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Via Inquisitoris

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Edinburgh: der erste Tag

Auch die Menschen ermitteln in der unheimlichen Mordserie. Und der Leiter der Untersuchung ist durchaus fähig...
 

4. Edinburgh: der erste Tag
 

Sarah warf einen instinktiven Blick zu Sonne, als sie in der Princess Street aus dem Autobus stieg. Wenn sie das Licht auch nicht, wie es Menschen glaubten, zu Staub zerfallen lassen würde, so war sie doch ein Vampir, ein Jäger der Nacht, und fühlte sich in den Strahlen unwohl. Manche ihrer Art taten dies weniger, ja, lebten oft genug ein Leben unter Menschen, wie es Henry und Michael wohl in der Schlacht von Culloden und davor getan hatten, oder auch Gordon und seine Schüler auf dem Meer.

Die Menschen um sie schienen aber auch nicht sonderlich begeistert zu sein. Sie vermutete zu Recht, dass die verhängte nächtliche Ausgangssperre und die ungeklärte, unheimliche Mordserie denen aufs Gemüt schlugen.

Sie zog den Stadtplan, den ihr Neville, der älteste Schüler Sir Angus´, noch gegeben hatte, zu Rate, ehe sie quer hinüber ging, zur so genannten Royal Mile, um dieser entlang zu Hollyrood House zu folgen, dem Schloss der schottischen Könige. In dem großen Park dahinter war der erste Mord geschehen.

Waren es Menschen oder doch Gebissene, die die Morde begingen? Nun, um korrekt zu sein, waren Gebissene ja auch einmal Menschen gewesen, die von einem wahnsinnigen Vampir in die Zerrbilder seiner Art verwandelt worden waren. Die gewöhnliche Metamorphose von einem Menschen in einen Vampir durch einen Meister erfolgte unter zwei Voraussetzungen. Das künftige Kind musste vollkommenes Vertrauen haben und der Meister musste behutsam vorgehen, den Blutaustausch, sowie die geistige Krafterhöhung langsam, manchmal über Wochen vornehmen. Dazu war es zwingend erforderlich, dass der Meister selbst schon einige Jahrhunderte Erfahrung und magische Fähigkeiten besaß. Wenn ein junger, unerfahrener Vampir dagegen in den kritischen Jahren durch die Belastung des vergeblichen Kinderwunsches oder aus einem anderen Grund verrückt wurde, jagte er Menschen als Beute und entzog ihnen unverzüglich alles Blut. Sie starben dann zwar nicht, aber sie verloren ihre Seele, ihren Verstand und wurden zu den blutdurstigen Monstern, in denen die Menschen Vampire sahen…
 

Bei einem erneuten Blick auf den Stadtplan wurde sich Sarah bewusst, dass sie soeben an einem weiteren Tatort vorbeiging. Sie blieb stehen und ignorierte den Mann, der fast in sie hineinlief, als sie emporblickte.

Catriona hatte Recht gehabt: die Häuser hier waren alt und sahen wie verwunschen aus. Hier auf die Idee von Magie und Zauber zu kommen, war wohl nur zu menschlich. Sarah selbst fühlte sich eher an „ihre“ Zeit erinnert.

„Ja, hier war es“, sagte jemand grimmig neben ihr und sie wandte erstaunt den Kopf. Der dunkelhaarige Mann fuhr verächtlich fort: „Auch eine moderne Art des Tourismus: Mord-Tatorte besichtigen.“

Sie betrachtete ihn verdutzt. Er mochte Mitte bis Ende Vierzig sein und sah recht appetitlich aus – in den Augen einer Vampirin: „Verzeihung, ich verstehe Sie nicht ganz.“

„Sollten Sie wirklich nicht gehört haben, dass in diesem Haus vor vier Tagen eine ganze Familie von diesen „Vampiren“ abgeschlachtet wurde?“

„Ich habe natürlich von der Mordserie gehört. Die Zeitungen und Nachrichten waren ja voll davon.“ Warum war dieser Mensch so zornig? Waren die Opfer mit ihm verwandt?

