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Ta Sho

Wiedergeboren
von

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für immer?

So, hey meine Lieben. Von mir gibt's auch wieder mal was zu lesen. Wieder nicht viel, aber hoffentlich unterhaltsam. ^^
 

Er hatte ihn lange genug schmoren und leiden lassen. Der Blondschopf entschied sich an diesem Abend dafür, es noch einmal unter vier Augen zu versuchen. Hoffentlich hatte er sich wieder soweit beruhigt, dass nun vernünftig mit ihm zu reden war. Saber hoffte es. Ihre Probleme im Yuma vor zwanzig Jahren wuchsen mit jedem Tag an, irgendwann konnte ihnen das alles über den Kopf wachsen. Sie waren nahe dran, immerhin hatte sich Jesse Blue schon gewaltig gezeigt und in die Geschichte eingemischt und in ziemlich genau einem Monat stand die alles entscheidende große Schlacht im Königreich Jarr an. Ihnen lief die Zeit davon. Und Saber musste alle seine Crewmitglieder auf seiner Seite wissen, wenn sie heil da raus kommen wollten.

Saber Rider hatte Colt und April noch einmal angehalten, Ramrod unter keinen Umständen zu verlassen. Der Schotte hatte das miese Gefühl, dass Jesse Blue irgendwo ganz in ihrer Nähe war. Die beiden sollten aufeinander aufpassen, Saber hatte Colt sogar ausdrücklich den Auftrag erteilt, auf April Acht zu geben. Er selbst hatte sich an diesem Abend etwas früher auf den Weg gemacht, als er hätte müssen. Irgendetwas sagte ihm, dass er gut daran tat, vor Feierabend im Oberkommando zu sein.

Mit im Gepäck hatte Saber auch einen Regenschirm, kurz bevor er das Schiff verlassen hatte, hatten sich dicke, schwarze Wolken am Himmel gezeigt. Auf dem Weg zum Oberkommando pfiff ihm ein scharfer Wind um die Nase und immer, wenn er in den Himmel empor sah, wurden die Wolken dunkler. Von den Jets, die vor wenigen Stunden gestartet waren, war nichts mehr zu sehen. Saber dachte an eine der vielen Übungen im Oberkommando. Bestimmt war nichts Aufregendes oder Bedrohliches geschehen.

Sein Kopf war so voll im Augenblick, ihre Schwierigkeiten zeichneten sich in Form von Falten tief in Sabers Stirn. Jedes Problem eine Falte. Nur leider wurde es vom Nachdenken nicht besser. Saber tat es auch nicht gut, die Füße still zu halten und alles seinen Gang gehen zu lassen, aber wenn sie eingriffen, so wie Fireball es vorgeschlagen hatte, konnte niemand garantieren, in eine sichere Gegenwart zurückzukehren. Es war zum Verzweifeln und war mit dem verletzten Japaner nicht gerade einfacher geworden.
 

Im Büro seines Vaters hatte er sich unwohl gefühlt, allerdings trat er erst nach draußen, als die Alarmsirenen verstummt waren. Gedankenverloren kaute er auf seiner Unterlippe herum und suchte nach einem Weg. Doch er fand keinen. Er konnte seinem Vater nicht helfen. Selbst, wenn er gesund gewesen wäre, hätte er sich in diese Schlacht nicht einmischen dürfen. Und dennoch. Es machte ihn wahnsinnig auf dem Boden bleiben zu müssen, wenn der Frieden in Gefahr war! Er war einfach nicht der Typ, der still dabei zusah, wie die Welt um ihn herum einstürzte.

Zuerst war Fireball in den Hangar gegangen. Wie nicht anders zu erwarten gewesen war, stand keine einzige Maschine mehr in der Garage. Zum Glück, denn wäre noch ein einsatzfähiger Jet hier gewesen, der Hitzkopf hätte für nichts garantieren können. Schmerzlich musste er einsehen, dass sein Zug in dieser Schlacht abgefahren war.

Nachdem im Hangar gespenstische Stille geherrscht hatte, hatte sich Fireball dazu entschlossen, in den Tower hinauf zu stapfen. Er musste wissen, was los war und ob die Einheit seines Vaters Hilfe brauchen würde. Die Stewards im Tower hatten mit dem Naseweis allerdings keine Freude und so schickten die ihn dann endgültig nachhause. Zumindest hatte er in Erfahrung gebracht, dass die Horde Angreifer zu bewältigen war. Dem Rennfahrer blieb nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass die Staffel es auch schaffte. Denn eines war klar. Auch, wenn die im Tower nicht gewusst hatten, welche Schiffe es waren, Fireball hatte sie den Outridern zuordnen können. Jesse Blue schien früher als in der Geschichte vorgesehen zum Rundumschlag auszuholen.

Missmutig trat Fireball mit dem Kopf bei dem Kampf den Heimweg an. Seine Untersuchungsergebnisse hatte er dem Captain auf dem Schreibtisch liegen lassen. Er betete, dass er noch einmal von diesem Einsatz zurück kam. Aber er hoffte auch, dass ihm dann nicht die nächste Runde mit seinem Vater bevorstand. Sie hatten nicht zu Ende gesprochen. Vieles war für Captain Hikari offen im Raum stehen geblieben.
 

Saber sah verwundert zu Fireball, als er den bemerkte. Sofort grub sich eine tiefe Sorgenfalte quer über seine Stirn ein. Der Pilot wirkte schwer angeschlagen. Saber seufzte. Es wurde wirklich mit jedem Tag schlimmer. Weshalb hatte er Fireball erlaubt, mit seiner Verletzung ins Oberkommando zu gehen? Missmutig verzog der Schotte daraufhin die Mundwinkel nach unten. Ach nein, er hatte ihm ja gar nichts erlaubt. Fireball war einfach am nächsten Tag arbeiten gegangen, noch bevor Saber überhaupt aus dem Bett gefunden hatte. Seit dem Krach war er dem Rennfahrer konsequent aus dem Weg gegangen. An diesem Abend hatte sich der Highlander endlich so weit im Griff, dass er sich zutraute, in Ruhe mit Fireball zu reden. Dem Plan winkte er schon mal hinterher, als er Fireball auf sich zukommen sah. Als der auch noch ohne etwas zu sagen an ihm vorbeigehen wollte, offenbar hatte er ihn noch nicht einmal bemerkt, legte er dem Heißsporn die Hand auf die Schulter: „Was war da drin los?“

Er hatte ihn gar nicht bemerkt. Mit kummervollen Augen blickte er Saber kurz an, ehe er weiter ging, die Hände in den Hosentaschen. Grummelnd gab er an: „Mord und Totschlag.“

„Ah ja. Wie immer.“, auch Saber konnte den Sarkasmus nicht immer unterdrücken. Er hatte das ungute Gefühl, dass das allerdings noch nicht alles gewesen war und wenn er die abwertende Haltung seines Gesprächspartners so betrachtete, fing es ihn wieder zu wurmen an. Da war mehr schief gegangen. Mord und Totschlag waren im Normalfall im Oberkommando Usus. Zumindest bei ihnen war es nichts Ungewöhnliches. Fireball sah darüber allerdings nicht begeistert aus. Deswegen erkundigte er sich noch einmal: „Was war genau los?“

Wieder bekam Saber eine einsilbige, im Vorbeigehen ausgesprochene, Antwort: „Outriderangriff.“

Fireball hatte einfach keine Lust mehr als nötig zu sagen. Ihm war an diesem Nachmittag mehr als einmal alles vergangen. Zu allem Unglück begann er sich nun auch noch reichlich unwohl in seiner Haut zu fühlen. Es lag vielleicht nur an der Aufregung und der Tatsache, dass er den ganzen Tag wieder nicht zur Ruhe gekommen war, aber eigentlich sollte er dank der Schmerzmittel nicht so viel spüren, wie er im Moment wirklich wahrnahm.

Saber runzelte die Stirn. Wieder eine Falte mehr. Das war nicht Fireballs Ernst. Der junge Spund hatte das so selbstverständlich ausgesprochen, dass sich Saber sofort fragen musste, ob denen im Oberkommando das auch klar war. Er stutzte und warf noch einen fragenden Blick auf seinen Piloten, der schon einige Schritte vorausgegangen war: „Was? Ist denen im Oberkommando das auch bewusst?“

Fireball lugte über die Schulter zu Saber hinüber. Seit ihrem Krach vor einigen Tagen war ziemliche Eiszeit zwischen ihnen. Es war generell Eiszeit zwischen den Freunden und dem Rennfahrer, da brauchte er sich nichts vorzumachen. Fireball senkte kurz den Blick und gab Saber noch einmal ein Zeichen, er solle ihm doch folgen. Er murmelte: „Die haben keinen blassen Dunst, wer sie angreift.“

„Und woher weißt du es dann?“, Saber verlor während der Unterhaltung immer wieder den Faden. Das konnte zum einen daran liegen, dass er völlig alarmiert war, zum anderen aber ganz bestimmt daran, dass die Informationen von Fireball zusammenhanglos und nach Belieben kamen. Er legte kurz den Kopf in den Nacken. Die dicken Gewitterwolken brachten bald Regen, das war sicher. Der Schotte griff fester um den Schirm und trabte dann genervt Fireball hinterher. Neuerdings ließ der Japaner seine Freunde und andere sehr gerne im Regen stehen.

Fireball indes ging weiter. Zwar nicht übertrieben schnell, aber unbeirrbar Richtung Ramrod zurück. Er wollte auf sein Zimmer und sich ausruhen. Als Saber endlich gleich auf mit ihm war, gab er genauere Auskunft: „Wie du siehst, durfte ich nicht mit in die Luft, also hab ich mich anderwärtig nützlich gemacht. Ich war im Tower und hab mir die Signaturen der Angreifer genauer angesehen. Eine Horde Outrider sucht Streit.“

Saber schnaubte: „Na, wenigstens versteht dein Vater was von seinem Job. Dich mitzulassen wäre unverantwortlich gewesen.“, der Krümel hatte eben sogar noch beleidigt über diesen Umstand geklungen. Alles, was Recht war, aber das war einfach zu viel des Guten. Ungehalten brummte Saber: „Das kann man von dir nicht gerade behaupten.“

Es stieß dem Highlander sauer auf, unglaublich sauer sogar. Man hatte deutlich gemerkt, an wessen Befehle sich Fireball hielt und welche Position er inne zu haben glaubte. Saber kam sich seit ihrem dämlichen Disput mitten in der Nacht an Bord völlig überflüssig vor und das wollte schon was heißen. Fireball sägte unaufhaltsam an seinem Captain. Saber hatte lediglich das Glück, dass April und Colt das genauso wenig gut hießen, wie er selbst. Der Schotte wurde den Gedanken einfach nicht los, dass daran nicht zuletzt Jesse Blue und ihre Anwesenheit Schuld war. Immerhin war ihr Verhältnis vor ihrer Landung in dieser Zeit ein sehr enges und freundschaftliches gewesen. Saber hatte bis zum heutigen Tag keine Befehle ausdrücklich erteilen müssen, meistens waren es noch nicht einmal ausgesprochene Anweisungen gewesen. Sie hatten sich blind verstanden und jeder hatte die Meinung des anderen respektiert. Nun schien sich das zumindest bei einem Mitglied ihrer Staffel massiv geändert zu haben.

