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Life without you

MattxMello
von

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Frazzled [2]

Ich liege im Wohnzimmer auf dem Boden. Zitternd vor Kälte und Schmerz. Mit Tränen in den Augen. Ohne Klamotten. Warum?
 

Weil Matt sich die Wunden ansehen wollte. Meinen zerfetzten, entstellten Körper. Ich hab noch seinen Blick vor Augen. Es war so erniedrigend. Wie bei einer Vergewaltigung. Nur schlimmer. Weil ich von niemandem so hilflos gesehen werden will. Erst recht nicht von Matt.
 

Ich sehe mich um, so gut es geht, da jede Bewegung schmerzt und ich deshalb ein wenig beschränkt bin, was das angeht. Matt sucht immer noch in der Küche nach Verbandszeug. Stumm wende ich den Blick dem Haufen aus meinen Klamotten neben mir zu, die er mir vorhin ausgezogen hat.
 

Ich wollte nicht. Aber das war ihm egal. Obwohl er sonst immer auf mich gehört hat und meine Entscheidungen respektiert hat. Diesmal nicht. Und er hat sich nicht mal die Mühe gemacht, mich wieder anzuziehen.
 

Ich möchte auf keinen Fall, dass er mich auch nur noch einmal so sieht.
 

Mühsam richtige ich mich auf, muss dabei mehrere Male Schreie unterdrücken, weil der Schmerz immer noch fast unerträglich ist, besonders, wenn ich mich bewegen muss. Meine linke Gesichtshälfte fühlt sich so an, als ob sie immer noch brennen würde. Nach einiger Zeit habe ich mich weit genug aufgerichtet und versuche nach meiner Hose zu greifen. Doch eine Stimme unterbricht mich plötzlich bei meinem Vorhaben.
 

„Mello!“
 

Matt kommt schnell auf mich zu und drückt mich wieder zu Boden. Es tut wahnsinnig weh, als er mich so ruckartig bewegt. Ein paar Glassplitter drücken sich am Rücken noch tiefer in meiner Haut. Ich kneife meine Augen zusammen.
 

„Bleib liegen, sonst kann ich dir nicht helfen!“
 

Wütend und schwer atmend öffne ich mein unverletztes Auge. Mich gegen meinen Willen auszuziehen und den Boden zu pressen soll HILFE sein?! Warum vergewaltigt er mich nicht gleich noch kurz und lässt mich dann einfach hier verrecken?!
 

Ach, stimmt ja. Ich sehe viel zu widerlich dafür aus.
 

„…ich habe auch nicht um deine Hilfe gebeten!!“, fauche ich halblaut zurück, als ich meine Stimme wieder halbwegs unter Kontrolle habe.
 

Plötzlich ändert sich der Ausdruck in seinen Augen. Er wirkt auf einmal richtig wütend. Ruckartig stützt er sich über mir ab und sieht mir fest in die Augen. Ich zucke erschrocken zurück.
 

„Tja, dann ist das jetzt dein Pech, weil ich dir trotzdem helfen werde.“
 

Sein Tonfall klingt so, als ob er mich umbringen will. Stumm schlucke ich. Ohne mich noch weiter anzuschauen oder eine Antwort abzuwarten öffnet er den Erste-Hilfe-Kasten und holt eine Pinzette raus.
 

Äh…hallo? Will der mir ohne Betäubung oder Schmerzmittel im Gesicht rumpuhlen?
 

Er beugt sich über mich und schiebt meine angesengten Haare aus meinem Gesicht. Einige haben sich sogar mit in die Haut eingebrannt und ziehen unangenehm, als sie bewegt werden. Plötzlich berührt Matt mein Gesicht. Ich kneife meine Augen erneut zusammen.
 

Macht er das mit Absicht oder warum tut er mir ständig so weh?! Ich presse meine Zähne in meine Unterlippe um einen Schrei zu verhindern.
 

„…kannst du mir vorher nicht irgendwas gegen die Schmerzen geben…?“, frage ich leise, weil meine Stimme schon genug zittert.
 

Er hebt eine Augenbraue und sieht mich dann missbilligend von oben herab an.
 

„Ich dachte, du willst meine Hilfe nicht.“
 

Augenblicklich kommt wieder Wut in mir auf. Will er jetzt die beleidigte Leberwurst deswegen spielen oder was?!
 

„…Matt, hör auf mit dem Scheiß, wenn du diese Schmerzen hättest, würde ich dir sofort was dagegen geben…!!“
 

Er seufzt, dreht sich nach den Tüten aus der Apotheke rum und reicht mir kurz darauf ein paar kleine Kapseln, welche ich sofort entgegen nehme und schlucke. Aber anstatt zu warten, bis das Zeug wirkt, beugt er sich schon wieder über mich und zückt die Pinzette erneut.
 

