Sensual Shooting
Kapitel 6:
SENSUAL SHOOTING
Sinnliche Dreharbeiten
****Rückblick****
»Hey, hast du mir denn gar nicht zugehört?«, fragte die Blondhaarige entrüstet und zog leicht eingeschnappt eine Augenbraue hoch.
»Doch, habe ich«, antwortete Seiya ehrlich und machte seine blauen Augen wieder auf. »Hast du mir denn zugehört, Schätzchen?«, fragte er sie schmunzelnd und durchbohrte sie abermals mit seinem Blick.
»Äh, nein, ich hab es nicht ganz verstanden, was du am Ende gesagt hast«, gab Usagi letztlich kleinlaut zu und kratzte sich etwas verlegen am Hinterkopf.
Seiya konnte darauf nur grinsend den Kopf schütteln. Das war seine Usagi. »Schon gut, vergiss es einfach«, säuselte er, nahm ich ein paar ihrer Haarsträhnen und spielte mit ihnen.
Die Zeit raste weiter, und im Nu waren die vierzehn Tage fast schon um.
****Rückblick****
»Ah, morgen ist es also schon so weit!« Seiya ließ sich auf das cremefarbene Sofa von Makoto nieder. Usagi, Rei, Minako, Ami und Makoto taten es ihm gleich. Sie hatten sich alle beschlossen, sich am Abend vor dem Konzert noch einmal zu treffen; diesmal bei Makoto.
»Ja, und heute war schon unser letzter Schultag.«, rundete Ami mit dieser Aussage ihr ganzes vergangenes Schuljahr ab, und man hörte deutlich das leise Bedauern, welches in Amis Stimme lag. »Wenn wir das nächste Mal nach diesen Frühjahrsferien im Klassenzimmer sind, werden wir bereits im dritten und letzten Jahrgang sein.« Alle wurden dadurch ruhig und dachten zurück an dieses erst kürzlich beendete Schuljahr.
Obwohl Usagi den Großteil dieses Jahres viel zu sehr in ihre Gesangskarriere vertieft gewesen war, hatte sie ein ganz passables Zeugnis bekommen. Sie hatte sich in diesem Jahr überall Mühe gegeben und nie nur halbe Sachen gemacht. So hatte sie auch in der Schule beachtlich zugelegt, denn schließlich hatte sie sich auch gewünscht, dass Seiya stolz auf sie sein konnte, wenn er zurückkehrte.
Schließlich hatte auch er damals bewiesen, dass er sich in allem, was er machte, ins Zeug legen und sowohl im Showbusiness als auch in der Schule das Maximale aus sich herausholen konnte. Und dadurch, dass sie das Gleiche geschafft hatte, hatte sie sich ihm irgendwie auch näher gefühlt, so verrückt das auch klingen mochte.
Seiya verband keine rosigen Erinnerungen mit dieser Zeit, denn schließlich war er in dieser Spanne unzählige Lichtjahre von seinem Schätzchen entfernt gewesen. An diese Phase erinnerte er sich also doch sehr ungern, obwohl … Okay, es gab parallel zu all dem Schmerz und Leid doch den einen oder anderen Glücksmomente. Zum Beispiel, als er damals ihre Botschaften erhalten hatte, auch wenn diese alles im Grunde nur noch schwerer gemacht hatten als es ohnehin schon gewesen war. Somit hatte die Verzweiflung deutlich mehr überwogen.
»Die Vergangenheit ist passé; lasst uns lieber für die Zukunft die Augen offenhalten«, verscheuchte Seiya die Stimmung, bevor sie gänzlich im Keller landen konnte und erhob sich. »Mir fällt gerade ein: Ich habe vorhin die DVD zum Musikvideo von ›Soledad‹ bekommen. Und ich bin wirklich gespannt zu sehen, was daraus geworden ist.« Gut gelaunt griff er nach der Hülle der DVD und ging zum Rekorder, der sich im Glasregal unter dem Fernseher befand.
»D- Das Musikvideo … oh nein!«, kam es plötzlich peinlich berührt von Usagi, die von einer Sekunde auf die andere ziemlich rot um die Wangen wurde. Sie schnappte sich ein Kissen und umklammerte es krampfhaft.
