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Gestatten? Ratte.

Leseratte. -- Zirkelchallenge des Zirkels "Die Kunst zu Schreiben"
von

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Wein

II - Wein
 

Thema: lächerlich

Note: *lach* Ich hab durchweg „Manos al aire“ von Nelly Furtado gehört.. Was weiß ich, was da Lächerliches rausgekommen ist.. xD Wer es für was Sinnvolles hält, der sage mir das doch bitte! Ich bin nämlich nicht gerade der Überzeugung.. *lol*

Anyway.. read and enjoy!

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Es gibt Dinge, die hasst man im Leben einfach. Und die Gründe dafür sind so was von lächerlich. Manche hassen ihre Nachbarn, weil sie ach-so erfolgreicher sind als man selbst, und brechen wahre Nachbarschaftsfehden vom Zaun, die blutig enden können. Andere hassen ihre Familie, aus mir unerfindlichen Gründen, und haben den Kontakt abgebrochen, sind vielleicht sogar sonst wohin geflohen, um den Blutsverwandten zu entgehen. Und dann gibt es noch die mit einem ausgeprägten Hass auf Familienfeste und Familienessen aller Art. Die versuchen dann, sich zu drücken, was allerdings auch nicht immer klappen will.

Ja, es ist mir bewusst, dass es noch einen Haufen anderer, hassenswerter Dinge gibt – übrigens gehöre ich zur Gruppe der letztgenannten. Ich hasse Familienfeste und –essen aller Art. Wirklich und wahrhaftig.
 

Vielleicht hätte ich wieder Kopfschmerzen oder Grippe vortäuschen sollen, überlege ich, während die versammelte Familie Bruderherz anstarrt als wäre er Marsianer und nicht, als hätte er ihnen gerade eröffnet, dass er für ein Jahr Work & Travel nach Australien gehen will. Meine Wenigkeit ist die einzige, die ungerührt weiter isst – schließlich hat Roy die Güte, mich vorzuwarnen. Das ist auch der einzige Grund, weshalb ich überhaupt heute Abend gekommen bin, mit einer Flasche guten Rotwein in der Hand. Schließlich kann ich die letzte Gelegenheit, meinen Zwillingsbruder zu sehen, bevor er abdüst, und das will ich mir auf keinen Fall entgehen lassen.
 

Oh, vielleicht kann auch keiner meinen Hass auf die diversen Familienessen verstehen, allerdings weiß auch niemand, was bei uns immer an solchen Zusammenkünften mit Fress-Intermezzo abgeht. Bei uns werden Hiobsbotschaften grundsätzlich immer während eines Essens mitgeteilt, gerade, wenn sich alle den Wanst mit irgendeiner von Mums Köstlichkeiten vollschlagen.

Pop hat Krebs? – „Iss doch noch ein Schenkelchen vom saftigen Truthahn, Schätzchen!“

Haylie, die älteste von uns 3 Kindern, bekommt ein Kind von einem drogensüchtigen Stricher? – „Ach bitte, Schatz, willst du nicht doch noch ein wenig Gemüse zu deinem Steak?“

Roy geht nach Australien? – „Heute habe ich mal dieses tolle, neue Kochbuch ausprobiert, das euer Pop mir geschenkt hat. Wie schmeckt euch das Sushi?“

Tante Agnes ist gestorben? – „Komm doch, Schatz, noch ein winziges Löffelchen Mouse au chocolate hat doch Platz!“
 

Und so weiter. Man kann sich vorstellen, wie appetitanregend solche wunderbaren Botschaften sind. Nun ja. Zumindest dieses eine Mal bin ich vorgewarnt. Und Roy auch, was allerdings nicht gerade für den Rest meiner Familie gilt. Ich beschließe, die Familientradition zu wahren und zwischen einem Gläschen Rotwein und dem Dessert auch mit meinen Neuigkeiten rauszurücken.
 

„Ich geh‘ zur Army“
 

Oh ja, das ist der beste Weg, ein Familienessen noch schlimmer zu machen als es ist: sich selbst in den Vordergrund rücken, und zwar mit der Schocker-Neuigkeit des Jahres – was rede ich, des Jahrzehnts wohl eher.

Wie dem auch sei. Meine Familie starrt mich an, als hätte ich gerade verkündet, ich käme vom Mars, hätte Krebs UND wäre schwanger von einem Stricher auf einmal. Obwohl, mein kleiner, süßer Neffe (Haylies Sohnemännchen, inzwischen sechs Monate alt) ist wirklich zum Anbeißen süß. Also streichen wir das ‚schwanger‘ wieder.

Eigentlich sehr lustig, das Standbild zu beobachten, das meine Mutter, mein Vater und meine Schwester eingenommen haben. Sie sind wohl buchstäblich starr vor Schreck..

Pop – eigentlich ein gestandener Geschäftsmann, der viel Wert auf Pünktlichkeit legt und inzwischen pensioniert ist – lässt die Gabel, auf der angehäuft Kartoffelbrei balanciert auf ihrem gefährlichen Weg zwischen Mund und Teller gerade dort gestoppt, wo die Speise gefährlich über seiner teuren Anzughose hängt und darauf zu tropfen droht.

