollte ihm gerade zu Hilfe eilen, als ein junger Bursche aus dem Gebüsch erschien. Seine Augen strahlten, als er die alte Frau sah.

Er lief sofort zu ihr hin. „Großmutter, ich habe dich schon überall gesucht.“ Er wandte sich kurz an die Wachen. „Es tut mir furchtbar leid. Meine Großmutter ist manchmal ein wenig verwirrt und sie kann sehr stur sein.“ Mit einem breiten Grinsen nahm er die Hände seiner Großmutter, die die Wache immer noch fest umschlungen hielten. Er streichelte ihr sanft über den Handrücken, was er immer tat, wenn er sie begrüßte. So konnte sie jedes Mal erkennen, wer dort vor ihr stand. „Kel?“, fragte sie ein wenig verwirrt.

„Ja, Großmutter. Du hast eben ein paar wirklich nette Männer belästigt. Stolze Erdbändiger, die im Dienste des Königs stehen.“ Tao, der sich als Kel ausgab, wählte seine Worte mit Bedacht. Er wusste, wie mächtig Worte sein konnten. Man musste nur irgendetwas Nettes sagen und schon waren die Menschen geblendet.

Toph suchte nach der Hand der Wache. Sie wusste ganz genau, wo sie stand, doch musste sie so tun, als ob sie damit Schwierigkeiten hatte. Immerhin war sie blind. Als sie seine Hand gefunden hatten, schüttelte sie sie einmal heftig. „Es tut mir furchtbar leid, Sir. Ich habe nicht zugehört. Sie müssen wissen, mein Gehör ist auch nicht mehr das Beste“, sagte sie etwas lauter, um ihre Aussage mit Glaubwürdigkeit zu unterstreichen.

Tao drehte sich um. „Kaya“, rief er in den Wald hinein. „Ich habe sie gefunden. Zwei nette Herren haben auf sie aufgepasst.“ Er lächelte den beiden Wachen zu, die sein Lächeln erwiderten.

Mikor fand die ganze Situation zwar etwas eigenartig, aber immerhin war es kein großes, fleischfressendes Ungeheuer. Also konnte er sich wohl damit abfinden.

Keine zwei Minuten später kam noch eine dritte Person aus dem Wald gestürmt. Sie sah sehr besorgt aus, wie es sich für ein Mädchen ihres Alters gehört, wenn man seine Großmutter verloren hatte. „Oma!“ Sie lief freudestrahlend auf sie zu. „Du darfst doch nicht einfach so weglaufen. Wir haben uns große Sorgen gemacht.“

„Wer ist denn weggelaufen?“, fragte die alte Dame grantig. Sie mochte es nicht, wenn man sie für dumm und senil hielt.

Tao warf den Wachen einen erklärenden Blick zu. „Sehen Sie“, formte er mit den Lippen. Die Wachen nickten verstehend. Mikor war froh, dass er auf seine Mutter nicht derart aufpassen musste.

Serina legte eine Hand auf die Schulter von Toph und sprach in einer Lautstärke, dass die Wachen noch gut alles verstehen konnten. „Wir müssen aber jetzt wirklich los, Oma. Wir sind schon spät dran.“

„Da habt ihr völlig Recht, Kinder.“ Sie packte beide an den Handgelenken und zog sie mit sich. Aber anstatt wieder in Richtung Stadt zu laufen, ging sie schnurstracks auf die Wachen und gleichzeitig auf den Schlangenpass zu.

Die Wachen schauten mehr als verdutzt, als sie ungebremst darauf zuhielten. „Ihr wisst schon, dass das der Schlangenpass ist, oder nicht?“, fragte er verwundert. „Das ist viel zu gefährlich. Wir können nicht verantworten, dass ihr ihn alleine überquert.“

Tao drehte sich noch einmal um. „Unsere Großmutter hasst Boote und sie kann sehr stur sein, wie schon mal erwähnt“, erklärte er den Wachen.

„Es ist wirklich freundlich von euch, dass ihr uns euren Schutz anbieten wollt“, sagte Serina freundlich. „Ich würde mich wahrscheinlich wirklich sicherer fühlen, wenn die starken und netten Herren mit uns kommen würden.“

Mikor bekam große Augen. So hatte er das natürlich nicht gemeint. Er wollte nur nicht, dass diese seltsamen Personen über den Schlangenpass gingen. Das war alles. Nie im Leben hätte er sie auch noch begleitet. Besser starben sie als er. Das war wohl klar.

Tao klopfte auf sein Schwert, das an seiner Hüfte hing. „Kein Problem. Ich werde schon auf die beiden Acht geben. Außerdem würden sie bestimmt Ärger bekommen, wenn sie ihren Posten verlassen, habe ich Recht?“ Tao wusste ganz genau, dass sie ihren Posten nicht verlassen durften. Das wäre nicht zu verantworten, auch wenn sie nur hätten helfen wollen.

Mikor schien aber sichtlich erleichtert, als er meinte: „Ja, leider dürfen wir das wirklich nicht. Das hier ist nämlich eine wichtige Mission. Aber bitte seien sie vorsichtig, wenn sie schon unbedingt gehen wollen.“

Tao nickte. „Natürlich sind wir vorsichtig. Was soll uns denn schon Schlimmes passieren?“ Er zwinkerte den Wachen zum Abschied noch einmal zu und nahm dann, Toph am Arm haltend, endgültig den Weg zum Schlangenpass auf.
 

„Das ging ja besser, als erwartet. Ihr wart richtig gut. Trotzdem sollten wir uns beeilen und so schnell wie möglich über den Pass gelangen“, meinte Toph. Sie hatte bereits die Krücke weggeworfen und die weiße Perücke, die sie sich gebastelt hatte.

Serina bekam neue Hoffnung. „Heißt das also, wenn wir uns beeilen müssen, dass ich nicht trainieren brauche?“

„So sehr müssen wir uns nun auch nicht beeilen. Ich will nur nicht, dass ihr unnötig rumtrödelt. Ich kenne doch Teenager, wenn sie verliebt sind. Oh Schatz, schau mal, wie schön die Aussicht ist. Das können wir hier nicht gebrauchen.“

Serina warf Tao schnell einen Blick zu. Sie wollte wissen, wie er auf das Gesagt von Toph reagierte. Aber es schien so, als ob er es gar nicht gehört hatte. Oder zumindest ließ er sich nichts anmerken. Sogar eine spitzfindige Bemerkung blieb aus. Deshalb tat Serina auch so, als ob sie diesen Satz gar nicht gehört hatte. Denn es stimmte ja auch nicht. Warum sollte man sich deshalb dann aufregen?

Resigniert nahm Serina also die Augenbinde hervor. Sie hatte wirklich überhaupt keine Motivation auf eine Trainingsstunde, da ihr dieser Weg sogar mit offenen Augen bereits genug Angst bereitete. Zum Einen war es vielleicht sogar besser, da sie die Kreaturen, die hier hausten, nicht sehen musste, zum Anderen jedoch konnte sich ihre Fantasie viel weiter austoben als sonst. In der Höhle hatte sie sich auch viele Dinge vorgestellt, die gar nicht da waren.

„Wann fangen wir denn mit dem richtigen Training an? Also mit Steine werfen und so einem Zeug?“, fragte sie, während sie sich die Augenbinde umband.

„Das richtige Training“, betonte Toph, „wird erst beginnen, wenn du die Grundregeln verstanden hast. Und wenn du eine solche Frage stellst, könnte das noch lange dauern.“ Die Stimme von Toph klang so, als ob sie nicht gerade begeistert wäre. Serina bereute auch sofort, diese Frage gestellt zu haben. Es war dumm, aber sie war ihr einfach so über die Lippen gekommen. Sie war froh, dass Tao nichts dazu sagte. Das wäre wahrscheinlich noch peinlicher.

So machte sie sich, nun schweigen, vorsichtig auf den Weg. Zu Anfang setzte sie noch genau einen Fuß vor den Anderem. Nach einiger Zeit jedoch konnte sie fast normal gehen. Sie spürte, dass Tao immer einen Schritt neben ihr war. Das beruhigte sie enorm. Er würde bestimmt darauf achten, dass ihr nichts geschah.

„Einen Schritt schneller, wenn es geht. Ich will die Hälfte bis heute Abend geschafft haben, sodass wir morgen unseren Weg weit weg von Wasser fortführen können.“ Das Wort ‚Wasser’ sprach Toph voller Verachtung aus. Serina war neugierig, was sie dagegen hatte, doch war zu feige, um zu fragen. Sie konnte sich noch gut daran erinnern, wie die letzte persönliche Unterhaltung ausgegangen war. Auf eine Wiederholung konnte sie da gerne verzichten.

Also befolgte sie Tophs Befehl ohne Murren, auch Tao sagte dazu nichts. Serina fand es lustig. Anscheinend hatte Tao wirklich Respekt vor Toph, was sie bei ihrem ersten Treffen nie für möglich gehalten hätte. Tao wirkte nicht wie ein Typ, der sich von irgendwem etwas sagen ließ. Sonst wäre er vermutlich kein Dieb. Aber bei Toph schien er seine große Klappe unter Kontrolle zu haben. Vielleicht wollte er auch einfach sicher gehen, dass er weiter bei ihnen bleiben durfte.

Serina wurde immer sicherer beim Gehen, damit hatte sie kaum noch Probleme. Aber das, was Toph erreichen wollte, hatte sie nach ihrer Meinung noch nicht erreicht. Serina fühlte sich nämlich immer noch schutzlos. Wenn sie die Augenbinde trug, war sie vom Rest der Welt abgeschnitten. Ihr Augenlicht fehlte ihr, um sicher zu sein. Um zu wissen, dass keine Gefahr drohte. Aber Toph wollte, dass sie die Gefahr ohne ihr Sehvermögen erkannte. Sie meinte, dass das eine gute Erdbändigerin ausmachte. Nicht nur die Erde als Waffe gebrauchen zu können, sondern die Erde als einen Teil von dir zu akzeptieren.

Serina verstand durchaus, worauf Toph hinauswollte. Mit Wasser ging es ihr nämlich ähnlich. Sie war immer sehr begabt gewesen, hatte fast alles mit Wasser anstellen können. Ihre Mitschüler hatten sie immer neugierig gefragt, wie sie das anstellte. Serina hatte darauf nur antworten können, dass sie eins mit dem Wasser geworden war. Wenn Serina bändigte, benutzte sie das Wasser nicht nur, sondern sie fühlte es als einen Teil von ihr. Es war schwer zu erklären und sie hatte es auch nie den Anderen richtig begreiflich machen können. Und jetzt hatte sie Probleme damit, das Element Wasser auf das Element Erde zu beziehen. Ihr Meister hätte bestimmt von ihr erwartet, dass sie dieses Element genauso schnell und gut beherrschen würde wie das Wasser. Aber da hatte er wohl zu viel erwartet. Erde war einfach viel zu anders, sodass Serina es nicht verstehen konnte. Oder zumindest nicht so, dass es auf Dauer in ihrem Schädel blieb. Immerhin hatte sie es bereits einmal geschafft, sowohl die Erde zu bewegen, als auch die Erde zu fühlen. Es war ein berauschendes Gefühl gewesen. Doch jetzt verließ sie sich nur wieder auf ihre übrigen Sinne und schaffte es nicht, auf die Erde zu hören, mit ihr eine Verbindung aufzubauen.

Dieses Training brachte in dieser Art überhaupt nichts. Zumindest sah das Serina so. Sie musste da irgendwie anders rangehen. Auf eine andere Art und Weise. Sie nahm sich vor, darüber am Abend mit Toph zu reden. Immerhin war sie ihre Meisterin und solche Probleme musste sie ja mit ihr besprechen. Es konnte nur positiv sein.
 

Tao hatte sich schon schlafen gelegt. Serina hatte extra so lange gewartet, da sie dieses Problem nicht unbedingt vor ihm besprechen wollte. Irgendwie war es ihr peinlich. Immerhin war sie der Avatar und sollte eigentlich nicht solche Schwierigkeiten haben.

„Toph, ähm, ich würde gerne etwas mit dir besprechen.“ Serina hätte gerne in die Ferne geschaut, das machte sie immer, wenn sie über irgendetwas nachdachte oder ein ernstes Thema besprach. Doch sie hatte immer noch die Augenbinde auf. Toph hatte ihr erlaubt, sie abzusetzen, wenn sie wollte, doch Serina hatte es für besser gehalten, sie auf zu behalten. Sie hatte schon so genügend Probleme, da würde etwas zusätzliches Training ihr nicht schaden.

Serina wartete auf eine Reaktion von Toph, die jedoch nicht kam. Aber sie wusste, dass Toph aufmerksam war, also begann Serina einfach. „Es geht um das Training, in gewisser Weise.“

„Ich hoffe nicht, dass du wieder meine Vorgehensweise kritisieren willst“, sagte Toph mit einem warnenden Tonfall in der Stimme.

Serina war wirklich froh, dass sie diese Frage mit einem ‚Nein’ beantworten konnte. Sie hatte durchaus gelernt, dass ein Streit mit Toph verheerend war. „Nein, darum geht es nicht“, meinte Serina. „Ich verstehe sehr gut, was du mir mit dem Training vermitteln willst. Allerdings habe ich das Problem, dass ich es wohl nicht zu fassen kriege. Ich verstehe dieses Element einfach nicht. Es will einfach nicht mit mir reden, habe ich das Gefühl. Wie lange laufe ich jetzt schon blind und barfuß durch die Gegend? Und diese verdammte Erde scheint sich mir nicht öffnen zu wollen.“ Aufgebracht nahm Serina etwas Sand in die Hände und schleudert sie weg. Am liebsten hätte sie etwas Großes zertrümmert, das war jedoch nicht möglich.

Toph lächelte leicht. Serina war wirklich nie langweilig. Bei ihr hatte man immer Spaß. Aang hingegen war so gut wie immer freundlich und nett gewesen. hatte sich immer anständig benehmen wollen. „Serina, ich weiß, dass es schwer ist. Aber es heißt doch, dass Wasserbändiger dazu fähig sind, sich auf alles Mögliche einzustellen. Vielleicht solltest du dich endlich damit abfinden, dass du der Avatar bist.“

„Aber das habe ich doch schon längst“, protestierte Serina. „Ich weiß, dass ich der Avatar bin und habe mich damit auch schon abgefunden. Es lässt sich zwar nicht ändern, aber so ist es nun mal. Das ist nicht das Problem. Das Problem ist das Element an sich. Erde ist einfach viel zu verschieden zum Wasser. Als Wasserbändigerin wurde ich immer bewundert. Ich war die Beste und bei Erde versage ich kläglich. Das ist doch nicht möglich“ Serinas Stimme klang deprimiert und ungläubig zugleich.

„Es liegt daran, dass du es tief in dir nicht lernen willst. Du denkst, wenn du die Erde nicht beherrschst, bist du kein Avatar. Ein Avatar zeichnet sich dadurch aus, alle vier Elemente bezwingen zu können. Wenn du die Anderen nicht meistern kannst, bist du folglich kein Avatar. Du denkst, dass dies die ganze Misere beenden würde. Alles wäre gut, wenn du nicht der Avatar wärest. Stimmt das nicht?“

„Nein, ganz und gar nicht. Da irrst du dich, Toph. Ich weiß, dass sich diese Tatsache nicht ändern lässt, ganz gleich, was ich versuche.“ Serina mochte es nicht, wenn Toph so überlegen tat. Sie sprach von Dingen, die sie selbst nie verstehen konnte und hatte dabei so einen lehrenden Unterton in der Stimme, der Serina nur noch mehr aufregte. Aber sie wollte nicht noch einen Streit provozieren. Auch wenn sie jetzt noch Tao hatte, wäre das für die Moral nicht gerade förderlich.

