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Jumays Kinder

Part 5: Kinder des Wassers - Verloren im Sand
von

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Ausgleich

„Choralychen, ich komme mir fürchterlich dumm vor!“

Mayora bekam kein Gehör, so oft er sich auch beschwerte, seine Verlobte ließ ihn einfach vor dem Berg an Büchern und unübersichtlichen Notizen allein sitzen. Verlobte, ja. Schon recht lange seine Verlobte, im übrigen.

Er schnaubte. Am Anfang, als es darum ging, die fremden Schriftzeichen zu lernen, war sie eifrig dabei gewesen. Klar, er war auch sprachbegabt und hatte das Ganze innerhalb weniger Wochen ziemlich gut gekonnt, aber jetzt, bei diesem komplizierten Medizin-Zeug, hatte sie keine Zeit mehr für ihn. Okay, sie hatte einen Grund, aber trotzdem, er war doch ihre Missgeburt...

„Prinzessin, bitte, tu doch was, Übermorgen hab ich eine Prüfung und ich kann gar nichts! Okay, an sich kann ich nur das hier nicht und das da drüber... und das, was gerade vom Tisch fiel, aber trotzdem! Ich tu das doch alles für dich!“

Er strampelte mit den Beinen wie ein Kind und die junge Frau seufzte. Dieser Idiot stresste sich viel zu sehr, noch am Morgen hatte sie mit ihm geübt und er hatte alles tadellos beherrscht. Spinner.

„Nimm das hier, es beruhigt.“

Sie trat zu ihm und legte ihm behutsam seinen kleinen Jungen in den Arm. Immer noch die beste Methode um Papa zum Strahlen zu bringen.

Und wie der strahlte.

„Aww, da ist ja Papas kleiner Liebling! Na? Na du süßer kleiner Fratz?“

Er kitzelte das Baby am Bauch, worauf es glucksende Geräusche von sich gab. Zwei Monate war die kleine Missgeburt nun alt, kaum zu glauben, wie schnell die Zeit vergangen war. Und er war auf jeden Fall das hübscheste kleine Baby der Welt.

Mama lächelte.

„Bring deinen alten Herrn mal auf andere Gedanken, Odohri! Prüfungsangst wie ein kleines Kind hat er, du darfst ihn auslachen... also du dürftest, wenn du nicht zu klein wärst, du Süßer.“

Der Kleine schaute seinen Vater bloß aus großen orangenen Augen an und strampelte etwas. War ihm reichlich gleich, wovon der Angst hatte oder was der überhaupt wollte...
 

An der Tür klopfte es. Das Zimmer war im übrigen nicht mehr ganz in rosa, zwar noch immer recht mädchenhaft, aber wesentlich angenehmer als zuvor und für Mayora durchaus zu ertragen.

Ebenso wie die Anwesenheit seiner Tante, die einen Moment später in den Raum lugte.

„Ratti 1 fragt, ob er euch ausnehmen darf.“

Das Paar warf sich einen irritierten Blick zu. Moment, war Ratti 1 nicht der Angestellte...?

„Und dann kommst du?“

Choraly blinzelte verwundert und die Frau lächelte leicht, ehe sie ganz eintrat.

Ja, die beiden Stachelratten hatten ihnen vor ein paar Monaten ein sehr interessantes Kartenspiel beigebracht, das man in der Unterschicht der großen Stadt abends oft spielte, um sich die Zeit zu vertreiben, gerne auch um Geld. Und die beiden hässlichen Jungen gewannen ständig und waren sicherlich heimlich schon steinreich durch ihre Gaunereien.

Aber immerhin hatten alle Beteiligten Spaß.

„Freiwillig. Ich sitze schon seit Stunden da unten, ich muss mir mal die Beine vertreten.“, sie sah zu ihrem Neffen, „Na, alles gelernt?“

Er seufzte. Sie sprachen noch nicht lange wieder halbwegs normal miteinander. Der junge Mann war wirklich extrem stur gewesen, hatte ihre verhaltenen Bemühungen um ihn, die sie selbst so überhaupt nicht mit ihrem eigentlichen Wesen hatte vereinbaren können, aber irgendwann einfach nicht mehr ignorieren können. Und jetzt näherten sich die Beiden wieder ganz langsam an, was die junge Mutter beruhigte. Sie wollte Frieden in ihrer Familie.

„Na ja, mehr oder minder, sagen wir, zumindest versucht habe ich es.“, seufzte der Grünhaarige da und die Ältere nahm ihm seinen Sohn aus dem Arm und wiegte ihn zärtlich.

Choraly schüttelte nur leicht den Kopf.

„Unsinn, du machst dich nur verrückt, du kannst alles. Und... nimm es einfach hin, ich möchte jetzt nicht mit dir diskutieren. Vertrau mir, ich weiß das, ich bin eine Frau.“

Und die waren ja bekanntlich sehr intelligent und so. Dennoch freute sie sich sehr über die Strebsamkeit ihres Fast-Mannes. Ihren Vater hatte er damit inzwischen auch überzeugt. Ja, alles war in Ordnung.

„Du schaffst das.“, pflichtete ihr unterdessen auch Chatgaia bei, küsste den kleinen Jungen kurz auf die Stirn und reichte ihn dann wieder an ihren Neffen weiter, „Wollt ihr nun mitkommen?“

„Nein, ich muss lernen, aber Choralychen kann gerne mitgehen, ich bin ja bei Odohri.“

Das Baby gluckste zustimmend und seine Mutter nickte. Sie hatte auch Spaß an dem dämlichen Spiel, warum also nicht? Wenn sie denn schon einmal Zeit hatte...

Sie küsste ihren Verlobten liebevoll auf die Lippen und der schenkte ihr darauf ein leichtes Lächeln. Sie sollte sich entspannen. Er hatte noch immer ein schlechtes Gewissen, weil sie vor zwei Monaten durch seine Schuld solche Schmerzen gehabt hatte...
 

--
 

„Und wie läuft es jetzt bei dir? Ich meine, bist du dir sicher, dass du das wirklich auf dich nehmen möchtest? Und gerade jetzt, in deinem Zustand!“

Die beiden Frauen nahmen nicht den direkten Weg in den kleinen Personalraum, sondern gingen noch etwas in den scheinbar unendlichen Gängen der Villa spazieren.

