Happy Birthday, Yū! [Lavi x Kanda]
Es würde niemals jemandem gelingen, all das aufzuzählen, was Kanda Yū nicht ausstehen konnte - es war und blieb unmöglich. Aber wenn es etwas gab, das er am allerwenigsten ausstehen konnte, dann war es dieser eine gottverdammte Tag, mit dem letztlich jeder Mensch auf Erden konfrontiert wird, jedoch mit dem Unterschied, dass die meisten diesen einen gottverdammten Tag mochten, in der Regel sogar feierten.
Kanda Yū gehörte nicht zu dieser Fraktion.
Von welchem Tag die Rede war, stand außer Frage. Der gesamte Schwarze Orden wusste darüber Bescheid. Kanda wünschte sich schon seit Jahren, dem wäre nicht so. Aber dieser Misere konnte er nicht entfliehen. Sie nicht vergessen, nur mit Mühe verdrängen. Und selbst das würde nichts an der Tatsache ändern, dass Kanda Yū in drei Tagen Geburtstag hatte.
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04. Juni 1800-irgendwas: Ein beschissener Tag.
Der Morgen war hereingebrochen. Die Exorzisten begaben sich aus ihren Zimmern, um sich ihren altbekannten Pflichten zu stellen. Und Kanda war einer davon. Mürrisch lief er den Gang des Hauptquartiers entlang, in Richtung Cafeteria – die Richtung, die alle Exorzisten einschlugen.
»Guten Morgen, Kanda-kuuun~ ♥«, flötete Jerry munter und wedelte mit einem hölzernen Kochlöffel herum. Kanda stieß einen genervten Seufzer aus. »Und, was darf’s sein?« Der Chefkoch war Yūs Ignoranz schon lange gewohnt.
»Die Antwort darauf solltest du mittlerweile wissen…«, entgegnete Kanda trocken und setzte einen ungeduldigen Blick auf.
»Ich will nur auf Nummer Sicher gehen.« Gleich darauf wandte er sich ab und brüllte »Einmal das Soba-Menü!« in die Runde.
Wenn Kanda sich nicht gerade auf einer Mission befand, begann für ihn ein Tag wie jeder andere auch: Mit einem nervigen Gedrängel auf dem Weg zur Cafeteria, einem anschließend noch viel nervigeren Gedrängel in der Cafeteria, dicht gefolgt von dem wohl einzigen Lichtblick des Tages, der momentan in Form eines mit Soba gefüllten O-wan auf einem Tablett vor ihm stand und nur darauf wartete, von ihm verspeist zu werden. Wenn es da nicht noch die vierte Alltäglichkeit gäbe, die seinen Geduldsfaden jedes Mal aufs Neue überzustrapazieren drohte.
»Yū-chaaaan~!« Kanda hasste diese Stimme.
»Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du mich nicht so nennen sollst?!«
»Gut gelaunt wie immer, neh?« Lavi setzte sich zu ihm an den Tisch. Er grinste keck. Das hasste Kanda beinahe noch mehr.
»Hab‘ gehört, Komui hat heute keine Mission für dich.«
»…und was hat dich das zu kümmern?« Kanda nahm die Essstäbchen zur Hand und begann sich der dritten und - vor allem - um einiges angenehmeren Alltäglichkeit zu widmen. Lavi hatte allerdings nicht vor, die Konversation hier enden zu lassen. Sein Grinsen wurde breiter, als er den Kopf schief legte und bittere Tatsachen artikulierte:
»Du hast übermorgen Geburtstag, Yū...«
Kanda sah kurz zu Lavi auf, ließ mit einem »Che…« seine Gleichgültigkeit sprechen und wandte den Blick wieder ab. Lavi ließ nicht locker: »Freust du dich denn gar nicht? Du wirst doch achtzehn, oder? Hey, das ist doch ein richtig cooles Alter!«
Kandas Augenbraue zuckte bedrohlich. Lavi wusste, wie man ihn möglichst schnell und möglichst intensiv zur Weißglut treiben konnte.
»Yuuu~, hörst du mir denn gar nicht zu? Achtzehn, verdammt, achtzehn!«
Kanda fragte sich augenblicklich, wie es einem Menschen so schwer fallen konnte, für einen Moment die Klappe zu halten. So schwer war das doch nun wirklich nicht.
»Yū, wir müssen das unbedingt feiern, hörst du?« Kandas Abneigung verstärkte sich. Lieber würde er sich mit Mugen höchstpersönlich erdolchen, als seinen Geburtstag zu feiern.