„Wenn du so denkst, kann ich dir einen Tipp geben. Erdbändiger zeichnen sich nicht nur durch Stärke aus, sondern auch durch Geduld. Versuche es mal damit. Übereile es nicht. Es ist dir bestimmt und du wirst es auch irgendwann können. Wir haben alle Zeit der Welt.“ Toph machte eine kurze Pause und grinste dann breit. „Wir dürfen uns nur nicht erwischen lassen.“

Für Serina klang das nicht gerade beruhigend. Sie wollte nicht alle Zeit der Welt haben. Sie wollte einfach nur in Ruhe gelassen werden. Aber davon konnte sie lange träumen. Das würde nie eintreten. Denn der Avatar war böse und das Böse musste aufgehalten werden.
 

**********
 

„Guten Morgen, Sonnenschein“, weckte Taos Stimme Serina aus ihrem Schlaf. Müde rieb sie ihre Augen. Liebend gerne hätte sie sich noch einmal umgedreht, doch dann fiel ihr ein, dass sie mitten auf den Schlangenpass waren, was einem dann doch direkt aufwecken konnte. Serina wollte so schnell wie möglich, diesen Teil ihrer Reise hinter sich lassen. Je eher sie von diesem Pass runter waren, desto früher konnte sie wieder aufatmen.

Serina packte ihre Sachen zusammen, nahm die Augenbinde, die ihr wohl in der Nacht runtergerutscht war und stand wenige Minuten später aufbruchsbereit vor Toph. „Können wir weiter?“

„Ich bin so weit“, meinte Toph. „Was ist mit dir, Junge?“

Serina war aufgefallen, dass Toph Tao bisher noch nie beim Namen genannt hatte, zumindest nicht, wenn sie ihn direkt angesprochen hatte. Außerdem hatte sie immer so einen feindlichen Unterton in der Stimme. Es war kaum zu übersehen, dass sie Tao wohl nicht so gut leiden konnte. Umso glücklicher war Serina darüber, dass sie ihm trotzdem erlaubt hatte, mit zu kommen. Sie fühlte sich einfach besser, weil sie wusste, dass da noch jemand war. Jemand, mit dem sie reden konnte, wenn sie etwas bedrückte. Zum Beispiel über das Gespräch von gestern Abend. Irgendwie beschäftigte sie sehr die Vorstellung von Toph. Serina war sich zwar sicher, dass sie sich irrte, aber eine weitere Bestätigung würde ihr nicht schaden.
 

Während der nächsten halben Stunde, ließ sich Serina immer weiter zurück fallen. Sie hielt Tao an der Hand, sodass er direkt neben ihr ging. „Wie weit ist Toph entfernt?“, fragte sie, weil sie es selber ja nicht sehen konnte.

„Einige Meter. Anscheinend hat sie bemerkt, dass du mit mir alleine sein willst.“ Serina konnte es zwar nicht sehen, aber das breite Grinsen konnte sie sich nur zu gut vorstellen.

Es war schon irgendwie erschreckend, wie gut Serina Tao wohl schon kannte, obwohl sie sich vor ein paar Tagen zum ersten Mal begegnet waren. Aber andererseits war es auch schön. Immerhin hatte sie jemanden gefunden, dem sie alles erzählen konnte, zumindest fühlte es sich so an. „Ich möchte gerne mit dir etwas besprechen. Ernsthaft, wenn es keine zu großen Umstände macht.“ Der letzte Satz war notwendig gewesen, sonst hätte sie vermutlich wieder irgendeinen dummen Kommentar bekommen.

„Ist okay, Serina. Ich bin ganz Ohr.“

Das war auch eine Eigenschaft, die Serina an Tao mochte. Wenn es wirklich ernst wurde, dann konnte er auch mal vernünftig sein. Leider kam das nicht gerade oft vor. Aber anscheinend hatte er ein ziemlich gutes Gespür dafür, wann es unbedingt notwendig war.

Serina erzählte ihm von dem Gespräch, was sie gestern Abend mit Toph geführt hatte. Sie ließ nichts dabei aus. Auch nicht ihre Angst, dass sie das Erdbändigen wohl nie beherrschen würde. Dass sie solche Schwierigkeiten hatte, wie sie es nie für möglich gehalten hätte. Obwohl es ihr gestern noch peinlich gewesen war, das vor Tao zu offenbaren, hatte sie jetzt keine Probleme damit. Es kam von ganz alleine über ihre Lippen.

Tao indes hörte aufmerksam zu. Er hatte schon immer gut zuhören können. Das hatte seine Mutter ihm beigebracht. Stundenlang hatte sie ihm Geschichten erzählt. Geschichten, die den bösen Alltag für kurze Zeit zu verdrängen wussten. Bis Tao diese Geschichten irgendwann nicht mehr gereicht hatten.

„Wie denkst du darüber?“, fragte Serina, als sie alles erklärt hatte.

Tao überlegte kurz. Er wusste, was Serina hören wollte. Jedoch sagte ein guter Freund auch manchmal Sachen, die dem Anderen nicht gefielen, die aber durchaus der Wahrheit entsprachen. „Denkst du nicht, dass Toph vielleicht Recht haben könnte? Sie ist ziemlich weise. Zumindest manchmal.“

Diese Antwort hatte Serina nicht gewollt. Eigentlich hätte Tao sie unterstützen sollen und nicht Toph, die ihn nicht einmal leiden konnte.

„Du kennst mich doch kaum, Tao. Wie willst du denn wissen, was ich fühle und denke? Ich habe mich damit abgefunden, der Avatar zu sein, auch wenn es schwierig war. Wie sollte ich das denn auch ändern können.“

„Vielleicht glaubst du es nur“, schlug Tao vor. Er hatte nicht viel Ahnung von der menschlichen Psyche. Immerhin war er nur ein einfacher Dieb. „Vielleicht redest du es dir nur ein, damit du dich nicht mehr damit beschäftigen musst.“

Serina schüttelte entschieden den Kopf. „Das ist völliger Schwachsinn. Entweder habe ich mich damit abgefunden oder nicht. Nur zu glauben, ich hätte es getan, ist doch total blödsinnig. Außerdem habe ich ja bereits einmal erdbändigen geschafft. Es war in einer Höhle gewesen, wo ich ganz alleine gewesen bin. Ich habe sogar die Erde unter meinen Füßen gespürt. Es war alles einfach toll. Ich habe mich stark gefühlt. Bei dem Training von Toph habe ich mich dann auch nicht so dumm angestellt, zumindest nicht, nachdem wir unseren Streit beendet hatten. Also kann es ja gar nicht daran liegen. Sonst hätte es von Anfang an nicht geklappt, oder?“

Tao zuckte mit den Schultern. Woher sollte er das denn bitte schön wissen? „Ich habe keine Ahnung, Serina. Aber es könnte doch sein, dass danach noch irgendetwas passiert ist, das deine Blockade verursacht hat. Irgendetwas, was dich so sehr wünschen lässt, nicht der Avatar sein zu müssen.“

Serina blieb geschockt stehen. Das konnte doch nicht der Grund sein?

„Hey, Schmetterling, alles okay? Du bist plötzlich so bleich geworden.“ Taos Stimme klang besorgt, was Serina nun nur noch mehr an Paku erinnerte. Er war auch immer besorgt gewesen. Wie ein großes Bruder um seine kleine Schwester. Er hätte alles für sie getan.

Vielleicht wünschte Serina sich ja wirklich, nicht der Avatar sein zu müssen. Nur damit sie wieder mit Paku zusammen sein konnte. Etwas, wonach sich ihr Herz mehr sehnte, als alles Andere.

„Du hast Recht, Tao, es ist wirklich etwas passiert. Etwas, was ich immer noch nicht richtig verstehe und was mich total verwirrt.“ Ihre Stimme zitterte. Auch diese Geschichte erzählte Serina ihrem neuen Freund. Doch diesmal kamen die Worte nicht so leicht über ihre Lippen. nach jedem Satz brach sie ab und hätte am liebsten einfach aufgehört zu reden. Denn indem sie es aussprach, wirkte es endgültig. Eine Tatsache, die sich nicht mehr verändern ließ. Damit war klar, dass sich ihr alter Freund schlussendlich gegen sie gestellt hatte.

Als sie geendet hatte, musste Serina stark mit ihren Tränen kämpfen. Sie wollte jetzt nicht weinen, doch ihr Körper sagte da etwas ganz Anderes. Plötzlich spürte sie, wie sich zwei warme Arme um sie legten. „Serina, es tut mir so leid. Ich hatte ja keine Ahnung.“

Serina konnte nicht anders und erwiderte die Umarmung. Es tat gut, jemanden ganz in seiner Nähe zu wissen. Jemanden, der einem zuhörte und verstand.

„Falls ich diesen Paku jemals treffen sollte, werde ich ihm ordentlich in den Hintern treten. Es ist unverzeihlich, was er getan hat. Man sollte Mädchen nie verletzten. Es ist – Mist!“

Serina spürte nur noch, wie sie von Wasser bespritzt wurde und dann, wie die ganze Erde plötzlich anfing, zu beben. Sie wollte fragen, was los war, doch Tao drückte sie schon zu Boden. „Runter!“

Die Geräusche um Serina herum, waren alles Andere als beruhigend. Er hörte sich fast so an, als ob Geröllmassen von oben auf sie zugerollt kamen. Und wie es scheint, lag sie da nicht ganz so falsch. Denn genau in diesem Moment, zog Tao sie wieder auf die Beine. „Wir müssen hier weg.“, kam es gehetzt von ihm. doch Serina hörte etwas in seiner Stimme, das ihr sagte, dass es dafür schon zu spät war. Sie machte sich auf alles gefasst, doch da kam nichts. Nur ein ohrenbetäubender Lärm, dann war da Stille.

„Gut, dass zumindest noch einer aufpasst“, brüllte Toph zu ihnen. „Los, kommt her.“

Tao nahm Serina an der Hand und lief zu Toph. „Es tut mir leid, Toph“, fing er mit einer Entschuldigung an.

„Das ist jetzt unwichtig. Welche Richtung?“, fragte Toph. Ihre Stimme war ruhig, wie Serina bemerkte.

Serina hielt es nicht mehr länger aus. Es war durchaus klar, dass sie in Schwierigkeiten steckten und da konnte Toph ja wohl schlecht mit ihr schimpfen. Also nahm sie ihre Augenbinde ab. Und schon eine Sekunde später wünschte sich Serina, dass sie es nicht getan hätte.

Vor ihnen ragte eine riesige grüne Schlange aus dem Wasser empor.

Von Seeschlangen und Sandwürmern

Tao gab die Richtung vor und Toph schleuderte die Felsbrocken. Jedoch funktionierte das alles nicht so, wie geplant. Zwar schossen die Steine mit einer enormen Geschwindigkeit auf das Ungeheuer zu, aber sie trafen nur selten das Ziel. Es lag nicht daran, dass Tao die falsche Richtung vorgab oder einfach ungenau war. Eigentlich, fand Serina, gaben die beiden ein super Team ab. Aber die Seeschlange bewegte sich so schnell hin und her, dass, wenn Tao gerade etwas gesagt hatte, die Schlange in der nächsten Sekunde schon wieder ein paar Meter entfernt stand.

Serina schaute dem ganzen Spektakel eine Weile zu. Bisher hatte die Schlange nicht angegriffen, doch sie wirkte mit jeder weiteren Attacke etwas gereizter. Sie fragte sich wahrscheinlich, ob sich dieser ganze Trubel für eine kleine Mahlzeit überhaupt lohnte. Aber wie es schien, war die Entscheidung der Seeschlange eindeutig. Wahrscheinlich wollte sie sich zusätzlich für diesen Ärger auch noch rächen.

Sie stürzte vor und Serina konnte sich nur retten, indem sie zur Seite sprang. Es war haarscharf gewesen und Serina hätte nie geglaubt, dass sie einem Maul eines Ungeheuers mal so nah sein würde. Die Seeschlange hätte sich nur noch umdrehen müssen und dann wäre es um Serina geschehen gewesen. Wahrscheinlich hatte sie das auch vor, jedoch ertönte ein schrecklicher Schmerzensschrei von dem Ungetüm. Ein riesiger Stein auf der Nase war bestimmt nicht schmerzfrei. Die Seeschlange zog sich wieder in ihre natürliche Umgebung zurück.

„Ist alles in Ordnung?“, hörte Serina Tophs Stimme hinter den Geröllmassen hervordringen.

„Ja, mir ist nichts passiert“, antwortete sie laut schreiend. Sie kletterte über die Steinmassen, um wieder zu ihren Freunden zu gelangen. Als sie neben ihnen stand, sah sie ihre Meisterin flehendlich an. „Bitte, Toph, darf ich?“

Toph verzog ihre Miene. Es war ihr deutlich anzusehen, dass sie lieber einen anderen Weg gewählt hätte, es ihr aber selber klar war, dass es wohl nicht anders ging. Sie konnte nicht viel ausrichten, weil sie blind war und Tao mit seinem kleinen Zahnstocher würde gegen eine riesige Schlange auch nicht viel unternehmen können. „Sind irgendwelche Schiffe in Sichtweite? Egal wie klein sie sein mögen.“

Tao und Serina ließen ihren Blick schweifen. Keiner der beiden konnte etwas ausmachen. Das Wasser war ruhig, wenn man mal von der riesengroßen Seeschlange absah, die gerade wieder aus dem Wasser geschossen kam.

„Dann los, aber sei vorsichtig“, riet sie ihrer Schülerin. Toph gefiel es nicht, die Kleine ganz alleine loszuschicken zu müssen. Dorthin, wo sie ihr nicht helfen konnte. Eigentlich war es unverantwortlich, doch Toph fiel nichts Besseres ein. Weglaufen würden sie wohl nicht schaffen. Dafür war die Schlange im Wasser viel zu schnell. Und diese Dinger sollten sehr hartnäckig sein, wie sie gehört hatte.
 

Serina ließ sich nicht zweimal bitten und sprang sofort ins Wasser. Sie fühlte sich herrlich, als sie das Wasser unter ihren nackten Füßen spürte. Eine Vertrautheit, die ihr direkt zusätzlichen Mut und Kraft gab. Sie sah die Schlange an und war sehr zuversichtlich, diese Bestie aufhalten zu können.

Als Erstes kreiste sie ein paar Mal um den Körper der Schlange. Ihr Durchmesser betrug ungefähr drei Meter, wenn Serina das richtig einschätzte. Und sie war verdammt groß. Serina musste von hier unten ihren Kopf weit in den Nacken legen, um den Kopf der Schlange überhaupt sehen zu können. Vielleicht war das mit dem Besiegen wohl doch etwas voreilig gewesen.

Aber sie wollte sich nicht direkt allen Mut von der Seele reden. So blieb sie stehen, verwandelte das Wasser unter ihr zu Eis und schloss es auch um ihre Füße. Sie musste zugeben, dass das verdammt kalt war, jedoch hatte sie so einen sehr sicheren Halt, der ihr bei ihrem Plan gut von Nutzem sein würde. Sie verschaffte sich Gewalt über das Wasser, was sie umgab. Mit enormer Schnelligkeit schoss sie es hoch zu der Seeschlange, ließ es auf dem Weg dorthin gefrieren.

Drei gezielte Treffer! Serina wäre vor Freude in die Höhe gesprungen, wenn das dort möglich gewesen wäre. Doch dann bewegte sich die Schlange wieder und schaute direkt zu Serina hinab. Serina hätte schwören können, dass Wut in deren Augen funkelten. Dann sah sie nur noch, wie der Kopf immer näher kam, genau auf sie zu und wie das Ungeheuer das Maul weit öffnete. Serina hielt schützend die Arme über ihren Kopf. Mehr aus Instinkt, als aus Logik. Sonst hätte sie wahrscheinlich gleich bemerkt, dass das wohl nicht viel bringen würde.
 