Fireball vergrub den Kopf zwischen den Schultern. Das war eindeutig gewesen. Allerdings wollte er das in aller Öffentlichkeit nicht ausdiskutieren. Ihr Zoff war ohnehin schon schlimm genug für den Japaner. Fireball hatte keine Ahnung, weshalb Saber plötzlich jemand war, der ihm seinen Posten streitig machen wollte. Damals war im Einvernehmen bestimmt worden, dass er das Kommando hatte, still allerdings hatte er sich immer bei Saber Rückendeckung für seine Entscheidungen geholt. Der erfahrene Allrounder und ehemalige britische Geheimdienstagent war immer mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Der Wuschelkopf murmelte: „Macht’s dir was aus, wenn wir später reden? Zuhause?“

Genervt verdrehte Saber die Augen. War klar gewesen, dass der Rennfahrer seine Ansichten nicht teilte und somit gleich alles abwiegelte, was man in Ruhe und unter vier Augen hätte besprechen können. Aber gerade deshalb war Saber ihm doch entgegen gegangen. Eben weil er es unter vier Augen klären wollte, bevor er die Situation noch einmal vor allen anderen zur Sprache brachte. Saber schüttelte unwillig den Kopf. Nein, Fireball kam ihm nun bestimmt nicht davon. Wer wusste schon, wann sich wieder eine solche Chance bieten würde. Er widersprach seinem Piloten bestimmt aber nicht unhöflich: „Tut mir leid, Fireball. Das kann nicht mehr länger warten. Ich habe schon zu lange damit gewartet. Du drängst dich seit Wochen in eine Position, die du nicht inne hast. Anfangs war ich ja schon begeistert von deinem Engagement und deinem Willen, weiter voran zu kommen, aber naja, mittlerweile überschreitest du deine Kompetenzen meilenweit. Du gibst keine Befehle. Was denkst du, was du in unserem Team bist?“

Er überschritt seine Kompetenzen? Fireball horchte auf. Er drängte sich in eine Position, die er nicht hatte? Was, um Himmels Willen war los? Fireball sah Saber ungläubig an. Der war mit jedem Satz wütender geworden und war zum Schluss hin sogar noch bedrohlich ruhig geworden. Langsam beschlich zumindest Fireball das ungute Gefühl, dass etwas nicht in Ordnung war. Gut, er fragte sich schon seit Wochen, was mit ihnen allen los war, dauernd hatte er das Gefühl, dass er am Ende auch noch das Problem für sie war. Alle glaubten, er würde sich entgegen seiner Natur verhalten, aber dass plötzlich ihre Verhaltensweisen ganz anders geworden waren, das war ihnen nicht in den Sinn gekommen. Wenn das in ihrem Team so weiter ging, wäre das ein unüberwindbares Problem. Nachdem sich Saber, Colt und auch April einig waren, dass er nicht der Captain war, würde er es akzeptieren müssen. Leise antwortete er deswegen: „Pilot.“

„Na, du weißt es doch. Was ist daran dann so schwer umzusetzen?“, das konnte sich Saber einfach nicht verkneifen. Er giftete Fireball sogar noch einmal zusätzlich an: „Spar dir in Zukunft deine Befehle und vor allem aber spar dir dein Brummen und Murren. Mir ist schon klar, dass es momentan nicht leicht für dich ist, aber verdammt noch mal, das ist kein Grund dauernd aus der Haut zu fahren und solchen Blödsinn anzustellen.“

Hoffentlich war das deutlich genug gewesen. Saber war ein geduldiger Mensch, er hatte lange gewartet, bis er etwas gesagt hatte, aber nun war er deutlich geworden. Blieb nur noch zu hoffen, dass Fireball ihn auch verstanden hatte.

Besagter Hitzkopf verzog das Gesicht. Saber hätte in dem Augenblick nicht sagen können, weshalb er das tat, sicher war nur, dass Saber es für unangebracht hielt. Deswegen fuhr er Fireball an: „Das ist noch lange kein Grund so aus der Wäsche zu schauen. Bei deinen Kommentaren in der letzten Zeit dürften Colt, April und ich nur noch mit so einem Gesicht herumlaufen. Benimm dich endlich wieder, wie es sich gehört.“

Fireball gab kommentarlos klein bei. Dieses Mal hielt er es für sinnlos, noch etwas anmerken zu wollen. Überhaupt schien im Augenblick so ziemlich alles sinnlos, was er sagte. Er spürte die ersten Regentropfen auf seiner Nasenspitze. Es tröpfelte zwar nur ganz leicht und vereinzelt, doch kam es ihm so vor, als würden die Tropfen schwer sein. Schweigend ging er neben Saber den Weg zu Ramrod zurück. Immer wieder durchfuhr ihn ein seltsames Gefühl, manchmal glaubte er sogar, es würde alles um ihn herum kurz aufflackern.

Saber war unterdessen unbemerkt schneller geworden und hatte Fireball bereits ein gutes Stück hinter sich gelassen. Der Schotte war nach wie vor nicht gut gelaunt, aber zumindest hatte er sich mal ehrlich alles von der Seele geredet, was ihn seit Wochen störte. Das fühlte sich ganz gut an, wie er fast schon beschämt feststellte. Er konnte Colt in der Hinsicht nun besser verstehen. Manchmal auszubrechen tat unverschämt gut.

„Saber?“, mit rauer Stimme fragte er seinen Kollegen. Fireball fühlte sich nicht mehr wohl, überhaupt nicht mehr. Irgendwie hatte er das Gefühl, Stück für Stück zu verschwinden, aber das musste er sich einbilden. Bestimmt waren es nur die Schmerzen, die seinen Nerven einen Streich spielten. Er bat den Schotten: „Kannst du…?“

Saber war schon stehengeblieben und zu Fireball herumgefahren, als dieser seinen Namen ausgesprochen hatte und zuerst hatte er patzig sein wollen, doch dann hatte er etwas Seltsames erlebt. Hatte Fireball wirklich einen Augenblick durchsichtig gewirkt? Nach einem kurzen Blinzeln allerdings war der Rennfahrer wieder vollständig. Er musste sich getäuscht haben. Allerdings war der Pilot blass um die Nase. Das brachte die nächsten Sorgenfalten auf Sabers Stirn. Beunruhigt wartete er, bis der Junge wieder mit ihm auf gleicher Höhe war und fragte ihn schließlich: „Was hast du, Fire?“

„Ich weiß auch nicht… Ich fühl mich…“

Kam es Saber nur so vor, oder wurde Fireball mit jedem Atemzug weniger? Die Haut des Rennfahrers wurde immer fahler und blasser. Saber war sich nicht sicher, aber es hatte nichts Gutes zu bedeuten.

Weshalb sah ihn der Säbelschwinger so seltsam besorgt an? Fireball konnte sich darauf keinen Reim machen, bis er schließlich auf die Idee kam, dass man ihm seinen Zustand ansah. Aber weshalb starrte Saber dann auf das gesamte Erscheinungsbild und nicht nur ins Gesicht? Skeptisch und enorm besorgt wollte er wissen: „Was ist?“

Saber war sich nun endgültig sicher. Er bildete sich das nicht ein! Fireball löste sich wirklich Stück für Stück vor seinen Augen auf. Um Gottes Willen, ihr Pilot verschwand mit jedem Augenblick, den sie hier standen, ein bisschen mehr. Saber beobachtete, wie Fireball an sich hinab sah, nachdem er keine Antwort vom blonden Highlander bekommen hatte. Als er Fireballs Gesichtsausdruck deuten konnte, beschloss er, ihn zu beruhigen. Aber das war nicht einfach, wenn man selbst panisch war. Saber atmete tief durch und hielt dem jungen Piloten beide Hände hin: „Wir… Wir kriegen das hin, Fireball. Ganz sicher.“

Er bekam ihn nicht zu fassen. Saber hatte einfach durch Fireballs Hand hindurch gegriffen! Was passierte nur gerade? In Sabers Kopf ratterte es bereits wie wild, aber auf die Schnelle fiel ihm absolut keine plausible Erklärung dafür ein.

Fireball sehr wohl. Mit Angst hatte er bemerkt, wie Saber seine Hand nicht mehr zu fassen bekam. Für ihn hatte es sich nur wie ein leichter Luftzug auf der Haut angefühlt. Fireball hatte eine schlimme Vorahnung, was seinen weiteren Verbleib und den Verlauf der Geschichte betraf. Er hörte zu existieren auf. Fireball sah Saber geradewegs in die Augen, als er angsterfüllt hauchte: „Ich schätze, Dad kommt von diesem Einsatz nicht wieder.“

Saber wollte widersprechen, wollte Fireball ausreden, dass Captain Hikari bereits jetzt den Tod fand, aber ehrlich gestanden war der Schotte dazu nicht mehr in der Lage. Fireball löste sich vor seinen Augen auf und es gab nichts, absolut nichts, was er dagegen unternehmen konnte. Ein quälender Gedanke war das. Fireball war bereits nicht mehr greifbar. Bis sie zuhause waren… Saber brach diesen Gedanken ab. Sie schafften es nicht mehr bis nachhause. Fireball war nur noch durchsichtig, ein blasser Schatten. Ehe er noch einmal einen brauchbaren Gedanken fassen konnte, war Fireball verschwunden. Sein Pilot, sein Freund war weg, war niemals geboren worden. Fassungslos starrte Saber dorthin, wo Fireball zuletzt zu sehen gewesen war. Er spürte nicht, wie gewitterartiger Regen über ihn hereinbrach. Einer seiner besten Freunde war verschwunden, vor seinen Augen. Saber war zum ersten Mal in seinem Leben ratlos und überfordert. Er hatte keine Idee, wie es weitergehen sollte, wie er das alles rückgängig machen konnte. Dem Schotten standen Tränen in den Augen, als er nach einer halben Ewigkeit den Kopf senkte und sich auf den Weg Richtung Ramrod machte. Er war im Streit mit Fireball auseinander gegangen. Schlimmer als das jedoch war gewesen, mit ansehen zu müssen, wie er verschwand ohne helfen zu können. Die Angst in Fireballs Augen hatte sich tief in sein Herz gefressen.
 

„Hey!“, grüßte Colt verwundert, als Saber die Rampe hochgelaufen kam. Als der Cowboy auch noch bemerkte, dass Saber alleine wieder gekommen war, schwante ihm nichts Gutes. Er riet einfach mal wieder ins Blaue: „Wo hast du den Welpen gelassen? Sag bloß, er ist dir abgehauen und streunt jetzt irgendwo in der Weltgeschichte rum.“

Colt war sein Unmut über die Situation mittlerweile anzuhören und anzusehen. An den jungen Rennfahrer ließ er kein allzu gutes Haar mehr. Immer mehr hatte sich in letzter Zeit angehäuft, zu viel hatte sich der Kleine herausgenommen und schien es sogar, als könnte nicht einmal mehr Saber ihm ein bisschen Vernunft eindrillen. Das war unerhört und spottete jeder Beschreibung.

„Fireball ist verhindert…“, mehr brachte Saber nicht hervor. Seine Stimme hatte angeschlagen und krächzend geklungen, dabei hatte der Schotte noch extra versucht, so wie immer zu klingen. Aber das war eindeutig in die Hose gegangen. In ihm tobte immer noch die Panik. Sie wütete und brachte alles durcheinander, vor allem aber zerstörte sie seine Ruhe und Ausgeglichenheit. Wenn er schon die Nerven verlor, bei dem, was er gesehen hatte, wie sollte es dann Colt und erst recht April damit gehen? Der Schotte hatte panische Angst, Fireball zum letzten Mal überhaupt gesehen zu haben. Denn wenn der Rennfahrer Recht gehabt haben sollte, würde er nie mehr zu ihnen zurück kommen. Er musste so schnell wie möglich auf die Brücke um zumindest das ausschließen zu können. Saber musste sich selbst damit beruhigen, denn er war immer noch aufgewühlt und erschüttert. Colt war da im Augenblick ein Klotz am Bein.

Fantastisch! Jetzt fing Saber auch noch mit dem Schwachsinn an. Kaum bei der Rampe rauf auch schon wieder verschwunden! Den Trick hatte Fireball über die letzten Wochen perfektioniert, die letzten paar Tage hatte man ihn noch nicht einmal mehr zu sehen bekommen, geschweige denn bemerkt. Sabers seltsam wortkarge Weise brachte den Cowboy zusätzlich noch auf den Dampfer, dass er und April immer mehr außen vor gelassen wurden. Und das ging schon gleich zwei Mal nicht! Niemand ließ sein halbes Team uninformiert über Geschehnisse. Das konnte der Schotte nicht mit ihm und der Prinzessin machen! Colt entschloss sich dafür, gleich zu handeln, anstatt nachher einfach auszubrechen. Er stieß sich den Hut aus der Stirn und eilte hinter dem schweigsamen Anführer her. Er wollte unwirsch wissen: „Und hat offensichtlich total auf dich abgefärbt, der Krümel. Herrgott, was ist denn jetzt schon wieder los, zum Teufel noch eins?“

Langsam aber sicher hatte Colt die Schnauze gestrichen voll. Bei der nächsten Kleinigkeit quittierte er den Dienst und die feinen Herren konnten ihm den Buckel runter rutschen. Es interessierte ohnehin niemanden mehr, wie sie nachhause kamen. Alle hatten es aufgegeben. Aber Colt freundete sich nicht mit diesem Gedanken an. Er wollte zu seiner Robin zurück, am liebsten noch gestern als heute. Ihm gefiel es in dieser Zeit absolut nicht, obwohl er zugeben musste, dass der Frieden schon was hatte. Aber hier gab es keine Robin, naja, zumindest keine in seinem Alter, und umherziehen durfte er auch nicht. Was sollte er also hier länger als notwendig rumsitzen und Däumchen drehen?