»Yuuu!!«
Geduldsfadenreißgefahrmaximum überschritten.
»Halts Maul, verdammt! Und hör auf, mich so zu nennen!«
Lavi hob grinsend die Hände und stand von seinem Platz auf. »Wouuh, ganz ruhig, Yū-chan! Bist wohl mal wieder mit dem falschen Fuß aufgestanden, was?«
Er lief um den Tisch herum, stellte sich Kanda gegenüber und streichelte ihm über den Kopf, in dessen Gehirn sich augenblicklich Mordpläne der übelsten Sorte anstauten.
»Ich kann dir leider nicht mehr länger Gesellschaft leisten, hab‘ noch was mit dem Panda zu erledigen… Also bis dann!«
- Lang ersehnte Musik in Yūs lavistimmengeschädigten Ohren. Hätte er Lavis Anwesenheit noch eine Sekunde länger über sich ergehen lassen müssen, hätte er die Mordpläne in die Tat umgesetzt. Aber zum Wohle aller entschied das Schicksal, es heute erstmals bei einem bis zur Grenze getriebenen Kanda zu belassen. Dieser strich sich, kurz nachdem Lavi verschwunden war, die langen Haare glatt - Lavi hatte sie völlig aus der Form gebracht.
Fakt Nummer Eins war, dass Kandas Morgen grundsätzlich beschissen begann. Fakt Nummer Zwei war, dass Lavi der Hauptverantwortliche dafür war. Er verlieh dem Wort „beschissen“ eine noch viel intensivere Bedeutung.
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05. Juni 1800-irgendwas: Ein noch beschissenerer Tag.
»Yū-chaaaaan~!«
Ganz genau das war es, das den Tag noch beschissener als den vorherigen machte. Erschrocken durch den Lärm, riss Kanda die Augen auf. Das erste, was er mit diesen zu sehen bekam, war ein freches Grinsen, eingebettet in ein altbekanntes Gesicht, das sich schon vor Jahren tief in seinem Hirn verankert hatte. Er hasste es.
»...was zur…?!« Sein zuvor verschlafener Blick spiegelte jetzt bloße Fassungslosigkeit wider. Lavi hatte es sonst immer vorgezogen, Yū beim Frühstück in den Wahnsinn zu treiben. Heute war es anders gekommen. Lavi hatte sich in sein Zimmer geschlichen, war auf sein Bett gestiegen und hatte sich über ihn gebeugt. Um noch unnötiges Salz in die Wunde zu streuen, begann Lavi ihm mit dem Zeigefinger in die Wange zu pieken.
»Du elender…«
Kandas Blick war von Mordlust geprägt. Mit geballter Faust schlug er nach Lavi. Dieser wich dem Angriff gekonnt aus und machte keine Anstalten, von Kanda herunter zu gehen.
»Ach, Yū-chan, ich steh‘ auf deine Art, mir einen guten Morgen zu wünschen!«, flötete Lavi. »Ich dachte, ich weck‘ dich lieber. Du bist schon ziemlich spät dran. Komui wartet in seinem Büro auf dich.«
Ja. Wie schön für ihn. Und was hatte ihn das zu interessieren? Ja, ganz genau. Gar nichts. Und trotzdem mischte er sich immer und immer wieder in seine Angelegenheiten ein.
»Du Bastard… geh gefälligst von mir runter!« Kanda holte mit seinem Bein nach einem kräftigen Tritt aus, aber Lavi schaffte es gerade noch, rechtzeitig aufzuspringen. Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf und das Grinsen ließ er zu einem sanften Lächeln werden.
»Du änderst dich nie, Yū…«
Nach einem längeren Hin und Her befanden sich die beiden endlich in der Cafeteria. Kanda atmete tief aus, als sich der einzige Lichtblick am Ende des Tunnels - auch Alltag genannt - vor seiner Nase befand. Es hatte eine ganze Weile gedauert, Lavi aus seinem Zimmer zu scheuchen, damit er sich in aller Ruhe hatte umziehen können.