„Sind voll davon.“

„Ich habe heute noch keine Zeitung gesehen. Zu meiner Schande, “ erklärte sie, als ihr eine Idee kam: „Immerhin wäre das mein Berufszweig. – Aber eigentlich wollte ich nach Hollyrood House.“

„Oh, Sie sind ja Engländerin. Touristin im eigentlichen Sinn.“ Er klang friedlicher, zumal er den Stadtplan in ihrer Hand entdeckte: „Dann lesen Sie mal. Heute Nacht gab es wieder zwei Tote.“

Nur zwei, wäre es ihr um ein Haar entfahren. Aber sie meinte: „Sie haben heute wohl schon die Zeitung gelesen.“

„Ich gab die Pressekonferenz.“ Und da er sah, dass sie erstarrte: „Sehr Recht. Ich habe das zweifelhafte Vergnügen, der leitende Beamte zu sein. Inspektor Kenneth Cuillin.“

„Lady Sarah Buxton. - Darum waren Sie so wütend, als Sie dachten, ich wäre aus…ja…widerlicher Neugier hier stehen geblieben.“

„Warum sind Sie es denn?“

„Catriona, eine schottische Freundin, erzählte, in dieser Straße sei sozusagen die Idee zu Harry Potter geboren worden. Ich wollte mir die Häuser ansehen.“ Sie musterte ihn: „Darf ich Ihnen eine Frage stellen, Inspektor Cuillin?“

„Zu den Morden? Dann kommen Sie normal zur nächsten Pressekonferenz um zwölf.“

„Ich könnte darauf zurückkommen. – Nein, wozu eigentlich diese Ausgangssperre? Es ist doch unlogisch. Die Morde geschehen nachts bei den Opfern zuhause.“

„Ja. Sie wurde heute Morgen auch aufgehoben. Aber nach den ersten zwei Mordfällen war nicht klar, dass die nächsten Opfer alle zu Hause getötet würden. Immerhin waren die ersten vier Toten in Hollyrood Parc. – Ich gehe jetzt dorthin. Sie wollten auch in diese Richtung?“

„Ja. – Besichtigen Sie alle Tatorte immer wieder?“

„Nein.“ Er kam an ihre Seite, so dass sie nebeneinander weitergingen: „Nur heute.“ Er wusste nicht, warum er dieser blonden Engländerin das erzählte, eigentlich nicht einmal, warum er sie angesprochen hatte. Doch, das wusste er. Er hatte geglaubt, dass sie Sensationstouristin sei. Und das hatte ihn noch bei jedem Mordschauplatz verärgert. Aber sie wirkte sehr vertrauenserweckend, obschon sie Reporterin war, ja, anziehend, auf eine sehr eigene Art. „Ich versuche vor Ort noch einmal das zu finden, was ich in den Berichten nicht finden kann.“

„Ich verstehe.“ Sie schwieg einen Moment. Immerhin hatte sie ihn kennen gelernt, das war schon einmal etwas. Aber wie sollte sie ihn unauffällig dazu bekommen, ihr mehr zu erzählen? In jedem Fall würde sie zu der Pressekonferenz gehen. „Sie suchen nach menschlichen Mördern.“

„Natürlich. Glauben Sie etwa an Vampire?“

„Ich glaube nicht daran.“ Ich weiß es, aber das musste sie nicht sagen: „Aber, was ich zu den Morden denke, wird Sie sowieso nicht interessieren, Mr. Cuillin.“

„Warum nicht? Es ist manchmal gut, eine neue Meinung zu hören. – Kommen Sie, Lady Sarah, hier, Queens Drive entlang.“

„Dort vorn ist doch das Schloss?“ fragte sie verwundert.

„Wenn wir uns doch schon über den Mord unterhalten, können Sie auch mitkommen. Der Tatort liegt hier drüben.“

„Und der andere so nah?“

„Relativ nah, ja. Sie liegen alle in der Altstadt – bis auf den ersten.“

„Und bis auf den ersten wurden alle Leichen gefunden.“

„Ja. Die ersten Morde schienen keinem Schema zu entsprechen, was sich langsam allerdings zeigt. Außer bei dem ersten wurden immer alle Leichen gefunden, darunter auch die Kinder.“ Er klang bitter.

„Das geht Ihnen nahe, nicht wahr?“

„Natürlich. Das jüngste war keine fünf.“ Und er hatte selbst zwei, die kaum dieses Alter erreicht hatten.