Saber wandte sich im Gehen halb zu Colt um. Er musste es ihnen sagen. Colt war es ohnehin schon aufgefallen. Aber was sollte er ihnen sagen? Sabers Schuldgefühle und die Hilflosigkeit krochen wieder in ihm empor. Mit zitternden Lippen befahl er Colt: „Hol bitte April und eine Packung Taschentücher und kommt dann in den Kontrollraum.“

„Wie bitte?“, was war denn das für ein seltsamer Befehl? Der Cowboy kam gerade überhaupt nicht mehr mit. Er sollte April holen, soweit kam er ja noch klar, aber wozu Taschentücher? Wollte der Schotte mit ihnen Origami basteln? Irritiert runzelte er die Stirn. Was war denn beim Säbelschwinger kaputt?

Der Schotte kämpfte damit, nicht ungehalten zu werden. Gerade jetzt wollte er sich nicht wiederholen oder schon zu viel ausplaudern. Er fragte sich, ob er es überhaupt schaffte, das Unglaubliche einmal zu erzählen, da war ein zweites Mal sicher nicht drin. Er kämpfte den Unmut hinunter, was dank seiner Gewissensbisse und dem Schock auch hervorragend funktionierte und sah Colt über die Schulter hinweg an. Seine Augen sprachen in diesem Moment Bände und unterstrichen seinen Befehl: „Du hast mich schon verstanden, Colt. Bitte mach es einfach.“

Spätestens jetzt standen bei Colt alle Warnsignale auf Blutrot. Saber war ohne Fireball wieder gekommen, verdammt wortkarg gewesen und jetzt wollte er April dabei haben. Da war etwas passiert, das alle betraf und es schien etwas von der ganz üblen Sorte zu sein. Unsicher und auch unbehaglich murmelte Colt: „Saber?“

„Bitte hol jetzt endlich April. Wir klären das gemeinsam, okay.“, Sabers Stimme versank fast in einer Mischung aus Emotionen, die Colt bisher noch nie beim Schotten hatte ausmachen können. Ganz offenbar versuchte er krampfhaft einen kühlen Kopf zu bewahren und irgendetwas schien ihn daneben auch noch enorm angekratzt zu haben. Saber schluckte hart, als er selbst gemerkt hatte, wie schmerzlich seine Stimme geklungen hatte. Er fügte schließlich noch hinzu, bevor er in den Kontrollraum voraus ging: „Und vergiss die Taschentücher nicht.“
 

Auch beim zweiten Mal war der Befehl nicht besser geworden, Colt fand ihn immer noch seltsam und besorgniserregend, aber immerhin ging er nun auf die Suche nach April. Wo hatte er ihr blondes Gift zuletzt gesehen? Hatte sie sich nicht kurz aufs Ohr gelegt? Genau! Colt trabte zielstrebig zuerst in die Küche, wo er Sabers Taschentuchbefehl nachkam und von dort aus weiter zu den Quartieren. Einmal mehr fiel dem Kuhhirten dabei auf, dass sich ein Fremder hier leicht verirren konnte, Ramrod hatte für seine Größe eine beachtliche Zahl an Gängen und Korridoren. Vor Aprils Zimmer machte er Halt und klopfte: „Prinzessin? Kommst du mal bitte, der Boss will uns sehen?“

Der Cowboy hoffte, dass er die Taschentücher nicht jetzt schon brauchen würde. April weinte in letzter Zeit viel und oft. Das lag alleine an dem Rennfahrer, der sich viel zu bequem dazu war, mal wieder für die anderen sichtbar nachhause zu kommen. Colt glaubte auch zu wissen, weshalb. Er ging ihnen aus dem Weg, weil er ein schlechtes Gewissen hatte. Ganz bestimmt sogar. Dem kleinen Rotzlöffel sollte man die Benimmregeln noch mal intravenös verabreichen.

Zaghaft öffnete sich die Zimmertür und die Blondine steckte vorsichtig den Kopf heraus. Sie wirkte verschlafen, schien aber nicht geweint zu haben. Sie gähnte verhalten und sah zu Colt auf: „Sind die beiden schon wieder da?“

Colt zog die Blondine aus dem Zimmer, nahm sie gleich vorsichtshalber in den Arm und ging mit ihr, unvorbereitet und überrumpelt wie sie nun war, in Richtung Kontrollraum. Er drückte die Blondine freundschaftlich an sich und erwiderte mit einem grimmigen Gesichtsausdruck: „Nein, nur Saber. Weiß der Geier, was die Rennsemmel schon wieder veranstaltet.“

„Irgendwann kommt er überhaupt nicht mehr wieder.“, bei diesen Worten rang April bereits wieder mit den Tränen. Sie hatte Fireball nicht mehr gesehen, seit sie ihn mitten in der Nacht hatte nähen müssen. Seither war er allen an Bord konsequent aus dem Weg gegangen, früh aufgestanden und spät nachhause gekommen. Bekam April ihn auch nicht mehr zu sehen, sie spürte manchmal nachts seine Anwesenheit. Sie glaubte dann sogar, wenn sie aus ihrem leichten Schlaf aufwachte, er wäre bei ihr im Zimmer gewesen und hatte ihren Schlaf beobachtet, als hätte er darauf gehofft, dass sie aufwachte und noch mit ihm sprach. Aber nie war jemand in ihrem Zimmer gestanden, wenn sie das Licht angemacht hatte.

Colt wollte den aufkeimenden Kummer sofort im Keim ersticken, wer wusste schon, was im Kontrollraum für Neuigkeiten auf sie warteten. Am Ende hatte Saber den Rennfahrer vielleicht noch um die Ecke gebracht, weil der überhaupt nicht mehr zur Vernunft gekommen war. Naja, auf jeden Fall knuffte er April leicht und versprach jovial: „Ach was, der kommt schon wieder, keine Sorge. Und dann wasch ich ihm den Kopf.“

April schmunzelte leicht auf den Gedanken hin und bat Colt schon wieder fröhlicher: „Dann ertränk ihn bitte gleich.“

Sie machte viel im Augenblick durch, alles nur wegen Fireball, da durfte sich auch April mal makabre und gemeine Sprüche erlauben. Es half ihr, denn immerhin wusste sie, wie wörtlich Colt manche Sprichwörter nahm. Das Thema Kopfwaschen war immerhin kurz vor ihrer Bruchlandung hier schon einmal aktuell gewesen und hatte eine ziemliche Überschwemmung auf Ramrod verursacht. Da war alles noch in Ordnung gewesen. Mehr oder weniger halt, aber zumindest hatte jeder im Team gewusst, wo sein Platz war.

Colt hob die rechte Hand und legte sie auf seine Brust. Theatralisch meinte er: „Indianerehrenwort. Und danach mach ich auch wieder sauber. Dieses Mal sogar freiwillig.“

Mit diesen Worten betrat der Cowboy mit April im Arm den Kontrollraum. Saber saß bereits in seiner Satteleinheit und durchforstete hektisch Daten. Den Kuhhirten überkam ein ganz übles Gefühl in der Magengegend, das sah verdammt noch mal ganz und gar nicht gut aus, was Saber da machte. Der Schotte war im Normalfall weder hektisch noch so elendig wortkarg, wie er es im Augenblick war und das machte Colt nervös. Was hatte der Boss bloß zu berichten? Colt räusperte sich gespielt und vermeldete dann: „Private Wilcox und Officer Eagle melden sich zum Rapport, Captain Rider.“

Ohne aufzusehen nickte Saber. Er fand keine Daten über das, was heute Nachmittag geschehen sein musste. Immer noch war nicht klar, ob Captain Hikari bereits gestorben war. Das ließ Sabers Panik nicht gerade weniger werden. Seine Augen blieben auf dem Bildschirm haften, als er kurz neben sich deutete: „Setzt euch. Wir haben Probleme.“
 

Bei diesen Worten plumpste Colt in seine Satteleinheit und hielt sich den Hut fest: „Lass mich raten, welcher Natur die sind. Ziemlich schlitzäugig und aufsässig, wenn ich mich nicht irre. Und ich irre mich nie, wenn ich mich nicht irre.“

April war neben Saber stehen geblieben und äugte auf dessen Konsolen hinab. Wonach suchte er und was war los? Ihr schwante nichts Gutes bei der ganzen Geschichte. Aber auf der anderen Seite, wie viel Schlimmer konnte es schon noch werden? Für die Blondine war klar, dass sie den Tiefpunkt ihrer unfreiwilligen Reise mittlerweile längst erreicht hatten. Von nun an sollte es doch eigentlich wieder bergauf gehen.

Wieder nickte der blonde Highlander. Immer noch nichts gefunden. Das war frustrierend. Warum nur konnte er über diesen Angriff nichts im Archiv von Ramrod finden? Die Geschichte erfand sich doch ständig neu, ihr Archiv müsste sich demnach auch ständig erneuern und ändern, weshalb aber fand er über diesen Angriff nichts? Der Schotte raufte sich die Haare. Er wollte diese Option endlich ausschließen können, er wollte sich nicht den Rest seines Lebens Vorwürfe machen müssen, Fireball verschwinden gesehen zu haben. Nicht so bei der Sache, wie er sonst war, erklärte er den beiden Kollegen: „Das Oberkommando wurde angegriffen. Captain Hikari ist weg und Fireball verschwunden.“

Seine Augen scannten immer noch jeden einzelnen Eintrag des Computers. Noch immer nichts. Er hatte kaum auf seine eigenen Worte geachtet, denn sonst wäre ihm aufgefallen, dass er sich selten unklar ausgedrückt hatte.

Ängstlich legte April ihre Hände ineinander, fast so, als faltete sie sie zu einem Gebet. Ihre blauen Augen hafteten an Saber und dessen ausdrucksloser Miene. Schlimme Befürchtungen keimten in ihr auf.

Wozu hatte er sich überhaupt hingesetzt? Colt hatte im Null komma nichts wieder aus seiner Sitzgelegenheit gefunden und stand neben April, bereit um sie jederzeit in seine schützenden Arme zu nehmen. Er konnte mit Sabers Angaben rein und absolut nichts anfangen, April offenbar auch nicht, sonst hätte sie entweder schon etwas erwidert, oder zu weinen angefangen. Weder das eine noch das andere hatte sie getan, also stand er nicht alleine auf der berühmt berüchtigten Leitung. Er hakte ungeduldig nach: „Wie? Das Oberkommando wurde angegriffen? Von wem? Outridern? Und was hat das mit den zwei Hikaris auf sich?“

Endlich sah Saber zu den beiden auf. Das fragte Colt jetzt aber nicht im Ernst, oder? „Hab ich…?“, er kratzte sich am Kopf und nachdem er merkte, dass sowohl der Scharfschütze als auch April so fragend und irritiert drein blickten, begann er noch einmal von vorne. Er hatte wohl zu viel auf einmal weggelassen. Nun widmete er seine gesamte Aufmerksamkeit seinen beiden verbliebenen Freunden und den Fragen, die Colt auf ihn torpediert hatte. Die Artikel mussten warten: „Oh… Also, die Sache ist die. Die Outrider haben einen Überraschungsangriff auf das Oberkommando geflogen, zumindest hat Fireball mir das so gesagt. Sein Vater ist mit seiner Staffel hoch um Yuma zu verteidigen.“

Reichlich blass um die Nase unterbrach April ihren Vorgesetzten: „Sag jetzt bitte nicht, dass Fireball da mit hoch ist?“

Bei dem Gedanken daran begannen ihre Augen schon verdächtig zu schimmern. Fireball mochte viel in der letzten Zeit angerichtet haben, aber das änderte nichts an der Tatsache, dass er immer noch ein guter Freund von ihnen war. Es änderte auch nichts an Aprils Gefühlen für den Piloten. Nun hören zu müssen, dass er mit seiner Verletzung auch noch einen Angriff mitflog, würde April den Boden unter den Füßen wegziehen.

„Nein, sein Vater hat es ihm verboten.“, gerade noch rechtzeitig, bevor April die erste Träne geweint hatte, hatte Saber ihr die aufkeimende Angst nehmen können. Nur war das ein schwacher Trost, wenn er bedachte, was er den beiden gleich noch antun würde. Traurig blickten seine Augen deswegen zu Colt und April auf.