»Ach, Yū-chan, jetzt tu nicht so, als ob ich ein Mädchen wär‘… Wir sind doch unter Männern!« war das wohl lächerlichste Argument gewesen, das ihm je zu Ohren gekommen war. Aber Lavi hatte die Entgegnung »Verdammt, verschwinde endlich!« herzlich wenig gekümmert. Kanda war nicht drum herum gekommen, Gewalt anzuwenden, Lavi am Kragen zu packen und mit einem festen Stoß geradewegs aus dem Zimmer zu befördern, die Tür hinter sich zuzuknallen und vorsichtshalber abzuschließen. Er war der Ansicht, dass so viel Penetranz gesetzlich verboten werden sollte.
»Du solltest dich vielleicht etwas beeilen, Komui war-«
»Ich weiß, dass er wartet, ist mir egal«, unterbrach Kanda und ließ sich beim Genießen seiner geliebten Zaru Soba alle Zeit der Welt. »Wie wäre es, wenn du dich stattdessen beeilst und endlich verschwindest?«
»Ach, das ist nicht nötig. Der Alte und ich haben heute mal ‘nen Tag frei. Ich kann dir also bis zum Ende Gesellschaft leisten.«
Ein weiteres Argument dafür, weshalb dieser Tag beschissener war als der vorherige. Das war definitiv keine Musik in Kandas Ohren. Aber das, was jetzt kommen würde, wäre eine hochgradige Beleidigung an das Wort „Musik“, würde man es damit auch nur in Verbindung zu bringen wagen.
»Morgen wird ordentlich gefeiert! Ich meine, man wird schließlich nur einmal achtzehn, nicht wahr?« Lavi strich eine dünne Haarsträhne von der Stirn hinters Ohr. Kanda machte ein abwertendes Gesicht. »Che… Die Party kannst du alleine feiern.«
Er hatte fertiggegessen, die Stäbchen neben dem O-wan aufs Tablett gelegt und stand jetzt auf. Er machte sich auf den Weg zu Komuis Büro. Lavi schlurfte ihm hinterher.
»Ach komm, bei dem täglichen Akuma-Abgemetzel könntest auch du mal ein wenig Spaß und Abwechslung vertragen.«
Kanda konnte sich nicht erklären, wie ein Mensch derart hartnäckig sein konnte. Plötzlich fiel ihm ein ausschlaggebender Grund ein, der die Hoffnung hervorrief, Lavi endlich zum Schweigen zu bringen:
»Meine Mission wird sowieso länger als zwei Tage dauern. Also vergiss diesen Schwachsinn endlich.«
Damit hatte Kanda nicht ganz Unrecht. Es kam äußerst selten vor, dass es einem Exorzisten möglich war, für das erfolgreiche Abschließen einer Mission weniger als zwei Tage zu benötigen. Und selbst wenn er es vorher schaffen sollte, würde er absichtlich länger wegbleiben, um Lavis dummen Kindereien aus dem Weg zu gehen. Das stand außer Frage.
»Hm…«
Lavi begleitete Yū bis zu Komuis Schreibtisch. Nachdem der Auftrag erklärt und erteilt worden war, machte sich Kanda - ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren - auf den Weg. Lavi sah ihm nachdenklich hinterher.
»Komui?« Der Abteilungsleiter sah von seiner Kaffeetasse auf. »Was gibt’s, Lavi?«
»Du weißt doch bestimmt auch, dass Yū morgen Geburtstag hat, oder?«
»Ja, klar, wir vermerken die Geburtstage aller Exorzisten“, versicherte er. »Warum die Frage?« Lavis Ausdruck ließ Zweifel sprechen. »Naja… Meinst du, er wird morgen von seiner Mission zurück sein?«
Komui faltete die Hände ineinander und lächelte. »Du hast selbst mitbekommen, dass es sich bei dem Auftrag um keine Langzeitmission handelt. Bei jemandem mit Kandas Fähigkeiten kann ich mir schon vorstellen, dass er das bis morgen hinbekommen hat. Aber...«, er pausierte kurz, »...du weißt doch selbst, dass er sich nichts aus sowas wie Geburtstagen macht.«
Lavi kratzte sich am Hinterkopf, schien nachzudenken. Dann antwortete er: »Ja, klar, ist ja kaum zu übersehen. Aber… vielleicht könnten wir ja doch etwas…«
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06. Juni 1800-irgendwas: Die Überschreitung jeglicher Formen der Beschissenheit.
