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guilt and atonement

Jede Schuld muss beglichen werden
von

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Kitsune - Gesandte der Göttin

Zinnoberrot, so weit das Auge sah, eine wirklich gewaltige architektonische Leistung. Wer auch immer darauf gekommen war, die Holzbalken die zu Toren zusammen gefügt worden waren und sich Torii nannten, war nach Jaschas Meinung ein Genie, das völlig übergeschnappt war, ganz eindeutig. Die Balken fügten sich aneinander und nach geschlagenen zehn Minuten Fussmarsch war noch immer kein Ende in Sicht. Ihr Führer, an dessen Arm Jaschas ältere Schwester hing, die zu allem übel grösser war als er und in dem traditionellen Gewand der Japaner ziemlich lächerlich aussah, ging zu allem Übel so langsam, dass er fast dabei einschlief. Nicht, dass es ihm hier nicht gefallen hätte, im Gegenteil, die Atmosphäre in diesem Gangähnlichen Weg hinauf zum Tempel war atemberaubend schön, jedoch hatte man schnell genug davon, während Takashi sich Zeit liess, wohl um zu beten oder Asja zu erläutern, was es mit diesem Bauwerk auf sich hatte. Noch immer fand er den Gedanken befremdend, die nächsten zwei Wochen hier in Japan zu verbringen, nur weil seine liebeskranke Schwester davon überzeugt gewesen war, zu sterben falls sie ihren Brieffreund nicht endlich kennen lernen durfte. Der Bedingung ihrer Eltern, dass er sie begleiten musste, hatte er lediglich zugestimmt, weil Asja ihn mit ihrem üblichen Blick ansah, den wohl alle Frauen beherrschten wenn sie etwas wollten. Die Drohung, ihm in der Schule die Hölle heiss zu machen, hatte natürlich auch eine Rolle bei seiner Entscheidung gespielt. Hier in Japan war es gar nicht so schlecht, jedoch verstand er kaum ein Wort der Sprache, daher konnte er selbst wenn er gewillt wäre, den Erklärungen von Takashi nicht folgen. Kurz blieb Jascha stehen um die nächste Statue zu bewundern, anscheinend handelte es sich hier um einen Fuchstempel, was zwar zu seinem Nachnamen passte, ihm aber ansonsten schleierhaft war, warum man den Füchsen einen so schönen Tempel bauen wollte. Die Statue des Fuchses war jedoch denkbar hässlich, sah mehr aus wie ein vermenschlichtes Tier, statt eines echten Fuchses. Sogar angezogen hatte man die Figur, wie ein verwöhntes Hündchen eines Stars, dass bloss nicht frieren durfte, und dass bei Sommertemperaturen. Der Zauber der auf diesem Ort lag, blieb jedoch auch ihm nicht verborgen, die Luft schien förmlich in seinen Lungen zu vibrieren als stehe er unter Strom, was bestimmt daran lag, dass hier so viele ernste Menschen waren, Manche die hier beteten, andere Japaner, die Münzen in diese Schächte warfen und die Glocke läuteten so wie es Takashi vor hatte. Dies sollte eine Opfergabe an die Fuchsgöttin sein, Jascha empfände es jedoch als viel sinnvoller, dieser Göttin etwas Essbares zu bringen, auch wenn das Geld wohl für die Instandhaltung des Tempels gebraucht wurde.

„na, du hässliches Ding, ist dir auch langweilig?“, fragte er die Statue und lehnte sich gegen den nächsten Balken, wenn es seine Schwester nicht nötig hielt, sich mit ihm zu unterhalten oder endlich weiter zu gehen, konnte er sich genau so gut mit einem Stein unterhalten.

„Du solltest mehr Respekt zeigen“, antwortete eine doch sehr weiblich klingende Stimme.

„Schätzchen, ist nicht meine Kultur“, erwiderte er gelassen und tätschelte den unförmigen Kopf des Fuchses.

„Dann solltest du mir keine schönen Augen machen, Menschenjunge“, erklang die Stimme erneut und klang noch immer sehr geduldig, als würde sie auf etwas Bestimmtes warten, vielleicht darauf, dass er sie endlich in Ruhe liesse.

„So etwas wie dich will doch keiner haben“, entgegnete der junge Russe und machte eine verwerfende Handbewegung, so konnte er sich zumindest in diesem Tagtraum etwas ablenken.