„Ein Glück.“ Zumindest war das für Colt nun sonnenklar. Wenn der Krümel nicht mitgeflogen war, konnte ihm nicht allzu viel fehlen.

April sah das alles nicht so, wie Colt. Fireball war nicht an Bord zurück gekommen. Da war noch wesentlich mehr im Busch, als Saber schon erzählt hatte. Warum nur wurde sie das Gefühl nicht los, dass sich gleich der Boden unter ihr auftat und sie in ein tiefes Loch fallen würde? Obwohl sie Angst vor der Antwort hatte, fragte sie mit zitternden Knien: „Wenn er nicht mitgeflogen ist, wieso ist er nicht mit dir zurück an Bord gekommen, Saber?“

Der Schotte biss sich unweigerlich auf die Lippen. Welche Worte waren in einer Lage wie dieser die richtigen? Saber hatte keine Ahnung. Er hatte noch nie Familienmitgliedern mitteilen müssen, dass einer ihrer Kameraden gefallen war. Saber schüttelte den Kopf, das war etwas ganz anderes. Seine Augen wanderten von Colt, der mit allem einverstanden zu sein schien, solange der Rennfahrer nichts ausgefressen hatte, zu April hinüber. Da erkannte Saber, dass nichts, was er sagen würde, ihren Schmerz würde lindern können. Und nichts würde ihm helfen, es schön zu umschreiben. Seine Augen hafteten an April, ehe er leise hervorbrachte: „Er ist weg, Freunde.“

„Wie weg?“, Colt zog eine verdatterte Grimasse, während er den Hut aus der Stirn stupste. Irgendwas hatte Saber da nicht so erzählt, wie er hätte sollen. Das stank doch zum Himmel, stank es doch! Colt stemmte die Arme in die Hüften und bekundete, wie glaubwürdig er die Worte fand: „In Luft kann er sich doch nicht aufgelöst haben.“

„Doch.“ Saber wandte schuldbewusst den Blick von seinen Freunden ab. Colt hatte wieder mal unbeabsichtigt ins Schwarze getroffen. Schuldgefühle nagten an Saber und den anklagenden Blick von Colt brauchte er nicht zu sehen, um ihn zu spüren. Saber konnte die beiden nicht ansehen, denn er kämpfte immer noch mit dem, was er kurz zuvor erlebt hatte. Fireball war vor seinen Augen verschwunden, war Stück für Stück durchscheinender geworden, bis er schließlich gar nicht mehr zu sehen gewesen war. Er hatte nie existiert. Saber schluckte schwer und senkte den Kopf. Hätte er ihn doch nicht so angefahren. Sabers Gedanken geißelten ihn, sie quälten ihn. Und auch, dass er noch nichts hatte finden können, das Fireballs Verschwinden plausibler erklärte, als der Tod seines Vaters, ließ Saber schier verzweifeln. Wie musste es dann erst seinen Freunden gehen?

April fiel in das befürchtete Loch. Ihre Lippen bebten, eine dicke Träne nach der anderen kullerte über ihre Wangen. Ihre klaren, blauen Augen spiegelten das Unglück wider, das ihnen gerade widerfahren war. April wusste nicht, wohin mit ihren Händen, wohin mit ihren Gefühlen. Alles brach gerade über sie herein, wie eine Sturmflut und schwemmte sie weg. Es schien sie fortzuspülen und ertränken zu wollen. Ein unglückliches Schluchzen verließ ihren Mund, ehe sie ihr Gesicht in ihren Händen vergrub und hemmungslos zu weinen begann.

Dafür also hatte Colt die Taschentücher holen müssen. Sofort war er mit einem zur Stelle, nahm April in den Arm und drückte ihren Kopf an seine Brust. Sie sollte sich ruhig an ihm festhalten und spüren, dass jemand bei ihr war. Der Cowboy musste das erst mal sacken lassen. Er verstand es ganz einfach noch nicht. Wie verschwunden? Ihm war das alles viel zu hoch. Und noch ehe ihm eingefallen wäre, was er Saber fragen könnte, hatte April gewimmert: „Weshalb ist er verschwunden, Saber?“

„Ich weiß es nicht.“, es war selten, dass der Schotte diese Worte gebrauchte. Gerade deswegen verstärkten sie den Ernst der Lage. Wenn Saber nicht mehr weiter wusste, dann konnten sie sich gleich die Kugel geben. Immer wieder blätterte er das Archiv des großen Cowboys durch, in der Hoffnung etwas zu finden, das Fireballs letzte Vermutung zerschlagen oder bestätigen würde. Aber nichts. Die Berichte sprachen immer noch vom Morgen des 27. Juli 2067, an dem Captain Shinji Hikari sein Leben verloren hatte. Aber wenn es das nicht war, weshalb war Fireball dann verschwunden?
 

Gespenstische Stille legte sich wie ein Schleier über den Friedenswächter. Alle drei schwiegen und waren damit beschäftigt, auf ihre Weise damit klar zu kommen. Unheimlich war diese Stille. April bekam immer wieder eine Gänsehaut und dachte, jemand anderes als Colt würde ihre Hand halten versuchen. Aber das musste sie sich einbilden. Niemand außer ihnen war hier und Saber hatte seine Hände ineinander verschränkt. Colt war der einzige, der sie im Arm hielt.

„Fireball ist im April geboren, oder?“, durchbrach Saber schließlich die Stille. Fieberhaft hatte er überlegt, was wirklich geschehen sein konnte. Wenn seine Freunde ihm jetzt hoffentlich zur Bestätigung zunickten, wäre das vielleicht des Rätsels Lösung.

April wischte sich über die verweinten und nassen Wangen, ehe sie nickte: „Ja. Mitte April.“

Sein Geburtstag war noch nicht lange her und wie jedes Jahr hatten sie auf eine Feier verzichtet. Heuer aus dem einfachen Grund, weil sie zwanzig Jahre vor ihrer Zeit feststeckten und keinem nach Feiern zumute gewesen war. Aber auch so hatte Fireball nie großen Wert darauf gelegt, dass sein Geburtstag gefeiert wurde. Für ihn war das ein Tag wie jeder andere auch. April wünschte sich in diesem Augenblick, er hätte ihn doch mit ihnen gefeiert.

Saber begann augenblicklich zu rechnen und nachzuzählen. Konnte das hinkommen? Wieder biss er sich auf die Lippen. Das ging verdammt knapp zur Sache, aber konnte es sein, dass es das war? Etwas unsicher sah er zu April auf, die immer noch mit Colt neben seiner Satteleinheit stand. Sie war eine Frau, vielleicht kannte sie sich auf diesem Gebiet besser aus, als er. Fragend zog er die Augenbrauen hoch, als er ihr erklärte: „Wir haben jetzt Juni. Kann es sein, dass…?“

„…Papa bei Mama Hikari sein sollte und nicht in der Luft?“, unterbrach Colt ihn aufgeregt. Dann hatten sie ja noch eine Chance, wenn es das war, was er gerade dachte.

Auch April horchte auf und löste sich leicht aus Colts Umarmung. Man konnte sehen, wie sich ihr trauriges Gesicht für einen Augenblick aufhellte, im nächsten jedoch sofort wieder die selben traurigen Augen hatte. Die Blondine schüttelte den Kopf. Nichts bestätigte ihnen diese Annahme.

Ratlos legte Saber den Kopf in seine Hände. Was sollten sie nur machen? Er war am Ende mit seinem Latein. Es war nur eine vage Idee gewesen, dass Jesse diesen Angriff vielleicht so genau getimt hatte, weil er Fireball für immer aus dem Weg haben wollte. Genau das hatte er geschafft, wenn es sein Plan gewesen war. Fireball hatte sich aufgelöst und existierte nicht mehr. Es hatte den hitzköpfigen, aber fröhlichen Rennfahrer niemals gegeben. Der Schotte blinzelte durch seine Finger auf die mittlere Satteleinheit hinüber. Es fehlte was. Es fehlte einer ihrer besten Freunde. Und er hatte nichts dagegen tun können. Saber raufte sich die Haare und stand schließlich auf. Er entschuldigte sich bei seinen Freunden: „Ich muss raus, tut mir leid.“
 

Mit zunehmend gemischten Gefühlen versuchte Shinji, sich einen geregelten Arbeitstag vorzugaukeln. Nach dem Angriff auf das Kavallary Oberkommando war wieder Ruhe eingekehrt. Aber zu welchem Preis? Und welchen Zweck hatte dieser Angriff? Niemand war verletzt worden, die fremden Störenfriede hatten auf keines der Schiffe geschossen. Shinji fand das äußerst merkwürdig. Als er an diesem Tag ins Oberkommando zurückgekommen war, war der Kurze schon nicht mehr hier gewesen. Kein Wunder. Er hatte ihn nachhause geschickt und es war schon beinahe der nächste Morgen, als Shinji es endlich bis in sein eigenes Büro geschafft hatte. Zuerst da hin, dann dort hin, mit allen Beteiligten eine kurze Lagebesprechung, zu guter letzt war er noch bei Charles im Büro gelandet, der nicht nur sein Freund, sondern auch sein direkter Vorgesetzter war und einen kurzen Bericht erwartet hatte.

Als er endlich in seinem Stuhl Platz nahm, holten ihn die Geschehnisse vor dem Angriff wieder ein. Der Arztbericht lag immer noch auf seinem Schreibtisch. Sie hatten ihre Besprechung nicht beendet. Shinji war zum Ende der Unterhaltung noch gleich schlau gewesen, wie am Beginn. Zumindest kam es ihm so vor. Mit einem mulmigen Gefühl nahm er den Bericht zur Hand und begann ihn zu lesen. Am Nachmittag hatte er ihn nur überflogen, hatte gerade mal herauslesen können, dass es sich um eine Stichwunde bei Shinichis Verletzung handelte. Wie schlimm es wirklich war, nun, so weit war er in der Hitze des Gefechts gar nicht gekommen. Shinji stützte den Kopf auf die rechte Hand und durchforstete den Bericht aufmerksam. Zumindest in einem Punkt hatte der Kurze ihn nicht belogen. Die Wunde war bereits medizinisch versorgt gewesen, als er zum Stützpunktarzt kommandiert worden war. Der kleine Frechdachs hatte eine tiefe Schnittwunde unter der linken Rippe, wie durch ein Wunder waren keine inneren Organe verletzt worden. Das erklärte dem Captain zumindest das blasse Gesicht des Kurzen, nicht aber, weshalb er ihn belog. Am liebsten hätte Shinji geschrien, doch über seine Lippen kam lediglich ein bedrücktes Stöhnen. Er hatte das dumpfe Gefühl, dass das noch nicht alles gewesen sein konnte. Recht sollte er behalten, der Captain der Air Strike Base 1.
 

Die Basis war in den kommenden Tagen immer noch in Alarmbereitschaft versetzt, doch zum Glück blieben weitere Angriffe aus. Aber auch etwas anderes blieb aus. Shinichi war weder zum Dienst erschienen noch hatte er sich krank gemeldet. Mit nervös zuckenden Augenbrauen schlich der Captain immer wieder durch die Gänge, immer in der Hoffnung, dass ihm jemand mitteilen konnte, wo Shinichi abgeblieben war. Doch nichts. Niemand hatte den Kurzen seit dem Angriff gesehen oder gesprochen. Es schürte die Besorgnis um den jungen Hitzkopf, gleichzeitig jedoch auch den Argwohn. Der Junge verschwand nach einem missglückten Angriff.

Es ließ Shinji keine Ruhe. Er konnte sich tagsüber auf nichts richtig konzentrieren, musste die meiste Arbeit seinen Geschwaderführern übertragen und träumte nachts schon schlecht davon. Er musste diesem Geheimnis auf die Schliche kommen. Eine innere Unruhe trieb ihn dazu, fast so, als hätte er nicht mehr viel Zeit dafür. Sie trieb ihn unaufhaltsam an, ließ sich nicht mehr abwimmeln. Eines Morgens hielt Shinji es nicht mehr aus. Sein Kopf schien zu platzen, wenn er die nagenden Gedanken weiterhin ignorierte. Hektisch zog er aus seinem Schreibtisch ein Stück Papier und einen Stift, ehe er niederschrieb, was ihm alles durch den Kopf ging. Irgendwie hing alles an Shinichi. Was wusste er alles über den Kurzen? Shinji schrieb jedes noch so unwichtige Detail auf, das er noch in seinem Gedächtnis hatte. Um auf des Rätsels Lösung zu kommen, bedurfte es des unerfahrenen Piloten. Doch der war nicht mehr da. Der Teufel alleine wusste, wo er hin verschwunden war! Shinji raufte sich die Haare. Das durfte doch nicht wahr sein! Irgendjemand musste doch wissen, wo er sich aufhielt oder zumindest wo er nach ihm suchen musste. Dann überfiel ihn die rettende Idee. Shinichis Freunde! Die vier wohnten zusammen. Nur wo? Was hatte der Kurze ihm erzählt? Shinji strengte sich an, brachte seine grauen Zellen zu Höchstleistungen, bis er endlich eine grobe Richtung hatte. Enthusiastisch, weil er nun endlich sein Unbehagen und seine Angst in eine Bahn lenken konnte, stieß Shinji den Stuhl zurück und stand auf. Den Notizzettel steckte er schnell und unvorsichtig in die Hosentasche. Kurz darauf war der Japaner auch schon aus dem Oberkommando verschwunden, mit dem festen Vorhaben, herauszufinden, wer diesen Angriff geflogen hatte und was sein Neuzugang damit zu tun hatte.
 