„Serina!“, rief Tao entsetzt und öffnete dabei schon den Gürtel, an dem sein Schwert hing. Schnell zog er noch seine Schuhe aus und wäre direkt gesprungen, wenn ihn nicht eine starke Hand davon abgehalten hätte. „Was soll das? Ich muss ihr doch helfen“, schrie er Toph an.

„Und wie willst du das anstellen?“, fragte Toph ruhig. Sie zeigte keinerlei Anzeichen von Besorgnis oder Furcht. Sie sah aus, als ob sie das völlig kalt ließ. „Du hast nicht die Fähigkeiten, die sie hat. Du kannst höchstens schwimmen. Und wie willst du ihr so helfen?“

„Keine Ahnung, aber ich kann hier nicht einfach stehen und tatenlos zusehen?“ Er riss sich los, lief auf den Abgrund zu und wollte springen. Doch er stürzte nicht in die Tiefe, sondern nur Richtung Boden. Irgendetwas hatte ihn am Knöchel festgehalten. Er rappelte sich wieder hoch und schaute auf seine Füße. Sie waren von Erde umschlossen. Er drehte sich soweit um, wie es möglich war und funkelte Toph böse an. „Was zur Hölle soll das? Ich will doch nur helfen!“

„Ich bewundere deinen Mut, Junge“, meinte Toph. „Aber manchmal kann Mut auch ziemlich dumm sein. Du solltest niemals emotional handeln. Das kann tödlich enden.“ Tophs Stimme klang traurig, fand Tao.

Er jedoch dachte genau anders herum. Manchmal konnte zu viel Logik schädlich sein. Man tat etwas, was man für den Rest seines Lebens bereuen würde. Im Nachhinein überlegt man, ob man nicht doch hätte helfen können. Er würde es sich nicht verzeihen können, wenn Serina jetzt starb und er hier nur dumm in der Gegend rumstand. Er musste unbedingt etwas tun. „Das ist mir völlig egal. Du weißt bestimmt auch nicht alles. So weise kannst du gar nicht sein.“ Er schnappte sich einen spitzen Stein und machte sich daran, seine Füße zu befreien. Ewig konnte Toph ihn auch nicht aufhalten.

„Jetzt hör mal zu, Junge.“ Tophs Stimme war um einiges lauter und gereizter als noch zuvor. „Ich habe dir erlaubt, mit uns mitzukommen, obwohl du ein dreckiger, kleiner Gauner bist. Und du hast mir versprochen, auf meine Befehle zu hören. Und das wirst du jetzt auch gefälligst tun. Ich gebe hier den Ton an und ich werde keine Widerworte von dir hören. Und außerdem habe ich nie gesagt, dass ich weise bin. Ich weiß verdammt noch mal nicht alles auf der Welt. Aber das ist egal. Du wirst auf mich hören, auch wenn ich totalen Blödsinn rede. Und wenn dir das nicht gefällt, dann spring einfach. Doch dann kannst du alleine weiterreisen, denn mir darfst du dann nicht mehr unter die Augen treten. Hast du verstanden?“

Tao schluckte. Das war eine klare Anweisung und wenn er Serina beschützen wollte, musste er sich jetzt wohl oder übel dem Befehl von Toph beugen. Er hoffte nur, dass sie stark genug sein würde, um mit diesem Monster fertig zu werden. Doch sie war gut, das hatte sie schon mehrere Male unter Beweis gestellt. Vielleicht sollte er einfach auf sie vertrauen.

Und dann schoss sie aus dem Wasser heraus.
 

Serina sah nur noch, wie dieses riesige Maul auf sie zukam. Instinktiv hielt sie schützend ihre Arme über ihren Kopf. Das jedoch nur für einen Sekundenbruchteil, denn schnell wurde ihr klar, dass sie nicht mehr ausweichen konnte, zumindest nicht mehr zur Seite. Sie nahm ihre Hände und verschaffte sich deshalb unter ihr einen Fluchtweg. Sie ließ das Eis wieder zu Wasser werden und ließ sich gleichzeitig einfach ins Wasser fallen. Schnell erschuf sie eine Luftblase um ihren Kopf und drückte sich durch Wasserbändigen immer tiefer ins Wasser. Sie spürte unheimlichen Druck auf den Ohren, der immer stärker wurde. Ihr war klar, dass eine solche Geschwindigkeit beim Abtauchen nicht gerade ungefährlich war, doch alles war besser, als ihm Magen dieser Schlange zu landen. Sie schüttelte kurz den Kopf, um das Schwindelgefühl loszuwerden. Dann blickte sie sich um, damit sie den Feind im Auge behielt. Die Schlange bewegte sich mit einer Eleganz durchs Wasser, die Serina ihr durch ihre gewaltige Größe nicht zugetraut hätte. Und ihr wurde bitterlich bewusste, dass sie die Seeschlange nicht aufhalten konnte. Zumindest nicht alleine. Das wäre völlig unmöglich. Die einzige Möglichkeit, die sie hatten, war die Schlange irgendwie so lange aufzuhalten, dass sie genügend Zeit hatten, um zu fliehen. Es war zwar nicht der beste Plan, aber der Einzige, der klappen konnte.

Sie schoss aus dem Wasser heraus, fokusierte direkt den Punkt, der für ihren Plan erforderlich war und lief darauf zu. Sie musste die Seeschlange so weit einfrieren, dass sie sich für einige Zeit nicht von der Stelle rühren konnte. Also fing sie an den Rumpf einzufrieren. Serina versuchte es so weitflächig wie möglich zu machen, umso stabiler würde es sein. Doch sie bemerkte jetzt schon, dass es vermutlich nicht sehr lange halten würde. Sie müssten dann einfach etwas schneller rennen. Eine andere Lösung fiel ihr nicht ein.

Sie wollte gerade die letzte Stelle einfrieren, als sie Tao rufen hörte. Leider verstand sie nicht, was er gesagt hatte. Jedoch war das auch nicht von Bedeutung. Nur noch diese eine Stelle und sie würde sowieso zu den Beiden zurückkehren. Dann konnte Tao ihr das einfach noch einmal sagen.

In der nächsten Sekunde jedoch konnte sie erahnen, was Tao von ihr gewollt hatte. Keine zwei Meter von ihr entfernt fiel ein Felsbrocken vom Himmel. Serina dachte zuerst, dass Toph wieder mit ihren Angriffen angefangen hatte, weil die Beiden bemerkt hatten, dass sie wohl doch nicht so gut zurecht kam, doch dann sah sie das Schiff. Es war nicht besonders groß, aber was machte das schon aus. Die Erdbändiger hatten sie gefunden. Jetzt wussten sie, welchen Weg sie genommen hatten und dieses Schiff war nur die Vorhut. Ab jetzt konnten sie sich schon mal darauf gefasst machen, ständig vor diesen Typen davonzulaufen.

Doch jetzt musste sie erst einmal mit der Gegenwart fertig werden. Nun hatte sie nicht nur ein großes Problem, sondern direkt zwei. Verzweifelt schaute sie von der Seeschlange zum Kriegsschiff und wieder zurück. Die Seeschlange versuchte sich gerade von dem Eis zu befreien und Serina hörte es schon bedrohlich knacken. Es gab noch früher nach, als erwartet. Was sollte sie denn jetzt tun?

Zwei Probleme und sie wurde nicht mal mit einem richtig fertig.
 

„Wie weit ist das Schiff entfernt?“, wollte Toph wissen. Sie hatte inzwischen Tao wieder von seinen Fußfesseln befreit. Anscheinend hatte der Junge dann doch noch Vernunft angenommen.

„Mmh, ich weiß nicht genau, 200 bis 250 Meter?“ Tao war noch nie wirklich gut in Entfernungen abschätzen gewesen. Er gab sich aber sichtlich Mühe, denn er wusste, wie wichtig es war.

„Das ist zu weit“, sagte Toph verärgert. „So viel Schwung kriege ich nicht drauf ohne ein Katapult. Wir hätten diese Wachen doch einfach in den Erdboden rammen sollen. Da wären sie nicht so schnell wieder rausgekommen, um Bericht zu erstatten. Aber was sollen wir denn jetzt nur tun?“

Tao zuckte mit den Schultern. „Vielleicht einfach Vertrauen haben“, schlug er vor. Diese Sinneswandlung kam ihm seltsam vor. Eben noch hatte Toph ihn zurechtgewiesen und jetzt sprach er ihr gut zu. „Sie ist stark. Sie wird das schon schaffen.“

„Bist du jetzt schon vor Liebe total blind? Sie sitzt in der Falle. Genau zwischen einer riesigen Wasserschlange und einem gefährlichen Schiff voller Erdbändiger, die ihren Tod sehen wollen. Wie soll sie das bitte schaffen?“ Toph gefiel es nicht, dass ihr Schützling ganz alleine da draußen war und sie überhaupt nichts machen konnte. Wenn Serina wenigstens so schlau wäre, einfach anzuhauen. Zu Dritt würde ihnen bestimmt etwas einfallen.

Doch dann gab Tao einen merkwürdigen Ton von sich. Er schien über irgendetwas wohl sichtlich überrascht und gleichzeitig total fassungslos. „Was ist los?“

„Du hast wohl Recht, Toph. Sie sitzt in der Klemme und scheint auch noch total verrückt geworden zu sein.“ Tao schüttelte ungläubig den Kopf über das, was er da vor sich sah.

„Wieso? Was macht sie denn?“, fragte Toph interessiert. Sie glaubte nicht, dass Serina verrückt geworden war. Was sie bisher von ihr kennen gelernt hatte, war, dass sie eine Situation sehr gut analysieren konnte. Sie verließ sich meistens auf ihren Verstand als auf ihre Emotionen. Das war Toph direkt beim ersten Treffen aufgefallen.

„Anstatt irgendwie auszuweichen und sich zu verstecken wie ein normaler Mensch es vielleicht tun würde, scheint sie sich förmlich zu präsentieren. Auf einer riesigen Wassersäule. Zum einen ein guter Angriffspunkt für die Erdbändiger, zum Anderen genau auf der richtigen Fresshöhe für die Seeschlange. Sie kann nur völlig verrückt geworden sein.“

Toph grinste bei Taos Schilderungen jedoch nur. „Das Mädchen ist ja noch besser, als ich dachte.“
 

Etwas mulmig war ihr in dieser Höhe schon. Sie stand auf dieser riesigen Wassersäule und fragte sich ein weiteres Mal, ob das wirklich ein guter Plan war. Jedoch hatte sie keine andere Idee. Es gab nur eine Lösung, wenn man gegen zwei Gegner kämpfte. Paku hatte ihr diese Vorgehensweise oft genug erläutert.

„Wenn dich zwei Gegner umzingeln und du nicht weißt, wie du sie besiegen sollst, verfalle bloß nicht in Panik. Es gibt eine ganz leichte Methode, um beide zu schlagen. Du musst sie nur gegeneinander aufhetzten. Dann konzentrieren sie sich nicht mehr auf dich und du kannst verschwinden. Gut, oder?“ Meist hatte er ihr danach zugezwinkert, so wie es seine Art war.

Doch jetzt, wo sie in dieser luftigen Höhe stand, wusste Serina nicht so recht, ob das ganz so einfach war. Würden sich die Erdbändiger nur etwas zu viel Zeit lassen, hätte die Seeschlange sie bereits verschlungen. Sie sah nämlich so aus, als ob sie einer kleinen Vorspeise nicht abgeneigt wäre.

Zum Glück jedoch schienen die Erdbändiger nicht gerade klug zu sein und feuerten direkt, als ihr Ziel sich netterweise derart präsentierte. Ein kurzes Lächeln huschte über Serinas Lippen. Dann wartete sie. Genau auf den richtigen Moment. Sie wartete bis der Stein kurz vor ihr war. Mittlerweile, genau zur richtigen Zeit, war auch die Schlange auf sie aufmerksam geworden. Mit weit aufgerissenem Maul schoss sie gerade auf sie zu, als Serina sich fallen ließ, um beiden Hindernissen zu umgehen.

Der Stein landete direkt im Maul der Schlange. Ganz kurz verspürte Serina Mitleid. Das hatte bestimmt weh getan, was der Schrei des Wesens noch zusätzlich unterstrich. Aber Serina hatte keine Zeit, sich um die Kreatur sorgen zu machen, die sie eben noch fressen wollte. Jetzt sollte sie dringend aus der Schussbahn gelangen.

Schnell bewegte sie sich über das Wasser. Sie blickte nicht zurück, doch die Geräusche ließen erahnen, dass die Schlange schon dabei war, dass Schiff aufzumischen. Und die Leute hatten jetzt wohl genug damit zu tun, sich irgendwie dieses große Ungetüm vom Leib zu halten.

Kurze Zeit später stand sie wieder neben Tao und Toph. Sie schienen beide sehr erleichtert zu sein, dass ihr nichts passiert war. Genau wie sie selbst sehr erleichtert darüber war.

Tao grinste breit. „Das war genial, Wasserratte. Darauf wäre ich nicht gekommen.“

„Er hat dich schon für verrückt gehalten“, spukte Toph es aus. „Ich finde, du hast deine Sache gut gemacht, auch wenn ich natürlich nichts davon gesehen habe.“

Serina wurde ein wenig rot. Sie fühlte sich gleich noch ein Stück besser, als sie es schon zuvor getan hatte. Sie sollte sich dringend jedes Kompliment von Toph aufschreiben. Die gab es bestimmt nicht wie Sand am Meer. „Dankeschön“, sagte sie leise.

„So, jetzt verschwinden wir aber von hier. Die Erdbändiger werden sich nicht ewig mit dieser Schlange rumschlagen müssen. Früher oder später wird sie einsehen, dass es leichtere Beute gibt und dass sich so viel Ärger für kein Revier lohnt.“
 

Serina atmete erleichtert auf, als sie endlich das Ende dieses unglaublich langen Weges hinter sich hatten. Aber im Nachhinein musste sie sagen, dass es wohl doch gar nicht so schlimm gewesen war, wie sie vermutet hatte. Okay, die Seeschlange hatte ihr vielleicht ein wenig Angst gemacht, aber sie hatten sie immerhin aufhalten können. Was ihr jedoch mehr Sorgen bereitete war die Tatsache, dass die Erdbändiger nun wussten, welchen Weg sie eingeschlagen hatten. Früher oder später würden sie sie finden und darauf freute sich Serina nun überhaupt nicht.

„Wohin geht es denn von jetzt an, Toph? Wohin soll ich euch führen?“, fragte Tao. Er hatte eigentlich keine Ahnung, was Toph eigentlich vorhatte. Hatte sie überhaupt einen Plan oder lief sie nur durch die Gegend, um die Erdbändiger los zu werden? Tao zumindest war auch immer unterwegs gewesen, wenn er gerade von irgendwem verfolgt wurde.

Toph schaute in die Ferne, wenn man das so sagen konnte. „Unser Weg führt uns nach Gaoling.“

Gaoling, das hatte Serina noch nie gehört. Aber sie wusste auch nicht allzu viel über das Erdkönigreich, wenn sie ehrlich war. Was wusste sie schon von Geographie. Sie hatte sowieso nie viel darüber nachgedacht, irgendwann mal vom Nordpol zu verschwinden. Eigentlich war für sie immer klar gewesen, für immer dort zu bleiben. Dort, wo sie zu Hause war und sich wohl fühlte.