Yū saß auf der Kante des kleinen Bettes, das ihm in der Gaststätte, in der er sich niedergelassen hatte, zur Verfügung gestellt worden war. Sein Koffer lag offen auf dem Boden. Das Innocence erstrahlte neben einem Stapel ordentlich zusammengefalteter weißer Hemden. Die Sonne verschwand allmählich am Horizont und der Himmel nahm eine orangerote Farbe an, die den Raum in ein schummriges Licht tränkte. Kandas Blick wanderte auf die Uhr, die sich gegenüber von ihm an der Zimmerwand befand. 18:26Uhr. In vierzehn Minuten würde der letzte heutige Zug abfahren, der ihn zum Schwarzen Orden zurückbrächte. Würde er sich jetzt auf den Weg machen und ein wenig Tempo einlegen, könnte er ihn mit Sicherheit noch bekommen. Kanda dachte nach. Wollte er wirklich noch heute beim Hauptquartier ankommen? Ihm war bewusst, dass beinahe jedem Mitglied des Ordens sein Geburtstag bekannt war. Und noch viel mehr war ihm bewusst, dass ihm jeder noch so unwichtige Idiot die Hand reichen und alles Gute wünschen würde. Jedes Jahr dieselbe Leier. Bisher hatte er es schon zweimal geschafft, der Sache mithilfe einer Mission aus dem Weg zu gehen. Der heutige Tag könnte das dritte Mal bedeuten - wenn da nicht dieser Quatschkopf Lavi wäre. Zwar war Kanda sich sicher, jeder würde sich wünschen, dass er ein wenig mehr Geburtstagsstimmung an den Tag läge, doch bisher war Lavi der Einzige gewesen, der derart penetrant gewesen war, um etwas zu erreichen. Beschämend, dachte Kanda. Sinnlos, bescheuert - und verdammt nett.
Mit einem mürrischen Blick verließ Kanda den Zug und machte sich auf den Weg zum Hauptquartier. Mittlerweile wünschte er sich, er könnte, wenn er in den Himmel sähe, eine aufgehende Sonne am Horizont erblicken, die ihm verdeutlichen würde, dass er die Bedeutung des sechsten Junis ein drittes Mal umgangen hatte. Stattdessen ärgerte er sich über das abendliche Firmament, an dem man wegen der dichten Wolken nur wenige Sterne erspähen konnte. Der Tag hatte noch kein Ende genommen. Und im Hinblick auf das, was Kanda gleich bevorstünde, würde er auch nicht so schnell ein Ende finden. Noch war es nicht zu spät. Yū hatte noch immer die Möglichkeit, die Nacht in der Stadt zu verbringen, statt sich sofort zurückzubegeben. Aber nachdem er den Zug beinahe verpasst hatte und quasi um sein Leben gerannt war, um ihn noch zu erwischen, sah er von dieser Möglichkeit ab. Er konnte sich selbst nicht erklären, was genau ihn dazu geritten hatte, schon heute zurückzukehren. Vielleicht war es die leise Hoffnung, dass man ihn wohlmöglich doch nicht mit Geburtstagsglückwünschen überfallen würde. Vielleicht waren es die Soba, die statt irgendeinem mittelklassigen Bauernfraß am nächsten Morgen auf ihn warten würden. - Oder es war Lavis enttäuschtes Gesicht, das ihm noch immer im Kopf herumspukte und ihn hierher zurückgetrieben hatte.
Kanda schüttelte den Kopf. Der Grund tat jetzt nichts zur Sache. Fest stand, dass er sich dem Tag nun stellen musste; daran führte nichts mehr vorbei.
Er stampfte in Richtung Schwarzen Orden. Nachdem er dort angekommen war und ihn durch den Haupteingang betreten hatte, herrschte eine Totenstille. Er lief den langen Gang weiter entlang und besah misstrauisch dessen Leere - weder jemand von der Forschungsabteilung noch einer der Finder waren anwesend. Kanda fragte sich abrupt, wohin alle verschwunden waren. Vielleicht hatte es irgendeinen Notfall gegeben. Oder es war schon so spät, dass alle zu Bett gegangen waren.
Kanda verwarf seine Vermutungen wieder. Hier befanden sich immer Leute, die die Nacht durcharbeiten mussten. Als er bei Komuis Büro ankam, musste er feststellen, dass sich auch hier keine Menschenseele vorfinden ließ. Langsam wurde ihm das Ganze ungeheuer.