»Ach, da ist doch nichts dabei, Schätzchen«, redete Seiya lächelnd auf sie ein, nachdem er die kleine Scheibe eingelegt hatte und setzte sich wieder neben seine Freundin. »Wir sehen ganz bestimmt umwerfend aus, wie immer, wenn wir zusammen sind.« Grinsend legte er seinen Arm um sie und zog sie sanft zu sich.
»Ich kann gar nicht hinsehen!«, ertönte die raue Stimme Usagis, die ihr Gesicht in seine Brust vergrub.
»Was hat sie denn?«, fragten sich die anderen Mädchen.
»Ach, das werdet ihr schon gleich sehen«, antwortete er darauf nur geheimnisvoll und zwinkerte ihnen vielsagend zu. Als das Video begann, schaute Usagi dann doch auf. Sie war trotz aller Scham doch neugierig zu sehen, was aus dem Video geworden war.
Das Gitarrenvorspiel ertönte und im nächsten Moment erschien Usagi auf der Bildfläche. Mit tränenaufgelöstem Gesicht und einer Reisetasche rannte sie, mit einem dunklen Sommerkleid bekleidet, durch die Straßen. Seiya rastete ihr mit verzweifeltem Gesichtsausdruck und enormem Rückstand hinterher, schien sie offenbar zu suchen. Beide waren vollkommen durchnässt.
Usagi lief in Richtung Bahnhof und schaffte gerade noch rechtzeitig einen Zug. Auch Seiya kam am Bahnhof an und entdeckte sie durch ein Fenster. Beide tauschten noch einen langen traurigen Blick, bevor der Zug abfuhr und einen völlig am Boden zerstörten Seiya zurückließ.
Im Raum war es still. Jeder sah wie hypnotisiert auf den Fernsehbildschirm. Es kamen bereits jetzt schon die Tränen. Viel zu überzeugend hatten Seiya und Usagi schon diese erste Szene gespielt.
Seiya ließ sich auf den harten Asphaltboden nieder und hielt sich voller Verzweiflung den Kopf fest.
Dann folgten Rückblicke.
Zurück zu der Zeit, in der sich noch glücklich zusammen waren …
Als sie noch zusammen gelacht hatten …
Sie im herbstlichen Wald miteinander herumgealbert hatten und der Wind die bunten Blätter der Oktoberzeit zu ihnen hinaufbefördert hatten …
Und wie Seiya ihr sanft ein Blatt von ihrem goldblonden Haar entfernt hatte …
Aber auch die Momente, als sie gemeinsam geweint und getrauert hatten …
Als Usagi traurig gewesen war und er sie immer getröstet und neuen Lebensmut geschenkt hatte …
Sie sich gegenseitig immer neue Kraft gegeben hatten …
Zurück in der Gegenwart war Seiya inzwischen aufgestanden und ging einsam durch die verlassenen Straßen.
Weitere Rückblenden, wie glücklich und ausgelassen Usagi und er damals genau durch diese Straßen geschlendert waren …
Im nächsten Moment lag er in seinem Bett, schloss seine Augen und ließ wieder einige gemeinsamen Erlebnisse Revue passieren …
Und es kam eine wundervolle Bettszene, in der er auf sie lag und sie sich leidenschaftlich küssten. Die Perspektive wurde immer wieder gewechselt, doch die pikantesten Stellen blieben natürlich verborgen. Doch man sah die Zärtlichkeit, das Verlangen, die Liebe … Man sah deutlich, dass diese und auch alle weiteren Liebesszenen nicht nur gespielt waren.
»Das … sieht ja total echt aus; ihr habt doch nicht etwa wirklich …?«, platzte es aus Minako heraus, und sofort liefen Seiya und Usagi knallrot an und riefen empört wie aus einem Munde »Minako!«. Unwillkürlich dachten sie kurz darauf an diese besondere Szene - ihr persönliches Highlight während dieses Drehs - zurück.
»Seiya, ich … ich kann das nicht!«, flüsterte Usagi verzweifelt ihrem Freund zu, als sie nur mit Unterwäsche bekleidet mit ihm unter einer großen Decke auf dem Himmelbett des Sets lag.