„Oh. Das tut mir Leid.“ Es wurde wirklich Zeit, dass diese Tötungen aufhörten. „War es heute Nacht auch…?“

„Nein. Wie ich sagte, diesmal zwei, ein älteres Ehepaar. Ein pensionierter Oberst, Sir Ralph Gordon und seine Frau. Und beide mit diesen Bisswunden. Immerhin ohne Schnitte.“

Das war ihr neu: „Schnitte? Davon stand nichts in der Zeitung.“

„Verdammt. - Verzeihung, Lady Sarah, das hätte ich nicht sagen sollen.“

Sie verstand: „Täterwissen, nicht wahr?“

„Ja.“

„Ich werde es nicht erwähnen.“

„Danke.“

„Moment. Andere Opfer hatten Schnittverletzungen? Zusätzlich zu den Bissen?“

„Nein. Entweder - oder. Aber, bitte, vergessen Sie das wieder.“ Sie wirkte wirklich sehr vertrauenserweckend. Was war nur mit ihm los? Er war glücklich verheiratet, da würde er sich doch nicht verlieben. „Kommen Sie. Hier drüben.“

Sarah blickte sich um: „Hier sind doch so viele Menschen…“ Und einige hatten an der Stelle, an der man die Tote gefunden hatte, Blumen und Kränze niedergelegt, auch einige Kreuze. Warum nur nahmen die Menschen an, das Symbol einer Religion, das seit zweitausend Jahren existierte, könnte jemanden ihres Volkes beeindrucken? Vampire gab es schon seit Jahrzehntausenden. Aber womöglich hatten sie die Erfahrung gemacht, Gebissene damit vertreiben zu können.

„Ja, es ist ein beliebtes Ausflugsziel bei Einheimischen und Touristen. Aber die Vier, die hier picknickten, taten es am Abend. Sie wollten von dem Hügel hier den Sonnenaufgang sehen. Daraus wurde wohl nichts. - Nun, was meinen Sie jetzt?“

Sie sah zu ihm auf: „Wollen Sie meine ehrliche Meinung?“

„Ja. Wie gesagt, ich rede mit meinen Kollegen, dem Staatsanwalt, dem Bürgermeister seit Tagen. Und manchmal übersieht man etwas, wenn man immer nur im selben Kreis diskutiert.“

„Ich kenne nur die Zeitungsberichte. Hier haben vier Jugendliche gesessen und zusammen gegessen. Sie wollten hier die Nacht verbringen. Ein Mädchen und drei Jungen, seit langem befreundet. Soweit ist das richtig?“

„Ja. Ein Jogger fand Mary Duncan dann in der Früh, übersät mit diesen doppelten Bissspuren und vollkommen blutleer. Von den anderen dreien fehlt jede Spur.“

„Dann passt auch das nicht ins Schema.“

„Alle anderen Leichen wurden gefunden, ja. Aber wie gesagt, auch der Tatort hier passt nicht in das Schema aller folgenden. Ich…wir vermuten, dass das hier nur die Aufwärmübung war. Ehe der Mörder, eher, die Mörder, sich an ein gewisses Ritual gewöhnt hatten.“

„Aber dann passt der Mord heute Nacht ebenfalls nicht in das Schema.“

„Es waren nur zwei, statt wie bislang vier, ja. Aber womöglich wussten sie nicht, dass die Kinder der Gordons studieren und nicht da waren.“

Nur zwei, dachte Sarah. Das bedeutete weniger Blut. Und das hieß, sie würden bald wieder zuschlagen, nicht erst nach vier Tagen. Es wurde Zeit, diesen Wahnsinn irgendwie zu beenden. Aber sie meinte laut: „Mr. Cuillin, wenn ich mir diesen Mord so betrachte, ist genau eines passiert: vier Menschen saßen hier, einer, das Mädchen, ist tot und die Jungen verschwunden. Sie meinen, dass sie auch tot sind, aber womöglich laufen sie noch herum.“ Und zwar als Gebissene, aber das konnte sie ja schlecht sagen.