Allein war es hier nachts etwas gruselig, wenn das Personal in seinen Räumen oder zuhause war und kaum Licht brannte, fand Choraly zumindest. Chatgaia rannte des öfteren allein hier herum, ihr schien das nichts auszumachen. Dabei musste sie doch so sehr auf sich aufpassen...

„Ach, was heißt, gerade jetzt? Ich arbeite doch bereits seit ein paar Monaten daran, das ist jetzt meine Chance. Du würdest das selbe tun, das weißt du genau so gut wie ich. Auch wenn die Situation im Moment etwas unpraktisch ist, aber es wird schon gehen.“

Sie hielten am Ende des Flures an einem großen Fenster inne. Der Hof war bloß schwach beleuchtet.

An sich war eine dauerhafte Außenbeleuchtung auch nur Geldverschwendung, aber Uda Magafi bestand darauf. Die Familie war zu gefährdet, man musste immer alles, was um sie herum geschah, genau beobachten. Er hatte durch zu nachlässigen Schutz bereits einen Sohn verloren, er hatte aus seinem Fehler gelernt.

„Es regnet.“

Die Ältere legte eine Hand auf die kalte Scheibe und sah eine Weile hinaus. Sie erinnerte sich noch an den ersten Regen in der großen Stadt, wenige Tage nachdem sie hier angekommen gewesen war. Nie hatte sie ihren Neffen so strahlen gesehen. Es war so bitter kalt gewesen und dennoch war er einfach hinaus gerannt und hatte das darauf folgende heftige Fieber in Kauf genommen. Und er war dabei glücklich gewesen.

Auch sie als Feuermagierin hatte es sehr fasziniert. Anders als Mayora hatte sie bereits einen Regen erleben dürfen, als kleines Mädchen. Ihre Erinnerungen waren sehr stark verblasst, hatte sie festgestellt und jetzt in der großen Stadt bedurfte es plötzlich gar keiner Erinnerungen mehr, denn es regnete ständig. Seltsame Sache.

„Stimmt.“, machte Choraly da und folgte mit dem Blick dem ihren, „Aber übernimm dich nicht. Ich meine... wenn ich das täte, wäre das etwas anderes. Ich weiß, dass du da gar nicht gerne drüber sprichst, aber ich maße mir einfach einmal an, dich noch einmal daran zu erinnern, du hast es mir schließlich selbst erzählt...“

Der Regen war uninteressant und sie wandte ihren Blick der grünhaarigen Frau zu. Sie war bewundernswert. Irgendwie.

Sie wusste, was jetzt kam und rührte sich keinen Millimeter.

„Du hast bereits viele Babies verloren. Du musst sehr vorsichtig sein.“

Und das wusste sie auch. Die Magierin legte seufzend ihre nun kühle Hand auf ihren gerundeten Bauch. Darin wuchs neues Leben. Es bewegte sich, es wuchs und es wurde jeden Tag stärker. Sie musste unwillkürlich lächeln.

„Prinzessin.“, sprach sie andächtig, „Die Sehnsucht nach einem Kind zerfrisst mich seit Ewigkeiten von innen. Ich schwöre dir, ich würde nie etwas tun, wobei auch nur das geringste nennbare Risiko bestünde. Ich werde morgen diese kurze Fahrt auf mich nehmen, werde mich ein paar Stunden mit der Hoheit unterhalten und werde dann zurückkehren. Ich verspreche, nichts anstrengendes zu tun. Ich behaupte, ich bin in einem Alter, in dem man selbst sehr gut entscheiden kann, was das Richtige für einen ist. Deine Sorge ehrt mich jedoch sehr.“

Prinzipiell hatte die Ältere durchaus Recht, an sich gab es keinen Grund, sich solche Gedanken zu machen. Choraly war dennoch beunruhigt. Es kam von Innen, sie konnte es nicht beschreiben. Hoffentlich irrte sie sich und es lag einfach an den Hormonen.

Ja, Hormone waren ein gutes Stichwort, Chatgaia Setari war tatsächlich schwanger. Setari würde sie nicht mehr lange heißen, denn genau so wie ihr Neffe war auch sie erneut verlobt.

Es war eine riesige Überraschung für alle Beteiligten gewesen, denn bereits wenige Wochen nach ihrer Ankunft hatte das Mädchen die grünhaarige Frau eines Nachmittags in ihrem Zimmer empfangen. Sie war aufgelöst gewesen, völlig anders, als man sie gekannt hatte und eine Weile hatte sie sich sogar gefragt, ob es sich nicht um eine Hochstaplerin handelte. Es war jedoch die Echte gewesen, die der Jüngeren nach einigem hin und her von ihrem Baby erzählt hatte.

Im ersten Moment war ihr das sehr komisch vorgekommen. Sie hatte zwar von ihrem Kinderwunsch gewusst, war aber davon ausgegangen, dass sie dabei war, ein Alter zu erreichen, in dem es galt, diesen zu vergessen. Man hatte sie eben eines Besseren belehren müssen. Himmelsblüter blieben nun einmal ewig jung...

So war es auch gekommen, dass die Magierin von ihren verlorenen Kindern erzählt hatte, von den vielen Schwangerschaften, die frühzeitig geendet hatten und so hatten beide Frauen sich entschlossen, wegen des hohen Risikos die Sache vorerst für sich zu behalten, bis sie nach ein paar Monaten, als es langsam begann, sichtbar zu werden, die Sache veröffentlichten.

Mayora hatte zunächst sehr dumm aus der Wäsche geschaut, seiner Verlobten im Vertrauen jedoch berichtet, wie sehr es ihn für seine Tante freute. Jahrelange war er ihr unfreiwilliges Ersatzkind gewesen, wo sie sich ohnehin mit ihm versöhnen wollte, kam das gerade praktisch. So war die Wahrscheinlichkeit geringer, dass die Worte, die ihren Mund verließen, die Unwahrheit waren. Das war ihm sehr wichtig.

