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Schlaflos

Der Albtraum endet nie...
von

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Gewinn und Verlust

Auf dem Weg zur Arbeit hatte Kyo darüber nachgedacht, ob er Die und Toshiya von dem gestrigen Tag erzählen sollte oder nicht? Würde er es tun, würden sie sich nur noch nachträglich Sorgen machen. Vermutlich würden sie ihm dann demnächst nur noch frei geben, wenn er ihnen wirklich einen detaillierten Plan darüber gab, wann er was machen wollte und wo er sich entsprechend aufhalten würde. Aber vielleicht hatte Kaoru die beiden gestern bereits angerufen und ihnen alles gesagt, was es über den gestrigen Tag zu wissen gab. Argh, diese konfusen Gedanken zogen ihn schon wieder runter. Er würde ja gleich an der Stimmung sehen, was der Fall war. Beim Mitarbeitereingang angekommen steckte er seine Chipkarte in den Schlitz der Sicherheitsanlage und tippte seine dazugehörige Nummer ein, woraufhin ihm geöffnet wurde.

„Tag, Kyo-kun. Auch eine Tasse?“, wurde er von Haraide gefragt, der sich gerade einen Kaffee eingoss.

„Guten Morgen“, erwiderte er den Gruß. „Gerne. Wenn du schon so fragst.“ So weit, so gut. Stillschweigend hängte er seine Jacke über eine Stuhllehne, legte dann all seine Wertsachen in eines der kleinen Schließfächer, die sie seit dem Einbruch hatten, und nahm dankend die dampfende Tasse Kaffee entgegen.

„Erzähl. Wie war dein freier Tag?“

„Anders als geplant.“ Und damit bezog er sich nicht nur auf diesen dämlichen Zwischenfall auf dem Friedhof, sondern auf den, der geschehen war, weil Tomoko und Sae über Nacht geblieben war. Sae hatte natürlich im Gästezimmer geschlafen. Ihre Mutter... sagen wir mal, es war ein schönes Ende, für einen schrecklichen Tag.

„Was war denn geplant?“ Allmählich wurde sein Kollege neugierig. Zumal der Ältere plötzlich sehr durstig war und die Kaffeetasse nicht wieder vorm Gesicht wegnehmen wollte. „Komm, du kannst mich nicht erst neugierig machen und dann einfach nichts mehr sagen. Ich kann auch Nobu herholen, wenn dir das lieber ist.“

„Nein!“ Ihr Flummi wurde ihn für den Rest des Tages verfolgen und nicht locker lassen. Zwar war heute Mittwoch und der Jüngste unter seinen Kollegen musste heute gar nicht arbeiten, aber für Tratsch würde er es glatt bringen her zu kommen.

„Ach komm. Mir kannst du es erzählen.“

„Was erzählen?“ Mit neugierigen Augen sah Die, der gerade zur Tür hereinkam von Einem zum Anderen. Nachdem er die beiden Männer begrüßt und sich ebenfalls seiner Sachen entledigt hatte, gesellte er sich zu seinen Angestellten und blickte noch einmal fragend in die Runde. Aber die Art, wie sein Blick an Kyo hängen blieb, wie er ihm einen sorgenvollen Blick zuwarf, verriet ihm, dass er gleich noch mehr zu erzählen hatte, als jetzt.

Aber da er keine Lust hatte Haraide mit seinem grausamen Leben zu belasten beließ er es bei: „Dass ich gestern Nacht mit meiner Nachbarin geschlafen habe.“ Eigentlich war das ein Thema über das er, Seltsamerweise und im Vergleich zu anderen Männer, nie gerne geredet hatte. Es ging nur ihn etwas an und basta. Jedoch funktionierte es gerade wunderbar als Ablenkung vom Wesentlichen.

Breit grinsend schlug Haraide ihm freundschaftlich auf die Schulter: „Gratuliere.“

Daisuke dagegen sah ein wenig skeptisch drein. Nicht, dass er was dagegen gehabt hätte, dass ihr Sänger seiner Nachbarin näher kam, fand er doch, dass sie ihm gut tat. Allerdings war er sich nicht sicher, ob das gerade nicht eine Lüge gewesen war, um von etwas Anderem abzulenken.