„Diese Idee kam mir auch. Wir suchen sie seit Tagen, natürlich nur als wichtige Zeugen, aber es fehlt jede Spur von ihnen. Sie kamen nicht nach Hause, keine Kreditkarte wurde benutzt…Überdies: warum sollten sie sie umbringen? Sie waren befreundet, es gab nach Aussage aller Bekannten keinen Streit.“

„Dann wäre Mary wohl auch nicht blutleer.“

„Was meinen Sie?“ Jetzt wurde er sehr aufmerksam.

Sarah formulierte langsam, bemüht, nichts Unüberlegtes zu sagen. Inspektor Cuillin machte auf sie einen äußerst engagierten und fähigen Eindruck: „Angenommen, die drei Jungen lernten…jemanden kennen, der einen großen Einfluss auf sie gewann.“ Das wäre für keinen Vampir ein Problem. Die allermeisten Mitglieder ihres Volkes wirkten auf Menschen ohne Mühe fast anziehend, in jedem Fall interessant – eine deutliche Erleichterung bei der Jagd. „Nennen wir es… eine Art Anführer einer Vereinigung mit diesem blutigen Ritual.“

„Ich verstehe. Sie meinen, der forderte als eine Art ersten Treueakt den Tod ihrer Freundin. Und da sie gehorchten, warum auch immer, nahm er sie mit sich. Und sie halten sich dort bei ihm, oder ihr, verborgen, bis sie erneut ein derartiges Ritual begehen. Das würde auch den Vier-Tage-Rhythmus erklären. – Möglich, Lady Sarah. Aber von solche einer verrückten Sekte habe ich nie zuvor gehört.“

Sie nickte nur, fuhr aber fort: „Was ist Ihre Idee?“

„Wir dachten an so etwas ähnliches auch schon. Denn ein einzelner Verrückter – wie hätte er die anderen Opfer dazu bringen sollen, stillzuhalten? Es wurden keinerlei Rückstände von Drogen gefunden. Nein. Es müssen immer mehrere gewesen sein. Und da wir die Drei hier noch immer nicht tot aufgefunden haben…..Mit jedem Mord steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie es sind. – Ich muss zur Pressekonferenz. Kommen Sie mit?“

Sie besaß keinen Presseausweis, aber womöglich würde er sie mit durchbringen: „Ja, gern. Danke, Mr. Cuillin.“

„Für welche Zeitung arbeiten Sie denn?“

Gute Frage. „Ich bin freie Journalistin. Sie wissen doch, wie das ist…“

„Ja, die Zeitungen stellen kaum mehr Leute ein. Freie sind billiger, nicht wahr?“

„Ja.“

„Bei der Pressenkonferenz werden Sie sicher auch Knox kennen lernen. Das ist der Parapsychologe, der nachweisen soll, dass es wirklich echte Vampirmorde sind.“

„Wer kam denn auf die Idee?“

„Mein Chef wollte sich nicht nachsagen lassen, irgendetwas übersehen oder unterlassen zu haben.“

„Solange er nicht mich für einen Vampir hält…“ meinte Sarah mit einem gewissen Lächeln: „Ich habe eine gesunde Abneigung gegen spitzes Holz.“

Kenneth Cuillin lachte auf: „So verrückt ist nicht einmal der, jemanden, den er bei hellem Tageslicht trifft, für einen Vampir zu halten.“
 

Das hoffte Sarah, als er sie dem Parapsychologen vorstellte. Sie war nie zuvor einem begegnet, hatte nur gehört, dass solche Leute Geister vertreiben würden oder Gebissene töten konnten. Sie wollte nicht versuchen, ob er das auch bei ihr vermochte. Selbst, wenn sie einen Kampf gewinnen würde, wäre das gegen die Regel der Unauffälligkeit.

„Professor John Knox“, stellte Cuillin vor: „Und das ist Lady Sarah Buxton.“

„Angenehm.“ Der Parapsychologe bot ihr die Hand.

Sarah nahm sie, bemühte sich aber, nur kurz den Kontakt zu halten. Es war nicht notwendig, dass er spürte, dass sie kein Mensch war: „Ich bin Journalistin, “ meinte sie.