„Gaoling?“ Tao zuckte die Schultern. „Keine allzu große Stadt, aber egal. Wir müssen einmal quer durch die Wüste, das ist Ihnen schon klar?“

Toph nickte. „Sie zu umgehen würde zu viel Zeit kosten. Zeit, die wir nicht haben. Wir sollten lieber früher dort eintreffen, als später. Zur Not können wir uns da immer noch für einige Zeit niederlassen.“

Serina verstand nicht so richtig, was Toph mit Zeit meinte. Gestern hatte sie noch gesagt, dass sie alle Zeit der Welt hatten und heute standen sie plötzlich wieder unter Zeitdruck. Aber wahrscheinlich hatte das einfach mit dem Auftauchen der Erdbändiger zu tun. Dann wollte Serina auch den schnellsten Weg wählen. Auch wenn sie vor der Hitze, die ihr wahrscheinlich alles Andere als gut tun würde, zurückschreckte, freute sie sich, keinen allzu gefährlichen Weg vor sich zu haben.

„Gut, dann also durch die Wüste“, meinte Serina. „Zumindest wird es da wohl keine riesigen Wasserschlangen geben.“

Toph grinste gefährlich. „Dafür gibt es dort aber Sandwürmer, die sich anschleichen und dich in den Sand ziehen. So tief, dass du die Sonne nie wieder sehen wirst.“

Serina seufzte laut auf. „Na, vielen Dank, Toph.“

Durch die Wüste

Serina hatte jegliches Zeitgefühl verloren in dieser sengenden Hitze. Die Sonne strahlte umbarmherzig auf sie herab. Dass es solche warmen Temperaturen im Erdkönigreich überhaupt gab, hätte Serina nie für möglich gehalten. Sie hatte diese immer nur in der Feuernation vermutet. So konnte man sich irren.

Toph und Tao hingegen schienen sich nicht weiter an der Hitze zu stören. Sie sagten zwar nicht viel, doch kam von ihnen jedenfalls kein Gemecker wie von Serina zu Beginn der Reise in der Wüste. Wahrscheinlich hatte sie es sich nicht derart schlimm vorgestellt. Wie konnte sich auch ein Mädchen, dass in Eis und Schnee aufgewachsen war, solche Temperaturen überhaupt nur ausmalen. Irgendwann hatte ihr Toph dann einfach verboten zu reden. Nun litt Serina einfach still vor sich hin. Daran ändern konnte man ja auch nichts. Das Leben war so, wie es Toph für sie aussuchte.

Je heißer die Sonne brannte, desto mehr verfluchte Serina Toph für diese Entscheidung, mitten durch eine Wüste zu laufen. Sie hätten sich ja wenigstens irgendein Fortbewegungsmittel anschaffen können, aber nein, Meisterin Toph wollte ja, dass sie unbedingt zu Fuß gingen. Serina hatte es nicht verstanden, besonders weil Toph ihre Entscheidung nicht erklärt hatte, aber das war Serina jetzt auch mehr als egal. Sie wollte nur endlich diese blöde Wüste verlassen. Dass diese unendliche Qual aufhörte.

„Wie lange müssen wir noch durch diese blöde Wüste?“, wagte Serina zu fragen. Diese Frage musste sie einfach stellen, sonst wäre sie wahrscheinlich noch an der Ungewissheit zu Grunde gegangen.

„Wir sind bald da, wo wir sein wollen. Gedulde dich noch ein wenig“, meinte Toph. Das Wort ‚Geduld’ erinnerte Serina an ihr Training, was sie jetzt schon für einige Zeit ausgesetzt hatte. Toph hatte gemeint, dass es in der Wüste nicht viel bringen würde und erst Recht nicht, wenn Serina nicht einsah, was ihr Problem war.

Sie war sich immer noch nicht sicher, ob es wirklich an Paku lag. Toph und auch Tao waren jedoch davon überzeugt. Und bevor Serina das nicht auch so sah, hatte Toph das Training eingestellt. Zum Einen war sie froh darüber, sich bei dieser Hitze nicht auch noch mit Erdbändigen rumschlagen zu müssen, zum Anderen kam es ihr irgendwie falsch vor. Sie war der Avatar, ob ihr das nun gefiel oder nicht und die Aufgabe des Avatar war es, alle vier Elemente zu beherrschen. Und nun weigerte sich schon der erste Lehrer, ihr das Bändigen beizubringen. Serina hoffte nur, dass die nächsten Lehrer nicht ganz so kompliziert werden würden, wenn es überhaupt irgendwen gab, der ihr das Bändigen beibringen würde.

Darüber konnte sie sich aber später immer noch Sorgen machen. Sie hatte auch noch nicht mit Toph über dieses Thema gesprochen. Vermutlich kannte sie jemanden, der ihnen helfen konnte. Aber bis dahin hatten sie sowieso noch etwas Zeit.

Dann fiel Serina plötzlich auf, was Toph gesagt hatte. „Was meinst du denn damit?“, fragte sie. „Wir sind schon so bald in Gaoling? Ich dachte, wir hätten noch eine ziemlich lange Strecke vor uns.“

Toph räusperte sich hörbar. Serina kam das alles sehr verdächtig vor. „Nein, ich meine damit das Ende der Wüste. Das ist doch dein Hauptbegehr, oder nicht?“

Serina war erleichtert, als sie das hörte. Endlich aus dieser unausstehlichen trocken Hitze raus. „Ja, super!“ Sie war wirklich direkt viel besser drauf. Die Aussicht, bald wieder ein normales Klima erleben zu dürfen, war sehr aufmunternd.

Tao war die ganze Zeit eine paar Schritte hinter den Beiden gegangen. Die Arme hinter den Kopf verschränkt beobachtete er sie. Ihm kam es ein bisschen merkwürdig vor, was Toph da von sich gegeben hatte. Er wusste, dass es noch ein ganzes Stück sein würde. Mehrere Stunden hatten sie bestimmt noch vor sich. Vielleicht sollten sie hier sogar eine Nacht verbringen. Sie waren auf jeden Fall noch lange nicht in der Nähe des Randes. Er zuckte mit den Schultern. Naja, was soll’s, vielleicht wollte Toph Serina nur aufheitern. Zumindest sah sie nicht mehr bei Weitem so murrig aus, wie noch ein paar Minuten zuvor. Er hoffte nur, dass sie nicht wütend werden würde, wenn sie herausfand, dass es noch ein ganzes Stück weiter war, als sie ersehnt hatte.
 

Tao bemerkte, wie die Gesichtzüge von Serina mit jedem weiteren Schritt sich veränderten. Man sah ihr deutlich an, dass sie gleich vor Wut platzen würde. Toph schien es nicht zu bemerken oder ihr war es einfach schlichtweg gleichgültig. Vermutlich hatte sie sogar noch Spaß dabei. Dann sah er, wie ein kurzes Grinsen übers Tophs Lippen kam. So kurz, dass Serina es wohl nicht bemerkt hatte. Aber Tao glaubte nicht, dass es das Lächeln auf Serina bezog. Ihr Blick ruhte in der Ferne oder zumindest ihr Verstand. Es schien etwas zu kommen, worauf Toph sich anscheinend freute.

Keine zwei Minuten später lösten sich die Fragen in Luft auf. Tao blickte in die Ferne und wunderte sich, was da auf sie zukam. So etwas hatte er noch nie in dieser Wüste gesehen. Und er hatte sie schon ein paar Mal durchstreift. „Was ist das, Toph?“ Er wandte sich direkt an sie, weil er vermutete, dass sie schon länger wusste, dass sie auf dieses Etwas stoßen würden. Vielleicht war es das, worauf sie so lange gewartet hatte.

„Was meinst du?“, fragte Toph ganz unschuldig, aber wenn man genau aufpasste, konnte man durchaus den sarkastischen Unterton heraus hören.

Tao zumindest bemerkte es sehr deutlich. „Na, diese Sandwölbungen, die da direkt auf uns zukommen“, spielte er das Spielchen mit.

Serina war direkt von ihrer Wut befreit und schaute sich hektisch und ängstlich um. „Vielleicht sind es die Sandwürmer?“

Tao hätte das wohl auch vermutet, wenn er nicht genau wüsste, dass es so Etwas wie Sandwürmer nicht gab. Zumindest hatte er noch nie von ihnen gehört und welchen begegnet war er auch noch nicht. Schlussfolgerung daraus, solche Kreaturen existierten nicht. Aber es würde wohl nichts gefährliches sein, sonst wäre Toph viel aufmerksamer. Ganz im Gegenteil schien sie sich richtig auf die Begegnung mit diesen Wesen zu freuen.

So trat Tao einen Schritt näher an Serina heran. „Du brauchst keine Angst zu haben. Sieh dir nur Toph an.“

Serina tat, was Tao ihr gesagt hatte. Sie betrachtete Toph etwas näher und sie sah etwas, was sie bisher nur einmal bei Toph gesehen hatte, als sie über den kleinen Dachsmaulwurf geredet hatte. Sie schien sich unglaublich zu freuen, obwohl sie das vermutlich vehement verneint hätte. Aber auf was?
 

Auch wenn Toph und Tao Zuversicht ausstrahlten, konnte Serina nicht verhindern, dass es ihr zumindest etwas mulmig wurde, je näher diese Wesen kamen. Sie bewegten sich schnell. Sie steuerten nicht direkt auf sie zu, sondern kamen in Schlangenlinien an. Serina hatte das Gefühl, dass so das Unvermeidliche nur noch weiter rausgezögert würde. Hätte Serina da schon gewusst, was es damit auf sich hatte, hätte sie sich wahrscheinlich über sich selbst totgelacht.

Es kam immer näher und mit jedem verbleibenden Meter weniger, ging Serina einen Schritt näher zu Toph hin. Bei ihr fühlte sie sich immerhin sicher genug. Und dann war das Etwas angekommen. Es sprang aus seinem Sandversteck hinaus und für kurze Zeit konnte Serina vor lauter Sand überhaupt nichts sehen. Er flog überall herum. Aber nicht nur sehen konnte sie ihn, sondern auch am ganzen Leib spüren. Wahrscheinlich würde sie noch Wochen nach ihrer Expedition durch die Wüste Sand in ihrer Kleidung finden. Doch das störte sie jetzt nicht weiter, denn endlich konnte sie erkennen, wer hinter den Angreifern steckte. Es waren drei Kinder, zwei Jungs und ein Mädchen, höchstens zwischen sechs und neun Jahre alt.

Sie liefen direkt freudestrahlend auf Toph zu und klammerten sich an sie. „Tante Toph, wir haben dich vermisst“, riefen sie wie aus einem Munde.

Dass die Kleinen ihre Meisterin Tante nannten, fand Serina nicht halb so merkwürdig wie Tophs Reaktion. Diese erwiderte die Umarmung nämlich herzlich von den Kindern und schien sichtlich erfreut. Sie wuschelte jedem Einzelnen durch seine Haare. „Na, ihr kleinen Racker?“

„Hey, lass meine Haare in Ruhe“, beschwerte sich der scheinbar Älteste. Er wirkte wie ein Junge, der schon erwachsen sein wollte. „Das verletzt meinen Stolz.“

„Als ob du halbe Portion schon so etwas wie Stolz besitzen würdest“, lachte Toph. Um ihn zu ärgern, fuhr sie ihm ein weiteres Mal über den Kopf. Das kleine Mädchen, die wohl die Jüngste der Drei war, kicherte daraufhin. Sie war sichtlich amüsiert über die Art, wie Toph mit ihrem Freund umging. Der Junge warf ihr daraufhin nur einen finsteren Blick zu. Sie wirkten sehr vertraut, fand Serina. Fast erinnerten sie sie an Paku und sich. Ihr wurde ein wenig schwer ums Herz, als sie an ihren alten Freund dachte. So ausgelassen waren sie auch mal gewesen. Serina hoffte nur für diese Kinder, dass ihre Freundschaft nicht auch auf so eine Art enden musste. Einige Sekunden war Serina nicht anwesend. Ihre Gedanken hingen in der Vergangenheit. Bei ihrem Freund, bei all dem Blödsinn, den sie zusammen ausgeheckt hatten. Dann spürte sie, wie etwas an ihrer Kleidung zog, was sie zurück in die Realität holte.

Serina blickte nach unten und erkannte das junge Mädchen. Sie lächelte breit und strahlte eine Freude aus, die selbst Serina ein bisschen ansteckte. „Wer bist du?“, fragte sie neugierig. Auch ihre beiden Gefährten sahen nun Serina interessiert an.

„Ähm“, stotterte sie, etwas überrascht über diese plötzliche Frage. Sie fand es eigenartig, dass die Drei sich so sehr für sie interessierten, aber Tao mit keinem Blick würdigten. „Mein Name ist Serina. Ich bin eine Schülerin von Toph“, sagte sie. Gerade soviel, ohne zu lügen und nicht in Gefahr zu geraten.

„Wow“, kam es fasziniert von der Kleinen. „Das heißt, du kannst Erdbändigen? Ich auch, siehst du?“ Sie stampfte einmal kurz mit dem Fuß auf und aus dem Sand unter ihr, formte sich die Abbildung eines Wurmes heraus.

Serina wurde ein bisschen rot, als ihr klar wurde, dass dieses Mädchen um Längen besser war als sie selbst. „Naja, ich bin noch am Lernen. So gut bin ich noch gar nicht“, gab sie offen zu. Serina wusste nicht genau, warum sie das sagte, aber irgendwie war es ihr unangenehm die Kleine zu belügen. Sie war so ehrlich und offen zu ihr. „Wie heißt du denn eigentlich?“, fragte Serina, als ihr auffielt, dass sie den Namen von dem Mädchen noch gar nicht kannte.

Daraufhin ging das Mädchen einen Schritt zurück und stellte sich zwischen die beiden Jungs. „Ich bin Ara“, sagte sie.

„Ich bin Mira“, meinte der Älteste.

„Und ich bin Kiron“, fügte der andere Junge hinzu.

„Zusammen sind wir die Sandwürmer“, sagten sie letztendlich alle zusammen.

Serina musste lachen. Das waren also die gefürchteten Sandwürmer, von denen Toph ihr erzählt hatte. Wirklich beängstigend.

„Wisst ihr, Kinder, Serina kann nicht nur Erdbändigen, sondern auch Wasserbändigen“, verkündete Toph einfach so. Serina sah ihre Meisterin nur geschockt an. Erst verbietet sie ihr das Wasserbändigen und nun tönte sie es laut heraus. Manchmal fand Serina Toph zu unberechenbar.

Aber Ara schien diese Nachricht nur noch mehr zu begeistern. „Cool, dann bist du der Avatar, Serina?“

Serina nickte verwirrt. Dieses Mädchen schien überhaupt keine Angst vor ihr zu haben. Sie schien eher darauf erpicht zu sein, soviel wie möglich über sie zu erfahren. Das verrieten Serina die vielen Fragen, die plötzlich auf sie einbrachen. Nicht nur Ara sprudelte los, sondern auch die anderen Zwei. Serina konnte so gut wie kein Wort verstehen, weil sie alle durcheinander sprachen.

„Hey“, sagte sie etwas lauter, um die Kinder zum Schweigen zu bringen. „Einer nach dem Anderen, okay?“ Und die Kinder bestürmten sie wieder mit Fragen, aber sie hielten sich etwas mehr zurück.
 

Toph beobachtete, wie Serina immer mehr zu Strahlen begann. Sie selbst hatte es wahrscheinlich gar nicht bemerkt, aber es tat ihr gut. Sie genoss es sichtlich von jemandem bewundert zu werden. Alles, was sie bisher erlebt hatte, hatte dieses Kind nur immer weiter zerstört. Auch wenn Serina so gut wie nie darüber sprach, machte es ihr zu schaffen, dass die ganze Welt sie als einen Feind ansah. Immerhin war sie noch ein Kind. Wie sollte ein Kind damit klar kommen, von jeden verstoßen zu werden? Und was hätte Toph ihr Tröstendes sagen sollen? So etwas konnte man nicht in Worte fassen. Sie hoffte nur, dass dieses Mädchen stark genug sein würde, um ihr Schicksal zu überstehen. Dass ihr solche Momente genügend Kraft gaben.