Zur Überraschung Choralys hatte auch der werdende Vater außerordentlich gut reagiert. Dass er von Himmelsblütern eigentlich doch gar nicht mal so abgeneigt war, hatte Uda Magafi ja schnell bewiesen; dass seine nette kleine Affäre mit der Magierin so jedoch öffentlich wurde, hatte ihn in sehr unangenehme Situationen gebracht. Pervers wurde er genannt und erntete von seinen Kollegen immer wieder Seitenhiebe, aber er nahm es mit dem Stolz eines Magafis. Er freute sich, so überraschend noch einmal Vater werden zu dürfen und diese Freude ließ er sich von niemandem nehmen. Außerdem begehrte er seine Frau, warum sollte es falsch sein, eine kleine Familie mit ihr zu gründen? Seine Tochter konnte er so immerhin verstehen.

Außerdem war Chatgaia keineswegs eine Schnorrerin, wie sie sich zu Beginn hatte ebenfalls betiteln hatte müssen. Seit längerem beschäftigte sie sich mit den Arbeiten Naputi Magafis, kämpfte sich durch viele Akten und Notizen und bekundete des Öfteren ihre Bewunderung für Choralys Mutter.

Diese schien zu ihren Lebzeiten an kaum etwas anderem, als an der Gerechtigkeit interessiert gewesen zu sein. Sie hatte Probleme im Volke gezielt aufgespürt und hatte durch ihren Mann die Macht gehabt, vieles zu verändern.

Die Feuergötter hatten die Magierin schon früh darauf hingewiesen, dass es nun an ihr war, diese Arbeit fort zu führen. Und das tat sie mit Freude, denn sie war niemand, der sich gerne aushalten ließ, sie musste selbst etwas sinnvolles tun.

Wo sie nun ein Kind erwartete, würde auch sie wohl oder übel nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren können. Uda Magafi arbeitete hier, sie war in der Wüste jedoch ersetzbar. So war es beiden klar gewesen, wer sein bisheriges Leben aufgeben musste.

Getrennt leben kam im Übrigen nicht in Frage, so unangenehm es den beiden zu Beginn auch gewesen war zuzugeben, dass sie ein Paar waren, sie waren es eben und wollten zusammen bleiben.

Demnächst würde die Grünhaarige noch einmal nach Thilia reisen, um ihrem Neffen Imera zu erklären, dass es ihr letzter Besuch dort sein würde.

Wenn er damit zurecht kam, sollte er von ihr aus gern das endgültige Oberhaupt des Dorfes werden, falls es ihn überforderte, hatte die Frau sich überlegt, ihm auch zu erlauben, jemand anderes für dieses wichtige Amt zu suchen.

Er war zwar bereits von seinem Vater dazu auserkoren worden, einmal Oberhaupt des toten Dorfes Morika zu werden, aber wirklich ein Typ für solch einen Posten war er nicht. Er sollte es selbst entscheiden.

Aber alles zu seiner Zeit, zunächst einmal musste sie ihr Kind wohlbehalten zur Welt bringen.

Und morgen hatte sie im Namen von Naputi Magafi noch etwas besonderes vor.
 

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Und dieses besondere Vorhaben verlangte am nächsten Vormittag von ihr zu knien. Zumindest war sie sich dessen bewusst und wollte es tun, wurde aber noch einmal abgehalten.

„Nicht doch!“, die schüchterne Königin des Kontinents Noboka lächelte ihrem Gegenüber zu, „Das ist doch zu umständlich mit dem Bauch. Eine Ausnahme. Herzlich willkommen in meiner Residenz!“

Sie nickte. Ihr kam tatsächlich die Ehre zuteil, mit dieser Frau unter vier Augen zu sprechen. Auch das verdankte sie Uda Magafi.

Ihr Anliegen war einfach. Sie wollte für ihr Volk kämpfen. Und so wie die Hoheit schien, würde man sie sicher nicht abwimmeln.
 

Im Gegenteil.

„Ich verstehe Sie sehr gut.“, erklärte die Monarchin wenig später verhalten.

Sie spazierten durch den wunderschönen Schlossgarten, da es bei den angenehmen Temperaturen draußen einfach viel schöner war als in dem pompösen Palast.

Von pompösen Gebäuden hatte die Grünhaarige beinahe genug, ihr Verlobter ließ sie kaum das Haus verlassen. Er hatte natürlich Recht damit, man musste sie sehr schützen, aber vor wenigen Monaten war sie noch den ganzen Tag durch ihr kleines Dorf gerannt, sie fühlte sich beinahe wie in einem goldenen Käfig. Musste aber sein...

Die Königin hielt vor einem kleinen, verhältnismäßig hässlichen Bäumchen inne und musterte es eine Weile. Es war beinahe verkrüppelt und wollte so überhaupt nicht in den schönen Garten passen. Chatgaia fiel im ersten Moment überhaupt nicht auf, was sie da vor sich hatte, zu unwirklich erschien es. Bis sie zur Erkenntnis kam, vergingen einige Augenblicke.

„Ein kleiner Kaliri-Baum...“, sie fasste vorsichtig nach einem winzigen Ästchen, „Er kann hier kaum leben, er hat viel zu kalt!“

Fasziniert von dieser krüppeligen Erinnerung an ihre Heimat bemerkte sie die Verwunderung der anderen Frau nicht. Kaliri-Bäume hießen diese seltsamen Dinger? Das ergab sogar Sinn, der Gärtner versuchte immer zu, die kleine Pflanze irgendwie wieder aufzupäppeln, aber in diesem Klima konnte sie ganz simpel nicht leben, es tat ihr nicht gut. Das sollte sie ihm ausrichten, vielleicht fiel ihm darauf ja eine Lösung ein.

„Wie dem auch sei...“, versuchte sie die Gedanken an ihren Garten zu verdrängen und ihren Gast wieder auf das eigentliche Thema zurück zu bringen, „Es... gibt etwas, das ich Ihnen im Rahmen Ihrer Bitte berichten möchte. Ich... sollte eigentlich niemandem davon erzählen. Wir... also die, die mir sagen, was ich tun soll, denn zu entscheiden traut man mir bedauerlicherweise nicht zu, bezeichnen es als unerklärliche Problematik. Da Sie mich um Beihilfe zur Befreiung ihres offiziell nicht einmal gefangenen oder verbannten Volkes gebeten haben, will ich mein Versprechen gegenüber meinen Leuten brechen. Ich vermute ohnehin schon lange, dass es Unrecht ist...“

Sie setzten sich auf eine hübsche kleine Bank im Schatten eines nun schönen, starken Baumes, ganz in der Nähe. Unerklärliche Problematik klang ja interessant, was das mit den Himmelsblütern zu tun hatte, wollte die grünhaarige Frau nur zu gern wissen. Passte vom Wortlaut her bereits sehr gut auf die Meinung der meisten Menschen zu den Magiern...

