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Das Leben eines Mörders

von

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Kapitel 5

Die Rückkehr in die Schule verlief recht unbehaglich. Neben dem Gedenkbild von Kevin hingen dort nun auch Bilder von Sylvie, Brad und Thomas, schwarz eingerahmt.

Dieses Mal jedoch wurde der Unterricht nicht abgesagt, sondern durch eine Information zum Schutz des eigenen Lebens ersetzt. Es kamen der Sensei aus dem Dojo, ein Berater für jugendliche Traumatisierte, sogar die Polizei gab Ratschläge, wie die Schüler mit der Situation umzugehen hatten.

Erstaunlicherweise verkrafteten die Schüler alles relativ gut und nahmen sich vor, den verstorbenen eine Gedenkfeier zu halten.

Trotz all des Aufruhrs wurde eins nicht vergessen: der 14. Februar. Es war Valentinstag und Schokolade floss in Übermaßen. Auch Sagami war nicht untätig gewesen. Er hatte es am Wochenende noch geschafft, Schokolade herzustellen – auch wenn sie nicht besonders formschön war. Er entschied sich dafür, die Schokolade aber lieber selbst zu essen. Die Schüchternheit siegte mal wieder über ihn. Er war einfach nicht in der Lage, sie Emily zu geben. Seufzend kehrte er nach der Pause in die Klasse zurück und – er traute seinen Augen nicht – auf seinem Tisch lag ein rot verpacktes Päckchen mit einer weißen Schleife. Langsam drehte er es hin und her du dann, dann packte er es aus. Valentinsschokolade, in Herzform. Sagami lief rot an, freute sich aber enorm. Das musste er einfach Andrew sagen, der würde Augen machen.

Emily betrat gerade die Klasse mit einem riesigen Stapel Schoko-päckchen. „Wow, Emily! Da hast du ja wieder einmal abgeräumt, was?“ Sie nickte angestrengt. „Oh ja! Aber du bist ja diesmal auch dabei. Von wem ist die?“ Sie lud ihre Päckchen ab, rückte sich ihre Brille zurecht und schaute ihn erwartungsvoll an. „Naja... Ich weiß es nicht... Aber ich wollte es Andrew zeigen. Hast du ihn gesehen? Die Pause ist doch längst vorbei, er müsste schon wieder oben sein!“

„Andrew ist doch gegangen, hast du das nicht mitgekriegt?“ Sagami schüttelte den Kopf. „In der Pause ist er hoch in die Klasse, hat seine Sachen geholt und ist wieder gegangen. Ich habe ihn gesehen, weil ich noch zum Lehrerzimmer musste. Natürlich habe ich ihn auch angesprochen, sein Gesicht war ganz rot. Er hat mir dann gesagt, dass ihm schlecht wäre und er jetzt nach Hause müsse.“ „Ich rufe ihn dann nach der Schule mal an. Hoffentlich ist es nichts Schlimmes...“

Sagami starrte auf die Schokolade. Es war ein einfaches Herz, ohne Verzierungen oder Zuckerguss. Nur eine Karte mit seinem Namen, in japanischen Hiragana-Zeichen geschrieben. Die Schrift war nicht besonders schön, aber es hatte sich jemand Mühe mit dem Abzeichnen der Zeichen gegeben. Ein bisschen Tinte war separat auf den Zettel getropft, sodass ein Klecks am unteren, rechten Ende zu sehen war.

Sagami kicherte noch einmal bevor er das Päckchen in seine Tasche gleiten ließ.

Nach dem Unterricht machte er sich dann mit Emily auf den Weg zu Andrew um ihm die Hausaufgaben vorbeizubringen und um ihm von seinem Valentinspäckchen zu erzählen. Kurz bevor sie das Haus erreichten schaute sie auf die Uhr und schlug sich mit der Handfläche gegen die Stirn. „Mensch, ich Trottel! Ich kann ja gar nicht mit.“ Sagami drehte sich um. „Was? Wieso das denn auf einmal?“ „Ich hatte meiner Oma versprochen vorbeizukommen um mit ihr Plätzchen zu backen. Sorry Sagami, aber ich muss unbedingt hin. Tut mir echt Leid.“

Sagami rang mit sich selbst, als er das Päckchen für Emily in seiner Jackentasche griff. Sollte er es ihr nun geben, oder nicht? Was würde passieren, wenn er es ihr geben wüde? Er entschloss sich für eine andere Variante.

„Emily, warte noch mal kurz!“ Emily drehte sich noch einmal um. „Das hier“, Sagami zog das weiße Päckchen mit dem rosa Band aus der Tasche, „habe ich äh... auf dem Pausenhof gefunden! Da stand dein Name drauf und ähm... dann wollte ich es dir halt auch geben. Ja. Doch. So war es.“ Sagami hielt ihr das Päckchen mit beiden Händen hin.

Emily zog eine Augenbraue hoch. Ihr erschien das ganze wohl ein wenig unglaubwürdig, aber sie freute sich doch ein wenig über Sagamis Schokolade.