„Ja, wir gehen ja gleich zur Pressekonferenz. Interessieren Sie sich für die Morde, Lady Sarah?“

„Ich bin überzeugt, dass der Mörder bald gefunden wird“, erklärte sie prompt: „Mich interessiert nur diese…ja, geradezu Hysterie um Vampire. Ich las in der Zeitung, dass jede Menge Knoblauch verkauft wird und Unmengen Kreuze. Ein derartige Panik…“

„Ist womöglich nicht ganz ohne Grund. Glauben Sie nicht an überirdische Dinge?“

„Vampire und überirdisch?“ fragte sie sofort zurück. Übermenschlich, würde sie sich einschätzen, im Einklang mit wohl allen ihres Volkes.

„Ja. Wesen der Hölle, erschaffen, um Böses zu verbreiten. Sie haben nichts mit Menschen gemein.“

„Sie schätzen Vampire also als böse ein? Weil sie Blut trinken?“ Sie fragte aus ehrlicher Neugier.

„Weil sie töten.“

Genau das tat kein Vampir. Das ließ nur einen Schluss zu: „Sind Sie schon einmal einem echten begegnet?“

„Wenn Sie damit meinen, ob ich es beweisen kann, dass es welche gibt…Ich habe bereits einen getötet. Aber ich war allein. – Ich bin sicher, dass wir es hier mit einer ganzen Meute von Vampiren zu tun haben. Blutbäder dieses Ausmaßes gibt es nur sehr selten. Und ich bin sicher, dass sie sich in den Closes verstecken.“

„In den…was?“ Eine Meute von Vampiren…Das verletzte den Stolz einer Jägerin der Nacht. Aber ihr Auftrag war wichtiger.

„Oh, Sie sind ja nicht von hier. Die Closes nennt man die kleinen Tordurchlässe und Gässchen der Altstadt. Zum Teil liegen sie sogar unterirdisch, ein Labyrinth aus Tunneln, das lange vergessen war. In der Pestzeit 1644 wurden dort die Kranken eingesperrt.“

„Sicher kein nettes Krankenhaus.“ Wie Menschen mit Menschen umgingen, war immer wieder erstaunlich. Aber in den Closes mochten sich durchaus die Gebissenen verbergen – und der Vampir, der sie zu diesem seeelenlosen Leben verflucht hatte. Wer auch immer das war. Ein Ortsfremder? Oder einer von denen, mit denen sie heute Morgen getrunken hatte?

„Nein. Aber man hoffte wohl so, die Ansteckung zu vermeiden. – Sie glauben nicht an Geister oder Vampire, Lady Sarah?“

Kenneth Cuillin griff ein: „Wir müssen jetzt zur Pressekonferenz…“

„Ja. – Nun, Lady Sarah?“

Während sie zwischen den beiden ging, meinte sie: „Ich habe noch nie Geister gesehen, so kann ich das nicht beurteilen. Und was Vampire betrifft, so weiß ich, dass es seit dem 19. Jahrhundert in England und anderswo zu ganzen Romanserien darüber kam, oft genug, um Kritik am Adel dieser Zeit zu üben.“

„Das stimmt auch. Darum sind die Romanvampire ja immer adelig.“ Knox nickte etwas: „Zumindest damals. Aber auch ein Schriftsteller braucht Anregungen….“

„Ja.“ Sie dachte an das, was Catriona über die Dr-Jekyll-Geschichte erwähnt hatte. Und es stimmte auch: viele Vampire, sie eingeschlossen, waren adelig oder auch aus reichem Haus. Aus dem schlichten Grund, weil arme Vampire in den letzten Jahrhunderten kaum eine Chance gehabt hatten, in Ruhe und unauffällig zu leben – es sei denn, sie hatten einen ebensolchen Meister und Beschützer, wie es Sir Ronald mit seinen Kindern gezeigt hatte. „Nun, ich werde ja hören, was Sie in der Pressenkonferenz zu sagen haben.“
 

Bei der Pressekonferenz erfuhr sie allerdings nichts Neues, sah man von dem Umstand ab, dass erstaunlich viele Menschen im Raum silberne Kreuze um den Hals trugen und Knoblauch gegessen hatten. Einige, mit denen sie noch sprach, leugneten, an Vampire zu glauben, meinten jedoch, eine gewisse Vorsicht könne nicht schaden. Und Professor Knox schlug bei seinem Vortrag in die gleiche Kerbe. Als er seinen Vorschlag, die Closes zu durchsuchen, wiederholte, erwähnte der Polizeipräsident, dass dies zum Teil natürlich bereits geschehen sei, aber das Labyrinth derart unübersichtlich sei, dass sich Verbrecher dort gut verbergen könnten.