Die Königin seufzte und schien abermals etwas verlegen.

Während sie etwas an einer langen, dunklen Haarsträhne spielte, fragte Chatgaia sich, wie ausgerechnet sie an einen solchen Posten gekommen war. Sie konnte kaum älter sein als die Himmelsblüterin, wenn überhaupt, hatte aber nicht halb so viel Selbstvertrauen. Sie war sicher leicht zu manipulieren.

„Es ist eine gar schreckliche Geschichte!“, fuhr sie da mit einem Mal beinahe verzweifelt auf, „Wir wissen nicht, ob es nur bei uns, in Noboka, so ist, denn reden will keiner! Es... es zerreißt mir das Herz, je mehr ich erfahre, ich möchte schon überhaupt nichts mehr wissen davon! Ich bin so beschämt die Herrscherin eines so barbarischen Volkes zu sein!“

Sie errötete, als sie in das überrumpelte Gesicht ihres Gegenübers blickte. Ach, Schande über ihre Voreiligkeit...

Nach einem verunsicherten Räuspern fuhr sie fort.

„Nun ja, ich werde etwas weiter ausholen müssen. Zum ersten Mal aufgefallen ist es vor ungefähr zehn Jahren, aber ich denke, unbemerkt tritt dieses... ich bezeichne es als Phänomen, schon wesentlich länger auf. Der äußerste Norden und der entfernte Süden unseres Erdteiles sind außerhalb der Städte noch immer sehr unzivilisiert, fürchte ich. Jedenfalls verzeichneten wir in den Städten immer öfters auffällige Kinder, sie wuchsen nicht richtig, waren zierlich und oftmals kränklich. Die besorgten Eltern ließen sie untersuchen, aber was der Grund war, wusste lange niemand. Bis eines dieser Kinder, ein Mädchen, ich sehe sie noch vor mir, als sei es gestern gewesen... ; jedenfalls hat dieses wissbegierige Ding heraus gefunden, was mit ihnen war und den großen Fehler gemacht, es zu verbreiten.“

Die Frau seufzte. Sie kam sich dämlich vor, das so einfach zu erzählen. Ihr Gast seinerseits hatte eine leise Ahnung, in welche Richtung die Erzählung führen könnte.

„Klein, zierlich und kränklich passt auf uns Magier, so scheint es mir. Und ich habe bereits davon gehört, dass menschliche Eltern Kinder mit Himmelsblut zur Welt bringen, nachgewiesen aber bloß, wenn es in der näheren Vorfahrenschaft ebenfalls Himmelsblüter gegeben hat. Aber Ihr habt von einer größeren Menge gesprochen, wenn ich das richtig verstanden habe. Wie kommt das?“

Auf die Frage erlaubte sich die Herrscherin ein leises Lachen. „Wie kommt das?“, wollte sie wissen, dabei hatte sie sich klammheimlich selbst eine Antwort von der seltsamen Frau erhofft.

Oh ja, sie hatte sich etwas vor dem heutigen Treffen gefürchtet, auch wenn es nicht das erste Mal war, dass sie auf ein solches Wesen traf. Aber die, die sie kannte, waren Kinder...

Uda Magafi hatte sie quasi gezwungen.

„Das ist eine äußerst berechtigte Frage.“, entgegnete sie so, beschämt wegen ihres dämlichen Kicherns und fragte sich nebenbei, wie diese ganzen Politiker immer auf die Idee kamen, sie herum zu kommandieren, „Ich kann sie nicht beantworten. Diese Kinder wurden einfach so geboren, ihre Eltern unterschieden sich nicht von anderen Leuten. Mir ist ein fetter Bauer in Erinnerung, sein Hof ist nicht weit von Wakawariwa entfernt und von seinen 10 Kindern war bloß ein einziges so. Er hat es, als die Erkenntnis die Runde machte, in seinen Brunnen geworfen.“

Bei den Erinnerungen daran erschauderte sie. Sie merkte, wie ihr Gegenüber die gruseligen orangenen Augen etwas weitete; am liebsten hätte sie die weitere Geschichte verweigert, aber sie konnte sich ohnehin nicht durchsetzen. Nein, sie sollte sie einfach verschonen mit ihrer Reaktion, denn sie würde sicher fürchterlich sein!

„Wie es weiter geht, wird Ihnen sicher nicht gefallen, aber... bitte, ich fürchte mich etwas...“, sie verschluckte das „vor Ihnen“ gerade rechtzeitig und Chatgaia wandte den Blick ab und streichelte stattdessen ihren runden Bauch.

Sie kannte schließlich die menschliche Scheu... und ihre Abscheulichkeit.

„Redet doch bitte.“, bat sie und verschonte die Andere vor ihren ach so gruseligen Iriden.

Letztere seufzte ergeben.

„Nun ja, nicht alle haben ihre Kinder gleich in den Brunnen geworfen, viele hatten sie einfach weiter gern, wie es auch richtig war! Um das direkt klar zu stellen, nicht dass es am Ende so erscheint, als würden hier einzig Unmenschen leben...“

War „Unmensch“ nicht auch irgendeine Beleidigung? Sie überspielte ihre Verunsicherung und erklärte weiter.

„Nun ja, jedenfalls gab es auch viele, deren Verunsicherung groß war... größer als die Liebe zu ihrem Nachwuchs, wie bei eben diesem komischen Bauer... nicht alle haben ihnen etwas schlimmes angetan... aber viele wollten sie nicht mehr, haben sie abgegeben und ich... ich schäme mich dafür, nicht zu wissen, was darauf mit den Kleinen geschehen ist! Oder noch immer geschieht, denn es ist kein Ende in Sicht, denke ich... und was draußen auf dem Land geschieht ist sicher noch viel schlimmer... ich mag nicht daran denken.“

Die Frau seufzte abermals leise und überlegte, wie sie am besten weiter sprach. Sie hatte alles gesagt, nicht? Ja... das war die Geschichte. Magier wurden von Nicht-Magiern geboren, ohne irgendeinen ersichtlichen Grund. Und je mehr man... weg schaffte, desto mehr kamen nach, hatte sie ungewollt erfahren müssen.