Außerhalb der Stadt wohnte er, am Waldrand, das hatte Shinichi ihm erzählt. Es gab außerhalb von Yuma nur einen Wald, der war dafür aber groß angelegt. Da gab es viel Waldrand zu durchforsten. Trotzdem ließ sich Shinji davon nicht entmutigen und er würde den Teufel tun und jemanden dabei um Hilfe bitten. Er wollte niemanden beunruhigen, bevor er nicht wusste, was wirklich los war und womit sie es zu tun hatten.

Der Pilot verließ sich auf seinen guten Spürsinn und ließ sich von seiner Intuition leiten. Die hatte ihn schon öfter auf eine heiße Spur geführt und der Japaner war Manns genug, das auch zuzugeben. Sein Weg führte ihn über einen Waldweg, durch dichtbewaldetes Terrain, bis er schließlich nach einer halben Ewigkeit auf einer Lichtung ankam. Augenblicklich erstarrte Shinji in seiner Bewegung. Was war denn das?!

Vor ihm auf der Lichtung baute sich ein riesiger, schwarzer Koloss auf. Shinji wusste nicht, womit er es da zu tun hatte, jedenfalls aber sah dieses Ungetüm bedrohlich und gefährlich aus. Hatte es etwas mit dem Angriff zu tun? Er musste es herausfinden. Auf der Stelle! Der Captain holte sein Com-Gerät heraus und funkte seinen Freund an, dem er in dieser Situation uneingeschränkt vertraute: „Ich hab da was Interessantes gefunden. Seh‘ mir das mal aus der Nähe an und meld‘ mich dann wieder.“

Ohne auf eine Reaktion zu warten, schaltete Shinji sein Funkgerät aus, nicht, dass es ihn im falschen Moment verriet. Er atmete tief durch, ehe er in geduckter Haltung über die Lichtung auf dieses Ungetüm zu huschte. Es hatte die Fahrwerke ausgefahren und je näher er kam, desto deutlicher wurde, dass es sich um ein Flugzeug handeln musste. Aber Shinji hatte ein solches noch nie zuvor gesehen. Und ganz offenbar war es auch nicht abgestürzt aus, an dem schwarzen Stahlvogel war noch alles heil. Bedrohlich glänzte das dunkle Metall an der Außenhülle. Immer noch konnte er nicht genau sagen, was es war, aber der Captain war sich sicher, dass es ein Schiff ihrer unbekannten Feinde sein musste, ansonsten würde sich dieses Ungetüm nicht im Wald verstecken.

Da knackte etwas hinter ihm. Sofort sprang Shinji hinter die riesigen Reifen in Deckung und drückte sich an den Gummi. Im nächsten Moment zuckte er wieder zusammen. Da konnte doch nur der Alarm losgehen, aber er hatte auf die Schnelle keine bessere Deckung mehr finden können. Wider Erwarten tat sich nichts. Aber gar nichts. Weder tauchte aus dem Schatten des Waldes jemand auf, noch ging der befürchtete Alarm los. Shinji atmete tief durch. Das war gerade noch mal gut gegangen, dennoch blieb er vorerst in seinem Versteck. Er sah am Fahrwerk nach oben. Wie groß war dieser Koloss? Mehr als fünf Meter? Er wunderte sich, dass sie den nie auf den Schirm bekommen hatten, der Radar hätte das doch auffangen müssen! Shinji musste mit den Jungs von der Bodenkontrolle mal ein ernstes Wörtchen wechseln, das hätte sie schon längst den Kopf kosten können, wie er alarmiert festhielt.

Das Schiff lag ruhig und friedlich da, fast als wäre es verlassen worden. Doch immer noch wirkte es enorm bedrohlich auf den Captain. Angespannt, durch die letzten Vorkommnisse konnte das nur ein feindliches Kriegsschiff sein. Vorsichtig traute sich Shinji wieder aus seinem Versteck hervor. Er erkundete mit Argusaugen dieses Ungetüm. Wie kam er dort bloß hinein? Er musste es unschädlich machen, bevor es sie angreifen konnte. Nirgendwo ein Eingang zu sehen. Hm, aber es musste doch einen geben!

Da öffnete sich mit einem bedrohlichen Zischen etwas über ihm. Shinji sprang ein weiteres Mal in Deckung und konnte mit ansehen, wie sich seine Fahrkarte ins Innere des Schiffes öffnete. Niemand kam heraus und niemand näherte sich dem Schiff, also entschied er sich, sofort die Rampe hinauf zu laufen und seine Erkundungstour drinnen fort zu setzen.
 

So etwas hatte er noch nie gesehen. Hinter Shinji schloss sich die Rampe plötzlich wieder, erschrocken drehte sich der Captain danach um. Das alles war seltsam, sein Puls raste und ganz sicher war er sich nicht, ob er lebend davon kam. Aber nun war er schon einmal hier und deswegen würde er nach einem Weg suchen, dieses Schiff zu vernichten. Shinji sah sich in diesem Raum um. Sah wie ein Hangar für ihn aus. Ein Jet stand neben einem Robotpferd. Shinji drehte sich um und suchte nach einem Weg, wie er zur Steuerung des Schiffes gelangen konnte, als ihm seine Entdeckung bewusst wurde. Ein Robotpferd?! Er musste sich geirrt haben. Noch einmal warf er einen Blick auf das schwarzweiße Pferd mit der Schweizer Flagge auf der Brust. Nein, echtes Pferd war das bestimmt keines. Es schien aus dem selben Material zu sein, wie dieses Schiff. Der Captain runzelte die Stirn und speicherte die Information erst mal so ab. Damit musste er sich später noch näher befassen, wenn er die Zeit dazu noch hatte.

Aufmerksam und immer darauf bedacht, niemandem zu begegnen huschte Shinji durch die Gänge des Kolosses. Vor jeder Tür horchte er angestrengt, ob er etwas hören konnte, bevor er hineinschlich. Nein, das war das Badezimmer gewesen. Das ein Aufenthaltsraum. Shinji fragte sich langsam, ob hier auch gewohnt wurde. Ganz klar war das Schiff für lange Reisen im All ausgelegt, nur die Brücke, die konnte er auf die Schnelle nicht finden. Immer noch schlich der Captain durch die Gänge und kam aus dem Staunen nicht heraus. Hochinteressant war dieses Gebilde, in dem er sich befand. Gleichzeitig aber fragte er sich, wie so etwas entwickelt worden sein konnte. Er kannte niemanden, der diese Technologie kennen konnte. Jarred baute immerhin erst eine eigene Einheit auf, er war noch weit davon entfernt, Schiffe zu bauen, wie dieses. Es musste einfach eines der unbekannten Angreifer sein.

Shinji fand sich vor einer großen Glasfront wieder. Ungläubig starrte er in den Raum hinein. Okay, er hatte den Kontrollraum gefunden, aber das half ihm gerade gar nicht. Vier gelbe Module bauten sich vor ihm auf, in einer eigenartigen Anordnung. Unbemerkt war er auf das Schiff gekommen und auch in das Herzstück. Die Sicherheitsvorkehrungen waren extrem lausig, wie er fand. Längst hätte ihn jemand bemerken müssen. Vorausgesetzt, es war jemand an Bord.

Vorsichtig ging Shinji in den Raum hinein. Es war überwältigend. So etwas hatte er noch nie gesehen. Um dieses Schiff kampfunfähig zu machen, bedurfte es seiner ganzen Fantasie. Angespannt ging er auf das erste Modul zu, das mit dem Rücken zur Glasfront stand. Shinji lugte hinein. Waren das Navigationsgeräte? Der Bildschirm trug die Handschrift des Oberkommandos, hatten die Fremden bei ihnen abgekupfert? Hatte Shinichi am Ende das Oberkommando infiltriert und ausgehorcht? Shinji stand mit einem beklemmenden Gefühl wieder auf. Er ging zur nächsten Satteleinheit, es war die, die vorne rechts positioniert war. Waffensysteme. Oh mein Gott, die waren hier bis auf die Zähne bewaffnet. Hitzeraketen, Schnellfeuerwaffen und Laser. Dieses Schiff war mit allem ausgerüstet, was tödlich enden konnte. Shinji ging zur nächsten Satteleinheit weiter, vorbei an der großen Fensterscheibe. Er blieb kurz stehen und spähte hinaus. Der Ausblick war überwältigend. Aber das sollte ihn doch gerade überhaupt nicht interessieren! Shinji rief sich zur Ordnung, wer wusste schon, wie lange er wirklich noch unentdeckt blieb. Sein nächstes Ziel war das Modul ganz links. Er beugte sich hinunter. Ganz klar war ihm nicht, wofür die Tastatur und der Bildschirm gut sein sollten, aber auch hier vermutete der Captain eine überlebenswichtige Funktion dahinter. Wieder richtete er sich auf. Konnte das Modul in der Mitte nur einen Zweck erfüllen. Irgendwie musste der schwerfällige Vogel auch in die Luft kommen. Mit Herzklopfen ging Shinji auf die mittlere Satteleinheit zu. Ja, ganz klar. Das war der Platz des Piloten. Er wusste nicht, weshalb, aber diesen Platz wollte er aus der Nähe inspizieren. Shinjis Finger glitten über einen Schubregler. Dieses Schiff musste ordentlich Power unter der Haube haben, sonst wäre es für den Kampfeinsatz nicht gut genug gewesen. Vorsichtig setzte er sich hinein. Der Pilot musste hier viele Kontrollen im Auge behalten und Gespür für dieses riesige Schiff haben. Gebannt und auch nervös besah der Captain diesen Arbeitsplatz. Sein Cockpit im Jet war dagegen leer und karg eingerichtet. Er hätte längst gehen sollen, immerhin hatte er gesehen, was er sehen wollte und dabei gemerkt, dass er keine Ahnung hatte, wie man dieses Schiff ausschalten konnte. Aber Shinji brachte es nicht fertig. Er saß in diesem Modul, sein Fliegerherz schlug höher. Wofür war der rote Knopf in der Mitte der Konsole? Der Pilot zog die Augenbrauen nach oben. Er legte seine Hände um beide Schubregler. Ein seltsames Gefühl breitete sich in ihm aus.
 

Die letzten Tage waren schrecklich gewesen, alle waren mit bedrückten Mienen durch das Schiff gelaufen. April konnte seither kaum eine Nacht durchschlafen. Und Saber schien es ähnlich zu gehen. Aus welchen Gründen auch immer, gab er sich die Schuld an Fireballs Verschwindetrick. April verstand das alles nicht. Aber da war sie nicht die einzige. Die vergangenen Tage hatten sie viel zusammen gesessen und sich beratschlagt. Alle hofften, dass das alles vielleicht nur vorübergehend war, denn immerhin konnten sie sich alle noch an die Frohnatur in Form des Rennfahrers erinnern.