Nach der Pressekonferenz verschwand Sarah, um weder dem Polizeiinspektor noch dem Parapsychologen eine Gelegenheit zu geben, sie weiter auszufragen.
 

Aus dem Bericht des Inquisitors an den Hohen Rat:
 

Mit dem Bericht der Polizei kann ausgeschlossen werden, dass es sich um Morden von Menschen an Menschen handelt. Zu eindeutig sind die Hinweise auf das Vorgehen von Gebissenen. Und das ist beunruhigend, bedeutet es doch, dass sich wieder einmal einer der Unseren auf diesen Abweg begeben hat, nicht nur getötet, sondern seine Opfer zu einem blutrünstigen Leben ohne Seele verurteilt hat.

Die Frage bleibt: wer und warum.
 

Der zeitliche Faktor fand bislang keine genügende Beachtung.

Der Mord im Holyrood Parc an Mary Duncan und das Verschwinden ihrer drei Freunde geschah, bevor Sir Angus in gewisser Besorgnis die anderen Meister und deren „Kinder“ zu sich einlud. Sie leben gewöhnlich über ganz Schottland verteilt. Die zur Beeinflussung notwendige, tagelange Abwesenheit eines Schülers wäre seinem Meister aufgefallen. Schon aus diesem Grund kommen die anderen nicht in Betracht.

Bleiben also nur zwei Möglichkeiten: ein landesfremder Vampir oder aber einer von Sir Angus´ Schülern, also wohl Thomas oder Frances. Das Erwähnen dieser Closes macht es jedoch unwahrscheinlich, dass es sich um einen Fremden handelt. Zwar könnte dieser von diesen Tunneln gehört oder gelesen haben, aber wie sollte er sich darin so gut auskennen, dass er den ersten Durchsuchungen entrann, gerade auch mit drei Gebissenen, die ja schwer zu kontrollieren sind.

Zu dieser Kontrolle: nach dem Bericht der Polizei kann kein Zweifel daran bestehen, dass die menschlichen Opfer auf zwei verschiedene Weisen getötet wurden. Diejenigen mit den Bissspuren gewiss von den drei Gebissenen. Der Vampir selbst tötete die anderen mit Schnitten und Stichen, um so an ihr Blut zu gelangen. Mit diesem Vorrat wird er seine Gebissenen wohl die jeweiligen Tage besänftigt haben.

Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass die drei Gebissenen diesmal nicht beruhigt werden können. Es handelte sich nur um zwei Opfer. Sie werden neues Blut brauchen und bereits nächste Nacht wieder zuschlagen. Falls der Vampir sie weiterhin kontrollieren kann und will muss er also in dieser Nacht auf jeden Fall Douglas Manor verlassen.
 

**************************************
 

Da könnte der Inquisitor Recht haben.

Im nächsten Kapitel unterhält sich Sarah wieder mit Vampiren.
 

bye
 

hotep



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Kommentare zu diesem Kapitel (14)
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Von:  Bridget
2009-04-27T15:53:42+00:00 27.04.2009 17:53
So, zweiter Versuch heute. Hoffentlich ohne Syntaxfehler.

Also ich finde das alles einfach zu EINFACH. Hingehen in die Closets *warum erinnert mich das Wort an Klosett?*, hingucken und die Gebissenen fangen. Nene, so einfach ist uns zu einfach und die Art passt einfach nicht zu dir.

Da kommt noch was.
In diesem Kapitel hat man all das erfahren, was die Polizei herausgefunden hat soweit. Das andere, der Gedankengang der Vampirin erfährt man nebenher. Auch wie man wirklich zu einem echten wird. Nicht zu einer blutsaugenden Bestie.

Toll recherchiert. Hab extra meinen Schottlandführer rausgekramt. Aber Schottland ist das ideale Gebiet für Vampire, find ich zumindest.
Gerade das alte Europa bietet sehr viele Städte mit eben diesem Flair.

