Ein neuer Anfang
Ein kluger Mann behauptete einmal, jeder Mensch wäre nur einmal im Leben richtig glücklich.
Einmal.
Dafür wird er dann hinterher bestraft. Sein ganzes Leben lang, ohne Ausnahme. Die Strafe besteht darin, dass er diesen einen Moment in dem er glücklich war, nie vergessen kann.
Niemals.
Sirius Black hatte diesen einen Moment gehabt – und vergeudet, wenn man ihn nach seiner persönlichen Meinung fragte.
Er drängte sich durch die tanzenden Massen von Leuten, vorbei an betrunkenen, berauschten und schwitzenden Kerlen, die alle nur dem Spaß nachjagten und vergessen wollten, in welcher Welt sie gerade lebten.
Seine Hand schloss sich fester um den Flaschenhals des billigen Biers und führte es zu seinen trockenen Lippen. Angenehm kühl floss das Getränk seine Kehle hinunter und benebelte seine Sinne.
Noch während er trank, erfasste er einen jungen Kerl mit seinen blaugrauen Augen, die schon mehr als ein Herz gebrochen hatten.
Gemächlich schritt er auf den Kerl zu, stelle nebenher lässig sein Bier auf irgendeinem überfüllten und dreckigen Stehtisch ab.
Ja, Sirius Black hatte seinen einen glücklichen Moment schon verbraucht. Doch das hinderte ihn nicht daran, einen Zweiten zu suchen und auch wenn dieses Unterfangen zum Scheitern verurteilt war, so konnte er sich immerhin andersweitig vergnügen und kurzweilig vergessen.
Das aufdringliche Läuten der Haustürklingel weckte Sirius und brachte ihn sogar dazu, endlich aufzustehen. Schlaftrunken suchte er nach einem Pullover, weil es doch recht kühl war an diesem Morgen.
Abermals ertönte das Klingeln und er dachte, es sprenge ihm den Schädel Dank des verdammten Katers.
Endlich erreichte er seine Haustür und riss sie auf.
„Was?!“, blaffte er den morgendlichen Besucher an.
„Dir auch einen guten Morgen, Sirius.“
Vor ihm stand einer seiner ältesten Freunde – womöglich auch einer seiner einzig wahren und treuen Freunde.
Er trat an die Seite und gewährte so Remus John Lupin Einlass in sein kleines Heim. Fast schon vorsichtig betrat der Andere die Wohnung und rümpfte dabei die Nase.
„Du solltest lüften...und duschen. Du riechst fürchterlich.“
Sirius zuckte zur Antwort nur mit den Schultern und klatschte die Haustür zu. Dann machte er sich auf den Weg in die Küche, worauf Remus ihm eilig folgte.
Sofort nahm sein Freund das dreckige Geschirr kritisch unter Betracht und warf Sirius einen vorwurfsvollen Blick zu.
„Kaffee?“
„Gerne.“
Schweigsam griff Sirius zwei der dreckigen Tassen, wusch sie kurz aus und setzte dann den Kaffee auf, wobei Remus ihn immer verärgerter beobachtete.
„Ein wenig mehr Ordnung würde dir nicht schaden.“
„Ich bin kaum Zuhause.“
„Dann könntest du diese wenige Zeit trotzdem gebrauchen um aufzuräumen.“
„Ich finde mich schon zurecht.“
Aufgebend seufzte Remus und warf theatralisch die Arme in die Luft, worauf Sirius leise lachte. Der Kaffee war fertig. Nachdem Remus an dem Küchentisch Platz genommen hatte, goss Sirius ihm Kaffee ein, nur um dann ihm gegenüber Platz zu nehmen.
„Also, was gibt’s?“
Augenblicklich verdüsterte sich Remus' Gesichtsausdruck.
„Ein Anschlag.“
„Tote?“
„Eine Muggelfamilie.“
„Klingt nach einem kleinen Vergnügen.“
„Ja...es war grausam...“
Stillschweigend über diese Grausamkeit nippten sie an ihrem Kaffee. Dann räusperte sich Remus, fuhr nervös mit den Fingern über den Rand seiner Tasse.
„Sirius, vielleicht wäre es besser-“ Bevor der Andere seinen Satz beenden konnte, unterbrach Sirius ihn mit einem genervten Knurren.
„Bitte nicht schon wieder das Thema!“
„Aber Sirius! Es ist zu gefährlich, alleine zu leben! James findet auch du solltest zumindest -“
„Es ist mir egal, was ihr findet!“
Jetzt atmete Sirius ein, beruhigte sich ein wenig.
„Moony, ich kann auf mich aufpassen. Ehrlich.“
Zweifelnd presste Remus seine Lippen aufeinander und diese kleine lästige Falte bildete sich zwischen seinen Augen.
„Ja, das sieht man ja. Andauernd stromerst du herum, bist ständig verkatert und weiß Gott in welchen Betten du schon gelegen hast.“
Darauf schüttelte Sirius nur den Kopf, nahm den letzten Schluck seines Kaffees und stand auf.
„Nur weil wir in schwierigen Zeiten leben, heißt das nicht,dass ich zu einem katholischen Priester werden muss.“
„Wir wollen doch nur, dass du vorsichtiger wirst!“
„Ich bin vorsichtig!“
Jetzt wurde Remus' Mimik weich.
„Du bist einsam Sirius, mehr nicht.“
Lange sahen sie sich an. Schließlich wandte sich Sirius ab, stellte die Tasse wieder zu dem restlichen Geschirr und ging aus der Küche.
Nach wenigen Sekunden folgte Remus ihm ins Schlafzimmer, wo der Blacksprössling sich gerade anzog.
„Bitte Sirius. Bei Peter ist noch Platz und er würde sich über Gesellschaft freuen.“
Zur Antwort zeigte Sirius ihm eine eindeutige Handgeste.
Resigniert gab Remus es auf, ihn überreden zu wollen, stattdessen holte er jetzt einen Umschlag aus seiner Tasche und hielt ihn Sirius entgegen.
Dieser nahm ihn mit einem fragenden Blick entgegen.
„Was ist das?“
„Ein Auftrag für dich. Ist von Dumbeldore.“
Ungeschickt riss Sirius den Umschlag auf, holte den darin enthaltenen Brief raus und las ihn. Mit jeder Zeile verfinsterte sich sein Gesichtsausdruck mehr und mehr.
Nachdem er fertig war, ließ er den Brief sinken, starrte äußerst verärgert einen Haufen seiner dreckigen Unterwäsche an.
„Nichts Erfreuliches?“
Sirius schnalzte mit der Zunge, bedachte Remus mit einem langen und wütenden Blick.
„Ein kleiner Ausflug aufs Land.“
Fragend hob Remus die Augenbraue.
„Eine Untersuchung?“
„Ja, sowas in der Art.“
„Was ist daran so schlimm?“, fragte Remus verständnislos nach. Sirius atmete tief ein. Während er das nächste Wort aussprach, zerknüllte er den Brief in seiner Hand.
„Snape.“