April trat in den Kontrollraum, weil sie die neuesten Daten von ihrem Laptop ins System überspielen wollte. Vielleicht hatten sie einen Weg gefunden, um endlich nachhause zu kommen. Die Blondine legte den Laptop neben ihrer Satteleinheit auf den Boden und wollte sich gerade hinein setzen, als sie dachte, sie wäre nicht allein hier. Sofort stand sie wieder auf und sah sich um. Hm, Colt und Saber waren nicht nachgekommen. Sie musste sich getäuscht haben. Trotzdem wandte sie sich der großen Glasfront und den drei vorderen Satteleinheiten zu. Ein dunkelbrauner Haarschopf leuchtete ihr aus der mittleren entgegen. Sie musste sich vertan haben. Ungläubig rieb sie sich die Augen und ihr Herz schlug plötzlich bis zum Hals. April ging auf die Satteleinheit zu. Mit gebrochener Stimme flüsterte sie: „Fire…“

„Bitte?“, erschrocken sprang Shinji aus der Satteleinheit. Er hatte sie gar nicht kommen gehört. Auf alles gefasst, drehte er sich zu seinem ungebetenen Gast herum. Das blonde Mädchen hatte ihn entdeckt. Aber das konnte nicht sein. Sie hatte nicht ihn in der Satteleinheit sitzen sehen, sondern den Kurzen. Fire musste die Kurzform von Fireball sein und so wurde er generell von den Freunden gerufen. Shinji spannte sich. Was zum Teufel war hier los?

April blieb das Herz stehen, als sie den Captain aus Fireballs Modul hüpfen sah. Um Gottes Willen, wie hatte er nur hier reinkommen können? Einen kurzen Augenblick hatte sie wirklich gedacht, der Rennfahrer, ihr Fireball wäre wieder zurückgekommen. Doch es war nur sein Vater. Die Blondine hatte keine Zeit um lange zu überlegen. Sie ging in die Grundstellung, jederzeit bereit, um auf einen eventuellen Angriff reagieren zu können. Allerdings stammelte sie überfahren: „Captain? …Wie… Unmöglich…“

Ramrod hätte Alarm schlagen müssen, aber das hatte er nicht! Kein einziger Warnton war auf dem Schiff zu hören gewesen. Und April war sich sicher gewesen, dass sie die Rampe geschlossen hatten. Wie war Fireballs Vater nur hier rein gekommen? Sicher, sie hatten damit gerechnet, dass er zu suchen anfangen würde, aber dass er sie so schnell fand, damit hatte nicht einmal Saber gerechnet.

Shinji hatte nicht vor, dem Mädchen etwas zu tun, allerdings war der Argwohn gerade das einzige, an das er noch denken konnte. Irgendetwas war hier im Busch, die Kinder waren nicht das, was sie vorgaben, also musste er auf alles gefasst sein. Schritt für Schritt ging er auf die Blondine zu, dabei hob er die Hände, bereit um sich zu verteidigen, sollte sie ihn angreifen. Wie sehr ihm die Situation widerstrebte, konnte April seiner Stimme entnehmen: „Du hast den Kurzen hier erwartet, nicht wahr?“

„Wo ist er, Captain?“, April fuhr Shinji ungehalten an. Sie wusste nicht, was sie gerade fühlte. Auf der einen Seite war sie erleichtert, immerhin war Fireballs Vater am Leben und damit bestand auch die Hoffnung, dass Fireball noch irgendwo rumgeisterte. Aber der Vater und nicht der Sohn stand hier. April wurde energisch. Hätte sie eigentlich Fireball spüren lassen wollen, wie sehr sie das alles kränkte, sie warf es Shinji an den Kopf. Das lag daran, dass sich Vater und Sohn derart ähnlich waren und April sich sehnlichst den Hitzkopf wieder zurück wünschte. Sie wollte Fireball wieder haben, den frechen Rennfahrer. Sie fuhr ihn wieder an: „Und dann wüsste ich gerne, wie Sie hier reingekommen sind.“

Shinji blieb wie angewurzelt stehen. Sie wollte von ihm wissen, wo der Kurze abgeblieben war? Also, das war ja mal ein starkes Stück. Mit blitzenden, braunen Augen konterte er: „Das sollte doch eher ich dich fragen. Ich hab ihn nachhause geschickt, weil er verletzt zum Dienst erschienen ist.“

Er hatte ihn nachhause geschickt. Hier her. Dem Captain wurde angesichts der blauen Augen langsam klar, dass sein Pilot hier niemals aufgetaucht war. Aber weshalb? Unter all den Zorn und die vielen offenen Fragen mischte sich zu allem Überfluss nun auch noch Sorge. Auch, wenn sein Verstand ihm klipp und klar vorhielt, dass Fireball etwas mit dem Angriff zu tun hatte, sein Bauchgefühl mahnte dem Jungen ein schreckliches Schicksal an. Shinji bemerkte die Wut, vor allem aber auch die Hoffnungslosigkeit, die sich in den blauen Augen der Blondine spiegelten. Nur auf welcher Seite standen sie? Der Captain wusste es nicht. Er konnte es nicht sagen, absolut nicht.

Die Navigatorin nahm unterdessen allen Mut zusammen, den sie aufbringen konnte und erstaunlicherweise war das sehr viel, und kam ebenfalls ein paar Schritte auf den Captain zu. Sie forderte Antworten ein: „Noch mal, Captain Hikari. Wie kommen Sie hier her? Was wollen Sie von uns?“

April kam dabei gar nicht auf den Gedanken, vor ihm zurück zu weichen. Viel eher fühlte es sich an, als würde sie mit Fireball einen Streit austragen. Und wie sie sich den Rennfahrer zurechtlegen konnte, das wusste sie. Nein, sie würde nicht klein bei geben und hoffen, dass der Captain dieses Geheimnis für sich behielt.

„Was ich von euch will?!“, das schlug dem Fass den Boden aus. Wütend machte er die letzten Schritte auf April zu und packte das Mädchen an den Schultern. Er schüttelte sie und ließ keinen Zweifel daran, dass er die Ungeduld mit seinem Sohn teilte. Shinji fauchte aufgebracht: „Was wollt ihr hier? Wieso ist Fireball verschwunden und Teufel, wehe du lügst mich an! Verflucht, seid ihr für den Angriff verantwortlich?“

Behände schlug April die Hände des Captains von sich. Sofort schaffte sie eine Distanz, in der sie außer Reichweite für Shinji war. Ihre blauen Augen funkelten und sie schrie: „Nein, wir haben mit dem Angriff nichts zu tun, Captain. Wir sollten gar nicht hier sein.“

Das alles führte zu nichts. Shinji wusste nicht, worauf er vertrauen sollte. Auf seinen Kopf oder auf sein Gefühl? Beides hätte in diesem Augenblick nicht unterschiedlicherer Meinung sein können. Der Kopf, also sein klarer und scharfer Verstand, brüllte ihm zu, dass hier ein falsches Spiel im Gange war und alle in Yuma in Gefahr waren. Gleichzeitig aber wollte ihm sein Gefühl einreden, dass die Freunde rund um Shinichi nichts damit zu tun hatten und das Mädchen die Wahrheit gesagt hatte. Was sollte er nur tun? Sein Puls raste, er war überrascht worden und konnte die Situation gerade sehr schwer einschätzen. Und dann mischten sich zu allem Überfluss auch noch Gefühle dazu. Der Captain der Air Strike Base 1 handelte im Grunde immer rational, aber hier konnte er das nicht mehr. Shinji stand kurz davor, die Nerven zu verlieren. Er hatte Angst vor dem, in das er durch den blutjungen Piloten rein geraten war. Dann sah er sich auch noch mit einem solch gigantischen Schiff konfrontiert und war kaum in der Lage, einen vernünftigen Gedanken zu fassen. Aber er musste es wissen! Alles andere hätte Shinji nicht akzeptieren können. Deswegen forderte er April noch einmal auf: „Wo solltet ihr dann sein? Was ist hier im Gange? Und wo um alles in der Welt ist der Kurze abgeblieben?“

Es hatte sie zu viel Kraft gekostet. Kraft, die April eigentlich gar nicht mehr hatte. Ihre Augen schimmerten traurig und bevor sie etwas sagte, schlug sie sich die Hände vors Gesicht. Der Blondine hatte es gerade einen Stich versetzt. Weshalb hatte sie auch in die Augen des Captain sehen müssen? Als ob Fireball vor ihr stand. Aber er war es nicht! April schluckte schwer, sie musste stark sein. Denn auf Colt und Saber konnte sie sich gerade nicht verlassen. Wer wusste schon, ob die beiden bald auftauchen würden? April wischte sich über die Augen und tat nun etwas, was sie ganz sicher nicht hätte dürfen. Sie straffte ihre Schultern. Dafür brauchte sie allen Mut, denn einen Sturkopf zu überzeugen, war nicht immer einfach. Sie presste hervor: „Unser Pilot ist verschwunden. Er ist weg, weil sich hier Dinge ereignet haben, die nicht hätten geschehen dürfen. Captain, wir gehören ganz sicher nicht zu den Bösen, aber wir gehören auch nicht hier her. Wir gehören nicht in diese Zeit.“

Diplomatisch war sie gewesen, aber das hieß noch lange nichts. Sie wartete darauf, dass auf dem Gesicht des Captains derselbe Ausdruck erschien, wie auf Fireballs Gesicht, wenn er grade den Faden verloren hatte. April war die erste, die Ai endlich voll und ganz verstehen konnte. Der Sohn war wie der Vater. Das bestätigte ihr auch gleich darauf der Captain, der tatsächlich diesen fragenden und überrumpelten Blick zur Schau stellte. Das war zu viel. Das konnte einfach nicht sein! April konnte nicht mehr. Sie lehnte sich an die Brust des Piloten und schluchzte unglücklich: „Helfen Sie uns bitte, Captain Hikari.“

Automatisch schloss er die Arme um das hilflos weinende Mädchen. Bei allem, was Recht war, aber spätestens jetzt konnte er sich nicht mehr vorstellen, dass die vier Freunde etwas mit dem Angriff zu tun hatten. Verwirrt, weil er Aprils Worte überhaupt nicht einordnen konnte und mit ihrer Information nichts anfangen konnte, blieb er mit großen Augen stehen. Er streichelte Commander Eagles Tochter über den Rücken und wollte sie somit beruhigen. Was auch immer geschehen war, der Argwohn den Freunden gegenüber war zwar berechtigt, in diesem Ausmaß aber inakzeptabel gewesen. Shinji drückte ihren Kopf leicht an seine Brust und flüsterte: „Sch.“

Mehr konnte er im Augenblick nicht tun, weil er nicht einmal wusste, worum es ging. Mittlerweile hatte sein Herz die Oberhand bei seinem inneren Disput gewonnen und den Kopf völlig zum Schweigen gebracht. Seine Hilfe wurde gebraucht. Auch, wenn er auf einem Kriegsschiff stand, das Verhalten der jungen Blondine ließ für ihn nur einen Schluss zu. Er konnte ihnen vertrauen. Weshalb nur hatte Shinichi ihm nicht vertraut? Der Captain war immer noch nicht schlauer geworden, über den Verbleib seines Kurzen hatte er immer noch keinerlei Informationen erhalten und was eigentlich genau los war, wusste er auch immer noch nicht. Das einzige, dessen er sich sicher sein konnte, war das arme Mädchen, das sich hilflos an ihn klammerte und todunglücklich weinte.
 

„Na, klasse einfach! Ihr Hikaris bringt unsere Prinzessin echt gern zum Weinen, bringt ihr sie doch!“, mit diesen Worten zog Colt die Blondine aus den Armen des Captains und warf diesem einen verärgerten Blick zu. Er war mit Saber zusammen in den Kontrollraum gegangen, weil sie etwas gehört hatten. Es hatte nach Streit geklungen und es hatte sich nach April und Fireball angehört. Sie hatten gedacht, ihr Rennfahrer wäre wieder aufgetaucht und April hätte ihm die Leviten gelesen, denn recht viel mehr als gedämpfte Laute waren nicht bis in die Küche gedrungen. Dass nun statt Fireball sein Vater im Kontrollraum stand, war für Colt grad zweitrangig. Der war doch auch bloß ein Hikari, ein grober Klotz, der von ihrer Prinzessin keine Ahnung hatte! Der Cowboy begann sofort damit, April zu trösten.

Verdattert hatte Shinji beobachtet, wie ihm das Mädchen aus den Armen gezogen worden war und er einen Blick zugeworfen bekommen hatte, der wohl einen Mann in Colts Alter in Angst und Schrecken versetzt hätte. Allerdings hatte Shinji weniger mit dem Blick als mit den Worten des Lockenkopfs seine Schwierigkeiten. ‚Ihr Hikaris‘? Er war der einzige Spross aus seiner Familie, das wusste Shinji ziemlich sicher. Wenn seine Eltern noch einmal Nachwuchs erwartet hätten, dann wär ihm das mit hoher Wahrscheinlichkeit aufgefallen. Und er selbst hatte kein Kind. Schon gar keines im Alter dieser drei Jungspunde. Der fragende Blick wurde mit Auftauchen des Cowboys nicht besser, eher noch verwirrter, aber auch besorgter. Wo war er da nur rein geraten? Angespannt wollte er von Colt schließlich wissen: „Wie meinst du das ‚ihr Hikaris‘?“

Colt wollte gerade zu herzhaften Protest ansetzen und dem Captain mal ordentlich den Marsch blasen, weil der aber so gleich gar nichts in den richtigen Trichter bekam, da wurde er von Saber unterbrochen. Der Schotte deutete Colt mit einer Handbewegung den Mund zu halten und es nicht noch schlimmer zu machen.