Zudem die Namensfindung von dem guten Herrn von der Polizei und das er dem "Charm" der Vampirin erlegen ist.



Von:  Krylia
2009-04-21T20:57:47+00:00 21.04.2009 22:57
Hah, endlich hab ichs durch. Immer kam mir was dazwischen.

Ich finde all diese verschiedenen Versionen des Vampirismus wirklich interessant. Und deine scheinen sehr kultiviert zu sein. Gefällt mir.
Von:  Tigerin
2009-04-20T20:12:20+00:00 20.04.2009 22:12
Wie immer gefällt mir das Hintergrundwissen sehr.
Also nach Lady Sarah ein Schüler und drei Gebissene. Das ist ganz sicher? Und wenn Sarah mit ihrer Meinung Recht hätte, dass es entweder Frances oder Thomas ist, dann würde ich eher auf Thomas tippen. Immerhin sei er noch "weich, sehr labil und noch in der Fragephase". Hm. Ich hoffe mal, dass Sarah die richtige Richtung bei ihrer Ermittlung einschlägt, damit ich nicht danebenliege..^^"
Ich muss sagen, dass mir der menschliche Ermittler gefallen hat. Er schien nett.
Mal schauen, wie es weitergeht..

LG, Tigerin
Von:  Cistus
2009-04-20T16:13:34+00:00 20.04.2009 18:13
Allein gegen alle bekommt da eine völlig neue Bedeutung! Momentan scheint niemand wirklich auf Lady Sarahs Seite zu stehen. Ihre Auftraggeber nicht, die Verdächtigen sowieso nicht, die Behörden wollen sich auch nicht in die Karten sehen lassen, der Inspektor durfte ihr ja eigentlich nichts sagen, war ja nur ein Ausrutscher und dann auch noch ein Parapsychoonkel, der offenbar glaubt er wäre van Hellsing! Nette Gesellschaft in die Sarah geraten ist!

mfg
Cistus

Von:  kiji-chan
2009-04-19T18:13:30+00:00 19.04.2009 20:13
>Falls der Vampir sie weiterhin kontrollieren kann und will muss er also in dieser Nacht auf jeden Fall Douglas Manor verlassen.
Hört sich für mich so an, als ob Lady Sarah fest überzeugt wäre, es ist entweder Thomas oder Frances...
Frances wirkt auf mich eher ruhig und ausgeglichen. Thomas kenn ich zwar noch nicht, aber ich glaube, Sir Douglas hat seine Schüler fest im Griff.

Ich muss zugeben, ich mag den leitenden Inspektor, den Kenneth. Er scheint mir ein sympatischer Kerl zu sein. Der Teil mit glücklich verheiratet war gerade zu köstlich.

Vampire Society Faktor +3 weil:
...sehr appetitlich aussehend..
wieso gerade Adelige Vampire waren
und der Parapsychologe XD

Irgenwie tippe ich doch auf einen Ortsfremden Vampir (besonders, weil die Jagd auch anderswo weitergehen soll...). Bin gespannt aufs nächste Kapi!

ncha!

Kiji
Von:  angel-sama
2009-04-19T17:00:06+00:00 19.04.2009 19:00
Da hat Lady Sarah aber Glück gehabt, dass der Komissar genau an dem Tag und zu der Zeit die Tatorte nochmal besichtigt hat. Sie hat doch noch ein paar Hinweise bekommen.
Zumindest kann man jetzt Menschen als Tatverdächtige auschließen.
Allerdings wären die vllt einfacher außer Gefecht zu setzten, als die Gebissenen.
Bin gespannt wie Lady Sarah wohl weiter vorgeht und ob die Vampire in der nächsten Nacht wieder zuschlagen werden? Man wird sehen...
Von:  don-kun
2009-04-18T22:05:55+00:00 19.04.2009 00:05
Ui, die Handlung nimmt richtig Fahrt auf. Und sehr interessant, was du über Edinburgh zu berichten weißt :)
Von:  dice70391
2009-04-18T09:27:30+00:00 18.04.2009 11:27
...naja ob der Inquisitor mit seinem letzten Bericht nicht doch etwas voreilig ist, bleibt abzuwarten...
Meiner Meinung nach darf man nicht alle anderen Vampire bis auf die zwei Kinder von Sir Angus ausschließen...