Es war ein komischer Gedanke. Die Götter waren launisch.

„Und was habt ihr getan?“

Sie blinzelte.

„Was wir getan haben? Was meinen Sie, ich fürchte, ich verstehe nicht so recht...“
 

Lächerliches Pack. Lächerliche Königin. Lächerliche Welt.

Die Grünhaarige erhob sich, strich sich weiter über ihren Bauch, als er begann, unangenehm zu ziehen.

„Was bist du, wenn du meine Frage nicht verstehst, Weib? Denkst du, ich bemerke dein Herzrasen, die Nervosität, nicht, wenn du mir falsch ins Gesicht lächelst?“

Ausnutzen ließ sie sich, diese erbärmliche Frau. Und dennoch war sie geschockt, als man sie „Weib“ nannte. Ja, sie hatte sie treffen müssen, denn irgendwie musste man sie doch von ihrer Wolke auf den Boden zurück locken!

„Wie können Sie es wagen, mich so zu betiteln?! Ich habe mir einen ganzen Nachmittag Zeit für Sie genommen! Ich habe Ihnen etwas erzählt, was Sie eigentlich gar nicht wissen sollten und ich war sehr freundlich zu Ihnen, obwohl Sie zugegebenermaßen sehr befremdlich auf mich wirken! Ich finde Sie wirklich unverschämt!“

Die Monarchin stellte sich mit allem Stolz, den sie aufbringen konnte vor ihren Gast. Niemand war gerade in der Nähe, warum war keiner da? Sie würde ihr sicher die Haut abziehen, wie fürchterlich! Wenn sie das überstand, würde sie Uda Magafi degradieren, genau! Sie war äußerst erbost, von so einer Wilden beleidigt worden zu sein!

Chatgaia keuchte darauf, ignorierte den beunruhigenden Schmerz in ihrem Unterleib.

„Ja, wie konnte ich es wagen, dich überhaupt irgendwie zu betiteln, Titel sind schließlich das, was deine Vorfahren meinem Volke gestohlen haben! Nein, du bist an sich kein schlechter Mensch, im Gegenteil. Aber dass du noch nicht einmal meine eindeutige Frage verstanden hast, zeugt von deiner Dummheit!“

Oder ihrer Furcht. Sie wusste genau, was sie gemeint hatte, sie konnte es neben ihres weh tuenden Bauches genau spüren. Warum tat er weh? Sie erinnerte sich beunruhigt an ihr kleines Mädchen...

Es ist sicher bloß die Aufregung...

„Euch fiel keine Erklärung dafür ein und deshalb habt ihr diese kleinen, unschuldigen Wesen einfach weg geschafft! Nichts habt ihr für sie getan, ihr habt sie einfach ihrem Schicksal überlassen, weil sie nicht in euer falsches Weltbild passen wollten! Schon einmal daran gedacht, dass es der Wille der Götter ist?!“
 

Der Königin passte eben dieser Wille genau so wenig wie ihrem Volke. Weshalb wunderte die sich, sie war respektlos und penetrant, sie schrie sie für etwas an, wofür sie kaum etwas konnte.

Und so wäre sie im Angesicht dieser Unverschämtheit beinahe ebenfalls laut geworden, wenn ihr Gegenüber nicht einfach keuchend vor ihren Füßen zusammengebrochen wäre.

Und mit einem Mal wusste sie, weshalb sie nicht geeignet für ihren Posten war.

Herrscher mussten durchgreifen, sich nicht ablenken lassen und auch keine Gnade kennen, wenn sie nicht verdient war.

Sie konnte das nicht.

Und sie war stolz darauf, als sie sich besorgt zu der Anderen kniete.

„Was haben Sie?“

Denn so etwas machte einen Menschen zum Menschen.
 

--
 

„Ich bin ziemlich überrascht. Du bist doch sonst immer so übervorsichtig, warum dieses Mal nicht?“

Uda Magafi ließ seine Familie bewachen wie das Königshaus seine Kronjuwelen, dass er seine Verlobte allein aus dem Haus gelassen hatte, überraschte seine Tochter sehr. Irgendwie gab es ihr das Gefühl, er wäre zu nachlässig, obwohl das vermutlich völliger Blödsinn war, aber sie war eben das Kind ihres Vaters...

So saß sie vor ihrem Schreibtisch und konnte sich überhaupt nicht auf ihre Schularbeiten konzentrieren, denn es machte sie unruhig, nicht zu wissen, ob es Chatgaia gut ging.

Warum sollte es ihr eigentlich nicht gut gehen? Langsam wurde sie echt verrückt.

War aber auch alles seltsam im Moment.

Sie hatte sich verändert, seit sie wieder zuhause war. Es war beinahe eine größere Umstellung gewesen, als damals in Thilia. Hier ging sie plötzlich wieder zur Schule, machte bald ihren Abschluss und würde den Posten ihres Vaters irgendwann übernehmen. Gleichzeitig war sie aber auch Mutter und musste sich um ihren kleinen Sohn kümmern. Und ihren Verlobten unterstützen, natürlich. Gehörte auch dazu... Dabei hatte sie vor nicht all zu langer Zeit ihre eigene Mama verloren. Und Chatgaia lieb gewonnen.

Komische Sache.

„Ich denke, bei unserer Hoheit ist meine Gute ziemlich sicher. Und sie hat es sich so sehr gewünscht, ich kann ihr doch nichts abschlagen...“, antwortete ihr Vater da und lenkte sie so ungewollt weiter von ihrem Historik-Referat ab.

Sein kleiner Enkel quiekte zustimmend. Vielleicht lag es auch daran, dass er sein Bäuchlein kitzelte, war aber an sich auch gleich.

Kaum zu glauben, bald würde er selbst noch einmal Papa eines solchen Wurms sein.