„Haraide? Schließt du schon mal auf? Ich brauche jetzt erst noch einen Kaffee, bevor ich hier auch nur einen Handschlag mache“, grinste Die in bester Manier, damit der Jüngere nicht merkte, dass es sich dabei nur um einen Vorwand handelte, um mit Kyo einen Moment alleine zu sprechen.

„Geht klar.“ Und keine fünf Sekunden später waren die beiden Männer allein.

Missmutig seufzend ließ sich Kyo auf dem ihm am nächsten stehenden Stuhl nieder, sah vorwurfsvoll zu dem Gitarristen. „Darf ich Kaoru in Zukunft Tratschtante nennen?“

„Wenn du meinst, dass dir das bekommt, wenn du es in seiner Gegenwart sagst“, erwidert der Größe schulterzuckend, setzte sich ebenfalls. Mit ernster Miene studierte er die seines Gegenübers. Dann erschien ein trauriges Lächeln auf seinem Gesicht. „Ich bin froh, dass du dich gestern gleich an jemanden gewandt und dich nicht wieder abgekapselt hast.“

„Ich ebenso. Nicht auszudenken, wie das ausgegangen wäre, wenn ich es nicht getan hätte.“

„Aber warum bist du denn wieder alleine los gezogen?“

„Ich wollte da eben kein großes Ding draus machen. Nur kurz hin, ihr die Ehre erweisen und dann wieder gehen. Das ist doch eine Sache von höchstens fünf Minuten, hatte ich gedacht. Und ganz im Ernst: Wer rechnet denn auch schon mit sowas.“

Das brachte den Älteren dazu den Kopf zu schütteln und einmal trocken aufzulachen. „Dass du nach allem, was dir passiert ist, immer noch so denken kannst.“ Mit einem Seufzen und einem schief gelegtem Kopf sah er Kyo an. „Wäre ich an deiner Stelle, dann wäre ich wohl schon längst Pessimist geworden. Und zwar einer von der übelsten Sorte.“

„Deswegen die Songtexte. Damit mir genau das nicht passiert. Um den ganzen Pessimismus aus mir heraus zu holen, damit er mein Leben nicht beeinflusst. Damit ich mir auch morgen noch etwas vornehmen und sagen kann: Was soll mir schon passieren? Außerdem hatte ich doch auch schon ein paar schöne Tage, seit ich wieder aus dem Gefängnis bin. Und ich glaube fest daran, dass das Leben noch mehr solcher Tage für mich hat.“ Ja, diese Art zu denken half ihm wirklich dabei morgens die Decke beiseite zu schieben und den Tag zu beginnen. „Und das wegen gestern: Hey, ist gut ausgegangen. Kein Grund sich da noch weiter Gedanken drüber zu machen.“ Was aber nicht für ihn galt. Er fragte sich immer noch, warum Takeno-kun diese Figur erwähnt hatte. Dafür musste es doch einen Grund geben. Der Jüngere wusste etwas, dass sonst niemand wusste und verschwieg es. Das hatte er im Gefühl. Vielleicht machte er sich aber auch nur selbst verrückt. Niemand konnte ihm sagen, wie viel da wirklich noch hinter steckte. Doch, das was da noch sein könnte... Was sollte es schon bringen, es zu erfahren? Egal was es war. Geschehenes konnte nicht ungeschehen gemacht werden und es würde sein Leben nicht nachträglich ändern. Er sollte sich wohl doch an seinen eigenen Rat halten und sich ebenfalls keine Gedanken mehr über das Vergangene machen.

Daisuke, der gemerkt hatte, dass der andere in seine Gedankengänge vertieft war, war aufgestanden, um sich ebenfalls etwas von dem frisch aufgebrühten Kaffee einzugießen.

In den nächsten Minuten trafen dann auch noch Toshiya, Rika und Keisuke auftauchten, war die Truppe für den heutigen Tag komplett.
 