Es liegt jedenfalls auf der Hand das die Täter sich in den Closes aufhalten, weil diese sonst nicht von dir erwähnt worden wären...sie wären sonst überflüssig gewesen...

naja ich bin mal gespannt wie sich das weiterentwickelt...

dice
Von: abgemeldet
2009-04-18T09:20:16+00:00 18.04.2009 11:20
Hm, wenn es nur eines von den Kindern Sir Angus' sein könnte, wäre Frances angesichts ihrer PC-Kenntnisse doch eigentlich in der Lage auf andere Weise als vollkommene Blutentleerung NAhrung für ihre Gebissenen zu beschaffenen, zumal das auch weniger Aufmerksamkeit erregen würde.

Allerdings weiß Lady Sarah bisher noch nicht, wo genau sich die nicht in Edinburgh ansäßigen Vamiper zuvor herumgetrieben haben und wer weiß, ob nicht einer der Meister ebenfalls involviert ist.

Die Tatsache das Neville Karten und Stadtpläne sammelt könnte für die Closes noch sehr interessant werden, ebenso wie die Vergangenheit der beiden weiblichen Kinder von Sir Ronald.

Vampire scheinen auf Menschen tatsächlich sehr anziehend zu wirken, zumindest wenn man sich die Interaktion zw. Sarah und Kenneth ansieht, allerdings scheint die Sympathie bei dem PArapsychologen ein wenig auf der Strecke zu bleiben. ;)

Ich wüßte zu gern, wen er, angesichts der Behauptung bereits einen Vampir getötet zu haben, tatsächlich umgebracht hat, aber vielleicht kommt das noch heraus.

LG

Zwiebel
Von:  Amalia-chan
2009-04-18T09:19:19+00:00 18.04.2009 11:19
Liebe hotep,

Nette Erklärungen, die du da wieder einmal so ganz nebenbei einfließen lässt. Eine gute Variante um mal ein neues Bild auf Vampire zu werfen und gleichzeitig das gängige nicht auszulassen. Wie immer beweist sich deine gute Ausarbeitung deiner Idee, die sie bis zum Schreiben durchlaufen hat. Ich zöge meinen Hut, besäße ich einen *lächel*

Du ziehst den Kreis um die Verdächtigen ja schon schön eng und lenkst uns bewusst in eine bestimmte Richtung. Noch vertraue ich da ganz auf dich, da sich die Hinweise noch nicht einseitig darstellen, scheint es mir nicht so, als lägest du bereits jetzt schon eine falsche Fährte.

Was ich als besonderes "Schmankerl" empfand, war Professor Knox, finde ich gut, dass du einen Parapsychologen miteinbeziehst. Das wird sicherlich noch amüsant. *G*
Der Inspektor verfällt der sagenumwobenen Anziehung und Attraktivität der Wesen der Nacht, die sich für diese bei der Jagd ja als sehr nützlich erweist. Hast du gut rübergebracht. Er erscheint mir sehr sympathisch.

Ich persönlich glaube noch an einen Schüler, denn, Sir Agnus erscheint mir (momentan) noch als intelligent genug um zu erahnen, dass die Begebenheit, dass seine alten Mitschüler zu Zeiten des ersten Mordes und der Erschaffung der Gebissenen noch nicht anwesend waren, den Verdacht auf ihn lenkt. Ich sehe ihn momentan noch so, dass er intelligent genug gewesen wäre, sich ein Alibi zu verschaffen, indem erden Verdacht auf mehrere zerstreut. Also seine alten "Freunde" vorher zu sich einzuladen, ein Vorwand hätte sich sicherlich gefunden. Obwohl, hätte das nicht auch im Nachinein Verdacht erregt? Nun gut, dafür kenne ich die Sitten und Verfahrensweisen der schottischen Vampire wohl noch nicht genug. Ich werde mich also gespannt auf das nächste Kap stürzen und meine Augen weiterhin offen halten, ohne mich bereits jetzt schon festzulegen.

Danke für die fixe Benachrichtigung, wie stets.
Du liest, ich habe es wie immer sehr genossen und warte in ungebrochener Begeisterung auf deine nächste Benachrichtigung.

Glg und dir ein schönes Wochenende,
Amalia-chan



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