Zum Inhalt der Seite

Fensterschreiben

Every day is writing day
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Zum Prophezeien in den Keller gehn II (09.02.10)

Kommentar: Eine "Fortsetzung", die eher aus Inspiration und als Reaktion auf ein Artwork von NothingNoir (http://nothingnoir.deviantart.com/art/See-Without-Your-Own-Eyes-151434284) entstand, welches wiederum seine Inspiration aus meiner ersten Geschichte trug. Um die Rekursion zu perfektionieren: Die Grundidee zu Emerson und seiner Lehrmeisterin (ursprünglich Alchemistin) stammt von NothingNoir.
 

Nebel lag zäh und zerstreut über dem Ufer wie ihre Gedanken. Nora Winters schwankte und waberte schwerelos im Kampf um ihr Gleichgewicht, dem richtigen Schwerpunkt für ihre Konzentration.

Wasser rauschte wie es die nahen Klippen hinab in den tiefen Bergteich stürzte. Die Steine waren glatt von Jahrhunderten. Alte Steine und tiefe Wasser für unzählige Meilen unschuldiges Land. Den Sicherungskasten neben der Tür zum Heizungsraum sollte sie mal wieder abwischen.

Ob die Männer, die kamen um Strom- und Wasserzähler abzulesen – deren genaue Berufsbezeichnung Nora sich nie merken konnte – sie für unordentlich hielten, weil sie den Keller nicht putzte? Strommann und Wassermann, beschloss sie gedanklich. War es redundant sie unterschiedlich zu nennen, wenn es oft derselbe Mann war und ein Strom auch noch gewissermaßen Wasser sein konnte?

„Du verlässt das Jetzt zu Gunsten des Hier“, bemerkte die Schamanin vom Ast einer alten Eiche aus. „Suche nach dem Darüberhinaus.“

Für einen Augenblick sah die Schamanin als eine kauzige runde Eule von ihrem Ast herab. Mit zweihundertsiebzig Grad zurückgespanntem Kopf, um von der Ferne des Horizonts weg zu ihr zu blicken. Dann schoss ihr glasklarer Blick wie durch ein Schnappschloss zurück in die Ferne. Auf dem Ast saß mit baumelnden Beinen erneut eine alterslose Frau.

Baumelnd, widerhallte es in Noras Kopf. Heißt es so, weil Dinge in einer archaischen Sprachurform normalerweise von Bäume heruntergehängt wurden, während sie 'baumelten'?

„Du verlässt das Jetzt zu Gunsten des Wortes“, intonierte die Stimme der Schamanin erneut wie direkt in ihren Kopf.

„Ich verlasse gleich vor allem den Keller zu Gunsten eines Friseurtermins, zu dem ich jetzt vermutlich zu spät komme, vor allem wenn ich darüberhinaus noch länger hier bleibe.“

Das Lagerfeuer in einer Mulde aus flachen Steinen knackte als sei es erbost über ihre Aussage. Das Feuer versteht keinen Spaß.

„Das Feuer ist ein sehr ernstes Geschöpf voll brennendem Eifer und glühender Leidenschaft. Es ist zu engstirnig bei der Sache, um sich von Scherzen schütteln zu lassen oder Kompromisse einzugestehen“, griff die Schamanin erneut mit geschwindelten Fingern ihre Gedanken auf. „Ebenso wie dein Versuch deine brüchig und spröde gebleichten Haare zu retten. Was tot ist, soll ruhen und du solltest es überwinden. Zu einer ansprechenden Kurzhaarfrisur. Sie werden bald wieder in Mode kommen.“

Nora entfaltete ihre Beine und streckte sich. Emerson wimmerte leise neben dem Feuer , rührte sich aber nicht.

„Ich nehme jedenfalls keine Ratschläge von jemandem entgegen, der die Elemente des Feuers zwei Meter Luftlinie vom Heizöltank heraufbeschwört.“ Sie blinzelte kurz nachdenklich in den Sonnenaufgang, der wie angegossen über der Waschküche erstrahlte. „Geschweige denn ihren halbnackten Lehrling neben besagtem Feuer angebunden hat.“

Wie von seiner Erwähnung durch Nora animiert, murmelte Emerson leise etwas von sich hin, das nach „Der Käse schmilzt. Ich glaub' ich muss lachen“ klang. Sie war sich jedoch nicht sicher, denn der Lehrling der Schamanin sprach noch leiser und undeutlicher als gewöhnlich. Dabei schien er ein so reizender junger Mann zu sein – und mit verbundenen Augen im Feuerschein sehr nett anzusehen. Trägt er einen Lendenschurz und eine Unterhose?, ging ihr eher beiläufig durch den Kopf.

„Er vereinigt damit die alte und die neue Welt.“ Die Schamanin rutschte von ihrem Ast herunter und landete mühelos auf den Füßen.

„Halbnackt und schwitzend in seiner Unterwäsche?“

„Emerson ist bereit mehr für den wahren Blick zu tun als deine nebensächlichen Bemühungen nebenher Erkenntnis zu erlangen, wenn es dir in den Tagesplan passt.“

„Ich wollte eigentlich lieber segeln“, kam es nuschelnd aus Emersons Richtung.

„Seine Trance übersteigt deine alltäglichen Selbstverwirklichungen. Ist der Vorsatz wirklich völlig wertlos, solange keine effektiven Taten darauf folgen? Welcher Haarschnitt bringt meine Gesichtszüge zur Geltung? Welche Hose kaschiert am besten meine Oberschenkel?“, setzte die Schamanin fort ohne aus der Ruhe zu kommen.

„Deswegen, schätze ich, ist Emerson auch gerade halbnackt, um sich nicht mit solchen Dingen zu beschäftigen.“

„Mitnichten. Ich übertrage seine Trance gleich live ins Internet. Damit finanziere ich die Nebenkosten. Nochmal vielen Dank, dass du vorbeigekommen bist, um mir deine Digicam auszuleihen.“

Sie erinnerte sich wieder, weshalb sie überhaupt heruntergekommen war. Noras Mund bewegte sich langsam als erwarte sie passende Worte, die erst aus einer speziell dafür angelegten Wörterdrüse herausgeschossen und hochgewürgt werden müssten. Sie gab es schließlich auf und wandte sich kopfschüttelnd zum Gehen.

Emerson summte leise vor sich hin wie eine Libelle.

„Du solltest außerdem den Bus nehmen, die Straßenbahn wird wegen vereister Schienen auf halbem Weg stecken bleiben.“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Ito-chan
2010-02-09T20:36:34+00:00 09.02.2010 21:36
Hi ^^

Kenn ich schon von Livejournal^^ Das musste ich zuerst sagen xD
Also... ehrlich gesagt finde ich es immer noch irgendwie erheiternd und doch angenehm zugleich, weil es einfach eine sehr witzige Aussage hat. Ich meine okay, es zieht alle möglichen Riten irgendwie ins Lächerliche, aber gleichzeitig ist es so wahr und so köstlich sarkastisch, dass ich immer wieder denke, dass du genau daraus einen Roman machen könntest.
Wobei... ich weiß gar nicht ob ich einen Roman in dem Stil aushalten würde... Nun denn... ich bin gespannt, was noch so alles kommt, diese Story gefiel mir irgendwie ^^

Alles Liebe


Zurück