„Danke. Ich komme nachher vorbei“ sagte sie noch, ehe sie die Schokolade nahm, sich umdrehte und in Richtung Oma hechtete.

Sagamis Herz vollführte einen Freudensprung und mindestens drei Saltos rückwärts. Er hatte sie ihr gegeben und sie hatte sie genommen. Beflügelt von diesem Ereignis schlenderte er in voller Ruhe zu der, mit Graffiti besprühten Tür und klingelte bei Stone.

„Hi, Andrew. Ich bin es, Sagami. Wollte nur vorbeikommen dir die Schulklamotten vorbeibringen. Außerdem muss ich dir was total abgefahrenes erzählen.“ Die Sprechanlage schwieg einen Moment. Dann summte aber die Tür und Sagami trat in den Flur. Vor der Wohnungstür stand schließlich Andrew im Pyjama. Er sah wirklich nicht sehr gut aus:

Er hatte ein total weißes Gesicht (was man auch merkte obwohl er sonst sowieso schon blass war) und dicke schwarze Augenränder.

Doch das hielt Sagami nicht davon ab auf ihn zuzustürmen und ihn zu umarmen. „Mann, ich habe mir echt Sorgen gemacht als du heute nicht in der Schule warst. Ich dachte schon, dich hätte vielleicht dieser Mörder erwischt, aber zum Glück war dann Emily da und hat mir erzählt...“ Während er alles ausführlichst schilderte hatte er vor lauter Begeisterung vergessen, Andrew wieder loszulassen. Hätte jemand die zwei gesehen hätte er sonst was von ihnen denken können... aber es war ja momentan niemand da.

„Aha“, sagte Andrew mit einem verlegenen Lächeln auf den Lippen, als Sagami fertig war, „aber könntest du mich bitte erstmal loslassen und reinkommen? Wir stehen hier schon die ganze Zeit so draußen. Nicht, dass es mich stören würde...“ „Was hast du als letztes gesagt? Ist irgendwie untergegangen.“ Andrew winkte ab. „N-n-nichts! Ich äh... hab mir nur Gedanken gemacht, was ich heut noch alles erledigen muss. Also komm doch bitte rein!“

In der Wohnung hatte sich einiges geändert. Das Bett stand nicht mehr so, dass man es bei Eintritt sehen konnte, die Wand mit der Durchreiche war voll mit Postern und Fotos und die Deckenleuchte war kleinen Chromlampen an der Wand gewichen. Sagami war überrascht. „Du hast ja einiges bei dir verändert! Sieht echt total cool aus.“

Andrew kratzte sich verlegen im Nacken. „Naja, muss ja nich immer das gleiche sein. Am meisten stolz bin ich aber auf das hier.“ Er machte das Licht aus und fuhr die Rollos runter. Dann betätigte er einen unscheinbaren Lichtschalter an der Tür...

„Wow!“ Die Wohnung wurde erleuchtet durch eine Art Lichterkette, die im Boden integriert war. Das hatte was von einem Sternenhimmel – nur halt auf dem Boden. „Das ist ja richtig genial, hör mal! Totales Feeling!“ Sagami kriegte sich nicht mehr ein. So viel Tolles hatte er heute erlebt und gesehen, es war einfach ein super Tag.

Nachdem das Zimmer wieder in den Normalzustand versetzt worden war setzten sich die zwei Jungs um den Tisch und besprachen die Hausaufgaben. So kamen sie dann auch wieder auf die Schule zu sprechen und Sagami erinnerte sich daran, dass er ja noch etwas erzählen wollte.

„Hey, heute ist ja Valentin.“ Andrews Blick haftete auf einer Matheaufgabe. „Und du weißt ja, dass man von Verehrern oder Verehrerinnen Schokolade bekommt.“ „Mmh.“ Andrew schaute nicht einmal auf. „Und weißt du, ich... also ich habe heute ein Päckchen mit Schokolade auf meinem Tisch gefunden! Ist das nicht krass? All die Jahre habe ich nichts bekommen und dieses Jahr schon!“ Jetzt schaute Andrew aber ruckartig auf. „Also nie ist ja wohl ein bisschen übertrieben! Weißt du nicht mehr? In der Grundschule haben wir uns doch gegenseitig Schokolade geschenkt!“

Sagami lachte: „Ja, klar doch, aber das nimmt man doch nicht ernst. Ich mein... wir waren doch da grad mal sieben und haben uns nur was geschenkt, weil wir sonst nichts bekommen hatten. Also, nee. Das würde ich nun wirklich nicht ernst nehmen!“

„Ich schon.“

„Was?“ Sagami wischte sich eine Träne aus dem Auge. „Ich sagte, ‚ich schon’.“ Der Japaner sah Andrew total baff ins Gesicht. „Das.. das meinst du doch nicht so...“ Doch Andrew sah ihn genau so ernst an, wie vorher.

Um Sagami drehte sich plötzlich alles. Er hatte auf den Gefühlen seines Freunds herumgetrampelt, aber eben deshalb: sein bester Freund! Der Valentinstag vor zehn Jahren, Freude, Trauer, Schokolade, Emily, rotes Päckchen, Andrew, die Wild Boys, Shayne, Thomas, Brad, Sylvie, Kevin, ANGST, WUT, MORD,TATHERGÄNGE.