Meiner Schwester hat es die Sprache verschlagen – gerade ihr, der Lokalreporterin! - und einzig Bobby, mein Neffe, jubiliert auf dem Schoß seiner Mutter, ohne zu wissen, was abgeht.. spätestens in drei Jahren ist er genauso versessen auf die Essen wie ich. Hoffe ich zumindest.

Meine Mutter – eine graumelierte, grell geschminkte Neureiche, stammend aus dem Staate Massachusetts, die eigentlich durch nichts aus der Ruhe zu bringen ist außer durch Weinflecken – sieht starr über ihr Weinglas hinweg verdutzt zwischen mir und der Kaserole hin und her, wohl noch unschlüssig, ob sie etwas Weiteres zum Essen anbieten soll..

Einzig Roy isst weiter, wie ich zuvor bei seiner Mitteilung, und grinst leise in sich hinein. „Schatz, willst du nicht noch etwas Kartoffelbrei?“, fragt nun meine Mutter, wie erwartet, und ich grinste breit zu ihr auf. „Nein, danke.“, gebe ich höflich zurück – höflicher als man es von mir gewohnt ist. Nun reibt sich auch Roy die Augen und sendet mir einen kurzen Blick a là »Was hackt denn jetzt bei dir?«

Mutter ist nun wirklich verwirrt und starrt mich mit glasigen Augen an. „W.. will jemand noch etwas Wein?“, fragt sie dumpf, und ich halte ihr mein Glas hin, ebenso mein Vater und meine Schwester. Roy ist schon seit unserer Teenagerzeit erklärt alkoholabstinent. Während wir nun alle am Wein nippen – immer schön gesittet – schlägt mein Vater plötzlich mit der flachen Hand auf den Tisch, dass das Geschirr nur so klappert. „Was ist bloß in dich gefahren, Kind?“, wirft er in den Raum, und ich brauche einen Moment um zu begreifen, dass er mich anspricht und nicht Roy, der neben mir sitzt, sodass wir uns eine Zeit lang bloß anstarren.

„Ich will meinem Land dienen.“, meine ich schließlich achselzuckend und plötzlich verlangt es mich nach einer Zigarette, obwohl ich seit meinen High School-Zeiten nicht mehr geraucht habe. Hm, vielleicht sollte ich tatsächlich wieder damit anfangen. Ich hatte nie mehr Stress als jetzt – da sieht man mal wieder, was für einen schlechten Einfluss solcherlei Familienessen auf mich haben.

„Aber.. aber, aber, aber.. das kannst du doch nicht machen!“, stammelt Mum daher, und Haylie nickt zustimmend. Wow. Das hätte ich jetzt nicht gedacht, dass die beiden sich mal einig sind. „Du bist doch noch nicht einmal patriotisch! Erinnerst du dich noch an damals, als du bei diesem Gründerväter-Theater mitspielen hättest sollen?“, ergänzt sie.

Ach ja, diese lächerliche Veranstaltung, während derer ich als Freiheitsstatue verkleidet eine Stunde lang auf der Bühne stehen musste. Als mir nach einer halben Stunde, während derer sich die Gründerväter nicht einig waren mit der Verfassung und nahe an einer Prügelei waren (ich sollte hier erwähnen, ein der amerikanischen Geschichte unkundiger Mensch hat das Schauspiel verfasst und als Parodie getarnt hat) war es mir und meinen schmerzenden Armen zu viel. Ich habe die Fackel in hohem Bogen weggeschmissen und damit Abe Lincoln getroffen, das Buch hat einen der anderen, etwas weniger wichtigen Typen k.o. geschlagen. Dann bin ich entnervt von der Bühne gestapft, währen d ich „Scheiß auf die Gründerväter“ gesagt habe, und das laut und deutlich vernehmbar.

Bei dieser Erinnerung grinse ich breit. Oh ja, ich bin ja sowas von patriotisch. Trotzdem erwidere ich: „Das hat nichts mit der Sache zu tun. Dann habe ich eben das tiefe Bedürfnis, für mein Land zu kämpfen.“ Diese Wortklauberei ist doch lächerlich, denke ich und nippe an meinem Wein.

„Sagt die, die auf das Wort ‚Patriotismus’ und alles, was damit zu tun hat, hochgradig allergisch reagiert und sich eher von einem Hochhaus schmeißt als bei einer dieser Independence-Day-Paraden mitzumarschieren – noch dazu in Unisex-Uniform!“, meint Haylie trocken und leert ihr Weinglas in einem Zug. Ja, Hay, ich liebe dich auch, will ich ihr mit meinem schiefen Grinsen mitteilen, aber mein blondes Schwesternmonster ignoriert solcherlei Dinge grundsätzlich..
 

Pop hat noch nichts gesagt – auch nicht weiter verwunderlich. Er hält sich gerne aus allem raus – ich glaube, meinen Familienessen-Hass könnte ich von ihm haben.. Aber egal, es geschieht nun etwas, das ich mir niemals auch nur vorzustellen gewagt hätte.