»Natürlich kannst du das! Gemeinsam schaffen wir das, Schätzchen! Sieh einfach nur mich an und stell dir vor, dass wir ganz alleine sind, okay?« Wie schon so oft versuchte er ihr Mut zu machen, obwohl er selbst auch ziemlich aufgeregt war. Schließlich waren sie sich noch nicht einmal privat so nahe wie jetzt in aller Öffentlichkeit gekommen. Nicht einmal annähernd.
Auch er trug nur eine dunkelblaue Boxershorts, sodass sie sich unvermeidlich fast überall auf nackter Haut berührten. Beiden überkam eine kribbelnde Gänsehaut. So wohltuend und neu, allerdings zugleich auch unangenehm, was wahrscheinlich nicht zuletzt auch etwas mit der Tatsache zu tun hatte, dass sie von allen Seiten von Leuten vom Kamerateam umzingelt waren.
In Gedanken redete auch der sonst so coole schwarzhaarige Mann gut zu. »Wir sind am Set, das ist rein beruflich! Ich muss mich auf den Job konzentrieren! Das ist nur ein Dreh! Wir sind nicht alleine! Und hey: Du musst ja nicht einmal richtig schauspielern!« Denn eins war sicher: Es gab nichts auf der Welt, das er lieber mit ihr täte.
»Können wir jetzt bitte endlich mal anfangen?«, fragte er nach etlichen Minuten, so erschien ihm die Zeit zumindest, den Regisseur etwas gereizt.
»Jetzt!«, antwortete der Regisseur, der gemütlich auf seinem Regiestuhl saß. »Also nochmal: Ich will pure Leidenschaft, Feuer und Liebe sehen! Und … Action!«
Leidenschaft, Feuer und Liebe? »Das kann er haben!«, dachte sich der Achtzehnjährige wild entschlossen, sah seine Geliebte mit einem verlangenden und zugleich so liebevollen Blick an, so dass deren Verstand sofort aussetzte. Geschmeidig beugte er sich unter der Decke über das blonde, unschuldige Mädchen, näherte sich ihrem Gesicht und gab ihr einen zärtlichen Kuss, den sie auf der Stelle erwiderte. Innig strich er mit seiner Zunge über ihre weichen Lippen, bevor er damit vorsichtig in ihren Mund hineinschlüpfte. So verschmolzen sie zu einem immer leidenschaftlicher werdenden Zungenkuss. Der Atem beider begann, immer schneller und unkontrollierter zu werden. Nach einiger Zeit löste Seiya den Kuss, liebkoste sanft ihren Hals und wanderte zu ihren freien Schulterblättern hinab, da sie für den Dreh extra einen trägerlosen BH angezogen hatte, damit alles noch überzeugender rüberkam. Genießerisch schloss Usagi ihre Augen und legte instinktiv ihre Hände auf seinen strubbligen schwarzen Schopf. Die beiden vergaßen alles um sich herum. Auch im Set wurde es mucksmäuschenstill; keine einzige Anweisung des Regisseurs war zu hören, und selbst wenn es welche gegeben hätte – sie hätten sie nicht gehört geschweige denn verstanden.
Aber warum sollte es auch Anweisungen geben? Es war schließlich alles … einfach perfekt. Diese Gefühle waren echt – keine einzige Liebesszene, sei sie auch noch von langjährigen, unschlagbaren Profis der Leinwand gedreht, hatte eine Chance gegen dieses authentische Bild, was sie abgaben. Echte Liebe und echte Gefühle waren einfach das Optimum. Das konnte jeder Zuschauer sowohl sehen als auch spüren.
Zwar war es unheimlich peinlich gewesen, doch Usagi musste sich trotzdem eingestehen, dass sie es wunderschön fand, ihm plötzlich so unglaublich nahe zu sein. Seine Haut an ihrer zu spüren, sich einfach bei ihm fallen zu lassen … Dieses Gefühl war einfach unbeschreiblich. Es war alles so intensiv gewesen, obwohl sie am Set gewesen waren. Einfach verrückt.
»Wirklich sehr überzeugend diese Szene - hoffen wir nur, dass dein Vater dieses Video niemals zu Gesicht bekommen wird!«, gab Rei frech ihren Senf dazu, denn Ami und Makoto war das Ganze so peinlich, dass sie keinen einzigen Laut herausbrachten und nur mit geröteten Wangen wortlos das Geschehen verfolgten.