„Ich kann aber nicht warten, bis es wirkt. Versuch dich einfach von den Schmerzen abzulenken.“
 

Sehr lustig. Aber ich will ihn nicht noch wütender machen als er schon ist. Sonst geht er am Ende wirklich noch weg und lässt mich hier sterben. Er fängt an, die Splitter aus meinem Gesicht zu entfernen. Um nicht zu schreien, vergrabe ich erneut meine Zähne in der Unterlippe. Plötzlich fängt er wieder ein Gespräch an – wahrscheinlich um mich abzulenken.
 

„Wie ist das überhaupt passiert?“
 

Ich seufze innerlich genervt. Als ob man das nicht erkennen kann. Warum stellt er sich heute so dumm?
 

„…die Polizei wollte mich überführen und ich hatte nur eine Möglichkeit…“
 

Er hebt eine Augenbraue während er weitere Glassplitter entfernt und in eine kleine Schüssel wirft.
 

„Und die wäre?“
 

„…das gesamte Gebäude zu sprengen…“
 

Er zuckt zusammen und zieht einen etwas größeren Glassplitter viel zu schnell raus. Kurz sehe ich Blut spritzen, bevor es auf mein Gesicht zurücktropft. Er greift schnell zu einem der sauberen Tücher die er vorhin mit geholt hat und tupft hastig über die blutende Stelle bis es wieder einigermaßen aufgehört hat.
 

„Warum war das die einzige Möglichkeit?! Du hättest sterben können!!“
 

Ach nee.

Das weiß ich selbst.
 

Ich stufe es als unnötig ein ihm zu antworten und sehe zur Seite, um den besorgten Blick von ihm besser ignorieren zu können. Irgendwann hört das regelmäßige Pieken in der Haut meiner linken Gesichtshälfte auf und er legt die Pinzette weg. Ich bin furchtbar müde und nicke ständig weg.
 

Nur noch am Rand nehme ich wahr, wie Matt irgendeine Flüssigkeit auf ein Tuch sprüht. Was ist das? Hoffentlich ein Betäubungs- oder Schmerzmittel. Er beugt sich wieder über mich und bewegt das seine Hand mit dem Tuch darin auf meine linke Gesichtshälfte zu, zögert dann jedoch und lehnt sich wieder etwas von mir weg.
 

„Mello, wirken die Schmerzmittel schon?“
 

Na klar. Als ob ein paar blöde Pillen gegen Kopfschmerzen hier was bringen würden. Ich bräuchte schon Morphium dass dieser Scheiß endlich aufhören würde.
 

„…nein fuck, mir tut alles genau so weh wie vorher…!“
 

Er schließt kurz die Augen, schluckt und beugt sich dann wieder über mich. Gleich darauf drückt er das Tuch auf meine linke Gesichtshälfte. Augenblicklich durchzuckt extremer Schmerz meinen Körper.
 

Dieser Wichser…!! Desinfektionsmittel?! Verdammt, was soll der Scheiß?!! Ich verkrampfe meine Hände im Handtuch, auf dem ich liege, und brülle ihn dann an.
 

„Matt, hör auf damit!!!“
 

Ich kann meine Atmung nicht mehr kontrollieren und fange fast an zu hyperventilieren, mein Herz rast. Der Schmerz überschreitet die Grenze. In den Augenwinkeln meines unverletzten Auges sammeln sich einige Tränen, die ich nicht mehr unterdrücken kann.
 

„Hör auf, verdammt!!“, schreie ich ihm erneut ins Gesicht.
 

Er denkt gar nicht daran auf mich zu hören. Ich versuche nach ihm zu greifen, um ihn irgendwie davon abzuhalten, ihn an den Haaren oder am Kragen zu packen, doch bevor ich überhaupt dazu komme schnappt er sich meinen Arm und presst ihn zurück auf den Boden. Ich bin vollkommen hilflos. Mein Körper zuckt regelmäßig auf, wegen der Schmerzen. Mein gesamter Kopf dröhnt bei jedem Pulsschlag. Ich möchte schreien doch mein Hals ist wie zugeschnürt, da ich kaum noch Luft bekomme.
 

Es dauert unglaublich lang, bevor er das Tuch wieder zurücknimmt. Es ist blutrot. Ich öffne meine Augen. Beide. Das linke kann ich nun wieder öffnen. Jedoch sehe ich auf diesem nur unscharf, es hat sicher einigen Schaden davon getragen. Doch ich hab nicht lange Zeit darüber nachzudenken, denn der Schmerz ist immer noch unerträglich. Wenn er mich jetzt anspricht, raste ich aus. Und wie aufs Stichwort öffnet er seinen Mund:
 

„Mello-“
 

„Halt die Klappe!!“, fauche ich ihm entgegen.
 

