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Fragmente

One Shot Sammlung
von

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Einsamkeit

#Zusammenarbeit mit abgemeldet#
 

Es ist still im Zimmer.

Es ist still in meinem Kopf.

Keine Stimmen.

Den ganzen Tag schon nicht.

Natürlich habe ich früh meine Tabletten brav geschluckt, doch ich habe nicht erwartet, dass sie so gut wirken. Es sind mittlerweile die sechsten, die sie mir gegeben haben, weil ich die anderen nicht gut vertrage. Die Ursache dafür kennen sie nicht. Empfindlicher Magen – meist. Dass ich von vier der sechs Tabletten Kopfschmerzen bekommen habe – davon wollen sie nichts wissen.

Ich verlange nichts.

Ich bin schon froh, wenn die Stimmen weg sind und ich in meiner Wohnung sein kann.

Dafür nehme ich die Kopfschmerzen gern in Kauf.

Nur zu schlimm dürfen sie nicht werden.
 

Leer ist es hier trotzdem.

Und einsam.

Ich frage mich, was er gerade macht.

Es ist lange her, dass ich ihn gesehen habe. Wo steckst du Quint?

Er vermisst mich nicht, das versetzt mir einen Stich. Tief im Herz... irgendwo... da. Ja... hier – unter der knochigen Rippe. Der Brustkorb verhindert, dass man es richtig schlagen spürt. Zumindest wenn der Körper so ruhig ist.

An sein Telefon geht er nicht.

Etwas anderes...

Einmal bekam ich Nasenbluten von den Tabletten. Blutverdünner... haben sie mir gegeben. Blutverdünner, die Stimmen verdünnen. Und ganz löschen.

Komisch.

Wenn er hier ist, sind sie von ganz allein still. Dann bräuchte ich diese Scheißpillen nicht. Scheißpillen, die meine Kehle austrocknen und Kopfschmerzen verursachen, die mich kotzen lassen... meistens.

Warum ist er nicht hier?

Ich versuche mich an unser letztes Gespräch zu erinnern.

Wann war das?

Eis und Schnee. Seine Hütte – natürlich. Die anderen waren auch da.
 

Jetzt bin ich wieder allein in meiner Wohnung.

Soll ich Chloe anrufen?

Sie würde kommen, ohne dass ich meinen Bitte bis zum Ende vorbringen muss. Schon wenn sie 'Kannst du...' hört, würde sie sofort an der Tür stehen und klingeln.

Würde ich sie dann auch rein lassen?

Ich bin mir nicht sicher.

Regentropfen zählen erscheint mir als gute Beschäftigung. Oder ich rufe Corvin an und frage, ob er weiß, wo Quint steckt. Merkst du, wie sehr ich dich vermisse?

Würde ich es nicht verdrängen, könnte ich seine Stimme sicher hören.

Die Einzige, die ich in meinem Kopf dulde. Dulden kann. Ohne wahnsinnig zu werden.

Stößt du mich weg, wenn du wüsstest, wie es wirklich... in mir aussieht?

Ich stehe auf, gehe in die Küche, um mir neuen Kaffee zu machen. Die zweite Kanne heute. Vielleicht kann ich schlafen, wenn ich damit aufhöre. Ich will es aber nicht. Eine Beschäftigung brauche ich und ich rauche nicht, also... bleibt nur der Kaffee. Etwas, woran ich mich verzweifelt kralle, um nicht an ihn zu denken.

Die weichen Haare.

Das seltene Schmunzeln in seinem Mundwinkel.

Die schlanke und doch eindrucksvolle Gestalt.

Die Stimme.

Uhm...

Kaffeepulver, Filter... nein... andersherum. Mich lenkt die plötzliche Wärme ab. Sie wandert... wandert tiefer. Händezittern. Ich will dich...

Irgendwann gluckert sie endlich. Das Sperrholz des Küchenschrankes kühlt nur eine Sekunde. Dann übernimmt es die Wärme meines Kopfes. So heiß ist er? Es war mir nicht bewusst.

Noch mehr Tabletten will ich nicht.

Ich will nur... seine Stimme hören.

Wieder greife ich nach dem Handy, setze mich ans Fenster und sehe den Regentropfen zu, während es klingelt.

Klingeln...

Klingeln...

Stures Klingeln...

Und Stille...

Im Raum.

In meinem Kopf.

Fass dich an...

Es piept leise, als ich auflege. Keine Antwort. Wieder nicht.

Fass dich an... stell dir vor, dass ich es tue...

Wieso kommt diese Hitze immer, wenn man sie nicht brauchen kann? Ich verstehe nicht einmal, warum sie überhaupt kommt. Er ist ein Mann... genau wie ich. Und er lebt schon zu viele Jahre auf Erden, um sich so etwas anzutun.