„Ich finde es trotzdem seltsam. Es passt nicht zu dir, so kenne ich dich nicht.“, die junge Frau legte den Stift bei Seite, stützte den Kopf auf ihre Hände und verwischte unglücklicherweise mit ihren Ellbogen die frische Tinte auf ihren Blättern, „Entweder ist sie dir nicht wichtig genug, um dich damit abzumühen, sie aufzuhalten oder du liebst sie so dermaßen, dass du deine eigene elitäre Meinung hinten an stellst und ihr den Freiraum lässt, den sie auch verdient. Was ist es?“

Er grinste, weiter das Baby ärgernd. Erstaunlich, wie gut die kleine Prinzessin ihn inzwischen kannte. Besser als seine verstorbene Frau ihn je gekannt hatte. Er vermisste sie nicht wirklich.

„Ich schätze, eher letzteres. Ich habe sie sehr gern. Um ehrlich zu sein...“, der Mann erhob sich und ging etwas im Raum spazieren, wiegte den kleinen Odohri gedankenverloren in seinen Armen, „Sie muss sich hier seltsam vorkommen, denkst du nicht? Ich befürchte immer, sie könnte mir weg laufen, zurück in die Wüste kehren. Sie soll sich hier sehr wohl fühlen.“

Seine Verlobte verhielt sich ruhig, tat nie etwas, was er nicht auch wollte oder zumindest abgesegnet hatte, aber dieser unterwürfige Typ war sie an sich nicht, das wusste er. Das wollte er auch gar nicht, er verehrte und begehrte die Frau genau so, wie sie war. Oder sein sollte.

Wenn sie sich derart anpassen musste, würde sie sicher noch einmal durchdrehen hier und in die Wüste flüchten, er musste ihr auf jeden Fall eine gesunde Dosis an Freiraum lassen. Er gab sie nicht mehr her...

Seine Tochter erhob sich, stellte sich ihm gegenüber und lächelte ihn an. Es war kein übermütiges Lächeln eines kleinen Mädchens, nein, es war das wissende eine jungen Dame.

„Ich freue mich über deine Antwort. Ich schätze, sie hat dich eben so gern wie du sie, sonst würde sie es wohl kaum auf sich nehmen, hier zu leben. Das fällt ihr nicht leicht. Aber sie ist dir zutiefst dankbar, weil sie dein Kind austragen darf.“

Er hatte ihr damit immerhin einen sehr großen Wunsch erfüllt.
 

Im selben Moment öffnete sich die pompöse Tür rumpelnd und die jüngere Stachelratte kam hinein gestolpert. Fast wäre sie auf die Nase gefallen, konnte sich aber noch einmal an Choraly abstützen, die sie darauf empört anschaute.

„Ähm – Entschuldigung.“, der Junge räusperte sich verlegen und stellte sich ordentlich hin, „Ich habe Nachrichten! Welch Überraschung, ich komme ja auch nur, wenn ich welche habe, mein Gehalt möchte oder um eine nette kleine Partie Karten zu spielen bitte! Wobei, die letzten beiden Punkte sind an sich beinahe das Selbe, aber man muss ja auch sehen, wo man bleibt, nicht? Apropos, mein reguläres Gehalt steht noch aus diesen Monat... ach, jetzt habe ich doch glatt vergessen, weshalb ich hier bin, wie schade...“

Er kratzte sich etwas verpeilt am Kopf und hüstelte dann künstlich. Warum musste er sich auch immer wieder derart verrennen? War ja schlimm mit ihm...

„Na wenn du so weiter machst, vergesse ich dein Monatsgehalt dieses Mal einfach.“, bestätigte Uda Magafi seine Gedanken auch und er grinste verlegen.

„Weißt du noch nicht einmal mehr grob, worum es ging?“, wollte die junge Frau seufzend von ihm wissen, während sie ihrem Vater das Baby abnahm, weil es zu jammern begonnen hatte.

Baby, na klar. Die Herrin war doch auch schwanger!

„Doch, klar!“, er fasste sich an die Stirn, „Herr, man berichtete mir, mit Eurer Verlobten sei etwas passiert, man brachte sie in ein Hospital!“

Diese einfach daher gesagte Nachricht schlug ein wie eine Bombe.
 

--
 

Als Chatgaia erwachte, wusste sie nicht, wo sie war. Aber es war ihr auch egal. Sie erinnerte sich an das, was geschehen war. Leider. An jedes Detail.

An die Schmerzen, die im Garten der Königin plötzlich aufgetaucht waren, die sie zuerst ignorieren hatte wollen. Weil ihr der Ernst der Lage klar gewesen war. Weil es ihr nicht vergönnt war.

Nach dem Verlust ihres Sohnes Taranii hatte sie oft Leben in sich getragen, aber nie war es lebendig geboren worden, bis auf eine einzige Ausnahme. Ihre kleine Tochter war gewachsen, bis sich der Bauch der Grünhaarigen bereits deutlich gerundet hatte, doch irgendwann waren unverhofft die Wehen eingetreten, viel zu früh. Das kleine Mädchen war wenige Stunden später seiner Schwäche erlegen.

Obwohl ihre Erinnerungen an die Szenen kurz vor ihrer Ohnmacht klar waren, fasste sie unter der weichen Decke, die auf ihr lag und sie angenehm wärmte, nach ihrem Bauch. Schwach, sie war sehr müde.

Ein bitteres Lächeln schlich sich auf ihre Lippen, während sie weiter ins Nichts starrte. Er war beinahe flach, etwas angeschwollen, aber es befand sich kein Kind mehr darin. Sie hatte nicht geträumt.

Sie hatte sich nicht eingebildet, wie sie irgendwo in einem komischen Raum gegen ihren Willen dem Verlangen zu pressen nachgegeben hatte. Die Königin hatte sich wirklich um sie gekümmert, als sie vor ihr zusammen gebrochen war.

Alles, was mit ihr geschehen war, war so furchtbar unwirklich. Sie gehörte nicht hier her. Vielleicht sollte sie das dem Mann, den sie liebte, sagen.

Sie hatte ihn ohnehin enttäuscht.
 

„Du bist ja wach.“

Die Frau weitete ihre Augen minimal, als sie plötzlich eine bekannte Stimme neben sich wahrnahm. Mayora?

„Wie... kommst du hier her? Müsstest du nicht... studieren oder so?“

Sie keuchte. Warum bemerkte sie den fürchterlichen Schmerz in ihrem Unterleib erst jetzt?