Der Captain war tatsächlich gekommen. Wenige Tage nach Fireballs Verschwinden schon. Saber hatte nicht damit gerechnet, sehr wohl aber damit, dass er sich schlau machen würde. Der Highlander überlegte einige Momente, was er am besten tun konnte. Doch er kam nur zu einem einzigen Schluss, angesichts dieser Lage. Er konnte sich nicht mehr an den Befehl halten, den er allen anderen gegeben hatte. Ihr Pilot, einer ihrer besten Freunde war bereits verschwunden. Wie viel schlimmer konnten sie ihre eigene Zeit noch beeinflussen, als sie es ohnehin schon getan hatten? Saber wandte sich ruhig an Colt und bat ihn: „Kümmere dich bitte um April, Kumpel. Geht raus, ja?“

Während Colt mal ausnahmsweise ohne Widerworte mit April das Weite suchte, kam Shinji überhaupt nicht mehr mit. Er starrte der Blondine hinter her. Er murmelte verwirrt: „April?“

Der Schotte legte Fireballs Vater eine Hand auf die Schulter. Die Reaktionen kamen Saber vertraut vor, weshalb er genau wusste, wie er sich zu verhalten hatte. Zuerst musste der blonde Highlander für Durchblick sorgen, sonst würde er niemals vernünftig mit dem Captain reden können. Das kannte er von Fireball. Bis man ihm die großen W-Fragen nicht beantwortet hatte, war der meistens so durch den Wind, das alles zu spät war. Das hatte nichts mit Neugier zu tun, nur konnte der Hitzkopf mit halbschwachen Informationen meistens gar nichts anfangen und die Lage richtig einschätzen. Er verließ sich nur ungerne blind auf andere, auch, wenn es seine besten Freunde waren. Saber senkte bei dem Gedanken daran betreten den Kopf.

Er führte den Captain einige Schritte durch den Kontrollraum, dabei überlegte er sich die richtigen Worte. Nur, was waren in so einem Fall die richtigen Worte? Saber hatte keine Idee, wo er anfangen sollte, was er genau sagen sollte und was er lieber verschwieg.

Unbehaglich stellte der Captain fest, dass er da wohl wirklich in ein Desaster größeren Ausmaßes geschlittert war und das nur, weil er nicht still hatte rumsitzen können und warten, bis der verflixte kleine Pilot wieder auf dem Stützpunkt auftauchte. Eigentlich hatte Shinji gedacht, die Jahre, in denen er vor Unruhe beinahe geplatzt wäre, waren vergangen. Nachdem der Blondschopf ihn mit sich zog, nahm er folgendes an: „Du bist der Boss hier?“

Saber nickte leicht: „Ja, Sir. Ich befehlige Ramrod.“

„Na, dann klär mich mal auf, Junge.“, Shinji verschränkte die Arme vor der Brust und nahm eine abwartende Haltung an. Ganz bestimmt war dieses Schiff hier eine militärische Einrichtung, wer sonst hätte die Mittel und das Knowhow für den Bau eines solchen Ungetüms. Für ihn war es schwer vorstellbar, dass der blonde Junge vor ihm der Captain hier sein sollte. Der Kleine war doch noch grün hinter den Ohren. Sie alle waren noch mehr Kinder als Erwachsene. Wer beging einen solchen Leichtsinn und stellte Jugendliche in seine Dienste? Er wartete mit einem ganzen Fragenkatalog auf, der sich inzwischen angehäuft hatte: „Wo bin ich hier gelandet? Wer seid ihr? Wo gehört ihr dazu? Was war mit dem Angriff vor einigen Tagen und ganz wichtig: Was ist hier los?“

Da waren die wichtigsten Fragen. Kurz, prägnant und undiplomatisch formuliert. Saber war schwer erstaunt, wie ähnlich sich Vater und Sohn im Verhalten waren, obwohl sie einander nie kennen lernen durften. Das war schier unheimlich. Aber Saber hatte im Laufe ihres Aufenthaltes hier gelernt, dass unheimlich und schräg Gegebenheiten waren, die in dieser fremden Welt einfach als gegeben zu akzeptieren waren und einfach die Regeln jeglicher Normalität außer Kraft setzten. Der Schotte bemühte sich, alle Fragen so gut als möglich zu beantworten. Er setzte sich deshalb in seine Satteleinheit und überprüfte eine Ahnung, die ihn just überfallen hatte. Weshalb hatte Ramrod nicht auf Captain Hikari reagiert? Während er das durch den Computer abklären ließ, wandte er sich an den Captain: „Gut. Ich fange am besten ganz vorne an. Wir gehören zum Kavallary Oberkommando, Sir. Wir sind eine Spezialeinheit, allerdings nicht hier, sondern auf Yuma des Jahres 2086. Wir wurden während eines Angriffes irgendwie versehentlich in diese Zeit befördert und haben seither versucht, einen Weg nachhause zu finden und nicht in die Geschehnisse hier einzugreifen.“

„Moment mal!“, Shinji kam zu Saber hinab, er ging in die Hocke und hielt sich mit der rechten Hand an der oberen Verstrebung der Satteleinheit fest. Das war ihm jetzt zu schnell gegangen. Shinji warf Saber einen absolut überforderten Blick zu und rekapitulierte: „2086 sagst du? Also, bitte, das kaufst du dir doch selber nicht ab, Junge. Das ist erst in zwanzig Jahren.“

Er stand wieder auf. Das klang zu unglaublich um tatsächlich wahr zu sein. Aber andererseits. Weshalb sollte der Blondschopf ihn belügen? Shinji versuchte die Fakten zusammenzuzählen. Die seltsame Gewissheit über manche zukünftige Dinge, die Shinichi an den Tag gelegt hatte, der Name der jungen Blondine und nicht zuletzt dieses Schiff, auf dem er sich befand und dessen Technologie unmöglich vom Oberkommando stammen konnte, stießen ihn darauf, dass Saber nicht gelogen hatte. Aber es herrschte doch Frieden! Völlig durcheinander fuhr sich Shinji durch die Haare und kratzte sich anschließend am Kinn. Saber hatte etwas von einem Angriff gesagt. Shinji versuchte, einen kühlen Kopf zu behalten. Aber das war in dieser Situation gerade alles andere als einfach. Immer mehr Punkte kamen auf seine ohnehin schon elendig lange Liste und keiner davon schien sich mit Sabers Worten in Wohlgefallen aufzulösen. Wieder sah er auf den Schotten hinab, atmete tief durch und ging wieder in die Hocke. Das musste in Ruhe besprochen werden, der Junge sah nicht aus, als würde er ihn nun noch dumm sterben lassen. Shinji packte also die gedankliche Liste wieder aus und ackerte sich Punkt für Punkt mit Saber durch. Er bekam alles erklärt, mit einer Seelenruhe und einer Sachlichkeit, die Shinji in Erstaunen versetzte. Jemand in Sabers Alter reagierte normalerweise nicht so reif, wie es der Anführer dieser Einheit tat.

Saber gab sich die größte Mühe, dem Captain alle seine Fragen zu beantworten und ihm eine erste Orientierung zu verschaffen. Immer wieder, wenn Saber den Captain ansah, ihm zuhörte und seine Gesten beobachtete, begannen Schuldgefühle an dem Schotten zu nagen. Fireball war verschwunden, ohne dass er ihm hatte helfen können. Und niemand wusste, ob und wann er überhaupt wieder auftauchen würde. Saber gab bereitwillig Auskunft über alles, was der Captain wissen wollte. Als die groben Details geklärt waren und der Captain sich davon überzeugt hatte, dass die vier wirklich friedliche Absichten mit dem – wie hatte Saber den Koloss genannt? – Friedenswächter hatten, war für Saber die Sache abgefrühstückt. Shinji würde ihnen helfen und sie nicht verraten. Er würde verhindern, dass noch größeres Chaos ausbrach.

Nur war das dem Captain der Air Strike Base 1 noch nicht genug. Bei Shinichi hatte er das Gefühl gehabt, er müsse dem Kurzen ein Vater sein, bei April lächerlicherweise geglaubt, er würde sie irgendwoher kennen. Er wusste nun, dass die vier lediglich Interesse daran hatten, nachhause zu kommen und die Zeit ihren Verlauf nehmen zu lassen. In Zukunft würde Krieg herrschen, doch Shinji konnte sich das nicht vorstellen. Yuma war ein friedlicher Planet, niemand trachtete einem anderen nach dem Leben. Shinji stand wieder auf und lehnte sich gegen die Satteleinheit des Piloten. Er interessierte sich für die Menschen, die hier gelandet waren und doch nicht hier her gehörten. Er wollte wissen, aus welchen Familien die vier jungen Helden der Zukunft kamen. Ihre Eltern mussten stolz auf die vier sein. Der Pilot verschränkte die Arme ein weiteres Mal vor der Brust und linste auf Saber hinab. Der Junge brach unter der Last des Captains beinahe zusammen, einen solchen Eindruck jedenfalls vermittelte ihm der Highlander. Shinji fragte ruhig: „Wo gehört ihr dazu?“

Saber schloss die Augen und schluckte schwer. Er ahnte bereits, was der Captain von ihm wissen wollte. Allerdings war das eine der wenigen Tatsachen, die Saber ihm lieber verschwiegen hätte. Der Captain würde nur noch ein gutes Monat leben und Colt hatte in einem Gespräch nonchalant fallen lassen, dass unter Druck so oder so nix laufen würde. Ihre Chancen, den Piloten wieder zurück zu bekommen standen so schon nicht übertrieben rosig, dem Captain mitzuteilen, dass er für das Kunststück, mit Ai einen Sohn zu bekommen, weniger als einen Monat Zeit hatte, das würde für gehörigen Druck sorgen. In wenigen Fällen hatte Colt den Nagel jemals so präzise auf den Kopf getroffen, wie in diesem Fall.

Der Schotte stahl sich so aus der Misere: „Wie gesagt, Sir. Zum Oberkommando. Colt ist Scharfschütze und für den Maverickfeuerleitstand zuständig. April ist unsere Navigatorin, ich bin für die Steuerung verantwortlich und…“, Saber deutete nach der Reihe auf die entsprechenden Satteleinheiten und stockte bei der letzten. Er musste wieder schlucken, eher er betreten fortfuhr: „Fireball ist… unser Pilot.“

„Das meinte ich nicht, Junge.“, Shinji überlegte nicht lange. Er fiel einfach mal mit der Tür ins Haus, nachdem die eher dezente Frage davor nicht zum gewünschten Ergebnis geführt hatte. Er hatte da eine ganz üble Vorahnung, konnte sie nicht begründen und deshalb wollte er jeden Zweifel von vornherein ausschließen. Wieder, wie so oft in den vergangen Nächten, hörte er Jesses Stimme über Funk ‚Papa Hikari‘.

„Zu wem gehört ihr? Wer sind eure Eltern?“

Das hatte er befürchtet. Saber rieb sich über die Schläfen und senkte den Kopf. Wie diplomatisch konnte er jetzt noch sein? Der Schotte sah an Shinji hinab. Entweder fiel der bei den nächsten Worten tot um oder wusste überhaupt nicht mehr, wie er reagieren sollte. Aber der Sturkopf war einem jedem Hikari eigen, deswegen half es Saber nichts, sich noch einmal heraus schwindeln zu wollen. Er atmete tief durch und begann: „Ich komme aus den schottischen Highlands, wie meine Eltern. Colt hat seine Eltern durch die Outrider verloren. Sie hatten eine Farm in Texas. April ist die Tochter von Commander Charles Eagle, Sir. Und…“

Mit der namentlichen Nennung von Aprils Vater hatte Saber kurzfristig den gewünschten Effekt erzielt. Der Pilot schien einiges zu verstehen und stieß sich deswegen von der Satteleinheit ab. Er ging an die Glasfront und lächelte versonnen: „Sie ist also wirklich die Kleine von Charles und May.“

Deswegen war sie ihm so vertraut vorgekommen. Er hatte die kleine April oft um sich, seit Charles Vater geworden war und mochte die kleine Eagle. Auch Ai war oft mit der Kleinen konfrontiert, weil May ihre beste Freundin war. Shinji sah April zumindest einmal in der Woche, wenn nicht öfter und nun, da er die erwachsene April vor sich gesehen hatte, konnte er mit Fug und Recht behaupten, dass sie sich prächtig entwickelt hatte. Sie hatte nichts von ihrer Aura, die sie schon als kleines Mädchen hatte, eingebüßt. Im Gegenteil. Sie war stärker geworden.