»Wie?«, fragte Usagi verständnislos nach.
»Na, er wird bestimmt sagen: ›Wie kannst du so etwas nur machen, selbst wenn es nur gespielt ist? Du bist doch noch ein so junges Mädchen und viel zu klein für so etwas!‹«, imitierte Minako Kenji Tsukino theatralisch und vor allem aber originalgetreu nach.
Mit einem Mal spielten vor Usagis geistlichem Auge Gesprächsfetzen der letzten zwei Wochen ab.
»Und als Mädchen musst du in diesem Gebiet doppelt und dreifach vorsichtig sein! Glaub mir: Ich weiß, wie die Jungs in deinem Alter ticken. Daran hat sich all die Jahre nie etwas geändert: Immer nur das Eine! Wenn sie das bekommen haben, lassen sie das arme naive Mädchen wie eine heiße Kartoffel fallen!
Deswegen lautet die wichtigste Regel: Es wird nicht übernachtet! Er nicht bei dir und erst recht nicht du bei ihm! Du bist noch viel zu jung für so etwas. Außerdem hat das vor der Ehe sowieso nichts verloren!«, redete er wild gestikulierend auf seine junge Tochter ein.
»Hm, wo soll ich anfangen … Vor allem. Ich weiß nicht, ob es angebrachter ist, wenn ich dich aufkläre oder Seiya diesen Job übernimmt. Wenn ich dich nun voll aufkläre, würde dabei irgendwie … ja, die Romantik ein bisschen verloren gehen. So etwas kann man rein theoretisch sowieso nicht erklären: Man muss es selbst erleben!
Dein Vater stellt es zwar als etwas Gefährliches dar, und es stimmt schon: Du solltest schon aufpassen, aber ich konnte mich heute selbst überzeugen: Seiya ist wirklich ein anständiger Kerl und wird dich bestimmt zu nichts drängen. Aber andererseits ... ist es etwas ganz Natürliches.
Ich vertraue euch da voll und ganz; schließlich werdet ihr auch erwachsen und müsst solche Erfahrungen selbst sammeln. Heutzutage ist es ja Gang und Gäbe, und Eltern sollten sich da wirklich nicht mehr einmischen. Wir leben im 21. Jahrhundert, und dein Vater wird das früher oder später auch einsehen müssen. Aber es wird ja wohl doch noch ein Weilchen dauern, bis es soweit ist.« Gedankenverloren wusch Ikuko den letzten Teller ab.
»Mama, ich habe gerade keine Ahnung, wovon du eigentlich sprichst!«, nörgelte Usagi ein wenig überfordert und trocknete das letzte Geschirr ab.
Ikuko lachte heiter. »Das kommt davon, wenn man nie im Biologieunterricht aufpasst!« Glucksend legte sie ihrer unerfahrenen Tochter eine Hand auf die Schulter. »Alles zu seiner Zeit Liebes, einverstanden?«
Das hatten sie also damit gemeint. Okay, dann war es auch verständlich, warum sich ihr Vater so verkrampft verhalten hatte. Aber was sie am meisten schockierte, war, dass sich ihre Eltern jetzt schon Gedanken darüber machten. Das wäre Seiya und ihr zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal im Traum eingefallen. Sie mussten doch nichts überstürzen und hatten doch alle Zeit der Welt. Und außerdem … waren sie noch lange nicht bereit dafür. Natürlich liebten sie sich und ihre Liebe war stärker als alles andere, und doch waren sie noch lange nicht so weit für diesen alles entscheidenden Schritt.
Genauso dachte auch Seiya, der sofort auf ein anderes, alltäglicheres Thema ablenkte: auf das morgige Konzert. »Ich freue mich schon auf das Konzert morgen, schließlich ist mein letzter Auftritt ja noch das Comeback-Konzert gewesen, und der ist fast schon zwei Monate her. Welche Künstler werden außer uns eigentlich noch auftreten?«
»Also Daisuke Ugurashi, Masami Kobashi, Maki Aiko und Hiroshi Tamaki - alle Jungstars unserer Zeit eigentlich, also zumindest auf nationaler Ebene«, zählte Ami auf und meldete sich somit auch mal wieder zu Wort. Sonderlich viel hatte man von ihr an diesem Abend nicht gehört.