Seine nicht ernst gemeinte Entschuldigung kann er sich sparen. Er atmet einmal leise ein und aus und sieht dann an meinem Körper runter.
 

Auch noch spannen oder was?! Hat er mich für heute nicht schon genug gedemütigt?! Er legt das Tuch weg, jedoch nur, um sich gleich darauf ein neues zu greifen und wieder das Mittel drauf zu sprühen.
 

Nochmal den ganzen Scheiß?! Nochmal diesen Schmerz?!

Vergiss es.
 

Ich versuche ihn wieder davon abzuhalten, doch mein Körper ist viel zu geschwächt. Es ist unmöglich sich zu bewegen. Also bleibe ich stumm liegen, als er weiter macht und schließlich auch die ersten Tränen vor Schmerz über meine Wange rollen. Es soll aufhören…
 

***
 

Nach zwei Stunden ist er fertig. Es hat viel zu lange gedauert. Und die Schmerzmittel schlagen nicht an. Ich weigere mich mit ihm zu reden.
 

Dieser Kerl soll mir heute nicht noch einmal unter die Augen treten…!
 

Lieber würde ich verrecken. Die Verbände sitzen zu fest und ziehen unangenehm. Außerdem tragen sie nicht gerade dazu bei, die Schmerzen zu lindern.
 

Immer wenn er das Zimmer verlässt, schnappe ich mir einige der Schachteln um heimlich noch ein paar Tabletten zu nehmen. Inzwischen sind es bestimmt 7 von jeder Sorte gewesen. Aber sie schlagen nicht an. Es ist zum aus der Haut fahren. Immer wenn er jedoch im Zimmer ist, sitze ich auf der Couch, in ein paar Decken eingewickelt. Klamotten wären jetzt einfach zu unbequem außerdem bin ich zu stolz um ihn darum auch noch zu bitten. Er hat mir schon genug „geholfen“.
 

Warum macht er nicht endlich einfach Schluss und verschwindet dann von hier? Was will er noch mit so einem Fetzen wie mir?
 

Nachdenklich sehe ich mit leeren Augen aus dem Fenster. Gibt es überhaupt noch einen Grund zu leben? Ich hab doch eh alles falsch gemacht. Mit dem Verlassen des Waisenhauses angefangen.
 

Ich höre das Holz des Türrahmens hinter mir knarren. Ich drehe mich nicht um. Wahrscheinlich will er bloß wieder mit irgendwas nerven. Er kommt um die Couch herum und kniet sich vor mich. Ich ziehe meine Beine näher zu mir um jegliche Berührung zu vermeiden. Er findet mich doch jetzt sowieso widerlich, warum sucht er immer noch Nähe zu mir?
 

„Willst du etwas essen…?“
 

Ich starre weiterhin gerade aus und drehe mich von ihm weg. Er seufzt. Wenn er so genervt ist, soll er doch verschwinden!
 

Plötzlich steht er wirklich auf, als hätte er meine Gedanken gehört. Panik steigt in mir auf. Meine Gefühle schwanken um. Ich will nicht alleine sein.
 

‚Bleib hier…!‘
 

Schlurfend verlässt er das Zimmer. Ich versuche ebenfalls aufzustehen, was aber nicht möglich ist. Meine Muskeln sind in eine vollkommene Starre verfallen, weil ich schon seit Stunden zusammengekauert auf dem Sofa sitze. Also kann ich nur warten, hoffen und ungefähr an den Geräuschen erahnen was er da gerade macht. Ich höre das Klappen von Küchenschränken. Einige Sekunden später betritt er wieder das Zimmer, mit etwas in der Hand und steuert wieder das Sofa an. Ich sehe auf das, was er in der Hand hält.
 

Eine Tafel Schokolade. 79% Kakao.
 

Mit leeren Augen schlage ich ihm die Schokolade aus der Hand und wickle dann die Decke enger um mich. Als ob die mich jetzt noch aufmuntern oder irgendetwas besser machen könnte. Ich will dass die Schmerzen weggehen und bestimmt nichts essen. Davon wird nichts besser. Er starrt die Schokoladentafel an, dann wendet er den Blick wieder mir zu.
 

Plötzlich setzt er sich neben mich. Ich kauere mich noch mehr zusammen, schlinge die Decke um meinen Körper. Ich will nicht, dass er mich anfasst.
 

„Mello…“
 

Er streckt eine Hand nach mir aus. Ich drehe meinen Kopf weg.
 