Er erhebt sich langsam, wie in Zeitlupe, während meine Schwester und meine Mutter noch über meinen Entschluss auslassen, und legt sein Besteck gesittet an den Tellerrand. Er streicht seine Anzughose glatt, zupft seine Krawatte zurecht und ich glaube, er würde sogar noch rausgehen, und seine Schuhe auf Hochglanz polieren, wenn sie es nicht schon wären. Er stellt sich gerade hin, greift nun auch nach seinem obligatorischen Weinglas und hebt es an seine Lippen.

Pop kippt den Wein in einem Zug auf ex hinunter. Ohne das wichtigtuerische Schwenken des Glases, ohne das ihm eigene Schnüffeln am Alkohol. Nein, er stürzt es hinunter, wohl ohne etwas von dem >vortrefflichen Jahrgang< zu schmecken, den er doch immer so lobt, mein Pop.

Er sieht mich aus undurchdringlichen, blauen Augen an, in denen ich beinah mein Spiegelbild zu erkennen glaube, und ich muss unwillkürlich schlucken. Mist, die Wirkung seines Blickes habe ich in meinem perfid-perfekten Plan vergessen. Verdammt aber auch. „Na dann“, meint er, „Mal sehen, wie lange du es bei den Jungs aushältst.“

Jetzt bricht wirklich Chaos aus. Ich sitze vollkommen verdutzt auf meinem Stuhl – irgendwie ist meine Gesamte Kraft auf einmal futsch. Wie weggefegt, so überrumpelt bin ich von der plötzlichen Unterstützung.

Mum und Haylie scheinen nicht zu wissen, wem sie zuerst den Kopf waschen sollen und beschließen dann, einfach beide zu zetern. Mittendrin schreit Bobby los, weil ihm sein Glas Wasser aus der kleinen Patschhand gefallen und zersprungen ist. Ein Glück, dass er im Hochstuhl sitzt. Roy ist zu ihm gegangen und redet beruhigend auf ihn ein, sein sonorer Bass mischt sich ins schrille Intermezzo der beiden anderen weiblichen Familienmitglieder. Und über all dem zwinkert mir mein Vater gut gelaunt zu und hebt sein nun wieder gefülltes Weinglas.

Absurderweise fällt mir gerade jetzt die Titelmelodie von „Biene Maja“ ein. Totales Absurdum.
 

»Und diese Biene die ich meine nennt sich Maja..«
 

~*
 

„Ich dachte, du rauchst nicht mehr?“, meint Roy, während ich später auf der Veranda stehe, mitten in der vorwinterlichen Pracht meiner Geburtsstadt, und den Rauch genüsslich ausblase, die weißen Schwaden dabei beobachte. Ich zucke teilnahmslos mit den Schultern. „Ach, es gibt so viele gute Vorsätze.“, bemerke ich ausweichend, während ich die ausgerauchte Zigarette im Aschenbecher neben mir zerdrücke und mir gleich die nächste anzünde. Roy grinst breit, schnorrt sich mit Schweigen – irgendwie geschieht das bei ihm IMMER telepathisch, so etwas ist mir noch nie wo anders untergekommen – eine meiner Zigaretten und lehnt sich neben mich an das Geländer der Veranda.

„Nur für 50 Dollar willst du zur Army?“, fragt er lakonisch, nachdem auch sein Glimmstängel in der Dunkelheit aufgeglommen ist. Ich grinse breit. „Hey, immerhin hab’ ich die Wette gewonnen, und außerdem schuldest du mir außer dem noch ein Dinner für mich und eine Person meiner Wahl. Das war Teil der Abmachung.“, gebe ich im lieblichsten Tonfall zurück, den ich drauf habe. Immerhin habe ich gerade meinen Zwillingsbruder um Längen in unserer jährlichen Thanks-Giving-Wette besiegt. Ich grinse schadenfroh. Außerdem ist er der einzige der Familie, der das Kochen noch mehr hasst als ich, und das will echt was heißen.
 

Wir schweigen lange Zeit, rauchen gemütlich nebeneinander, und plötzlich fragt Roy: „Was summst du da eigentlich die ganze Zeit?“ – „Und diese Biene die ich meine nennt sich Maja…“, singe ich möglichst falsch und wegen dem Wein kichernd laut vor.

Roy blickt mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Du bist manchmal echt lächerlich, weißt du das? Ein vollkommenes, Fleisch gewordenes Absurdum.“, meint er schließlich seufzend und zieht an seiner Zigarette.

So war es schon immer mit uns beiden – wir haben die seltsamsten Pläne, die ins Lächerliche ausarten, und das ständig, um unsere Eltern und Haylie zu schocken. Allerdings hab‘ ich noch nie so überragend gewonnen. Außerdem hab‘ ich jetzt ein Essen gut!
 

Ich seufze, lehnte meine Stirn gegen meine Hand und murmele zu mir selbst: „Und diese Biene..“, obwohl ich eigentlich »lächerlich« sagen will. Tja, so ist nun mal das Leben. Scheiß Wein.



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