»Morgen werden wohl nur ausschließlich Sänger auftreten, die schon länger aktiv im Geschäft und dementsprechend auch viel erfahrener sind. Ich werde also wohl der einzige Star sein, der neu dazukommen und seinen allerersten öffentlichen Auftritt haben wird. Meine Güte, ich bin jetzt schon total aufgeregt!« Beinahe zitterte Minako bereits und legte eine Hand auf ihre rechte Wange.
»Das schaffst du schon; sei einfach wie immer, auch auf der Bühne«, gab Makoto ihrer blonden Freundin Mut.
»Genau, wir stehen alle hinter dir und wissen, dass du es mit links schaffen wirst«, pflichtete Ami Makoto helfend bei.
Auch Usagi wollte sich an dem Motivationstraining beteiligen und zwinkerte ihr zu. »Ich bin beim ersten Auftritt auch mehr als nur aufgeregt gewesen, und trotzdem habe ich es doch ganz gut hingekriegt. Also wirst doch ausgerechnet du bestimmt keine Probleme damit haben. Außerdem trittst du beim allerersten Lied eh zusammen mit mir auf; ich bin damals ganz alleine auf der Bühne gestanden! Du wirst es also um einiges leichter haben.«
Minako, die inzwischen deutlich mehr Selbstsicherheit geschöpft hatte, blickte ihre Freundinnen dankbar an. »Ich danke euch. Und ihr habt Recht: Morgen wird sicher ein voller Erfolg werden. Für uns alle.«
»Seiya?«, fragte Usagi mitten in der Stille der Nacht, als sie sich auf dem Nachhauseweg befanden.
»Ja? Was ist denn, Schätzchen?« Er umschlang ihre Taille etwas fester, während die andere Hand in seiner Hosentasche vergraben war.
»Du … du sahst auf dem Musikvideo immer so schrecklich traurig aus … so verzweifelt.« Nachdenklich blickte das blonde Mädchen zu Boden. »Es hat mir fast das Herz zerbrochen, dich so zu sehen.«
»Na ja, aber es hätte ja nicht so gepasst, wenn ich an diesen Stellen glücklich gelacht hätte, oder?«, neckte der junge Mann sie feixend. Doch sein Grinsen verflog schlagartig, als Usagi aufsah und ihn mit einem ernsten Gesichtsausdruck musterte.
»Seiya, versprich mir bitte, dass du niemals wirklich so schauen wirst. So verzweifelt und hoffnungslos … so ohne Leben …« Plötzlich erschien sie selbst so niedergeschlagen und fühlte sich auch so. Denn dieses unendliche traurige Gesicht auf dem Bildschirm - sein Gesicht - ließ sie einfach nicht mehr los. Schon beim Dreh war das so schwer gewesen, doch in dem Video sah es noch viel echter und realer aus.
Seiya konnte seine Freundin nur verdattert ansehen. Er verstand ihre Beweggründe nicht wirklich. Hatte es sie so getroffen? Es war doch alles nur gespielt!
»Versprich es mir, Seiya!«, flehte Usagi ihn nachdrücklich an.
»Schätzchen, ich …« Beide blieben stehen und er strich ihr sanft eine goldene Haarsträhne aus dem Gesicht. »Also wenn es dir so viel bedeutet, dann verspreche ich es dir. So lange ich dich nicht verliere, werde ich dieses Versprechen halten können.« Er konnte nicht umhin, als noch diese letzte Aussage hinzuzufügen, sonst wäre sein Versprechen als Lüge durchgegangen. Denn er wusste ganz genau: Falls er sie wirklich verlieren sollte, würde er noch sehr viel erbärmlicher aussehen als auf dem Musikvideo. Tief sah er in ihre großen blauen Augen, versank abermals beinahe darin.
»Natürlich wirst du das nicht! Wir bleiben jetzt doch für immer zusammen, oder etwa nicht?« Ein leiser Anflug von Panik lag in ihrer Stimme. Allein der Gedanke, dass sich ihre Wege wieder trennen könnten, war für sie unerträglich.