‚Tu nicht so, als ob du mich noch magst…‘
 

Nur wegen Mitleid ist er noch hier. Das hat nichts mit Mögen zu tun… oder mit Hilfe. Er bückt sich und hebt die Tafel Schokolade auf. Ich drehe den Kopf weiterhin nicht wieder zu ihm.
 

„Wieso isst du nichts? Mello, bitte, ich mache mir Sorgen. Rede mit mir…“
 

Kurz überlege ich, ob ich antworten soll, doch als er mir ein paar Stücken Schokolade hinhält, verwerfe ich den Gedanken wieder und drehe meinen Kopf weiter weg. Kurz schließe ich sogar meine Augen um ihm klar zu machen, dass ich das nicht will. Matt rutscht wieder näher. Ich dränge mich an die Lehne der Couch.
 

Versteht er nicht, dass ich jetzt keinen Körperkontakt will? Mir tut alles weh. Eine Weile schweigt er, dann sieht er aus dem Fenster.
 

„Mello, lass uns schlafen gehen… du musst dich ausruhen.“
 

Das bringt doch eh nichts mehr. Schwach schüttle ich den Kopf. Es reicht doch, wenn er hier bleibt. Von mir aus kann er schlafen. Aber ich kann nicht. Schon allein wegen der Schmerzen.
 

„Wenn du willst, kannst du auch alleine in einem Zimmer schlafen, wenn du mich nicht in deiner Nähe haben willst. Ich schlafe auf der Couch und du im Bett. Anscheinend willst du mich ja nicht mehr sehen. Wenn du mich loshaben willst, sag Bescheid.“
 

Ich zucke zusammen als ich diese Worte höre und fange kaum merklich an zu zittern. Warum denkt er so? Hab ich was falsch gemacht? Oder… will er vielleicht sogar, dass ich so denke? Damit er gehen kann? Ich schlucke. Das heißt dann wohl dass er Schluss macht.
 

Stumm stehe ich auf und versuche den Raum zu verlassen. Er steht ebenfalls auf und greift nach meinem Arm, den ich aber etwas ruppig von ihm wegziehe. Ich taumle aus dem Wohnzimmer, durch den Flur, am Bad vorbei und erreiche schließlich das Schlafzimmer. Kaum bin ich darin, schließe ich die Tür. Keine Sekunde später rinnen die ersten Tränen über meine Wangen.
 

„…Matt…“
 

Ich will nicht, dass er geht. Ich will nicht alleine sein. Es ist alles meine Schuld…! Ich stolpere zum Bett hinüber und setzte mich genau so darauf, wie ich vorhin auf der Couch saß. Auch wenn es langsam anfängt weh zu tun, in dieser Haltung fühle ich mich am sichersten. Meine Haut spannt unangenehm, manchmal denke ich, dass sie jeden Moment aufreißt und der Schmerz ist immer noch unerträglich. Die salzigen Tränen brennen auf meiner linken Gesichtshälfte. Verzweifelt starre ich vor mich hin.
 

Wenn ich da draußen gestorben wäre, hätte Matt sich dann schon jemand Neues gesucht? Ich weiß es nicht. Ob ich ihn fragen sollte…? Nein, die Gelegenheit dazu hab ich mir versaut.
 

Ich schrecke auf als sich plötzlich die Tür öffnet und Matt den Raum betritt.
 

„Tut mir leid, Mello, ich-“
 

Er sieht zu mir und zuckt zusammen, als er mich weinen sieht. Hastig wische ich mir über das rechte Auge. Meine linke Gesichtshälfte ist bandagiert. Er lässt die Türklinke los und kniet sich vor mich.
 

„Was ist los? Sind die Schmerzen wieder schlimmer geworden?“
 

Ich sehe in seine Augen. Sie sehen furchtbar besorgt aus.

Wirklich, ehrlich besorgt. Nicht nur gespielt. Bisher habe ich Augenkontakt mit ihm gemieden. Aus Wut. Ich Idiot hab ihm furchtbares Unrecht getan.
 

Ich schüttle den Kopf.
 

„Was dann?“
 

Ich versuche klar zu denken und einen Antwortsatz zu formulieren, doch mein Kopf pocht wieder extrem stark, weshalb es fast unmöglich ist, ganze Sätze zu sprechen.
 

„…i-ich-… es tut mir s-so leid… ich wollte nicht…dass du… dass du denkst, ich will dich loshaben…“
 

Meine Stimme zittert extrem, ich kann sie kaum beherrschen. Ich muss sicher furchtbar unreif wirken.
 