„Ich werde dir einen deiner Zehen abbeissen, wenn du dich nicht zusammen reisst“, drohte ihm die Füchsin an, was Jascha breit grinsen liess, dennoch wandte er den Blick zu seinen Füssen die in praktischen Turnschuhen steckten, er war doch nicht so irre, dass er in diesen unbequemen Schuhen herum lief, wie es seine Schwester für Takashi tat. Was er jedoch erblickte, liess ihn einen Satz zurück machen und so klammerte er sich doch an die Statue, denn ein echter, richtiger Fuchs lag zu seinen Füssen und blickte zu ihm auf. Das war definitiv kein Tagtraum, so einen hübschen weissen Fuchs konnte er sich nicht einfach vorstellen. Eilig wich er zurück und ging dann rückwärts weiter den Weg entlang, prallte schliesslich leicht gegen den kleinen Japaner, der eigentlich älter war als er. Schon ein winziges Völkchen, diese Japaner. Die Blicke des Fuchses folgten ihm, ehe er hinter den zinnoberroten Säulen verschwand.

„Asja, gibt es hier auch frei herumstreunende Füchse? Weisse, umherstreunende Füchse?“, fragte er seine Schwester und drehte sich zögernd zu ihr um. Ihr Gesicht war schmal geschnitten wie seines, das gleiche Blond der Haare, die blauen Augen, für Takeshi sahen sie jedenfalls exotisch aus und er gab gerne mit seinem Besuch an, soweit er verstanden hatte. Verständnislos blickte sie ihn an und wandte sich dann an ihren Freund, wenigstens sie verstand hier die Hälfte, was beruhigend zu wissen war. Verstohlen sah er sich erneut um, doch den Fuchs konnte er nicht entdecken.

„Anscheinend gibt es hier in der Gegend schon lange keine Füchse mehr Jascha…er hält das für ein Zeichen, dass du reichen Kindersegen erhältst oder so“, übersetzte Asja für ihn und begann darüber zu lachen, während ihn Takeshi anstrahlte als habe er im Lotto gewonnen und ihm einen Anteil vom Gewinn zugesprochen, und Jascha empört zurück blickte.

„Toll, genau das, was ich mir wünsche“, fauchte er und stapfte an den beiden vorbei, sollten sie sehen wo sie blieben, er hatte keine Lust, sich Asjas Lachen anzuhören. Er würde am Ende dieses Torii Tunnels auf die Beiden warten, das erschien ihm wesentlich sicherer für seinen Verstand. Ein lautes Knacken liess ihn jedoch mitten im Schritt inne halten und er hob den Fuss um nachzusehen, was er gerade zertreten hatte. Es schien sich einmal um einen Glückskeks gehandelt zu haben, jetzt lagen die zerbröselten Überreste auf dem Boden. Seufzend hob der das kleine gefaltete Papierchen auf, sie sollten ja Glück bringen, sonst hätte man den Keksen doch sicher einen anderen Namen gegeben. Die krakeligen Schriftzeichen kannte er natürlich nicht, folglich hatte er keine Ahnung was darauf stand. Genervt über diese Aneinanderreihung von Zufällen drehte er das Stück vergilbten Papiers in den Fingern, ehe er bemerkte, dass auf der Rückseite der Spruch auf Russisch geschrieben stand. Sehr verdächtig.

„Wollt ihr mich alle verarschen, ja?“, knurrte er, zerknüllte den Fetzen mit den Worten; Segen der Fuchsgöttin, in der zur Faust geballten Hand und stopfte es dann einfach in die Hosentasche. Das lag wohl alles an diesem Sushizeug, dass es immer zum Essen gab, man sollte eben keinen ungekochten Fisch essen, und Seetang schon gar nicht. Diese Worte standen hier wohl in jedem Keks, es waren ja auch Kekse vom Fuchstempel, da erwartete man wohl als Tourist, so einen Spruch zu lesen zu bekommen um sich darüber zu freuen, das Gebäck, welches er zertreten hatte, gehörte bestimmt einem solchen Rucksackträger mit rotem Kopf, der dem Keks jetzt nachtrauerte. Das hatte er auch verdient, so zerbröselt wie er war, dieser bemitleidenswerte Glückskeksmensch, der sich Tag für Tag damit beschäftigte, sie zu backen, hatte auch Mitleid verdient. Man sollte lieber diesen Leuten ein Gebet zukommen lassen, statt einem Fuchs, der nie existiert hatte. Jascha war kein Mensch, der viel Wert auf Religion legte, diese Gebete und alles Glockengeläute dass an seine Ohren drang interessierte ihn daher eher mässig, lieber hätte er sich eine Waffenkammer angesehen oder wäre in Kyoto selbst einkaufen gegangen, hier sollte es ja massenhaft elektrische Geräte geben, die in Russland noch gar nicht auf dem Markt waren.