Tao hatte Serina geholfen. Wenn sie in seiner Nähe war, fühlte sie sich besser. Das war der einzige Grund, warum Toph ihm erlaubt hatte, mitzukommen. Serina konnte diesen Weg nicht alleine gehen. So stark war keiner. Und dieser Junge schien Serina zu mögen. In ernsten Situationen war Tao auch ganz in Ordnung, die restliche Zeit war er jedoch einfach nur nervig, fand Toph. Aber das würde sie verkraften. Für Serina, für die neue Hoffnung dieser Welt.

Paku jedoch hatte sie tief verletzt. Man sah die Wunde deutlich. Sie war tief und blutete immer noch. Selbst Tao schien nicht in der Lage zu sein, diese Wunde zu heilen. Das könnte Serina nur alleine schaffen oder diese Wunde blieb für ewig. Warum musste der Sohn seinem Vater denn so ähnlich sein?
 

„Tante Toph, dürfen wir Serina unser Geheimversteck zeigen?“, fragte Ara.

Toph nickte abwesend. Seit Serina in ihr Leben getreten war, hatte sie viel zu oft mit den Gedanken in der Vergangenheit gelebt. Jetzt war es an der Zeit nach vorne zu blicken. „Natürlich, Ara. Genau deswegen sind wir ja hier“, riss sie sich zusammen. „Aber passt mir gut auf sie auf. Und nascht bloß nicht von irgendeinem Kaktus.“

Ara fing an zu lachen. „Du bist so lustig, Tante Toph.“ Sie ergriff Serinas Hand und zog sie hinter sich her. Serina blickte zu ihren beiden Gefährten.

Tao winkte zum Abschied. „Keine Angst, ich passe schon auf, dass sich unsere blinde alte Frau hier nicht verläuft.“

„Wir treffen uns bei euren Eltern, Kinder. Kommt nicht zu spät“, ermahnte Toph sie noch einmal zum Schluss, aber meinte dies eigentlich nicht sehr ernst. Dann wartete sie bis die Kleinen mit Serina weit genug weg waren und wandte sich dann zu Tao. „Eine alte Frau?“ Sie zog ihre Augenbrauen hoch.
 

Serina stolperte hinter Ara her. Die Kleine hatte immer noch ihren Arm gepackt, sodass Serina gebückt gehen musste, weil Ara bestimmt nur halb so groß war wie sie selbst. Die beiden Jungs bildeten die Spitze. Sie gingen zielstrebig und Serina war sich sicher, dass sie erwachsen wirken wollten. „Was machen wir denn eigentlich in eurem Versteck?“, fragte Serina interessiert. Sie mochte diese Kinder. Sie waren lieb und ehrlich und besonders Ara hatte es Serina angetan. Denn sie hatte noch so eine kindliche Art die Welt zu sehen.

„Wir werden spielen, was sonst?“, kam es fast schon empört von Ara. „Wann hat man schon mal die Gelegenheit den Avatar kennen zu lernen?“ Ara sprach das Wort ‚Avatar’ voller Bewunderung aus. Bisher hatte sie dieses Wort immer nur mit Angst und Panik verbunden. Jeder fürchtete sich davor. Aber diese Kinder anscheinend nicht.

„Warum habt ihr eigentlich keine Angst?“, fragte Serina. Sie verstand es immer noch nicht. Selbst sie hatte bis zu dem Tag, als sie erfuhr, dass sie der Avatar war, Angst vor ihm gehabt. Man musste nur an die Geschichten denken, die im Umlauf waren. Was man nicht alles glaubte, schoss es Serina durch den Kopf. Nur weil irgendwer etwas behauptete. „Ihr kennt doch bestimmt die Geschichten, oder?“

Ara nickte. „Ja, die kennen wir. Aber unser Vater hat gesagt, dass die alle nur gelogen sind. Dass das alles so nie passiert ist und dass der Avatar jemand ist, den man ehren sollte. Eine Person, die das Gleichgewicht in die Welt zurück bringen wird.“ Plötzlich klang Ara richtig ernst. Sie klang richtig erwachsen.

Serina lächelte leicht. „Deinen Vater würde ich gerne mal kennen lernen.“

„Das wirst du noch, Seri. Er ist ein großer Mann. Er hat immer viel zu tun, aber Mira und ich sind ihm wichtiger als seine Arbeit.“

Serina schaute zu dem Jungen vor ihr. „Mira ist dein Bruder?“ Sie wurde schmerzlich an Paku erinnert.

„Ja, und ich habe ihn total lieb“, strahlte sie übers gesamte Gesicht.

„Und ich finde dich nur nervig“, kam es von Mira, während er sich umdrehte. „Wir sind übrigens da.“

Serina schaute sich um. Sie konnte nichts entdecken. Nur Sand, wie schon die ganze Zeit zuvor. Doch dann ging Mira einen Schritt zur Seite und machte den Blick auf einen Eingang frei, der wohl in eine unterirdische Höhle führte. Serina war zwar alles Andere als angetan von dem Gedanken, wieder unter die Erde zu müssen, aber sie wollte ihre neuen Freunde ja nicht beleidigen.
 

Unter der Erde war es angenehm kühl. Die stechende Hitze der Sonne war verschwunden und für Serina kam das einer Welle der Erleichterung gleich. Sie atmete die kalte Luft ein, wollte diese wohlige Temperatur in sich aufnehmen.

„Geht’s dir nicht gut?“, fragte Kiron und musterte sie dabei, als ob sie verrückt wäre.

Serina fühlte sich ertappt und spürte, dass sie leicht rot wurde. „Naja, ich bin nicht an die Hitze da draußen gewöhnt. Wie ihr wisst, komme ich aus einer Stadt aus Eis“, versuchte sie sich zu erklären.

Ara fröstelte. „Mir wird schon beim Gedanken an Eis total kalt.“

„Deine Gedanken hätte ich in der Wüste gut gebrauchen können“, meinte Serina.

Alle drei fingen gleichzeitig an zu lachen. „Du bist ja genau so komisch wie Tante Toph“, sagte Mira. Er zeigte ihr ein strahlendes Lächeln und Serina freute sich ungemein. Bisher war Mira der Verschlossenste der Drei gewesen. Vielleicht auch deswegen, weil er dachte, zu enthusiastisch zu sein, wäre zu kindisch.

„So, dann zeigte mir doch mal euer tolles Versteck“, meinte Serina. „Und dann habe ich noch ganz viele Fragen an euch Sandwürmer.“

Mira zündete vier Kerzen an und gab jedem eine davon in die Hand. „Es ist nicht besonders hell dort unten“, zwinkerte er ihr zu.

Serina fühlte sich wohl in Begleitung der Kinder. Es war angenehm, nicht immer über alle Sorgen nachdenken zu müssen, sondern einfach mal unbeschwert mit irgendjemanden zu spielen und zu reden. Es ging nicht um das Thema Avatar, Überleben oder Verrat. Die Kinder erzählten von ihren Leben und ihren Abenteuern. Was sie als Sandwürmer alles schon unternommen hatten. Es war einfach friedlich.

Das Versteck erstaunte Serina nicht schlecht. Das Tunnelsystem schien fast unendlich zu sein und sie war nur froh, dass sie mit jemanden dort war, der sich bestens auskannte, sonst hätte sie wahrscheinlich nicht mehr herausgefunden. Es ähnelte eher einem Labyrinth, als einem Versteck für Kinder.

Bis sie in die Haupthalle kamen, war bestimmt schon eine halbe Stunde vergangen, aber das war es allemal wert. Sie war riesig und einfach wunderschön. Die Kinder hatten sich ein richtiges Zuhause eingerichtet. Hier war nicht nur Sand, sondern vielmehr ein richtiges Zimmer. Es gab Tische, Stühle, Teppiche und Betten. Man hätte hier wohnen können.

„Wow, das ist ja richtig schön hier. Habt ihr das alles alleine gemacht?“, fragte Serina erstaunt.

Ara schüttelte den Kopf. „Nein, Tante Toph hat uns dabei geholfen. Sie hat uns auch viele interessante Dinge über das Erdbändigen beigebracht. Ich bin so neidisch, dass du ihre Schülerin bist. Sie ist so eine tolle Lehrerin.“

Serina lächelte verlegen. Bisher hatte sie nichts davon mitbekommen, dass Toph eine tolle Lehrerin war. Vielmehr hatte sie fast nur schlechte Erinnerungen, aber das lag wohl auch zum Teil an ihr selbst. Erst wollte sie zu viel und zu schnell und seit sie Paku getroffen hatte, funktionierte plötzlich überhaupt nichts mehr. Aber ob das wirklich an Paku lag, das bezweifelte Serina. Sie konnte zwar immer noch nicht so recht glauben, was vor einigen Tagen da passiert war, aber sie kannte ihre Bestimmung. Und ihr Unterbewusstsein kannte sie auch. Sie war der Avatar und sie würde sich nicht vom Wunsch danach, dass es nicht so wäre, davon abhalten lassen.

„Was ist los? Geht es dir nicht gut?“, fragte Ara besorgt.

Serina schaute ein wenig verwirrt zu der Kleinen runter. „Nein, alles okay. Wieso fragst du?“

„Weil du weinst.“

„Ich weine?“, fragte sie irritiert und fasste sich an die Wange. Tatsächlich, sie war nass. Serina hatte es gar nicht gemerkt, dass sie angefangen hatte, zu weinen. Worüber war sie denn traurig?

„Hast du Schmerzen?“, wollte jetzt Mira wissen.

Serina schüttelte den Kopf, schaffte es aber nicht, ihre Tränen zu stoppen. Sie setzte sich auf den Boden, versuchte sich, wieder zusammen zu reißen, aber es wollte ihr einfach nicht gelingen. Ara trat an sie ran und streichelte ihr über den Kopf. „Vielleicht vermisst du ja jemanden. Wenn Toph wieder geht, muss ich auch immer weinen, weil ich weiß, dass sie lange weg bleibt. Das letzte Mal habe ich sie vor einem Jahr gesehen, dabei habe ich sie doch so lieb.“

Serina schaute das Mädchen ungläubig an. Sie konnte wirklich alles auf den Punkt bringen und sie sah wirklich viel. Vielleicht weinte sie nur, weil sie Paku vermisste, ihren Paku, der Paku, der sie immer beschützt hatte. Sie wischte sich die Tränen fort. „Du hast wohl Recht, Ara“, brachte sie hervor. „Ich vermisse meinen Freund.“

„Erzähl uns von ihm“, meinte Kiron und setzte sich neben Serina. Auch die anderen Beiden nahmen Platz.

Serina schaute in die Runde. Sollte sie jetzt etwa eine Geschichtsstunde abhalten? Das konnten die Kinder doch nicht ernst meinen? „Ähm“, kam es stockend von Serina.

„Das hilft, glaub mir“, flüsterte Ara ihr ins Ohr und lächelte sie daraufhin breit an.

Auch Serina gelang ein kleines Grinsen. „Okay“, meinte sie und erzählte ihren neuen Freunden von Paku. Sie erzählte ihnen Geschichten von ihren Erlebnissen als Kinder, als sie gerade mal so alt waren, wie die Drei, die jetzt vor ihr saßen. Das schien schon so lange her, fand Serina, dabei waren es gerade mal ein paar Jahre. Die Kinder hörten aufmerksam zu und lachten an den passenden Stellen.

Serina gefiel es, so offen über Paku zu erzählen. Es machte Spaß, mit jemanden die Erinnerungen zu teilen. Sie vermied es aber auf das Ende der Geschichte zu sprechen zu kommen. Sie wusste nicht, ob sie das verkraften würde. Jedoch ließ sich das nicht verhindern, denn Ara fragte: „Und wo ist er jetzt? Warum ist er nicht mit dir gekommen?“

Serina sah das junge Mädchen lange an. Sie könnte einfach lügen, das wäre das Einfachste, aber es wäre nicht fair Ara gegenüber. „Ich konnte ihn nicht mitnehmen. Ich musste alleine auf diese Reise gehen.“

„Du hattest niemanden, der bei dir war?“ Mira schien schockiert zu sein. Wie erwachsen er auch schon sein wollte, man sah ihm deutlich an, dass er allein schon bei der Vorstellung ganz einsam durchs Land reisen zu müssen, Angst bekam.

Serina nickte. „Ja“, gab sie zu. „Aber nicht lange, denn ich habe Tao getroffen. Der Junge, der eben bei uns war. Er hat mir geholfen, Toph zu finden und in vielerlei Hinsicht sogar noch mehr.“ Sie lächelte leicht.

„Und was ist mit Paku?“, wollte Kiron wissen. „Das ist doch bestimmt noch nicht alles.“ Er musterte sie mit einem Blick, der Serina irgendwie unangenehm war.

Sie schüttelte den Kopf. „Er ist mir nachgereist“, sagte sie schließlich.

Ara klatschte freudig in die Hände. „Dann hast du ihn doch vor Kurzem gesehen, oder? Bist du da nicht froh drüber?“

„Er hat sich verändert. Er will jetzt nicht mehr mein Freund sein.“ Den Grund ließ Serina außen vor. Er war nicht wichtig und die Kinder würden es sowieso nicht verstehen.

„Aber du hast ihn doch noch lieb, oder nicht? Magst du ihn jetzt nicht mehr?“ Ara blickte sie aus großen Augen an.

Serina musste feststellen, dass Ara genau die richtigen Fragen zu stellen wusste. Sie tat es vermutlich gar nicht mit Bedacht, sondern es war einfach ihre Art, die Welt zu sehen. „Ich habe ihn immer noch sehr lieb, egal, was er zu mir gesagt hat. Für mich wird er immer mein bester Freund bleiben.“

„Wieso will er denn nicht mehr dein Freund sein?“, wollte Mira wissen. Er bemerkte, dass Serina nicht alles erzählt hatte.