Der Junge lächelte.

„Richtig, ich war auch dabei. Wir sind hier in einem Hospital, ich war hier, weil ich ein paar wichtige Dinge heraus finden wollte... und dann kamst du. Was das betrifft sind unsere Haare und Augen äußerst praktisch, eine Schwester auf dem Gang hat mich einfach angesprochen und gefragt, ob wir beiden zusammengehören. Uda und Choralychen sind inzwischen aber auch da.“

Die waren schon da? Wie lange hatte sie eigentlich geschlafen? Das Zeitempfinden war verschwunden. War ja auch egal.

Sie drehte ihren Kopf langsam zur Seite, damit sie ihren Neffen anschauen konnte. Außer ihm schien niemand weiteres im Raum zu sein. Und er grinste sie einfach an.

Darauf wären ihr fast die Tränen gekommen.

Reiß dich zusammen, dummes Weib!, schalte sie sich selbst, Es ist wie immer, es ist in Ordnung.

„Wie kannst du es wagen, mich einfach anzugrinsen?“, fragte sie ihn dennoch und klang zu ihrem Leidwesen erbost. Der junge Mann hob beide Brauen.

Sie war scheinbar noch ziemlich verwirrt.

„Richtig, wie kann ich nur? Ich habe gute Laune, deshalb tue ich so etwas unerhörtes.“

Gute Laune hatte er?

Sie zischte.

„Ekel!“

Einbildung war auch eine Bildung, musste die Frau feststellen. Sie hatte geglaubt, er wäre dabei, ihr zu verzeihen, stattdessen ergötzte er sich an ihrem Leid, auch wenn sie dieses zu verschlucken versuchte. Am liebsten wollte sie einfach aus dem Raum rennen, aber angesichts ihrer Erschöpfung und des ziehenden Schmerzes sah sie sich dazu nicht in der Lage, so wandte sie einfach den Blick ab.
 

Mayora unterdessen verstand ihren Denkfehler. Natürlich!

Er fasste sachte unter die Decke nach ihrer Hand und nahm sie kurz sanft in seine.

„Sei nicht traurig, Tante. Ich rufe deinen Mann und meine Frau, einverstanden?“

Sie nickte schwach. Nicht traurig sein, wenn es nicht so grausam gewesen wäre, hätte sie gelacht.

Egal, was sie in den letzten Jahren gewesen war und was sie getan hatte, hinter der Fassade, die sie für ihren Posten hatte aufbauen müssen, verbarg sich ein ganz normaler Mensch. Oder etwas ähnliches.

Und auch sie fühlte in so einer Situation Trauer, auch wenn es sie beschämte.
 

Er verließ den Raum, brauchte nur wenige Minuten, bis er mit der Familie zurück kehrte. Sie hatte sich in der Zwischenzeit nicht bewegt, bloß ihre Augen zeitweise geschlossen und sich überlegt, dass sie doch an sich alles ganz leicht hinter sich lassen konnte. Allerdings war die Magierin letztendlich zu dem Schluss zu kommen, dass das unehrenhaft und dumm war. Der schwere Weg war meist der Bessere.

„Du bist wach, wie schön!“, machte Choraly da erfreut und tauchte strahlend über ihr auf, streichelte ihr behutsam über die Wange. Sie wollte nicht antworten.

Auf diese künstlichen Aufmunterungsversuche konnte sie verzichten, da wollte sie nicht drauf eingehen.

„Du solltest dich vielleicht etwas aufsetzen, sonst siehst du doch nichts!“, machte ihre Fast-Stieftochter fröhlich weiter und begann, an dem Bett herum zu werkeln, bekam schließlich Hilfe von ihrem Verlobten und gegen ihren Willen saß sie grünhaarige Magiern mit einem Mal aufrecht da. Was war denn das bitte für eine furchteinflößende Pritsche?!

Noch ehe sie sich beschweren konnte, traf ihr Blick Uda Magafi, der seine Tochter für ihre Ungeschicklichkeit leise auslachte.
 

„Was trägst du da, Mann?“

Er blinzelte sie überrascht an. Was für eine amüsante Frage.

„Du scheinst noch ziemlich durch den Wind zu sein, meine Liebe.“, stellte er fest und setzte sich zu ihr ans Bett, sie starrte das in Tücher gewickelte Etwas in seinen Armen unterdessen bloß fassungslos an, „Wenn ich mich recht entsinne, ist das... Serenka. Den Namen wolltest du doch für einen Jungen, nicht?“

Ja, ihr Sohn sollte Serenka heißen.

Sie begann heftig zu husten. Warum, wusste sie nicht, vermutlich vor Schreck.
 

Ihr Kind war bloß sieben Monate unter ihrem Herzen gewachsen, warum lebte es? Warum war es nicht bereits tot?!

Und am Ende war es sicherlich doch nur ein Traum.

Beiläufig bekam sie mit, wie eine alarmierte Schwester den Raum betrat und sich nach ihrem Wohlbefinden erkundigte und ihr Neffe der Dame erklärte, seine Tante habe sich bloß verschluckt.

Die Gute kam gerade recht.

„Sprechen Sie!“, die Grünhaarige keuchte noch immer, zwang sich aber den überflüssigen Reiz in ihren Hals zu unterdrücken, „Was wird hier gespielt? Warum quälen sie mein Kind noch, es ist dem Tode geweiht, das wissen Sie genau so gut wie ich! Ich verlange, dass man es erlöst, verdammt!“

Erschrocken von den orangenen Iriden, die sie bösartig anstierten, wich die Schwester einen Schritt zurück und brauchte einen Augenblick, bis sie beschwichtigend die Hände hob.

„Bleibt doch bitte ruhig, zu viel Aufregung ist nicht gut für euch! Ich verstehe Euer Problem ehrlich gesagt nicht, warum sollten wir bitte Euer Kind töten?“

„Na weil..!“

Mayora unterbrach sie.

„Mutter hat bereits ein Baby verloren, weil es zu früh geboren wurde. Ich nehme an, sie glaubt, dass sei dieses Mal wieder so.“

Die Magierin kam sich etwas dämlich vor. Hier sprach man über ihren Kopf hinweg, als ob sie ein Kleinkind wäre, das das alles nichts anging. Und Mutter nannte er sie vor der fremden Frau...