Ich bin krank, auch wenn er mich nicht dafür hält.

Und ich bin mit Chole zusammen gewesen, ich passe nicht zu einem Mann. Nicht zu so einem beschäftigten. Eigentlich zu gar keinem. Ich sollte nicht passen.

Aber verschwinden muss dieses Problem.

Vor dem Fenster ist nicht der ideale Ort, aber aufstehen will ich nicht.

Es klappert gegen die Scheibe. Ich berühre mich, wie er es mir gesagt hat. Nein... hat er nicht. Aber wer dann? Ich habe es gehört. Sind es doch wieder die Üblichen?

Ich ziehe die Hand zurück.

Ich will nicht, dass mir Fremde sagen, was ich tun soll, auch wenn es schmerzhaft in meinen Lenden pocht. Fremdbestimmung... habe ich hinter mir gelassen.

Quint... wieso kommst du nicht? Du hörst mich doch... nicht wahr?
 


 

...

. . .

...

Habe ich geschlafen?

Ich spüre mein rechtes Bein nicht mehr, aber es wundert mich nicht, als ich nach unten sehe. Über dem anderen ruhend hat es sicher sämtliche Nerven eingequetscht. Ein kurzer Blick nach draußen - dunkel. Ich höre die Kaffeemaschine noch, sehe aber nichts. Es dampft nur komisch. Wie lange habe ich geschlafen?

Ich stehe auf, knicke ein und bleibe liegen.

Kein Gefühl im Bein. In den nächsten Momenten kehrt es kribbelnd wieder zurück. Ein widerlicheres Gefühl gibt es kaum. Dagegen sind die Kopfschmerzen mild. Nein... heftig. Die Wirkung der Tabletten scheint nachgelassen zu haben.

Deprimierend.

Ich werde wohl bald wieder Stimmen hören.
 

»Liegst du immer gern auf dem Boden?«
 

Es geht schon los.

Ein Seufzen bringt mich der Küche näher und näher, als ich mich über den Boden ziehe.

»Miles?«

Es ist Quints Stimme.

Toll... ich höre sie in meinem Kopf. Da die Wirkung der Tabletten nachgelassen hat, kann ich wohl nicht wirklich davon ausgehen, dass er wirklich hier ist.

»Hör auf mit mir zu reden. Du bist doch eh nicht da.«
 

Und plötzlich geht das Licht an.

So gleißend hell. Ein stechender Schmerz. Verflucht.

Macht mir allerdings gleich zwei Sachen deutlich. Erstens befinde ich mich wirklich kriechend auf dem Boden und zweitens muss wirklich jemand hier sein, denn es kommt eher selten vor, dass sich mein Wohnzimmerlicht verselbstständigt.

Hat er mich wirklich gehört?

»Mein Bein ist eingeschlafen.«

»Kein Wunder, so wie du dagesessen hast.«

Ich spüre seine starken Arme, die mich wieder auf die Beine bringen. Mit dem einen kann ich nicht auftreten. Es kribbelt fürchterlich. Ich muss auch nicht ganz stehen. Er hält mich weiter fest. Ich sinke gegen ihn. Er riecht wie Erde. Immer. Und er ist irgendwie kühl. Aber dann auch wieder nicht. Es verwirrt mich jedes Mal und ich erinnere mich daran, in welchem Zustand ich eingeschlafen sein muss. Unwillkürlich schaue ich nach unten.

»Ist weg – keine Sorge.«

Er weiß davon?

Ich erschrecke ein wenig darüber, dass es mich in keinster Weise beunruhigt. Was soll mir das sagen?

Los lässt er mich nicht, auch wenn er weiß, dass ich dieses Problem hatte.

Wieso nicht?

Ich frage direkt nach. Macht keinen Sinn, irgendetwas vor ihm zu verbergen. Er weiß alles im Voraus.

Immer.
 

»Hast du es weg gemacht?«

Er scheint den Kopf zu schütteln. Über mir ist Bewegung. »Das warst du selbst, denke ich.«

»Weiß ich nicht mehr. Ich muss unmittelbar danach eingeschlafen sein.«

»Mit angeschalteter Kaffeemaschine.«

»Warum hast du sie nicht ausgeschaltet?«

Er sagt nichts. Ich drücke mich etwas weg. Er sieht verlegen aus. »Ich wusste nicht, wie.«

»So viele Knöpfe sind da doch nicht.«

Ich liebe es, wenn er so ist. Diese Weltfremdheit, dabei besitzt er ein Handy, auch wenn er nie ran geht.

»Ich habe dich angerufen.«

»Habe ich nicht gehört.«

»Das ist eine schlechte Ausrede.«

Er sieht nicht ertappt aus. Er weiß es besser, aber anders als er, kann ich in seinen Kopf nicht hinein schauen. Ich warte vergebens.