„Mir tut es leid, ich hätte das vorhin wirklich nicht sagen sollen. Aber ich wusste nicht, was ich sonst sagen sollte… du hast ja nicht mehr mit mir geredet.“
 

„…was soll ich denn auch s-sagen…? Dass mir alles wehtut und… es mir furchtbar leid tut, weil… weil ich mal wieder zu bescheuert war… einen vernünftigen Plan zu entwickeln…?“
 

Er sieht in meine Augen, steht schließlich auf und setzt sich neben mich.
 

„Mello, wir biegen das wieder hin. Ich werde dir helfen und ich liebe dich, das darfst du nicht vergessen.“
 

„…ich k-kann wirklich nicht…verstehen, wie du mich… immer noch lieben kannst…“
 

Langsam beruhigt sich meine Stimme wieder. Er schweigt eine ganze Weile, sieht mich zwischendurch immer wieder kurz an, bevor er sich durch die Haare fährt und dann in die Luft vor sich stiert.
 

„Willst du, dass ich hier mit schlafe, oder soll ich-?“
 

Ich halte ihn an seinem Shirt fest und sehe ihn schon beinah verzweifelt an.
 

„…bitte…bleib hier, bei mir… ich will nicht alleine sein…“
 

Ich lehne mich langsam gegen seine rechte Schulter, was zwar wehtut, aber ich brauche das jetzt. Er legt einen Arm um meine zitternden Schultern und drückt mich etwas an sich. Ich schließe die Augen.
 

Wie hab ich diese Wärme vermisst – dieses unglaublich gute Gefühl von Geborgenheit.
 

Aber… jetzt wäre eine gute Gelegenheit um meine Gedanken von vorhin zu hinterfragen.
 

„…bist du dir eigentlich wirklich sicher…?“
 

„Womit?“
 

Ich öffne meine Augen wieder.
 

„…dass du wirklich mit mir zusammen sein willst…du würdest mit jemand anderem bestimmt viel glücklicher werden, als mit mir…ich glaube, ein Mädchen wäre sowieso besser für dich…wenn du gehen willst-“
 

Er fällt mir ins Wort.
 

„Red keinen Unsinn. Warum sollte ich dich verlassen?“
 

Ironie macht sich breit. Sieht man das denn nicht? Ich sehe ihn an.
 

„…ich mache dir nichts als Ärger… das muss dir doch langsam gehörig auf die Nerven gehen…“
 

„Nein. Gerade, weil es dir schlecht geht, werde ich bei dir bleiben. Was wäre ich denn für ein Kerl, der dich einfach verlässt, bloß weil du verletzt bist?“
 

Ein sarkastisch verzerrtes Lächeln erscheint auf meinem Gesicht. Er klingt wirklich wie ein naives Kind. Ich starre gerade aus und beginne mit tonloser Stimme:
 

„…Matt, es ist ja nicht so, als ob ich mich in den Finger geschnitten hätte…auch falls das irgendwann verheilen sollte…es werden sicher riesige Narben bleiben…ich sehe danach bestimmt furchtbar aus…du willst doch nicht ernsthaft behaupten, dass dich das kein bisschen stört…?“
 

Er legt zwei seiner Finger unter mein Kinn und dreht meinen Kopf dann langsam zu ihm. Nur ungern sehe ich in sein Gesicht. Sein perfektes, unverletztes Gesicht. Ich fühle mich furchtbar hässlich. Doch er zuckt nicht zurück. Kein angewiderter Gesichtsausdruck. Er beugt sich nach vorn und küsst mich, als ob es das selbstverständlichste auf Erden wäre. Einfach so. Meine Augen weiten sich vor Verblüffung.
 

„Es stört mich wirklich nicht. Ich werde dich immer lieben, das kannst du mir glauben. Und so einfach kriegst du mich auch nicht mehr los.“
 

Er lächelt. Ich rutsche wieder näher zu ihm.
 

„…danke…“
 

Mir ist irgendwie kalt. Ich ziehe die Decke noch enger um meinen Körper, kann aber nicht aufhören zu zittern.
 

„Willst du dir nichts anziehen?“
 

„…du kannst ja gerne nach etwas bequemen in meinem Kleiderschrank suchen… Rod hat mir immer vorgeschrieben, was ich anziehen soll…“
 

Ich nicke zum Kleiderschrank. Er ist voll mit freizügigem Lederzeug, aber es gibt kein Kleidungsstück, das wirklich wärmen würde. Er steht auf und geht rüber zum Schrank.
 

„Vielleicht passt dir ja was von mir.“
 

Er durchwühlt seine Hälfte nach Klamotten, die mir eventuell passen könnten. Schlussendlich nimmt er einen Streifenpulli und eine Stoffhose und kniet sich vor mich.
 

„Soll ich dir helfen?“
 

Ich sehe zur Seite.
 