Serina schluckte. Sollte sie es den Kindern wirklich erklären? „Weil ich jetzt der Avatar bin. Er denkt, dass ich jetzt ein anderer Mensch wäre, als vorher. Dabei stimmt das gar nicht. Ich bin immer noch dieselbe und die ganze Avatar-Geschichte ist nur Blödsinn.“

„Das ist kein Blödsinn, Seri“, beschwerte sich Ara. „Du solltest stolz darauf sein, der Avatar sein zu dürfen. Es ist eine große Ehre. Und Paku sollte das auch so sehen. Er ist wirklich dumm, wenn er so denkt.“

Serina lächelte leicht. Erst wirkte Ara so erwachsen und zum Schluss verhielt sie sich doch wieder nur wie ein Kind. „Da hast du wohl Recht. Er ist wirklich dumm.“

„Aber jeder kann sich mal irren, Serina“, mischte sich nun auch Kiron ein. „Du musst ihm nur zeigen, dass du immer noch die Gleiche bist, dann wird das schon wieder. Wir Drei streiten uns auch manchmal, aber wenn wir darüber reden, ist es schon wieder vergessen. Man kann alle Probleme lösen.“

Serina musste über so viel Naivität nur grinsen. Sie hatten wirklich keine Ahnung. Manche Sachen konnte man nicht so einfach aus der Welt schaffen, besonders nicht das Problem, was zwischen Paku und ihr bestand. Es war eine Hürde, die man nicht überwinden konnte. Paku hasste sie, weil Serina der Avatar war. Das war aber leider eine Tatsache, die sich nicht ändern ließ. Egal, ob sie sich weigerte, das Erdbändigen zu erlernen, sie blieb der Avatar. Daran würde sich bis zu ihrem Tod nichts ändern. „Es ist nicht so leicht, wie du es sagst. Er wird seine Meinung über den Avatar nicht ändern. Dafür ist er viel zu stur.“

„Hey, red’ nicht so ein Unsinn.“ Mira stand auf und blickte auf sie hinunter. „Er ist auf die falsche Bahn geraten, na und?“ Er zuckte mit den Schultern. „Du hast uns eben erzählt, dass er immer auf dich aufgepasst hat. Er war wie ein großer Bruder für dich, stimmt’s?“ Serina nickte zaghaft. Worauf der Junge wohl hinaus wollte? „Vielleicht ist es jetzt an der Zeit, dass du mal auf ihn achtest. Manchmal muss man die Verhältnisse ändern, wenn es nicht mehr so funktioniert, wie früher. Vielleicht ist es jetzt an der Zeit, dass du ihn rettest, so kindisch, wie er sich verhält.“

Serina sah Mira nur aus großen Augen an. Was der Junge da von sich gegeben hatte, klang logisch. Es klang sogar sehr einleuchtend. Vielleicht musste sie ihn wirklich retten. Vielleicht war ihre Aufgabe als Avatar nicht nur darauf beschränkt, den Menschen zu zeigen, was der Avatar bedeutete, vielleicht sollte sie auch die Menschen retten, die sie liebte. Und vielleicht war dieses vielleicht völlig sinnlos.

Es musste so sein. Als Avatar war sie stark genug, um diesen Weg gehen zu können und als Serina würde sie es schließlich schaffen, Paku davon zu überzeugen, was richtig war. Sie würde es tun und niemand konnte sie davon abhalten, nicht einmal Paku selbst.

„Oh, mist, wir müssen wohl langsam mal nach Hause“, schreckte plötzlich Kiron auf. „Ihr kennt doch meine Mutter. Wenn ich wieder zu spät komme, kriegt sie einen Anfall.“

Ara erhob sich und streckte Serina die Hand hin. „Komm, Seri, jetzt wirst du meinen Vater kennen lernen.“

Freudig ergriff Serina die Hand. Sie fühlte sich plötzlich so stark, als könnte sie alles schaffen.

Der Orden des weißen Lotus

„Toph, es ist schon viel zu lange her“, begrüßte sie ein großgewachsener Mann mit langen schwarzen Haaren. Er umarte die deutlich Kleinere herzlich.

Toph erwiderte die Geste. „Schön dich zu sehen, Haru.“

Ein schallendes Lachen ertönte und Haru schlug ihr einmal freundschaftlich auf die Schulter. „Gut zu wissen, dass du deinen Humor noch nicht verloren hast.“ Er führte sie in sein bescheidenes Haus. „Kommt herein.“ Er warf einen kurzen skeptischen Blick zu Tao, ging aber dann hinein. Die zwei Reisenden folgten ihm.

Tao ließ seinen Blick schweifen, da er ja zum ersten Mal hier war. Er hatte schon oft von dem kleinen Dorf gehört, dass sich mitten in der Wüste nieder gelassen hatte, aber selber besucht, hatte er es noch nie. Es war ziemlich klein und Tao fragte sich jetzt nur noch mehr, warum sie so weit von jedweder Zivilisation lebten. Es war eine ungünstige Lage, um Essen und Trinken zu beschaffen. Es sei denn, man wollte sich vom Rest der Welt abkapseln. Tao hätte das irgendwelchen Außenseitern zugetraut, aber diese Leute hier schienen nett, freundlich und auch sehr offen zu sein. Was sie wohl dazu bewogen hatte, hierher zu ziehen?

Das Haus war spärlich möbliert. Es sah fast so aus, als ob gewissen Möbelstücke einfach geklaut worden waren. Ein Dieb sah solche Sachen auf Anhieb. Aber das war wohl nicht möglich. Welcher Dieb würde sich schon die Mühe machen, hier weit in die Wüste zu reisen, nur um ein paar Stühle und sonstige Sachen mitgehen zu lassen? Das wäre verschwendete Mühe. Einer aus der Siedlung hätte es auch schlecht sein können. Es hätte wohl nicht mal eine halbe Stunde gebraucht, um alle Häuser zu durchsuchen.

Toph und Haru waren schon in den hinteren Bereich des Hauses vorgedrungen. Tao beeilte sich, um hinterher zu kommen. Dabei lief er an ein paar Bildern vorbei. Sie schienen von Kinder gemalt zu sein, sahen deshalb nicht sehr professionell aus. Man konnte jedoch erkennen, was drauf zu sehen sein sollte. Eins davon war wohl ein Bild dieser Familie, mit Mutter, Vater und zwei Kindern. Ein Bild daneben zeigte nur eine einzelne Person. Der Hintergrund bestand aus Felsen, Gewässern und Wäldern gleichzeitig. Die Person schien darüber zu schweben und sie hatte merkwürdige leuchtende Augen. Tao wollte das Bild noch näher betrachten, doch wurde von Toph gerufen.

Widerwillig ging er in den kleinen Flur. Er war eng und für vier Personen gerade noch zu ertragen. Toph, Haru und eine weitere Person, die wohl schon hier gewesen sein musste, standen alle vor einer stabilen Holztür. Sie schienen wohl auf etwas zu warten, sonst wäre das alles hier wohl sehr sinnlos gewesen.

Haru blickte Tao wieder mit diesem skeptischen Blick an, was ihm nicht besonders gefiel. Sonst hatte er eigentlich immer die Leute so gemustert. „Kann man ihm trauen?“, fragte er ernst und schaute dabei zu Toph.

Diese blickte Tao lange und intensiv an, bis sie schließlich ein „Nein!“ hervorbrachte.

„Toph“, kam es sofort aufgebracht von Tao. Er wusste zwar nicht, worum es hier so genau ging, aber dass Toph ihn nicht für vertrauenswürdig hielt, traf ihn doch schwer. Okay, er war ein Dieb und Betrüger, aber seit er mit Serina und Toph unterwegs war, hatte er sich wirklich bemüht, sich zu benehmen. „Du kannst mir vertrauen.“

„Nein“, wiederholte Toph. „Es ist nichts gegen dich persönlich, Tao.“

Tao schnaufte einmal laut. Das klang aber eigentlich ganz anders.

„Ich kenne dich noch nicht gut genug, um hundertprozentig sicher zu sein, dass du uns nicht verraten wirst. Auch wenn du mit verliebten Augen an Serina hängst, ist das kein Beweis dafür.“

„Du kannst doch spüren, wenn ich lüge, oder nicht?“, warf er ein.

Toph zuckte mit den Schultern. „Du könntest aber auch lügen, ohne dass ich es merke. Ich habe eine solche Meisterin schon mal getroffen. Sie hat gesagt, dass sie ein zweihundert Meter großer lila Bibabutzebär mit rosa Horn und silbernen Flügeln sei. Und glaub mir, sie war kein zweihundert Meter großer lila Bibabutzebär mit rosa Horn und silbernen Flügeln.“

Tao ließ die Schultern hängen. Er merkte, dass er wohl hier auf festen Granit biss. „Warte einfach hier draußen. Ich werde dir nachher alles erzählen, was ich dir erzählen kann. Oder Serina wird es sowieso tun, nehme ich an.“

Somit traten Haru und Toph durch die Tür. Der Wächter blieb draußen stehen und starrte ihn böse an. „Und was soll ich jetzt tun?“, fragte er beleidigt.
 

Toph war schon lange nicht mehr in diesem Raum gewesen. Das letzte Mal vermutlich vor einem Jahr. Sie hatten in diesem Zimmer so einige wichtige Dinge geklärt. Vermutlich war das auch gut so gewesen, denn so hatte alles glatt laufen können, zumindest so glatt, wie es sein konnte. Durch die zwei Mitglieder, die seit letztem Jahr in Ba-Sing-Se stationiert waren, war die ganze Sache mit dem Avatar noch sehr glimpflich abgelaufen.

„Nun ist es also soweit. Der Avatar ist endlich aufgetaucht“, begann Haru nun das ernste Gespräch.

Toph nickte. „Früher oder später musste sie ja auftauchen. Wir können nur vom Glück sagen, dass sie es bis nach Ba-Sing-Se geschafft hat. Wir hätten doch Leute zu den Wasserstämmen schicken sollen.“

Haru schüttelte bestimmend den Kopf. Er wirkte ein wenig traurig. „Nein, das wäre zu riskant gewesen. Die Wasserstämme waren viel zu vorsichtig. Wenn ein Fremder da aufgetaucht wäre, hätten sie direkt Verdacht geschöpft.“

Toph blickte zu Boden. Was Haru sagte, stimmte. Es war vollkommen nachvollziehbar und bei der letzten Sitzung hatte Toph ihm auch in jedweder Hinsicht zugestimmt. Doch seit sie Serina kennen gelernt hatte, gefiel der Gedanke, dieses Mädchen mit ihrem Schicksal ganz alleine gelassen zu haben, Toph überhaupt nicht mehr. Es war unverantwortlich gewesen. Kaum vorzustellen, was passiert wäre, wenn sie nicht einen so weisen und gütigen Meister gehabt hätte. Serina wäre vermutlich nicht mal aufs Meer hinausgekommen. Säße wahrscheinlich jetzt in irgendeiner kleinen Zelle oder wäre schon längst tot.

„Ich weiß“, gab Toph ungern zu. „Aber trotzdem-“ Vielleicht hätte sie einfach selber gehen sollen, wenn sich kein Anderer traute. Doch Toph hatte sich schon lange von den Pflichten des Ordens zurückgezogen. Sie war nur noch teilweise Mitglied. Vielmehr war sie immer in der Nähe dieser verhassten Stadt geblieben. Was sie da gehalten hatte, konnte sie selber nicht so genau sagen. Und im Moment spürte sie, wie es ihr jeden Tag ein bisschen besser ging, seit sie von Ba-Sing-Se weg war. Als ob eine Last von ihren Schultern gefallen war.

„Du scheinst dieses Mädchen wohl sehr in dein Herz geschlossen zu haben“, schlussfolgerte Haru, der Tophs traurigen Blick bemerkt hatte. „Es freut mich zu sehen, dass du wohl doch nicht so hart bist, wie du uns manchmal weismachen willst.“

„Pass auf, was du sagst, Haru“, antwortete sie mit einem teuflischen Lächeln auf dem Gesicht. Dann entspannten sich ihre Gesichtzüge und das Lächeln sah wieder traurig aus. „Wenn wir gerade beim Thema Gefühle sind, hast du in letzter Zeit eigentlich mal etwas von Katara gehört?“

Haru schüttelte den Kopf. „Nein, leider nicht. Ich schicke ihr regelmäßig Post, aber sie antwortet fast nie. Es ist schon etwas länger her, dass ich ein Brief von ihr bekommen habe. Aber ich glaube, es geht ihr soweit ganz gut. Sie ist ja nicht alleine.“

Toph seufzte. „Nein, bei den beiden aufgeweckten Mädchen hat sie bestimmt viel zu tun. Obwohl sie ja mittlerweile schon fast erwachsen sein dürften, nicht?“ Wenn Toph richtig rechnen konnte, müssten sie jetzt 19 und 22 Jahre sein. Die Zeit verging viel schneller, als man vermutete.

Mittlerweile hatten die Beiden sich an einen großen runden Tisch nieder gelassen. Nun blickte sie Haru ernst an. „Jetzt aber mal wieder zum Thema. Was tun wir als nächstes?“

Toph sah ihn lange und intensiv an. Wenn sie das nur wüsste.
 

Tao hatte Langeweile. Er war jetzt bestimmt schon dreimal durch das gesamte Dorf geschlendert. Hier gab es nichts außer Sand. Wie konnte man hier denn wohnen? Nicht einmal ein nettes Mädchen hatte er getroffen, dass seinen Aufenthalt wohl etwas verschönern hätte können. Gerade machte er sich wieder auf den Weg zu Harus Haus. Er hatte sich entschlossen, dort einfach zu warten. Eine bessere Beschäftigung fiel ihm beim besten Willen nicht ein.

So verschränkte er die Arme hinter seinen Kopf und schlenderte in die besagte Richtung. Alle Anwohner hatten ihn seltsam gemustert, doch das störte Tao nicht. Schief angucken war bei Weitem nicht so schlimm, wie verfolgt zu werden. vermutlich kannte hier keiner seinen Steckbrief. Es war selten, dass er irgendwo so gelassen spazieren konnte. In den letzten Jahren hatte er sich zu einem angesehenen Dieb entwickelt und in den größeren Städten kannte jeder sein Gesicht. Vermutlich würde es jetzt nur noch schlimmer werden, da er dem Avatar geholfen hatte und das so gut wie einem Hochverrat gleichkam. Auch wenn er die Menschen in dieser Hinsicht immer noch nicht verstehen konnte. Wie konnte man nur so viel Angst vor einer Sache haben? Die Menschen waren einfach feige und dumm, anders konnte sich Tao es sich nicht erklären. Sie hatten einfach kein Rückgrat.

Leider waren viel zu viele Menschen so. Aber die Leute hier im Dorf schienen anders zu sein. Sie sprachen offen über den Avatar, ohne jegliche Furcht in deren Stimme. Sobald sie eingetroffen waren, hatte Tao es bemerkt. Sie hatten sich tuschelnd über Toph unterhalten. Dass sie nur hier wäre, wenn der Avatar aufgetaucht wäre. Und zu Taos Überraschung schienen sich alle mehr oder weniger darüber zu freuen. Das schien hier ein Dorf voller Widerstandskämpfer zu sein. Tao gefiel das sehr. Wenn es hier nicht so trist wäre, könnte er sich eine Zusammenarbeit gut vorstellen, aber er war ja nun an der vordersten Front dabei. Er würde bis zum Ende bei Serina bleiben, das hatte er sich geschworen. Nicht nur um ihretwillen, sondern auch um seinetwillen. Um seine Taten ein kleines bisschen wieder gut machen zu können. Vielleicht würde seine Mutter es ihm dann verzeihen, dass er einfach so weggelaufen war. Weggelaufen, wie ein kleines unzufriedenes Kind, dabei hätte er seine Mutter beschützen müssen. Es wäre seine Pflicht gewesen. Aber vielleicht würde er sich besser fühlen, wenn er jetzt dafür Serina beschützen würde. Vor all diesen bösen Leuten.

„Tao“, wurde er plötzlich aus seinen Gedanken gerissen. Es war Serinas Stimme. Sie war nur noch ein paar Meter entfernt. Neben ihr gingen die drei Rotzlöffel von heute morgen. Das kleine Mädchen hielt Serina sogar an der Hand. Der Avatar schien hier wirklich so etwas wie ein Heiliger zu sein. „Es war wirklich lustig mit den Kindern. Wir hatten viel Spaß“, erzählte Serina, als sie vor ihm stand und lächelte ihn an. Tao musterte sie kurz. Irgendwie schien sie anders zu sein. Sie wirkte nicht mehr so bedrückt wie die letzten Tage. Sie wirkte stärker und glücklicher. Irgendwie frustrierend, dass ein Nachmittag mit wildfremden Kindern sie so heiter stimmen konnte und Tao hatte alles erzählen können, was er wollte, es hatte einfach nicht zu Serina durchdringen wollen. Aber Hauptsache war, dass es ihr besser ging.

„Wo ist denn Toph?“, fragte sie, während sie sich umschaute.