Er war kurz davor, die Abwesenheit der anderen für sich auszunutzen und sofort schlafen zu gehen, entschied sich dann aber, einen Abstecher in die Cafeteria zu machen - vielleicht hatte es ja wirklich einen Notfall gegeben und es wäre klüger, nach den anderen zu sehen. Er öffnete die Tür und betrat den großen Raum. Es war stockdunkel. Er grummelte und tastete die Wand neben dem Eingang nach dem Lichtschalter ab. Volltreffer. Er betätigte ihn - und bereute es.
»HAPPY BIRTHDAY, KANDA!!!«
Bunte Luftschlangen flogen durch den Raum, wovon eine in Kandas langer Haarpracht hängen blieb. Über ihm war ein großes Schild angebracht worden, auf dem mit farbenfrohen Buchstaben „Happy Birthday“ zu lesen war. Die gesamte Mitgliedschaft des Schwarzen Ordens stand ihm jubelnd gegenüber - und inmitten der Menge die Person, die mit großer Sicherheit für die Misere verantwortlich war. Kanda würde Lavi den Kopf abreißen, sobald dieser Wahnsinn zu Ende war. Die Überschreitung jeglicher Formen der Beschissenheit hatte soeben begonnen.
»Che… Was zur Hölle soll das werden?«
Komui kam auf ihn zu und klopfte ihm grinsend auf die Schulter. »Wir feiern jetzt deinen Geburtstag, was denkst du denn?«
Kanda sah alles andere als erfreut über diese Information aus. »…ich komme gerade von einer Mission. Ich bin müde. Ich will ins Bett. Also lasst mich in Ruhe!«
»Ach, komm schon, Kanda, du bist immerhin achtzehn geworden! Wenn man das nicht feiert, was dann?“
»Am besten gar nichts«, murrte Yū und wollte gerade die Arme verschränken, als auf einmal der Teufel höchstpersönlich auf ihn zugestürmt kam, mit dem altbekannten, teuflisch breiten Grinsen. Kanda wäre am liebsten ausgewichen, aber dafür war es bereits zu spät. Lavi hatte beide Arme ausgebreitet. Statt vor ihm stehen zu bleiben, stürzte er sich auf ihn, schloss die Arme um seinen Körper und drückte ihn fest an sich.
»Alles Gute zum Geburtstag, Yū-chaaaan~!!«
Am liebsten hätte er Lavi mit einem kräftigen Stoß von sich weggedrückt, aber er blieb nur wie angewurzelt stehen und ließ die - im wahrsten Sinne des Wortes - atemberaubende Umarmung über sich ergehen. Das war - eindeutig - zu viel für ihn.
»Lass mich los, Lavi…!«, keuchte er mühevoll. Sein Gesicht wurde an Lavis Schulter gedrückt, was Sprechen und - vor allem - Atmen ziemlich erschwerte. Zu seinem Verwundern ging Lavi seiner Aufforderung nach, löste sich von ihm, behielt jedoch weiterhin die Hände auf seinen Schultern.
»Gomen, Yū, ich weiß ja, dass du nicht viel für deinen Geburtstag übrig hast, aber ihn überhaupt nicht zu feiern, wäre doch ziemlich schade gewesen, hm?«
»Nein, das wäre es nicht“, zischte Kanda, „Ich hab‘ mir schon gedacht, dass du so ein Theater veranstalten würdest…«
Lavi besah den anderen unter verwirrtem Blick. Er unterdrückte ein Grinsen, als er fragte: »Wenn du’s dir gedacht hast, warum bist du dann hergekommen...?«
Kanda verstummte. Shit. Eine verdammt berechtigte Frage. Und verdammt noch mal auch eine, auf die er selbst keine richtige Antwort hatte. Wenn er genauer darüber nachdachte, hatte er sogar eine Antwort darauf, aber würde er diese laut äußern, würde Lavi wohl Freudensprünge machen und ihn ewig damit aufziehen.
»Ich hatte den Auftrag erledigt, also bestand kein Grund mehr, mich noch länger dort aufzuhalten«, log Kanda und wandte sich ab. Lavi ließ nicht locker. »Oder weil du deinen Geburtstag doch feiern wolltest, gib’s doch zu!«
»Pah, mit Sicherheit nicht!« Und das stimmte auch. Eine Party zu seinen Ehren war etwas, auf das Kanda neben all der Dinge, auf die er keine Lust hatte, am allerwenigsten Lust hatte.
»Naja, wie auch immer«, beendete Lavi die Diskussion, »Jedenfalls bin ich verdammt froh, dass du doch noch gekommen bist!« Eine darauffolgende Geste wies Kanda darauf hin, dass Lavi ihn ein weiteres Mal zu umarmen drohte. Yū verhinderte dies schnell, indem er ihn am Handgelenk packte und von sich wegdrückte.