Shinji wandte sich wieder an Saber: „Und der Kurze? Wer …war sein Vater, Saber?“

Der Captain war sich nicht sicher, welche Antwort er erhalten würde. Wollte er auf diese Frage überhaupt eine Antwort haben? Spürte er nicht ohnehin, zu wem Shinichi gehörte? Shinji fühlte einen Knoten in der Brust. Jede Sekunde, die Saber ihn länger anschwieg, desto schlimmer wurden das Gefühl und die erdrückende Ungewissheit. ‚Papa Hikari‘. Fireballs Vater war gestorben, hatte den Kurzen alleine mit seiner Mutter in dieser Welt, die sich bald so drastisch ändern würde, zurückgelassen.

Es hatte so kommen müssen. Saber war klar gewesen, vom ersten Wort an hatte der Schotte das Ende dieser Unterhaltung vorhergesehen. Aber davon war es nicht leichter geworden. Im Gegenteil. Saber biss sich unbehaglich auf die Lippen, seine Augen baten wortlos um Entschuldigung, bevor er den Kopf senkte und die Augen schloss. Er hatte nicht verhindert, dass der Sohn des Captains sich vor seinen Augen aufgelöst hatte. Nun sollte er ihm auch noch sagen, was er ohnehin bereits in seinem Herzen wusste. Saber wusste, dass er, egal wie er die Frage von Shinji beantwortet hätte, der Captain die Antwort bereits in sich trug. Noch einmal versuchte er auszuweichen, wahrscheinlich mit wenig Erfolg, aber er wollte nicht der Überbringer dieser Nachrichten sein: „Sein… Vater war Captain im Oberkommando. In einer der besten Eliteflugstaffeln.“

Der Japaner fühlte sich plötzlich, als hätte ihn der Blitz getroffen. Alles überschlug sich, seine Gefühle wirbelten durcheinander und hinterließen nichts als blankes Chaos in ihm. Seine Gedanken machten auch keine Ausnahme, auch sie drängten sich wie wild durch sein Bewusstsein, kämpften um die Vorherrschaft dort und hinterließen nichts weiter als Verwirrung. Shinji hatte Sabers nichtssagende Worte deuten können, hatte sofort gewusst, wer damit gemeint war und es zog dem Befehlshaber der Air Strike Base 1 den Boden unter den Füßen weg. Ohnmächtig ruhten seine Augen auf Saber. Er sollte noch etwas sagen, sollte ihm mehr erklären, doch der blonde Highlander schwieg.

„Ich…“, er brachte die Worte nicht über seine Lippen. Es gelang Shinji ganz einfach nicht. Er beugte sich ein weiteres Mal zu Saber hinab. Was war hier nur passiert und weshalb sah Saber aus, als würde er mit einer Schuld leben müssen? Der Captain hatte inzwischen alle Mitglieder von Ramrod mehr oder weniger kennen gelernt und hier auch schon gesehen. Nur einen nicht. Er hatte den jungen Piloten und Hitzkopf seit diesem unglückseligen Gespräch in seinem Büro nicht mehr gesehen. Ganz klar wäre der Kurze hier im Kontrollraum irgendwann mal aufgetaucht, wenn er das Tohuwabohu, das sein Vater ausgelöst hatte, mitbekommen hätte. Aber er schien nicht hier zu sein. Das ließ das Magengeschwür, das er wegen Shinichi in den letzten Tagen mit Sicherheit schon bekommen hatte, wieder explosionsartig anwachsen. Heiser krächzte Shinji: „Wo ist er? Wo ist… mein Sohn?“

Saber sank zusammen. In Momenten wie diesen war es die Hölle, der Captain einer Einheit zu sein. Schuldbewusst senkte Saber den Blick noch weiter, seine Schuhspitzen wurden mit einem Mal hochinteressant. Er räusperte sich unglücklich und flüsterte: „Er ist verschwunden, Captain. Fireball hat sich vor meinen Augen aufgelöst, während Sie den Angriff abgewehrt haben.“

Dem Schotten zerriss es das Herz in der Brust, die Schuldgefühle schrien inzwischen schon in jeden Winkel von Sabers Bewusstsein, dass er etwas hätte unternehmen müssen. Nach Möglichkeit schon viel früher. Er seufzte schwer und warf einen kurzen, aber unendlich traurigen Blick auf die Satteleinheit rechts neben seiner. Es war nicht fair von Jesse gewesen, so hinterhältig in die Geschichte einzugreifen. Der Plan hatte letztendlich aber funktioniert und Jesse hatte sich dabei nicht einmal die Finger schmutzig machen müssen. Wie er wohl überhaupt den Zeitpunkt so genau hatte vorhersagen können?

Väterlich legte Shinji dem jungen Schotten die Hand auf die Schulter. Der zerbrach an seinen Schuldgefühlen gleich. Lange schwieg der Captain. Er musste die Informationen erst richtig sortieren und bei der verwirrenden und unübersichtlichen Menge konnte das dauern. Erst langsam verstand er, was Sabers Worte wirklich zu bedeuten hatten. Und noch langsamer verstand er, was er die ganze Zeit über gespürt hatte.

Die Ähnlichkeit zwischen ihm und Fireball kam nicht von ungefähr. Es gab einen guten Grund für die Vertrautheit, die Shinji vom ersten Augenblick an gespürt hatte. Fireball war sein Sohn, sein eigen Fleisch und Blut. Er konnte sein Glück kaum fassen, doch es verblasste ohnehin mit jedem neuen Gedanken mehr. Saber hatte gesagt, Fireball hätte sich aufgelöst, während er in dieses Gefecht verwickelt gewesen wäre. Hieß das etwa, dass der Kurze an diesem Abend entstanden war? Hieß es für ihn und Ai, dass sie tatsächlich für die Entbehrungen und den Kummer noch entlohnt wurden? Tränen glitzerten in den haselnussbraunen Augen. Er hatte seine einzige Chance vertan, jemals Vater zu werden.

Saber spürte die starke Hand auf seiner Schulter. Sie war eine Wohltat, als hätte sein Vater ihm die Hand aufgelegt. Captain Hikari wäre ein guter Vater geworden. Bei diesem Gedanken biss sich Saber erneut deprimiert auf die Lippen. Es war kein Sohn mehr da, dem Shinji ein Vater sein sollte und selbst wenn, dann würde er nicht mehr lange genug leben, um überhaupt Vater zu werden. Saber sah sich in einem echten Dilemma. Auf der einen Seite hatte er Colts Worte nur allzu deutlich im Gedächtnis, aber andererseits sah er sich dazu verpflichtet, zumindest zu versuchen, Fireball wieder zu ihnen zurückzubringen. Wenn sie nicht irgendetwas taten, würde Jesse siegen und er hätte sowohl das Leben des Vaters beendet als auch das des Sohnes verhindert. Es gab keinen Grund mehr, weshalb sich die Star Sheriffs an diese selbst auserkorene Regel halten sollten, und nichts in der Vergangenheit ändern sollten. Wenn es nur nicht schon zu spät dafür war.

Saber schluckte, er nahm allen Mut zusammen und öffnete auf seinem Rechner das Archiv. Er blinzelte zu dem Mann hinauf, der seinem Freund so ähnlich war, dass es Saber bei jedem Anblick schmerzlich an dessen Verschwinden erinnerte: „Ich möchte Ihnen was zeigen, Captain Hikari. Bitte…“
 

Shinji folgte den Bewegungen des Säbelschwingers zum Bildschirm hinab. Der Captain beugte sich hinunter und las, was Saber ihm auf den Schirm gelegt hatte. Ein Bericht des Oberkommandos. Verfasst von Major Charles Eagle, in etwas mehr als einem Monat. Darin stand geschrieben, was kurz zuvor passiert war, beziehungsweise, was bald passieren würde. Shinji ging mit jedem Satz etwas mehr in die Knie, bis er schließlich fassungslos neben Sabers Satteleinheit kniete und die Augen leer auf den Bildschirm starrten. Schockiert von den Ereignissen, vergaß er alles um sich herum. Ein Großteil seiner Piloten würde ihr Leben bei einem Angriff auf das Königreich Jarr verlieren. Er selbst würde sterben. Im Manöver, das sie Jarred vor einer guten Woche zugesagt hatten. Shinji würde nicht mehr zu seiner Frau zurückkehren. Aber schlimmer als die Tatsache, dass er sterben würde, war das Wann und Wie für den Captain. Langsam sickerte in sein Bewusstsein, dass er – unter normalen Umständen – niemals erfahren hätte, dass er Vater wurde.

In Shinjis Kopf wirbelten die Gedanken wild durcheinander. Die Kinder hier kamen aus dem Jahr 2086, keiner von ihnen war älter als 26 und sein Sohn? Er würde, wenn er Saber richtig verstanden hatte, niemals geboren werden, weil jemand ihn davon abgehalten hatte, bei Ai zu sein. Shinji verstand die Welt nicht mehr. Seit mehr als zehn Jahren schon wünschten Ai und er sich ein Kind, bisher hatte sich dieser Wunsch noch nicht erfüllt. Und plötzlich sollte er Vater werden und es niemals erfahren? Welche Ungerechtigkeit war das?

„Gibt es…“, Shinji rappelte sich auf. Er durfte nicht zusammen brechen und den jungen Star Sheriffs die letzte Hoffnung nehmen. Der Captain straffte seine Schultern, strich seine Uniform glatt und blickte auf Saber: „Welche Möglichkeiten haben wir, eure Zukunft so zu belassen, wie sie ursprünglich war?“

Saber stand auf. Die väterlichen Augen des Captains machte es ihm nicht leichter. Diese Haltung von Captain Hikari, entschlossen und zu allem bereit, machte Saber beinahe schon Angst. Er kannte sie von Fireball. Er würde alles in Kauf nehmen, wirklich alles.

„Nicht allzu viele fürchte ich, Sir.“

Shinji schüttelte den Kopf: „Nenn mich nicht Sir, Junge.“

Die vier waren kein Mitglied des Oberkommandos, naja, zumindest nicht in seiner Zeit. Er mochte die Bande, sah sich deswegen nicht gezwungen, hier auf Respekt zu pochen. Den hatten zumindest Saber und April und auch der Kurze wusste meistens, wie er sich zu benehmen hatte. Und bei Colt, nun ja, dem konnte man seine Klappe nachsehen. Der war nur besorgt.

Shinji wandte sich um. Er wusste, was er zu tun hatte. Bevor er von der Kommandozentrale ging, blickte er noch einmal über seine Schulter. Entschlossen gab er Saber zu verstehen: „Mischt euch nicht ein. Es wird alles gut.“

Saber wollte folgen. Das klang absolut nicht gut. Zu entschlossen und zu ausdrücklich hatte die Anweisung geklungen. Er streckte die Hand nach Captain Hikari aus: „Warten Sie, Captain! Was haben Sie vor?“

Ohne sich noch einmal umzudrehen, gab er grimmig zurück: „Ich werde das tun, was die Geschichte von mir verlangt.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Misano
2009-06-02T13:17:26+00:00 02.06.2009 15:17
G-R-A-N-D-I-O-S!!!!

Mehr brauch ich, glaub ich, nicht schreiben, denn die pathetischen Worte Papa Hikaris am Ende könnten in einem Hollywoodstreifen nicht besser rüberkommen. Ganz großes Kino, denn ich hab wieder mal alles vor Augen gehabt. Klasse gemacht, Schwägerin! ;-)
Von:  Sannyerd
2009-06-01T20:50:31+00:00 01.06.2009 22:50
wow wieder erste :D...habe jeden tag geschaut ob es was neues gibt ich bin süchtig nach "Ta SHO"....

ich bin platt, habe voll geheult als Fire verschwand :( :(...und nun hilft Papa Hikari :) ich hoffe er weiß was er tut!!!

Klasse geschrieben Wahnsinns Emotionen wir einmal...hach


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