Klick Klack.

In dem ganzen Wirrwarr in seinem Kopf war ihm entgangen, dass Andrew die Tür geöffnet hatte und Emily eingetreten war. Sagami kniete auf dem Boden, krümmte sich und hielt sich den Kopf mit beiden Händen. Vollkommen verwirrt rannte er los, an Emily und Andrew vorbei, hinaus durch die Tür. Er wollte einfach nur weg, weg, WEG!

Erschrocken schaute Emily Andrew fragend an. Der erwiderte mit gehetztem Blick: Ihm.. geht’s nich so gut. Hinterher! Nich, dass er noch was anstellt.“

Panisch hetzten die zwei Jugendlichen durch die Straßen bis sie Sagami am See fanden. In so einer Verfassung hatten sie ihn noch nie gesehen: Seine Pupillen waren eng zusammengezogen, er war total verschwitzt, panisch und seine weißen Haare waren mit Erdklumpen verdreckt.

Schockiert sahen die zwei, wie an seinem Arm eine rote Substanz hinunterlief. Blut. Er hatte das Messer von Thomas im Gebüsch gefunden und sich damit dem Arm aufgeschlitzt.

Emily schrie. „Was machst du denn da, Sagami? Lass den Scheiß!“, brachte Andrew in hysterischem Tonfall hervor. „Wenn du so weitermachst bringst du dich um!“

Blitzschnell hatte Sagami sich auf ihn geworfen und ihm das Messer in die Schulter gebohrt. Andrew schrie vor schmerzen auf. „Hast du eine Ahnung wie es ist todunglücklich zu sein, ständig Angst haben zu müssen, dass jemand einem auflauert um ihn krankenhausreif zu schlagen? Es ist die Hölle auf Erden, das schwöre ich bei meinem Blut!“ Er schnitt sich in die rechte Hand und streckte diese Andrew entgegen, der panisch versuchte sich aus seiner Lage zu befreien.

Sagami ballte die Hand zu einer Faust, stand auf und drehte sich um. Andrew flüchtete, seine blutige Schulter haltend, in die Richtung von Emily.

Sagami fing wieder an zu sprechen mit einer Stimme, die gar nicht zu ihm zu passen schien. „All diejenigen, die anderen, unschuldigen Menschen etwas zuleide tun dürfen keine Gnade erfahren. So war es auch in diesem Fall. Es wurde allen heimgezahlt.“

Emily versuchte mit ihm zu sprechen: „Sagami, warum tust du so etwas? Andrew hat dir nichts getan und ich genauso wenig. Was ist denn mit dir?“ Er drehte sich hektisch um, wie ein gejagtes Tier, das keinen Fluchtweg findet. Er sah nun das große Auto, das mit Blaulicht an der Parkeinfahrt stand. Eine Anwohnerin hatte wohl die Polizei gerufen.

„Emily, ich bin ein Monster!“ Die Polizisten scharrten sich um Sagami und brachten die anderen beiden in Sicherheit. „Ich bin ein gewissenloses Monster!!!“ Er sackte zusammen und fiel auf die Knie. Tränen rannen ihm das ganze Gesicht herunter und seine Augen schienen wieder normal. Waffen wurden auf ihn gerichtet. „Verstehst du denn nicht, ich habe sie alle umgebracht, jeden einzelnen! Ich erinnere mich genau an die Tathergänge, an die letzten Worte der Opfer, wie sie ermordet wurden – es ist als hätte ich alles von außen betrachtet, ich habe einfach mein Gehirn abgeschaltet und habe sie einfach aus Rache...“

Der Junge brach in einen Heulkrampf aus und als die Polizisten sich ihm nähern wollten schlug er wie wild mit dem Messer um sich. „Er... er ist verrückt geworden“, stammelte Andrew.

„Es ist genug“, sagte Sagami schließlich, „ich bin durchgedreht vor Wut, ich habe andere Menschen getötet und meine Freunde verletzt, es reicht mir.“ Der weißhaarige richtete sich ein letztes mal auf, griff das Messer fester und stieß es sich mitten in die Brust.

Die Polizeibeamten stürmten auf ihn zu, hoben ihn hoch und hetzten in Richtung des Wagens, um dem Jungen sein Leben zu retten. Als Sagami an seinen Freunden vorbeigetragen wurde, sagte er noch ganz leise: „Mir war es... auch... ernst... Vergib... mir...“ Er musste Blut spucken, sah dann noch ein letztes mal auf seine Freunde und schloss die Augen mit einem Lächeln auf den Lippen, das er einem gefallenen Engel glich.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Masu_x3
2009-03-21T09:27:18+00:00 21.03.2009 10:27
Q___Q
*snüff*
Blödes ENde Q__Q
Schon wieder traurig Q_____Q
*heul*
Aber die FF im gesamten..
War Hamma!! *~*
Echt jetz! :D
glg
maira-chaaaaan!


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