»Warum?«

»Was?«

»Warum hast du es nicht hören wollen?«

»So viele Anrufe. Ständig. Ich hasse dieses Ding.«

»Aber anders... kann ich doch nicht mit dir in Kontakt treten, wenn ich...«

Nein... das behalte ich doch lieber für mich. Doch zu spät.

»Hast du mich so sehr vermisst? Was ist mit den anderen?«

»Sie sind nicht du.«
 

Deine Haare fühlen sich weich an, als ich die Arme um deinen Nacken lege. Jetzt lasse ich dich nicht mehr los, auch wenn ich weiß, dass du diese Nähe nicht magst. Das alles weiß ich schon von dir, aber gleichzeitig sind da noch so viele unbeantwortete Fragen. Ich weiß nicht, wohin mit ihnen. Du beantwortest sie mir nicht. Gen kann es auch nicht wissen. Sie kennt dich gut, aber auch nicht viel besser als ich. Niemand wird dich je gut kennen... oder völlig.

Diese Erkenntnis ist jedes Mal aufs Neue ernüchternd.

Doch anders als sonst spüre ich deine Arme auch. Sie ruhen an meinem Rücken. Jetzt bin ich völlig in dir gefangen.

Und ich spüre alles, was ich mir vorgestellt habe, als ich den Kaffee...

Ach ja...

Der Kaffee...
 

»Ich würde gern einen Kaffee trinken. Bleibst du und setzt dich zu mir?«

»Ja.«
 

...

. . .

...
 

Wieder wach... und ohne Erinnerung.

Kopfschmerzen...

Und Sonnenschein.

Und ein Körper... neben mir.

Vorhin war es doch noch dunkel gewesen? Warum ist es jetzt wieder hell?

Bis auf meine Shorts bin ich nackt, stelle ich fest, als ich mich bewege.

Quint.

Liegt neben mir wie ein Toter und ich habe keine Möglichkeit, ihn zu fragen, was passiert ist. Ich weiß aus Erfahrung, dass er kaum wach zu bekommen ist, wenn die Sonne so scheint wie im Moment. Und wenn er wach ist, dann nicht sehr gesprächig.

Besser ich decke ihn vollständig zu, der Sonne wegen.

Schade das ich keine Fensterläden habe.

Ich brauche meine Tabletten.

Aufstehen ist nicht schwer. Nur der Kopf. Voller Fragen.

Doch langsam kehren die Erinnerungen zurück.

Wir saßen da und ich trank Kaffee, während er mich nur ansah. Irgendwann gab ich zu, wie sehr ich ihn vermisst hatte und wie gern ich ihm nahe sein wollte.

Ich weiß nicht mehr, ob er mich abgelehnt hat. Wenn er hier liegt, wohl eher nicht.

Aber kann ich mir da sicher sein?
 

Im Moment ist die nötige Stille nicht da.

Nicht im Kopf und nicht im Raum.

Aber die Einsamkeit auch nicht mehr, denn auch wenn er schläft. Er ist hierher gekommen und er... hat hier übernachtet. Hat er noch nie.

Was beweist mir das?

Soll ich überhaupt etwas hinein interpretieren?

Die Tabletten brauchen eine Weile, um zu wirken.

Die Stille kehrt zurück und mit ihr die Klarheit.

Ich erwarte nichts, dennoch sauge ich unsere gemeinsamen Momente auf wie ein trockener Schwamm das Wasser.

Bleib hier – ich hätte nichts dagegen.

Da gebe ich ihr glatt mal recht.

Der letzten Stimme, die verstummt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: Puria
2011-04-12T11:21:52+00:00 12.04.2011 13:21
So, endlich mal meinen hier schuldigen Kommi los werden.

Ich muss sagen, der Wechsel der POV von den sonstigen 3PS zur 1PS schafft gleich eine andere Stimmung und ganz besonders, da es sich um einer etwas anders denkenden Figur handelt. Man steckt sozusagen selbst mittendrin und ermöglicht einen viel tieferen Blick auf Miles.

Täuscht seine Art nach außen manchmal über seine Wünsche hinweg, kommen sie sozusagen hier konzentriert auf einen Punkt zusammen. Allerspätestens jetzt weiß der Leser was Miles will, wenngleich besagte Schwingungen auch in den Kapiteln zuvor detlich wurden ;D

Die Zeitsprünge sind gut gewählt und erst beim nochmaligen Lesen ist mir klar geworden, dass ich sie auch gar nicht missen möchte. Man kann nun, gerade beim letzten, interpretieren, dass etwas geschehen ist, ich für meinen Teil bin zum Entschluss gekommen, dass zwischen den Beiden noch nichts weiter von statten ging als sich ein Bett zu teilen :>

Kurzum, ein gelungenes Kapitel und eine schöne Zusammenarbeit!


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