„…du weißt, dass ich Hilfe nicht gern annehme…“
 

„Aber wenn du dich zu sehr bewegst, könnte das unnötig weh tun und womöglich die Wunden wieder aufreißen…“
 

Er hat Recht. Ich zögere einen Moment bevor ich dann schließlich nicke. Er legt die Klamotten ab und streift die Decke von meinen Schultern. Dann fängt er vorsichtig damit an, mir beim Anziehen zu helfen.
 

Ich sehe prüfend in sein Gesicht. Kein Anzeichen davon, dass er meinen Körper jetzt widerlich findet. Doch ich kann nicht lange darüber nachdenken, da das Umziehen doch mehr wehtut als erwartet. Allerdings bleibt der Schmerz im erträglichen Bereich und so ist es auch relativ schnell geschafft.
 

„So.“
 

Ich setze mich zurück auf das Bett und ziehe meine Beine an meinen Körper.
 

Es ist mir trotz allem immer noch unangenehm, wenn er mich so sieht. Ich hasse das Gefühl einfach, verletzt und schwach zu sein. Plötzlich bemerke ich, dass er mir sachte über den Kopf streicht.
 

„Ich geh noch mal schnell ein paar Medikamente holen. Versuch zu schlafen. Ich bin auch bald wieder da.“
 

„…gut…“
 

Ich lege mich langsam hin. Matt legt die Decke über mich und bleibt eine Weile neben dem Bett stehen, wahrscheinlich um sicher zu gehen, dass mir in dieser Lage auch nichts weh tut. Schlussendlich zieht er jedoch die Vorhänge an den riesigen Fenstern zu und verlässt das Zimmer. Ich höre nur noch gedämpft ein paar Schritte bevor alles still wird. Müde schließe ich die Augen.
 

Womit hab ich nur diese Schmerzen verdient…? Momente später nicke ich weg.
 

Als ich meine Augen wieder öffne, stehe ich auf einem großen Platz vor ein paar Lagerhallen.

Es regnet in Strömen.

In meiner Hand ist eine Waffe.
 

Alles kommt mir so bekannt vor… woher kenne ich das hier?
 

Plötzlich höre ich ein Wimmern vor mir. Ich wende den Blick von meiner Umgebung ab und sehe vor mich auf den Boden. Ein kleines Kind sitzt weinend und blutend vor mir. Ich zucke zusammen, als ich die Situation wieder erkenne.
 

Mein allererster Auftrag.

Ich musste beweisen, dass ich Manns genug für die Mafia bin.

Ich schlucke.
 

Die großen, angsterfüllten Augen des Kindes sehen mich an.
 

„…bitte nicht…!“
 

Ich sehe mich um.

Kein anders Mitglied unserer Organisation zu sehen.

Wieder sehe ich das Kind an.
 

„Verschwinde. Und beeil dich.“ sage ich leise.
 

Es nickt und rennt weg, biegt in eine Gasse zwischen zwei Lagerhallen ein.

Kurz darauf ein Schrei.

Erschrocken renne ich ebenfalls los und bleibe in der Gasse stehen.

Meine Augen weiten sich.

Rod hält das Kind am Kragen fest.
 

„Na sowas, jetzt wäre dir dein Testobjekt beinah abgehauen, Mello.“
 

Fassungslos starre ich meinen Boss an.
 

„Und jetzt mach endlich.“
 

Er nickt auf meine Waffe zu.

Ich kann mich immer noch nicht bewegen.
 

„Zeugen müssen sterben, das weißt du.“
 

Die Worte hallen in meinem Kopf.

Langsam hebe ich die Hand mit der Waffe und visiere den Kopf des Kindes an, welches heftig strampelt und unaufhörlich weint.
 

‚Stopp. Nein…! Ich will das nicht!!‘
 

Schon wird die Waffe von mir entsichert, ohne dass ich will.

Wie eine Marionette ohne Willen bewegen sich meine Finger. Schwer atmend sehe ich in die Augen des Kindes, als meine Finger auch noch den Abzug betätigen.
 

Ein Schuss.
 

„NEIN!!“
 

Vollkommen außer Atem sitze ich im Bett. Angstschweiß auf meiner Stirn. Mein Rücken ist vollkommen nass geschwitzt. Zitternd sehe ich auf meine Hände.
 

Was bin ich nur für ein Monster geworden…?
 

Das Kind konnte nichts dafür. Es hat nur am Hafen gespielt.
 

Warum musste es sterben…?
 

Schluchzend lege ich eine Hand an meine Stirn. Ich bin ein elender Mörder, sonst nichts. Ich habe viel schlimmeres als diese lächerlichen Schmerzen verdient.
 