Tao atmete hörbar Luft aus. „Die amüsiert sich in irgendeiner dunklen Kammer mit irgendeinem Haru, wenn ich das richtig verstanden habe.“

Serina zog irritiert eine Augenbraue nach oben. „Und du bist nicht dabei?“

Tao verschränkte seine Arme vor der Brust, immer noch beleidigt. „Nein, ich hatte keine Lust darauf. Ist bestimmt total langweilig.“

Serina konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. „Sieht eher danach aus, als ob du nicht eingeladen warst, oder?“ Tao beleidigt zu sehen, war aber auch zu lustig.

„Das würde ich auch mal sagen. Mein Papa ist Fremden gegenüber sehr misstrauisch“, bekräftigte Ara Serinas Hypothese und hatte dabei mindestens genau ein so breites Grinsen auf dem Gesicht wie Serina.

Für Tao war das zu viel. Er stampfte an den Beiden vorbei. „Von euch muss ich mir gar nichts sagen lassen.“

Die beiden Mädchen schauten sich an und fingen gleichzeitig an zu kichern. Jungs konnten wirklich manchmal komisch sein.
 

Ara und die beiden Jungs hatten Serina und Tao zum Haus von Haru geführt. Tao, der den Weg schon kannte, war immer noch beleidigt hinter den Anderen hergestampft. Irgendwann hatte sich Mira zurückfallen lassen, um Tao ein bisschen aufzumuntern. Er erklärte ihm, dass er auch nie bei den Sitzungen dabei sein durfte. Tao musterte den Knirps und konnte gut verstehen, warum er das nicht durfte. Der war ja noch ein halbes Kind. Aber Tao war schon fast erwachsen und lebte seit einigen Jahren ganz auf sich alleine gestellt. Aber eigentlich störte ihn nur die Tatsache, dass Toph ihm nicht zu vertrauen schien oder zumindest nicht soweit, dass sie ihm alles offenbaren wollte. Naja, damit müsste er sich vorerst abfinden. Später konnte er ihr immer noch das Gegenteil beweisen.

„Da hinter der Tür müssten sie sein“, zeigte Ara auf die Tür, als sie wieder in dem kleinen Gang standen. Mit secks Mann, auch wenn die Hälfte davon noch Kinder waren, war es wirklich ziemlich eng. Die Wache schaute Tao wieder sehr böse an und diesmal erwiderte er diesen Blick. „Hey, ist Papa da noch drin?“, wandte sich Ara nun an die Wache.

Dieser bückte sich zu dem kleinen Mädchen hinunter. „Ja, meine Süße“, sagte er und zeigte ihr ein strahlendes Lächeln. „Aber du weißt, dass du da nicht hinein darfst, oder?“

Ara nickte heftig. „Ja, das weiß ich doch, aber meine Freundin hier“, sie packte Serinas Hand und zog sie etwas nach vorne, „ist der Avatar und sie muss dringend mit meinem Vater reden.“

Die Wache richtete sich wieder auf und sah Serina ehrfurchtsvoll an. „Entschuldige, Miss. Natürlich dürft ihr eintreten. Ich werde jedoch vorher noch kurz Bescheid sagen, dass ihr eingetroffen seid. Geduldet euch bitte kurz.“ Er verneigte sich kurz und verschwand dann hinter der massiven Tür.

Wenige Minuten später trat er wieder hinaus. „Ihr könnt jetzt eintreten. Ihr werdet schon sehnlichst erwartet.“

Serina wusste nicht so Recht, was sie jetzt erwartete. Ein wenig Angst hatte sie auch, aber sie wollte es sich nicht anmerken lassen. Sie warf noch einen kurzen Blick zu Ara, lächelte ihr zu und ging dann durch die Tür. Tao folgte ihr direkt, jedoch hielt die Wache ihn zurück. „Hey“, kam es nur von Tao.

Serina drehte sich daraufhin wieder um. „Ist schon gut. Ich bürge für ihn“, meinte sie nur und die Wache ließ sofort los. Serina kam das alles mehr als eigenartig vor. Sie wurde hier ja fast schon wie eine Königin behandelt. Jeder hörte auf sie. Aber irgendwie war das auch total toll.
 

Das Zimmer war nichts Besonderes. Ziemlich schlicht eingerichtet, bis auf den riesigen runden Tisch in der Mitte. Dort saßen mindestens fünfzehn Leute, die genau, in dem Moment, in dem Serina den Raum betreten hatte, alle gleichzeitig auf sie starrten. Sie spürte, wie sie leicht rot wurde. Sie war so froh, als sie auch Toph an dem Tisch erblickte. Mit bestimmten Schritt ging sie auf sie zu. Toph lächelte leicht und warf ihr einen Blick zu, der ihr wohl sagen sollte, dass sie keine Angst zu haben brauchte.

„Ha – hallo“, sagte sie leicht verlegen. Es war ihr doch ziemlich unangenehm von allen angestarrt zu werden. „Ich bin Serina.“

Der Mann, der neben Toph saß, erhob sich von seinem Stuhl und streckte ihr seine Hand entgegen. Serina ergriff sie, ohne lange darüber nachzudenken. „Freut mich, dich kennen zu lernen, Serina. Mein Name ist Haru.“ Er war freundlich, sodass Serina sich schon ein bisschen besser fühlte.

„Setz dich, Serina. Und Tao auch“, meinte Toph, als die beiden immer noch da standen. „Darf ich euch den Orden des weißen Lotus vorstellen?“

Serina schaute jedes einzelne Mitglied nacheinander an, während sie sich langsam setzte. Tao nahm neben ihr Platz. Sie war froh, dass er da war und sie diese ganze merkwürdige Situation nicht alleine bewältigen musste. „Der Orden des weißen Lotus? War diese Organisation nicht ausschlaggebend in der letzten Schlacht des Krieges?“ Zumindest glaubte Serina, dass noch von ihrem Geschichtsunterricht im Kopf zu haben. General Iroh war auch Mitglied gewesen, wenn sie sich da nicht irrte.

Toph nickte. „Ganz genau, aber der Orden existiert eigentlich schon viel länger. Das Ziel des Ordens war es schon immer, die einzelnen Nationen zu vereinen. Und nun hat er sich die Aufgabe gestellt, den Avatar zu beschützen und zu unterstützen, soweit es ihm möglich ist. Denn der Avatar ist das Verbindungsstück zwischen den einzelnen Nationen.“

Serina schaute ihre Meisterin lange an. Das war alles ein wenig zu viel. Heute Morgen waren sie noch durch die Wüste gewandert und ein paar Stunden später erfuhr sie, dass es eine ganze Organisation gibt, die sich alleine dem Wohle des Avatars verschrieben hatte. Und vermutlich zählten sie auch alle auf Serina, dass sie ihre Aufgabe meistern würde. Na, das waren ja rosige Aussichten.

„Ähm.“ Serina wusste nicht wirklich, was sie darauf sagen sollte. Was wollten diese Leute jetzt eigentlich von ihr?

„Du brauchst dich nicht unwohl zu fühlen“, meinte Haru und schenkte ihr ein offenes Lächeln. „Wir verlangen nichts von dir. Wir wollen dir einfach nur soweit helfen, wie es in unserer Macht steht und ich denke, du kannst jede Hilfe gebrauchen, die du kriegen kannst.“

Serina musste zugeben, dass das gar nicht verkehrt klang. So gut wie jeder war hinter ihr her und bis jetzt waren sie nur zu dritt. Was sollten sie denn zu Dritt schon gegen eine ganze Armee ausrichten. Hier saßen zwar auch nicht viele Leute, aber Serina war sich sicher, dass der Orden noch weitere Mitglieder besaß und jeder Mann zählte, da musste sie Haru Recht geben. Aber das war nicht zu realisieren, denn es konnten niemals genug sein und diese Menschen begaben sich somit nur unnötig in Gefahr. Das konnte Serina nicht zulassen.

Sie lächelte schüchtern. „Das ist wirklich freundlich von Ihnen, Haru, und auch von allen Anderen, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich das annehmen kann. Jeder, der sich mit dem Avatar abgibt, begibt sich in Gefahr. Es wäre nicht fair von mir, so etwas von ihnen zu verlangen, nur damit ich noch etwas länger lebe. Das kann ich wirklich nicht.“ Serina war drauf und dran, jetzt einfach aufzustehen und den Raum zu verlassen. Sie wollte nicht solche Ausflüchte hören, wie ‚Das machen wir doch gerne’ oder ‚Der Avatar ist wichtiger als unser Leben’. Serina konnte das alles nicht mehr hören. Jeder ihrer Freunde begab sich in Gefahr und das machte Serina schwer zu schaffen. Aber jetzt auch noch wildfremde Leute, die sie überhaupt nicht kannte? Haru war Aras Vater. Wie würde die Kleine sie wohl anschauen, wenn ihr Vater bei dem Versuch den Avatar zu schützen, sterben würde? Ara würde sie hassen und Serina würde sich selber genauso hassen.

Es war ihr Schicksal und damit musste sie auch alleine fertig werden.
 

„Hör zu, Serina.“ Toph berührte sie behutsam am Arm. „Diese Leute werden nicht für dich sterben. Wenn es irgendwann zum Kampf kommen sollte, werden sie kämpfen, aber bis dahin bleiben sie im Verborgenen, so wie sie es bis heute getan haben. Und sie sind da wirklich ziemlich gut drin, das kannst du mir glauben.“ Sie grinste sie schief an. „Einer der Mitglieder hat dich zu mir geführt, Serina. In Ba-Sing-Se. Er hat dein Gespräch in dem Gasthaus belauscht und mich sofort informiert. Und keiner hat es mitbekommen. Diese Männer verstehen es, nicht gesehen zu werden. Sie sind wie Schatten. Sie stehen zwar zu ihren Werten, aber sie überlegen es sich zweimal, dafür sinnlos zu sterben. Der Tod nützt ihnen gar nichts. So können sie nichts bewirken. Also vertraue mir, du kannst ihre Hilfe gerne entgegen nehmen.“

Serina hatte ihre Meisterin noch nie so viel am Stück sagen hören. Anscheinend war ihr dieses Thema sehr wichtig. Vielleicht sollte sie diesem Orden eine Chance geben. Und wer wusste es schon, vielleicht waren sie ja eine größere Hilfe, als eigentlich erwartet.

„Okay, ich nehme eure Hilfe gerne an.“ Auch wenn ich noch nicht weiß, wie diese aussehen wird, wollte sie noch hinzufügen, beließ es aber dann doch dabei. Das wäre nicht höflich gewesen.

Haru stand freudig auf. „Als erstes wäre es uns eine Ehre, dich hier als unseren Gast anzusehen.“ Er wandte sich an Tao. „Und dich natürlich auch, als Freund des Avatars. Fühlt euch wie zu Hause und tut das, was euch beliebt. Wenn ihr irgendwelche Wünsche haben solltet, scheut euch nicht davor, einen aus dem Dorf zu fragen.“

Serina fand, dass sich das alles wunderbar anhörte. Einmal wieder in einem normalen Bett schlafen. So lange war es noch gar nicht her, aber es schien ihr schon wie eine Ewigkeit vorzukommen. „Wir möchten euch nur darum bitten, diesen Dorf außerhalb dieses Ortes gegenüber niemanden zu erwähnen. Es ist ein geheimer Platz und so soll es auch bleiben.“

Für Serina war das selbstverständlich. Diese Menschen halfen ihr, da würde sie ihnen nicht in den Rücken fallen. Doch Haru blickte auch eher zu Tao, als zu ihr. „Natürlich“, kam es dann von Tao, der gemerkt hatte, dass diese Bitte an ihn gestellt war.

„Und nun könnt ihr tun und lassen, was ihr wollt. Meine Kinder werden euch zu euren Zimmern führen. Fühlt euch wie zu Hause.“

Die letzten paar Worte, lösten bei Serina gemischte Gefühle aus. Zum Einen würde sie bei dieser Hitze nie wirklich an zu Hause denken können, andererseits fühlte sie sich schon seit dem ersten Moment in diesem Dorf sehr sicher und dieses Gefühl hatte sie zuletzt beim Wasserstamm gehabt.
 

* * * * * * * * * * *
 

Die nächsten paar Tage blieben sie in dem Dorf und Serina hatte eine Menge Spaß. Es war schön, sich nicht immer Sorgen machen zu müssen und langsam hatte sie sich auch an die Hitze gewöhnt. Tao blieb meistens an ihrer Seite und sie lernte Ara, Mira und Kiron noch etwas näher kennen. Die Drei folgten ihr die meiste Zeit und wollten ihr das gesamte Dorf zeigen. Naja, diese Angelegenheit war ungefähr in einer Stunde erledigt, dabei hatte Serina sich sogar fast bei jedem Dorfbewohner einzeln vorgestellt. Es war zwar klein, viel kleiner als ihre Heimatstadt, aber Serina fühlte sich trotzdem wohl. Alle Leute hier waren mehr als großzügig und sie hoffte, dass es nicht nur mit der Tatsache zusammenhing, dass sie der Avatar war. Tao behandelten sie zwar ebenso, aber vielleicht auch nur, weil er so ein guter Freund von ihr war.

Aber Serina wollte eher davon ausgehen, dass es wirklich reine Gastfreundschaft war.
 

Vor zwei Tagen hatte Serina sich alleine zu Tophs Zimmer begeben. Es war noch relativ früh am Morgen gewesen, aber Serina wollte verhindern, dass sie jemand dabei erwischte und sie war sich sicher, dass Toph schon wach war. Sie war keine Langschläferin, wie sie in den letzten Tagen fest gestellt hatte.

Zaghaft klopfte Serina an die Türe. Sie wartete ungeduldig, aber es kam keine Antwort. Sie versuchte es ein weiteres Mal. Als immer noch nichts zu hören war, flüsterte Serina leise: „Toph? Toph, bist du wach?“

Serina presste ihr Ohr fest gegen die Türe. Vielleicht war das Holz einfach zu dick, dachte sie sich. Genau in diesem Moment wurde die Tür geöffnet und Serina fiel mit einem überraschten Aufschrei ins Zimmer rein, da sie sich, mehr als sie wollte, gegen die Türe gelehnt hatte.

Toph lächelte breit. „Komm doch herein, Serina“, sagte sie.

Peinlich berührt rappelte Serina sich wieder auf. „Da-danke“, stotterte sie. Sie blickte sich um und setze sich einfach auf einen der Stühle im Raum. Sie wusste, dass Toph ihr keinen Sitzplatz anbieten würde und so ging es um einiges schneller.

Derweil hatte Toph schon die Tür geschlossen und sich Serina gegenüber gesetzt. „Dann ist es also jetzt soweit“, meinte sie.

Serina schaute sie verwirrt an. „Was meinst du?“, wollte sie wissen.

Toph zuckte mit den Schultern. „Du willst wieder ernsthaft Erdbändigen lernen oder liege ich da falsch?“

Serina schüttelte den Kopf. „Nein, das ist richtig, aber woher-“

„Du bist seit ein paar Tagen wieder richtig gut gelaunt. Die tieftraurige Aura ist verschwunden und du schaust den Kindern immer interessiert beim Bändigen zu. Außerdem reißt du mich frühmorgens aus dem Schlaf und tust so Geheimniskrämerisch, dass es schon fast nach einem schlechten Theaterstück aussieht.“

Serina wusste nicht im Geringsten, was sie darauf sagen sollte. Das stimmte wohl alles, besonders der letzte Teil, der ihr eine leichte Röte ins Gesicht steigen ließ.

„Also.“ Toph stand entschlossen auf.

„Also was?“, fragte Serina. Sie dachte, dass Thema sei damit geklärt.