»Ja, okay, ist gut jetzt!“, knurrte er, „Kann ich jetzt endlich gehen?!«
»Quatsch, wo denkst du hin? Ich hab‘ dir ja noch nicht mal dein Geschenk gegeben!«
Kandas Augen weiteten sich. »…welches Geschenk?«
Lavi lief auf Jerry zu, der ihm etwas überreichte, das Kanda nicht sehen konnte. Dann lief er wieder zu Yū zurück und hielt ihm das wohl Seltsamste unter die Nase, was er je zu sehen bekommen hatte.
»Tadaaa! Das hier ist Jerrys und mein Soba-Special-Deluxe-„Kuchen“, einzig und allein für dich! Mitsamt Kerze sogar!«
Kanda starrte auf den riesigen, quadratisch geformten Berg Soba-Nudeln, in dessen Mitte eine kleine entzündete Kerze steckte.
»…Soba-Special-was?!«, hakte er irritiert nach, während er zwischen Lavi und dem „Kuchen“ abwechseln hin- und hersah.
»Naja… ich kenn‘ nur zwei Hobbys von dir, und weil ich auf die Schnelle kein Akuma zum Abschlachten auftreiben konnte, dachte ich, das wär‘ was für dich!«
Kanda zögerte. Er musste das alles erst einmal auf sich wirken lassen. Selbst als er das merkwürdige Geschenk entgegennahm, stand ihm die Fassungslosigkeit ins Gesicht geschrieben. Ihm wurde klar, dass das eindeutig das wohl Einmaligste und Außergewöhnlichste war, was man ihm je geschenkt hatte. Aber nichtsdestotrotz auch recht amüsant und brauchbar, wie er sich selbst eingestehen musste. Bevor er etwas dazu sagen konnte, hatte Lavi einen Arm um seine Schulter gelegt und dirigierte ihn jetzt zu den anderen. Er ließ es - wenn auch widerwillig - zu.
»Auf in den Kampf, Yū!«
»Auf in den Kampf zu was?!« Verächtlich besah er Lavi von der Seite.
»Wir werden uns jetzt ordentlich besaufen!«, entschied Lavi, der deutlich in Partystimmung war und ein breiteres Grinsen aufgesetzt hatte als für ihn üblich.
»Che… Vergiss es.«
»Och, was ist denn, Yū-chan?« Ein Provokationsversuch. »Sag bloß nicht, du verträgst nichts…?« Kanda zog eine Augenbraue hoch. »Wie war das?! Mehr als du vertrag‘ ich auf jeden Fall!«
»Dann beweis es doch!«, forderte Lavi ihn auf, und um den Willen der Bewahrung jeglicher Männlichkeit blieb Kanda nichts anderes übrig, als darauf einzugehen.
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Der kleine Zeiger der Uhr befand sich auf der VI. Das grelle Licht der Morgensonne flutete durch die Fenster in die Cafeteria und blendete die Augen zweier Männer, die sich als einzige im Raum befanden und an einem Tisch gegenübersaßen. Oder - besser gesagt - gegenüberlagen, denn zu einem aufrechten Sitzen waren beide nicht mehr fähig.
»Yū-chaaaan~...«
»…ha?«
»Das sollten wir dringend mal wiederholen!«
»Nein, sollten wir nicht. Mir geht’s scheiße, verdammt!«
»Das ist der Sinn des Alkohols!«
»Dann ist der Sinn scheiße…«
Kanda ging es ziemlich dreckig. Und es würde nachwievor dabei bleiben, dass er Geburtstage - insbesondere seinen eigenen - nicht ausstehen konnte. Dennoch hatte Lavi es geschafft, ihm durch seine Bemühungen ein ganz besonderes Gefühl zu geben, das die Überschreitung jeglicher Formen der Beschissenheit ein wenig in den Hintergrund drängte - und für das er ihm sehr dankbar war.
Das Gefühl, zu Hause zu sein.
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06. Juni 1800-irgendwas: Vielleicht doch kein ganz so beschissener Tag.
. . . ende.
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Weil ich den OS eigentlich mag, hab‘ ich mir mal die Zeit genommen, ihn ein wenig zu überarbeiten. Ich hoffe, so liest er sich besser.^^
Liebe Grüße
Fujouri