325 Menschen mussten wegen mir sterben.
 

Weinend lasse ich mich zurück ins Kissen sinken und rolle mich zusammen. Über eine Stunde dauert es, bis ich wieder aufhören kann. Kurz darauf höre ich auch schon, dass sich die Vorsaaltür wieder öffnet und Matt die Wohnung betritt.
 

Und Matt…? Habe ich Matt verdient? Nein. Ich habe gar nichts verdient.
 

Ich zerstöre hunderten von Menschen das Leben, allein durch meine Existenz.
 

Die Schlafzimmertür geht auf. Ich liege mit den Rücken zu ihr, aber ich höre ganz genau, wo Matt sich befindet. Es raschelt kurz leise, dann höre ich, wie er um das Bett herumgeht und sich schließlich vor mich legt. Ich sehe ihn an. Meine Augen tun weh, weil ich so viel geweint hab. Außerdem schwitze ich, doch gleichzeitig ist mir mehr als kalt.
 

„Mello, warum schläfst du nicht?“
 

Ob ich ihm von dem Traum erzählen sollte? Nein… lieber nicht.
 

„…meinst du wirklich, dass ich ohne dich schlafen kann…?“
 

„Tut mir leid, ich wollte eigentlich viel früher zurück sein…“
 

Er nimmt eine meiner zitternden, eiskalten Hände. Er schaut mich an.
 

„Mello, ist alles in Ordnung? Du bist so kalt…“
 

Ich nicke, doch gleich darauf durchzuckt ein unglaublicher Schmerz meinen gesamten Körper und ich verziehe schmerzerfüllt mein Gesicht. Ich sehe nur noch wie Matt panisch seine Hand an meine Stirn hält, dann fallen meine Augen zu.
 

„Oh SCHEISSE!“
 

***
 

Es ist dunkel.

Ich liege auf irgendetwas Hartem.

Fühlt sich wie ein Tisch oder so an.

Es ist kalt doch ich schwitze immer noch.

Plötzlich dringt Matts Stimme zu mir durch.
 

„Mello, verdammt!! Du hast uns beiden ALLES versaut, warum zum Teufel hast du damals dieses Waisenhaus verlassen?! Warum?! Nur damit du dich vergewaltigen lassen und in die Luft sprengen kannst?! Um mir die letzte Hoffnung an einer glücklichen Beziehung an dir zu nehmen…? Warum…?“
 

Er schluchzt.
 

Vollkommen geschockt und enttäuscht versuche ich meine Augen zu öffnen, was mir auch gelingt. Ich sehe zu ihm. Halb wütend, halb traurig. So denkt er über mich…? Klasse.
 

Ich hab es geschafft, dass der einzige Mensch, den ich jemals geliebt habe, mich hasst. Super. Ein wirklich erfolgreicher Tag. Ich drehe meinen Kopf wieder gerade und starre an die Decke. Tränen rinnen über meine Wangen. Er sieht mich nach einer Weile wieder an und zuckt zusammen.
 

„Mello…?“
 

„…so denkst du also über mich…?“, frage ich leise und kann meine Stimme dabei kaum beherrschen.
 

„Ich-“
 

„…warum hast du das nicht schon früher gesagt…? Du hättest zurückgehen können, Matt… ich hätte dich sicher nicht davon abgehalten, zurückzugehen…“
 

Ich drehe meinen Kopf komplett von ihm weg. Wir beide wissen, dass ich mit Fieber sowieso nicht überlebe, also soll er das endlich akzeptieren und gehen.
 

„Mello-“
 

„…ich werde sterben oder…?“
 

Schweigen.
 

Ich sehe wieder zu ihm. Er ist blass geworden und hat seine Augen weit aufgerissen. Gequält lächle ich ihn an.
 

„…ich werde dich verlassen, stimmt’s? Schon wieder…“
 

Wie damals im Waisenhaus. Nur diesmal endgültig. Ich schließe meine Augen und schlucke.
 

„Nein, Mello-“
 

„…ich will nicht. Ich will das nicht. Ich will dich nicht verlassen, ich hab Angst ohne dich zu sterben…“
 

Ich zittere. So ähnliche Gedanken wird das Kind von damals kurz vor seinem Tod wohl auch gehabt haben. Allein zu sterben. Ohne die Eltern oder Freunde. Ganz allein.
 

„Hör auf.“
 

Ich nehme Matts Worte gar nicht mehr richtig war.
 

„…ich werde das hier nicht überleben, Matt…“
 

„Sei ruhig…!“
 

„…ich will nur, dass du weißt-“
 

Er schlägt mit den Fäusten auf die Tischplatte, auf der ich liege.
 