„Wenn wir schon so früh auf sind, sollten wir die Zeit auch nutzen, findest du nicht?“

Serina lächelte übers ganze Gesicht. Sie hatte wirklich große Lust, direkt mit dem Training zu beginnen, als ihr plötzlich einfiel, dass sie ja mitten in der Wüste war und sie gehört hatte, dass Sandbändigen um einiges komplizierter sei, als Erdbändigen, was ihr Lächeln wieder ein bisschen minderte.
 

Serina war froh, dass sie eine Stelle etwas abseits vom Dorf gewählt hatten. Es waren zwar noch nicht viele Leute wach, aber sie wollte nicht einmal von Einem gesehen werden. Was wäre wenn die Leute sehen würden, dass sie nicht einmal ein bisschen Erdbändigen konnte.

„Viele sagen, dass Sandbändigen um einiges schwerer ist, als Erdbändigen“, hatte Toph auf den Weg dorthin gesagt. „Das stimmt vielleicht. Ich empfand es genauso. Aber das sind alles Erdbändiger, die das gesagt haben. Du bist vor allen Dingen eine Wasserbändigerin und hattest bist jetzt einige Probleme mit Erde. Ich denke, dass Sand vielleicht genau das richtige Bindeglied zwischen diesen beiden Elementen sein könnte.“

Bei diesen Worten hatte Serinas Herz einen Sprung nach oben gemacht. Es machte ihr unglaublichen Mut. Vielleicht hätte sie ja jetzt nicht mehr so viele Schwierigkeiten das Erdbändigen zu erlernen. Jedoch wollte sie sich auch nicht zu früh freuen. Deshalb zwang sie sich, ruhig zu bleiben und auf weitere Anweisungen von Toph zu warten.

Als sie an ihrem Trainingsplatz angekommen waren, hörte Serina aufmerksam zu. Toph erklärte ihr die Unterschiede zwischen Erde und Sand, den Hauptgrund, warum viele Erdbändiger Probleme damit hatten. Erde war fest, die Bändiger waren es gewohnt hart durchzugreifen. Sand war dagegen eher flüssig, wie viele Erdbändiger es aus Scherz nannten. Hast du es gerade gepackt, verflüchtigt es sich wieder durch irgendwelche Ritzen. Für Serina hörte es sich toll an. Flüssig war ein Begriff, mit dem sie nur zu gut etwas anzufangen wusste. Toph riet ihr, erst einmal nur die Finger in den Sand zu stecken, es zu fühlen. Serina erinnerte das irgendwie an ihre erste Stunde im Wasserbändigen. Tarik hatte auch von ihr verlangt, das Wasser einfach nur zu spüren, es wahrzunehmen.

Vielleicht würde es ja doch klappen.

Serina schloss die Augen und wartete. Konzentrierte sich auf ihre Hände, was diese fühlten. Kleine Steinchen kratzten sie an der Haut. Serina wollte sie in Drehung bringen, versuchte ihnen zu befehlen, sich zu bewegen. Dabei versuchte sie es auf die gleiche Art, wie sie es bei Wasser tat. Eine Welle erzeugen, nur eine Kleine, die dann in Wallung gerät und aus einer Kleinen werden zuerst viele Kleine und dann eine Große. Es war ein wenig anders, doch Serina begriff schnell, dass es auch ähnlich war. Sie spürte, wie der Sand anfing, sich zu bewegen. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus.

Sie tat es, sie bändigte die Erde oder vielmehr den Sand. Ein Hochgefühl machte sich in ihr breit. Ähnlich dem, als sie es zum ersten Mal geschafft hatte. Aber jetzt war sie sich sicher, dass sie sich nicht wieder aufhalten lassen würde. Von Niemanden.

„Sehr gut“, meinte Toph, als sie die kleinen Wellen bemerkte, die durch den Sand wanderten. Dies war der erste Schritt und sie bezweifelte nicht, dass Serina sich jetzt nur noch verbessern würde. In ein paar Wochen hatte sie dann die Gelegenheit, ihr Können unter Beweis zu stellen.



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Kommentare zu dieser Fanfic (44)
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Von: abgemeldet
2010-08-10T15:23:44+00:00 10.08.2010 17:23
ohoho es wird spannender.... ^^

Also hier meine Lieblingsstellen und mein Senf dazu :p

"Ein schallendes Lachen ertönte und Haru schlug ihr einmal freundschaftlich auf die Schulter." - hey Haru!!!!! Cool :D

"Toph zuckte mit den Schultern. „Du könntest aber auch lügen, ohne dass ich es merke. Ich habe eine solche Meisterin schon mal getroffen. Sie hat gesagt, dass sie ein zweihundert Meter großer lila Bibabutzebär mit rosa Horn und silbernen Flügeln sei. Und glaub mir, sie war kein zweihundert Meter großer lila Bibabutzebär mit rosa Horn und silbernen Flügeln.“" - voll lustig....ich weiß schon wer damit gemeint ist :) ich habe zufällig diese Folge gestern nochmal gesehen auf nick! Ach ja...Asula kann wirklich seeehr überzeugend sein... -.-

"„Wenn wir gerade beim Thema Gefühle sind, hast du in letzter Zeit eigentlich mal etwas von Katara gehört?“" - oho...ich hoffe ich erfahre bald mehr über Katara....und....eventuelle Töchter???? o.O

"Irgendwie frustrierend, dass ein Nachmittag mit wildfremden Kindern sie so heiter stimmen konnte und Tao hatte alles erzählen können, was er wollte, es hatte einfach nicht zu Serina durchdringen wollen. " - och wie süß xD mein Tao!!!!!

"In ein paar Wochen hatte sie dann die Gelegenheit, ihr Können unter Beweis zu stellen." - o.O oh....was soll das denn heißen??


Das wars, ich freu mich auf weiteres, hdl okami-chan


Von:  Nochnoi
2010-08-07T13:03:48+00:00 07.08.2010 15:03
Ach ja, der Orden des weißen Lotus …
Hockt da auch ein Haufen alter Knacker rum? xD
Aber schön, dass du den Orden mit reingebracht hast. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass er sich dem Schutz des Avatars verspricht. Und es freut mich für Serina, dass sie endlich mal Leute gefunden hat, die sie nett und freundlich empfangen.

Interessant fand ich auch dieses Detail ganz am Anfang, als du die Bilder beschrieben hast. Das eine mit Gewässer, Felsen, Wald und einer schwebenden Person … hm, klingt irgendwie sehr stark nach dem Avatar ;) Vielleicht sogar Aang?

Verwundert hat mich hingegen in keinster Weise, dass Toph Tao draußen vor der Tür hat sitzenlassen xDD Tja, er mag sich vielleicht beleidigt fühlen, aber ein ‚Dieb und Betrüger‘, wie er sich ja selbst beschreibt, muss schon einiges anstellen, um Tophs Vertrauen zu erringen.
Und wir haben ja alle schon erlebt, dass Toph nicht jede Lüge durchschaut:
„Ich habe eine solche Meisterin schon mal getroffen. Sie hat gesagt, dass sie ein zweihundert Meter großer lila Bibabutzebär mit rosa Horn und silbernen Flügeln sei. Und glaub mir, sie war kein zweihundert Meter großer lila Bibabutzebär mit rosa Horn und silbernen Flügeln.“
*lach*
Schön, dass du das noch mit reingebracht hast! Und toll, dass sich Toph diese Beschreibung nach all dieser Zeit noch gemerkt hat ^^ (die ist aber auch klasse!)

Und Katara lebt also noch!!!
Schön, dass man das auch mal erfährt :) Obwohl sie sich offenbar ziemlich rar macht, was man ja auch irgendwie verstehen kann. Wenn meinem Mann ein derart schweres Verbrechen zur Last gelegt wird (was auch immer es ist), würde ich auch nicht fröhlich vergnügt durch die Hauptstädte hüpfen und jedem ins Gesicht grinsen. Stattdessen musste sie sich wahrscheinlich auch eher zurückziehen.
Und sie haben zwei Mädchen gekriegt? Gefällt mir sehr ^^ Ich hoffe, man lernt sie noch kennen!

Und es freut mich für Serina, dass sie wieder etwas Selbstvertrauen gewonnen hat. Und Sandbändigen ist für sie sicherlich ein guter Anfang, um den Erdbändigen näherzukommen ^^
Und da bin ich mal gespannt, wie (und wieso überhaupt) sie in ein paar Wochen ihr Können unter Beweis stellt!

Hab dich lieb
Sarah

Von:  fahnm
2010-08-05T23:06:42+00:00 06.08.2010 01:06
Klasse kapi!^^
Von: abgemeldet
2010-07-14T16:21:45+00:00 14.07.2010 18:21
juchu es geht weiter!!! hehehe ich fand das Kapital echt toll! :)

Hier meine Lieblingsstellen:

"Tao bemerkte, wie die Gesichtzüge von Serina mit jedem weiteren Schritt sich veränderten. Man sah ihr deutlich an, dass sie gleich vor Wut platzen würde." - voll lustig *lach* :D

"„Tante Toph, wir haben dich vermisst“, riefen sie wie aus einem Munde." - woah....cool! Da hat sich bestimmt auch Sarah sehr drüber gefreut, so sehr wie sie Toph mag xD

"Warum musste der Sohn seinem Vater denn so ähnlich sein?" - mhm....interessant ;P

"Vielleicht auch deswegen, weil er dachte, zu enthusiastisch zu sein, wäre zu kindisch." - ach ja....mir macht es nix aus kindisch zu sein....ich bin gern enthusiastisch....vlt manchmal was zuu sehr ^^

"„Manchmal muss man die Verhältnisse ändern, wenn es nicht mehr so funktioniert, wie früher. Vielleicht ist es jetzt an der Zeit, dass du ihn rettest, so kindisch, wie er sich verhält.“ - puh...diese Sandwürmer sind ja ganz schön weise....

Das wars, hoffe bald auf mehr! HDL Janine xD
Von:  fahnm
2010-07-12T22:52:07+00:00 13.07.2010 00:52
Klasse kapi!^^
Von:  Nochnoi
2010-07-12T14:00:38+00:00 12.07.2010 16:00
Oh Mann, ein Marsch durch die Wüste ...
Für jemanden, der nur Eis und Schnee gewöhnt ist, ist das sicherlich die Hölle schlechthin. Serina kann einem schon ziemlich leid tun (obwohl sie sich eigentlich echt nicht zu beschweren braucht, in der Wüste herrscht wenigstens eine angenehm trockene Hitze - ganz anders als die Schwüle, die wir hier ertragen müssen O.o Von daher sollte sie es lieber nicht zu eng sehen xDD)

Und dann diese Sandwürmer ^^
Wirklich putzig, die Kleinen! Besonders das "Tante Toph" kann einen ja zum schmelzen bringen >.<
Und schön, dass sie es schaffen, Seri (^^) wieder was aufzumuntern. Tja, manchmal kann Reden und ein Kinderlächeln schon sehr viel bewirken ("Aber wenn sie dich nur EINMAL anlächeln, dann kriegst du alles wieder zurück!!" :D)
Und besonders der Älteste scheint ja durchaus schon so etwas wie Weisheit zu besitzen. Zumindest war das, was er über Paku gesagt hat, nicht von schlechten Eltern!

Jetzt bin ich aber auf jeden Fall gespannt, wer der Vater ist und woher Toph überhaupt die ganze Brigarde kennt!! Ist es möglich, dass er in der Serie vielleicht auch schon mal aufgetaucht sind *grübel*?
Ich warte voller Ungeduld auf die Antwort :)

Hab dich lieb
Sarah
Von: abgemeldet
2010-03-13T17:24:13+00:00 13.03.2010 18:24
hey becky,

das war echt cool die beiden Feinde gegeneinander aufzuhetzen um sich somit aus dem Staub zu machen ;P Respekt!!!

Na, Serina kann sich ja schon mal über die nächste Plage, mit dennen sie sich rumschlagen dürfen freuen - die Sandwürmer...
Und Toph....ich weiß nicht genau....kann sie nicht auch in der Wüste, wo es nur Sand gibt nicht besonders gut "sehen"? Ich meine Sand ist ja nicht so standhaft wie Erde...am Pass konnte sie ja zumindest etwas sehen.....ach ja...vom Regen in die Traufe....

Also bis hoffentlich bald, HDL, Janine

("Hey, der Tacco schmeckt irgendwie komisch - Heat of the moment")
Danke nochmal für die CD, ich hab mich sehr gefreut, aber das haste ja gemerkt oder xD
Von:  Fantasiehelden
2010-03-06T14:10:31+00:00 06.03.2010 15:10
Hallo!
Vielen Dank ersteinmal, dass du an unserem Wettbewerb teilgenommen hast und gleich einmal Gratulation zum ersten Platz!

Dein Schreibstil ist sehr gut zu lesen und erzeugt Spannung. Das Thema ist meiner Ansicht nach gut umgesetzt und der Einstieg der Geschichte ist auch gut gelungen. Ich finde es etwas Schade, dass die Charaktere vor allem am Anfang keine äußerliche Einführung erhalten. Natürlich hast du eine Charakterübersicht angefretigt, aber wenn beim ersten Auftauchen der Figur sich der Leser aus dem Fließtext heraus ein Bild machen könnte, fände ich es persönlich praktischer.
Ansonsten wirklich eine sehr schöne FF. :)

Liebe Grüße,
CaSi^^
[Omegaleser]
Von:  Nochnoi
2010-03-03T13:18:55+00:00 03.03.2010 14:18
Erstmal: Sehr schöner Kapiteltitel! Hübsche Alliteration ;)

Und dann zum Kapitel selbst:
Ach ja, man kämpft nicht gegen Amerika und Russland gleichzeitig, sondern bringt beide dazu, sich gegenseitig zu bekämpfen ;p Eine nicht zu verachtende Lebensweisheit, die offenbar auch gut bei Seeschlangen und Erdbändigern funktioniert. Serina hat sich zumindest ziemlich klug angestellt und Köpfchen bewiesen.
Dumm nur, dass die Erdbändiger jetzt ihren Weg kennen oder zumindest die ungefähre Richtung. Aber andererseits wäre es natürlich auch langweilig geworden, wenn Serina und ihre Freunde unauffällig ihrer Wege hätten gehen können ;p

„Dafür gibt es dort aber Sandwürmer, die sich anschleichen und dich in den Sand ziehen. So tief, dass du die Sonne nie wieder sehen wirst.“
-> Ach ja, Toph! :D
Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass ich sie abgöttisch liebe? XDD
Sie versteht es irgendwie total, alle um sich herum aufzumuntern! Und hat dabei auch noch sichtlich Spaß!

Dann bin ich mal gespannt, was sie in der Wüste erleben. Na ja, sie werden's wohl irgendwie schaffen - solange keiner von denen auf die Idee kommt, irgendwelchen ominösen Kaktussaft zu trinken XDD ("Hey, wer hat Toph in Brand gesteckt?" XDD)

Hab dich lieb
Sarah
Von: abgemeldet
2010-02-28T18:04:31+00:00 28.02.2010 19:04
hey ich bin froh das es endlich weiter geht.....diese blöde uni, die dich davon abhält deine story weiter zu schreiben....tzzz.....sowas!!!
Uhiii ich bin gespannt wie die drei der schlange entkommen können.....aber wie die sich überhaupt an den Wachen vorbei geschmuggelt haben....ach herlich....klasse schauspieler....and the oscar goes to.....^o^

Meine lieblingsstelle war "„So sehr müssen wir uns nun auch nicht beeilen. Ich will nur nicht, dass ihr unnötig rumtrödelt. Ich kenne doch Teenager, wenn sie verliebt sind. Oh Schatz, schau mal, wie schön die Aussicht ist. Das können wir hier nicht gebrauchen.“"

voll geil!!

Biste schon dabei weiter zu schreiben? Wehe wenn nicht... ;P


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