Letztere schenkte ihr nun ein wohlwollendes Lächeln.

„Oh, seid unbesorgt! Wenn ein Kind zu früh geboren wird, heißt das nicht zwingend, dass es sofort sterben muss. Ihr kleiner Junge ist sehr stark und kerngesund.“

Sie schaute den Haufen Tücher in den Armen des hochrangigen Politikers an. Chatgaias Blick folgte ihrem, während sie erschauderte.

„Wir müssen ihn natürlich noch eine Weile im Hospital behalten, um zu schauen, wie gut das alles klappt. Zu früh Geborene haben gelegentlich Atemprobleme oder mögen nicht richtig essen. Aber wir sind guter Dinge mit dem Kleinen.“

Uda Magafi grinste seine Verlobte breit an.

Die Arme hatte gedacht, ihr Baby sei dem Tode geweiht. Er zu Beginn auch, aber man hatte ihn Himmel sei Dank schnell eines besseren belehrt. Jetzt war er sehr stolzer Papa.

Und seine kleine Hexe war Mama.

Sie keuchte leise, starrte ihren Sohn einen Moment bloß geistesabwesend an, ehe sie vorsichtig ihre eigenen Arme ausstreckte und ihr Mann ihr den Säugling übergab.

Kaum etwas zu sehen war von ihm, bloß das winzige Gesichtchen und einen kleinen Teil des noch beinahe kahlen Köpfchens.

Er hatte die Augen fest geschlossen und irgendwo unter den wärmenden Tüchern bewegte er ein Beinchen, das konnte die Frau schwach spüren.

Ihr Kind lebte. Sie war Mutter.

Nach so unendlich langer Zeit der Sehnsucht hatte sie wieder ein Kind, nicht nur ein gefühltes, sondern auch ein biologisches.
 

Mayora küsste seine Verlobte überraschend, als seine Tante endlich lächelte und schließlich etwas tat, was sie ansonsten bloß sehr, sehr selten machte; sie weinte.

Nicht vor Trauer, denn sie würde niemals wieder aus Trauer weinen; nein, sie weinte aus purem Glück.

Ihre ganzen Gedanken von zuvor waren nun lächerlich, während ihr Liebster sie ebenfalls auf die Lippen küsste.
 

Und plötzlich wurde ihr etwas klar, was sie beinahe vergessen hätte. Auf jedes Leid, folgte irgendwann Glück.

Alles glich sich aus.
 


 


 

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Das letzte Kapitel. Danksagungen und so etwas folgen im Epilog.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Harfe
2010-01-01T13:17:03+00:00 01.01.2010 14:17
Das ist so ... aww, ich meine einfach richtig... aww!
Wünderschön! Großartig! Fantastisch! OmG! Herz! Berührend! Herzerweichend! Zum Heulen! Herzallerliebst! Tollig!
Und... AWW!!
Happy End!!! ^////^ *freu*
Chatgaia ist Mami! <3 Uda ist Papi! <3 Mayora bekommt einen Cousin! <3
Serenka! <3333333
Zuerst hab ich auch gedacht - omG, das kann doch nicht sein, ist es wirklich tot, aber alle waren so guter Dinge, das konnte ja nicht sein. ^______^ Und hey, wozu gibts moderne Technik, wenn man keine Frühgeburten retten könnte, ey. ^^

Und - haha - Mayora hat Prüfungsangst. xD
Und Odohri heitert ihn auf, wie lieb! <33333
Überhaupt der Kleine und wie seine Eltern mit ihm umgehen. Aawww. So sollten alle Familien sein! ^///^

Wundertolles Kapi
<3ige Grüße Fe ^o^
Von:  Linchan
2009-12-20T23:49:11+00:00 21.12.2009 00:49
ah! es ist da, das letzte kapi! ;_______________; Und es war so wunderschön und toll! >/////<

Odohri ist ja sowas von niedlich... ich meine, aawww! >//////////< baby! Und Mayora ist auch so süß, er ist so nervös und, aawww! óò

> „Ratti 1 fragt, ob er euch ausnehmen darf.“
Das Paar warf sich einen irritierten Blick zu. Moment, war Ratti 1 nicht der Angestellte...?
„Und dann kommst du?“
xDDD ratti 1 xD Ich mag die Rattis, die sind einfach so rulig xDDD

Und Chatti ist schwanger <3 Nur für mich, ich meine, da sist soooo toll und aawww und herz! *___________* Und Überraschung, Uda ist papa xDDD *gibt ihm Kaffee*

> Dass er von Himmelsblütern eigentlich doch gar nicht mal so abgeneigt war, hatte Uda Magafi ja schnell bewiesen;
*hüstel* xDDDD

> Demnächst würde die Grünhaarige noch einmal nach Thilia reisen, um ihrem Neffen Imera zu erklären, dass es ihr letzter Besuch dort sein würde.
Demnächst ist gut, die faule tante xDDDD und von wegen, und überhaupt und... omg! >/////< *hibbelt rum* *herzt takoda mal an obwohl der garnicht vorkommt xD*

Dann - die Königin! ^o^ Die ist ja so süß xD wobei auch ziemlich deppert, manchmal wollte ich ihr nen Klapps geben... xD dass die einen Kaliribaum da haben, fand ich total schön, es war so süß und symbolisch und so óò Und ganz schön evil, was mit den kalenao-Kindern gemacht wird óo

und, omg, OMG >/////< das baby, naaahain! ó__ò *tut als wüsste sie nicht wie es ausgeht xD*

Un es war ziemlich raffiniert gemacht am Ende, wo man auch als Leser erst gedacht hat das baby ist eben tot, Chatti war völlig neben sich und dann grisnen alle, und... das war irgendwie gruselig und andererseits total toll und süß! óò Vor allem weil die anderen idioten ihr Problem erst garnicht gerallt haben... xD

Und Serenka >/////< er ist da, er war süß, hat nichts gemacht aber war da ^o^ Das Ende war so toll, es war schön! >///////< alle sind happy und Mayora hat sogar 'Mutter' zu Chatti gesagt óò ich meine... aawww, alle herzen! *___________*

Noch epilog, dann ist Herz zu ende ó__ò


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