„Halt die Klappe!! Wir kriegen das wieder hin, hörst du?! Du WIRST das hier überleben, verstanden?!“
 

Ohne eine Antwort von mir abzuwarten greift er nach einem Tuch und Desinfektionsspray. Ich zittere noch mehr, da ich weiß, welche Schmerzen mich gleich erwarten, doch ich schließe einfach die Augen und beiße mir auf die Unterlippe. Keine Sekunde später fängt er an meine Wunden erneut zu desinfizieren.
 

„Mello, du wirst überleben, versprich es mir!!“
 

Verzweifelt starre ich vor mich hin.
 

„…ich weiß nicht, ob ich-“
 

„Tu’s einfach!!“
 

„…okay…“
 

Auch wenn ich ihn nicht verdient habe. Ich werde es versuchen. Aber ich werde dafür sorgen, dass es ihm bald besser geht.
 

Auch wenn wir dann nicht mehr zusammen sein können…
 

~Kapitel 9 - Ende~

TT_______TT Es tut mir soooo leid, dass ich euch jetzt fast 3 Monate auf dieses Kapi hab warten lassen!! Verzeiht mir~!! TT__TT *schnief* Ich hoffe dass das hier überhaupt noch jemand liest. Aber ich hatte echt keine Zeit weiterzuschreiben, bei mir war ständig so viel Stress... @___@ Wenigstens ist das Kapi zur Entschädigung etwas länger geworden. >.<

Ich hoffe es gefällt euch einigermaßen. Q_Q Auch wenn es ziemlich chaotisch zuging. (Mello hat mehr Stimmungsschwankungen als jede schwangere Frau. >_>)

Ich kann euch leider auch nicht versprechen, dass in Zukunft regelmäßiger Kapis erscheinen, da die Schule ganz schön rumstresst und ich in den Ferien ständig unterwegs bin. .__. Tut mir echt leid. Aber ich werde die FF beenden, koste es, was es wolle! >___<

Bis zum nächsten Kapi~

Eure Misu



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  KiraNear
2009-10-01T20:23:08+00:00 01.10.2009 22:23
das kapi war echt klasse geschrieben so wie deine anderen.. und die Rückblende mit dem kleinen zeugen kind und den 325 Opfern hat gezeigt, dass er nicht so ein herzloser kerl ist, wie viele gerne mal behaupten...

ne also ich finde, man kann sich echt gut in die beiden hineinversetzen; und einererseits wurde ich rot, andererseits auch traurig TT_TT

freu mich schon auf dein nächstes kapi^^
Von:  Ligeia
2009-09-29T17:35:39+00:00 29.09.2009 19:35
Tollig *Q*
Einfach nur genial und ja mitreißend und geil
*flänn*
Ach mir fällt nix mehr ein außer das ich es liebeeee
<3

Em
Von:  Suse
2009-09-28T17:13:05+00:00 28.09.2009 19:13
Wow. Ich kann mich Phynia nur anschließen.
Echt tolles Kapitel. ^^
Man wird echt von den Stimmungen der Charaktere mitgerissen und taucht in die Geschichte richtig ein. Klasse~!
Ich finde es wirklich fantastisch, wie du Mellos Gefühle und Gemütsschwankungen rüber gebracht hast. Mich hats in Mellos Traum wirklich mit Schuldgefühlen überhäuft. Wirklich fantastisch gemacht.

Auch dein Schreibstil hat sich irgendwie verbessert/geändert. Denk ich zumindestens. .__.

Alles in Allem fand ich das Kap wirklich toll und freu mich echt schon aufs nächste. ^^
hld Mazaki-chan
Von:  Terri
2009-09-28T15:06:27+00:00 28.09.2009 17:06
Wow, das Kap ist echt mitreißend .__.
Ich hab dir ja schon viel Auf ICQ geschrieben, also kennst du meine meinung im Großen und ganzen.
Mellos Verwirrung und Angst vor dem Alleinsein hast du wirklich sehr gut rüber gebracht. Er schreit Matt an, fleht ihn an zu bleiben und schreit ihn wieder an. Ich hab zwischenzeitlich echtes Mitleid mit den beiden bekommen.
Der absolute Hammer war natürlich der Traum;
Wow. Man bekommt selbst shculdgefühle wenn man das liest.
Mello WOLLTE es nicht umbringen ... aber am Ende hatte er praktisch keine andere Wahl .__.

Am meisten ist der Satz hier bei mir hängengeblieben ;
325 Menschen mussten wegen mir sterben.
.__. ... dass bedeutet das Mello nie der gewissenlose Killer war, auf den er immer gemacht hat. Er hat jeden einzelnen Menschen gezählt, den er umbringen musste .__.

Wirklich großartiges Kap, dass unter die Haut geht.

lg Phy =°.°=/)


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