„So würde ich das nicht nennen, Mensch“, erklang diese Stimme erneut und Jascha sah sich entsetzt um, entdeckte aber keine der hässlichen Statuen, die nächste war wohl weiter vorne.

„Kindersegen brauche ich nicht“, antwortete er leise und rieb sich die Augen, vielleicht würde dann alles wieder ein wenig mehr der Normalität entsprechen.

„Nein, wirklich nicht, aber Göttersegen kann nicht schaden“, wurde ihm prompt geantwortet und der junge Russe seufzte auf. Das konnte doch nicht wahr sein, diese Halluzination konnte er wirklich nicht auf die kulinarische Ernährung schieben, sondern eher auf seinen Verstand, der sich vor lauter Langeweile ausgeschaltet zu haben schien.

„Komm, heute ist Neujahr, Takarabune wartet auf dich“, sprach die Stimme und der weisse Fuchs von eben trappelte elegant in sein Blickfeld, wobei Jascha der Mund offen stehen blieb, Seine Fantasie spielte ihm eindeutig einen derben Streich.

„Heute ist ganz bestimmt nicht Silvester, es ist mitten im Sommer“, entgegnete Jascha und folgte dem Fuchs weiter den von den zinnoberroten Säulen gesäumten Weg hinauf Richtung Tempel. Nicht, dass er dem Tierchen folgte, er wollte ohnehin hier entlang gehen. Er blickte kurz zurück seiner Schwester, die förmlich an Takashis Lippen hing und wohl nicht vorhatte, so schnell weiter zu gehen. Schaudernd wandte er sich wieder ab und fühlte sich doch recht verraten, ausserdem, wer sah seiner Schwester schon gerne beim knutschen zu?
 

Ӝ

Mit grösster Sorgfalt kämmte Kin die langen, seidenen Haare ihrer Mutter, die schwarz wie Kohle über das weisse Untergewand flossen, dass sie noch trug. Dieser mit Perlen besetzte Kamm aus Elfenbein war ein persönliches Geschenk der Kaiserfamilie gewesen, eine grosse Ehre also, dass sie ihre Mutter damit die Haare richten durfte.

„Heute ist ein wichtiger Tag“, begann ihre Mutter zu sprechen und Kin nickte hinter ihrem Rücken.

“Daiki wird heute verlobt, nicht wahr?“, fragte sie nach, tauchte den Kamm in die Schüssel mit heissem Wasser, ihre Fingerspitzen waren längst verbrüht, doch das gehörte nun einmal dazu.

„Vielleicht, ich hoffe es für deinen Bruder“, antwortete Yoko und bedeutete ihrer Tochter damit, aufzuhören.

„Geh und wasch dich gründlich. Danach mach dich zurecht, der kaiserliche Bote wird dich auch zu sehen wünschen“, wies sie ihre jüngste an, die darauf hin formvollendet das Zimmer verliess. Seufzend blickte sie auf den Wandschirm, darauf wartend dass zwei Diener sich um ihre Haare kümmerten und sie hochsteckten, wies sich gehörte, wenn so hoher Besuch erwartet wurde. Dass es jedoch nicht um ihren Stiefsohn, nicht um Daiki ging, davon wussten nur ihr Mann und sie selbst. Dass sie zu jung war, um Daikis Mutter zu sein, war dem jungen schnell klar geworden und so war es für die beiden Kinder nie ein Geheimnis gewesen, dass sie nicht richtig miteinander verwandt waren, dass sie keine richtigen Geschwister waren. Es war dennoch eine Freude gewesen, dass Daiki sie Mutter nannte, das erleichterte ihr vieles in diesem Haushalt.



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