Seiya nickte kurz zur Bestätigung. »Ja, das werden wir.« Er räusperte sich kurz. »Und jetzt solltest du lieber reingehen, bevor sich deine Eltern noch Sorgen machen.«
»Wie? Wir sind schon da?« Überrascht drehte Usagi sich um und stellte fest, dass sie wirklich schon angekommen waren.
»Ja. Ging schnell, oder?« Schmunzelnd beugte er sich zu ihr herunter und verschloss ihre Lippen sanft mit seinen. »Träum schön von mir! «, verabschiedete er sich flüsternd von ihr. »Wir sehen uns morgen.«
Usagi blieb jedoch unschlüssig vor ihrer Haustür stehen und machte keine Anstalten, einzutreten.
Belustigt runzelte Seiya seine Stirn. Als sie sich für eine Weile schweigend mit einem breiten Grinsen in die Augen sahen, entschied sich Seiya schließlich, ihr einen kleinen Schubs in die richtige Richtung zu geben. »Na los, geh schon rein. Ich werde erst gehen, wenn du sicher drinnen bist.«
Ertappt sah Usagi zu Boden und tippte mit der Fußspitze leicht den Boden an. Immer wieder. »Ich möchte dir aber nicht die Tür vor der Nase zuschlagen und dich hier alleine stehen lassen. Geh du zuerst.«
Herausfordernd hob er eine Augenbraue, konnte aber ein amüsiertes Grinsen nicht unterdrücken. »Jetzt geh schon rein.«
»Du zuerst«, blieb Usagi beharrlich.
Seiya dachte jedoch nicht daran, das Handtuch zu werfen, ließ seine Hände in den Hosentaschen gleiten und lehnte sich gelassen an den Zaun, der ihr Grundstück von dem Grundstück des Nachbarn trennte. »Tja, dann werden wir wohl die ganze Nacht blöd anschauen, wenn keiner von uns beiden vorhat, nachzugeben.«
Usagi verengte ihre Augen zu zwei schmalen Schlitzen und verschränkte ihre Arme vor der Brust. »Du wirst hier ganz bestimmt nicht die ganze Nacht stehen.« Beinahe süffisante Züge dominierten ihr wunderschönes Antlitz.
Lange sah Seiya sie nur mit undefinierbarer Miene an, bevor er entschlossen seine Augen schloss und sich leicht runterbeugte. »Du hast ja gar keine Ahnung, Schätzchen«, grinste er verschmitzt. In seinen Gedanken fügte er noch ein »was ich alles für dich tun würde« hinzu. »Die ganze Nacht vor deiner Tür zu stehen und zu warten, ist gar nichts für mich«, höhnte er.
Obwohl es ganz danach aussah, als müsste doch er in den sauren Apfel beißen. Ihm machte es nichts aus, die ganze Zeit hier zu stehen, doch es machte ihm sehr wohl etwas aus, wenn sie es ihm gleichtat. Und ihm fiel auch schon gleich eine Lösung ein: »Was hältst du davon, wenn du jetzt reingehst und ich wieder bei dir bleibe, bis du eingeschlafen bist?«
Das hatten sie schließlich mehr als nur einmal gemacht, und es war einfach jedes Mal wunderschön. Doch das Erwachen war umso härter für ihn, schließlich musste er dann immer zusehen, dass er bloß nicht einschlief, sich von ihrer Umarmung befreien und dann heimlich verschwinden, bevor ihre Eltern etwas von seinen nächtlichen Besuchen mitbekommen, was er sicher nicht überleben würde.
In ihren Augen blitzte es begeistert auf. »Darauf habe ich gewartet«, gab sie triumphierend zu, machte kehrt und schloss voller Vorfreude ihre Haustür auf.
Seiya konnte nur glücklich seinen Kopf schütteln, bevor er mit einem Satz auf ihrem Balkon landete und die Tür ihm einen Atemzug später schon von einer außer Atem geratenen Usagi geöffnet wurde. Er konnte nicht anders, als seine rechte Hand zu strecken und sie auf ihre warme Wange zu legen. Mit verführerischem Blick beugte er sich zu ihr vor, bis ihre Lippen sich fast berührten. Es fehlten nur noch Millimeter … »Hey …«