Es war ein ruhiger Tag, wie so oft. Am Vormittag trieben sich Mitglieder von Bands herum. Von den bekannteren dieser Zeit, bis hin zu denen, die sich erst noch einen Namen machen wollten, aber schon eine kleinere Fanbase auf ihrer Seite hatten. Und seien wir doch mal ehrlich: Die meisten Anhänger der jeweiligen Musiker waren noch schulpflichtig und deshalb unter der Woche eher selten morgens um 10 in einem Geschäft anzutreffen. So konnten in aller Ruhe Instrumente ausgetestet werden, die einem ins Auge gefallen waren. Dazu auch noch in aller Ruhe fachsimpeln mit einem der Angestellten. Wobei Kyo sich da meistens von fern hielt. Er hatte nur Ahnung vom Singen. Von seiner Art zu singen. Zudem hatte er sich das Schreiben von Texten selbst beigebracht. Da gab es auch nicht so etwas wie eine Anleitung. Das konnte man nicht unterrichten. Er konnte den Leuten eigentlich nur zeigen, wo sie was fanden. Bei den Instrumenten verwies er immer noch lieber an einen der Anderen, einfach, weil sie über das tiefere Wachwissen verfügten. So ein bisschen was hatte er zwar von ihnen gelernt, gerade damals zu den aktiven Zeiten von Dir en Grey von seinen Freunden und Bandmitgliedern einiges mitbekommen. Aber ein Fachmann war er garantiert nicht. So gesehen nicht wirklich geeignet für den Beruf, aber dennoch froh ihn zu haben. Vermutlich würde er immer noch nach einer Beschäftigung suchen, wenn er das hier nicht hätte. Wenn er Die und Toshiya nicht hätte. Kurz vor der Mittagspause betrat jedoch jemand den Laden, den sogar Kyo noch kannte. Wenngleich auch nicht sofort erkannte. Aber diese gute Laune, die von diesem Mann ausging war einfach unverwechselbar. Das war so ein Moment, wo Kyo froh war, dass Nobu nicht hier war. Zwei Personen mit einer derartigen Energie in sich hätte nur zu einer Explosion geführt. Wobei ihm auffiel, dass Nobu auch schon immer ein wenig wie eine verjüngte Version von dem Gitarristen und Sänger gewirkt hatte.

„Oi, Kyo-kun. Bist du das wirklich?“

„Hallo Miyavi.“

„Schön dich zu sehen. Alles klar bei dir?“

„Schön auch dich mal wieder zu treffen. Ja, bei mir ist alles 'klar'.“ Man musste ja nicht allen Leuten alles erzählen. Zudem wollte Miyavi mit Sicherheit nicht seine komplette Leidensgeschichte hören. „Bei dir alles in Ordnung?

„Mit der Familie schon, aber mir ist etwas von meinem Equipment kaputt gegangen und demnächst fängt meine Tour an. Und wo kriege ich besser Ersatz her, als hier? Ist auch nur eine Kleinigkeit. Ich brauche...“
 

Miyavi blieb die Mittagspause über, bekam auch etwas von dem Essen ab, welches sie sich hatten liefern lassen und beteiligte sich mit Vergnügen an den Gesprächen am Tisch.

Irgendwann, während alle anderen sich auf Miyavi konzentrierten, lehnte sich Toshiya zu Kyo rüber.

„Hey, Kyo.“

„Hm?“

„Haraide meinte, dass du mit Tomoko-san geschlafen hast. Stimmt das?“

„Ja.“

Schlagartig wurden die Augen des Bassisten verdammt groß, ehe er sich wieder von diesem überraschenden Geständnis erholte und ein breites Grinsen ins Gesicht bekam, sowie ein neckisches Funkeln in den Augen. „Was sagt man dazu. Heißt das, ihr zwei seid jetzt zusammen oder war das nur so?“

„Was? Nein.“ Nur so war das auf keinen Fall gewesen. Aber zusammen... Er wusste es nicht. Aber er konnte ja auch schlecht einfach so behaupten, dass sie es wären. Gestern war er aber auch gar nicht dazu gekommen mit ihr zu klären, in welcher Beziehung sie zueinander standen, weil erst Sae die ganze Zeit anwesend gewesen war und weil sie im Anschluss noch über das Ereignis auf dem Friedhof hatten führen müssen. Wie sie es da geschafft hatten im Bett zu landen, konnte er sich auch nicht wirklich erklären. Dass er sich dann anfangs auch noch aufgeführt hatte wie ein dämlicher Teenager bei seinem allerersten Mal, war ihm zwar peinlich gewesen, aber sie hatte zum Glück nicht gleich die Flucht ergriffen.

Aufbauend stupste Toshiya den Älteren an. „Wäre doch toll, wenn du auch noch zu einer Familie kommen würdest. Ich drück dir die Daumen. Sie ist wirklich hübsch.“

„Das ist sie wirklich.“

„Magst du sie denn?“

„Mögen... Schon. Auch ein bisschen mehr. Nur reicht es noch nicht ganz für das Wort 'Liebe', befürchte ich.“

„Aber es ist ausreichend genug, um sie in deiner Nähe haben zu wollen, habe ich Recht?“

Für einen Moment überlegte Kyo, dann nickte er lächelnd und sah dankbar zu dem jüngeren Freund. Ja, dafür reichte es vollkommen. Vielleicht reichte Tomoko sie ja auch, diese 'halbe Liebe'. Denn wer wäre so verrückt, nach allem, was ihm zugestoßen war, noch nach der 'ganzen Liebe' zu suchen?
 

Nach Feierabend war Daisuke so freundlich gewesen, ihn nach Hause zu bringen. Kyo vermutete ja eher, dass der Ältere Angst gehabt hatte, dass er, wenn er alleine unterwegs war, wieder in irgendetwas hinein geriet. In seiner Wohnung angelangt ging er zuallererst ins Badezimmer, um eine wohltuende Dusche zu nehmen. Als Abendessen musste heute eines der wenigen Fertiggerichte her, die er in seinem Gefrierschrank hatte. Seit der Mittagspause war er zu sehr beschäftigt mit seinen Gedanken, über sich und Tomoko, da hatte er keine wirkliche Lust sich jetzt mit Kochen zu beschäftigen. Sie müsste zu Hause sein. Da könnte er nach dem Essen ja rüber gehen und sich ein wenig mit ihr unterhalten. Aber wenn er sie jetzt besuchte, bekam sie Sae nachher nicht zum schlafen, weil diese dann so aufgedreht war. Ging er aber noch später rüber, dann würde er die Kleine im schlimmsten Falle nur wach machen. Es wäre allerdings wirklich von Vorteil, wenn Sae nicht mehr um sie herum wuseln würde. Dann war es einfacher sich über solch ernste Themen zu sprechen. Gelangweilt beobachtete er das Essen in der Mikrowelle.

„Jetzt werd schon fertig“, grummelte er.

Plötzlich klingelte es an der Tür.

„Wer ist denn das?“ Neugierig ging er zum Flur, öffnete und fand eine weinende Tomoko vor.

„Was ist passiert?“ Sofort zog er sie in seine Wohnung hinein und sah sich ein Mal kurz auf dem Hausflur um, ob da nicht jemand war, ehe er seine Tür wieder schloss. Besorgt wandte er sich an die Frau, die er so lieb gewonnen hatte. Für seinen Geschmack sah er sie viel zu häufig weinen. „Tomoko-chan, was ist passiert?“

„Er hat mir Sae weg genommen“, erzählte sie schluchzend.

„Er?“

„Mein Ex.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  emina
2012-11-24T22:44:28+00:00 24.11.2012 23:44
Ich fand es schade das niemand zu diesem Kapitel ein Kommentar geschrieben hat, also mache ich es ^__^

mein erster Gedanke war "Also du gönnst ihm ja kein bisschen ruhe"
aber jetzt wo ich auch das nächste Kapitel gelesen habe verstehe ich es.

Ich habe bis jetzt noch kein Kommentar geschrieben, aber ich liebe diese Geschichte, ich mag es wie du sie alle darstellst als ganz normale Männer.

Ich freue mich zu erfahren was du noch für Überraschungen für uns geplant hast ^__^



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