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Ta Sho

erste Schritte
von

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alles geklärt?

Gut gelaunt bog der Hobbyrennfahrer mit seinem Beifahrer auf die belebte Hauptstraße Yumas ein. Nach seinem Umzug in eine größere Wohnung, die endlich nicht mehr auf dem Stützpunkt lag, hatte sich Fireball mehr oder weniger in einer Kurzschlussreaktion wieder ein Auto angeschafft. Zumindest Martin hatte das als Kurzschlussreaktion betitelt, weil Fireball zum Händler gegangen war und keine halbe Stunde später den Kaufvertrag unterschrieben hatte.

Nun saßen sowohl Martin als auch Fireball in besagtem Auto und fuhren aus der Stadt. Der Frühling zeigte sich mit ersten zaghaften Gesten wieder in Yuma. Seit etwas über einer Woche strahlte die Sonne vom Himmel, als würde sie so alle Gewitterwolken für immer aus der Stadt fernhalten können. Das bewirkte, dass der Schnee dem zarten Grün wich und die Straßen endlich frei von Matsch und Dreck waren. An diesem Nachmittag war die Straße sogar trocken und Fireball hatte beschlossen, Martin etwas zu zeigen.

Die beiden debattierten über das erst in einigen Monaten anstehende Sommerfest der Air Strike Base. Martin beschrieb dem Wuschelkopf genau, was bei diesem Fest zu geschehen hatte, was Tradition war. Die Base veranstaltete jedes Jahr ein Fest, wenn die Tage in Yuma endlich wieder länger wurden, die Temperaturen stiegen und die Wiesen wieder grün waren. Dann kamen alle Piloten mit ihren Familien zusammen um eine schöne Zeit miteinander zu verbringen. Fireball sollte diesen Brauch nun ja nicht abkommen lassen, und dafür sollte er mit den Kollegen der anderen Bases frühzeitig verhandeln anfangen, wer ihre Schichten für zwei Tage übernahm.

Sie waren kaum auf der Hauptstraße angekommen, erregte eine junge Frau auf dem Gehweg die Aufmerksamkeit des Fahrers. Fireball konnte sie ohne Schwierigkeiten als April identifizieren, die alleine durch die Stadt bummelte. Die Blondine war offensichtlich auf Shoppingtour. Als April in einer Boutique verschwand, murmelte Fireball: „Ich wusste gar nicht, dass sie hier sind.“

Irritiert sah Martin zu seinem Chauffeur hinüber. Gerade eben hatten sie doch noch darüber gesprochen, wie das Frühlingsfest zu organisieren war. Sein Freund war gerade wieder schwer vom Thema abgekommen. Martin rümpfte die Nase: „Wie kommst du denn jetzt darauf?“

Der Brasilianer hatte nicht sonderlich auf die Umgebung geachtet, vielmehr hatte er versucht, für den jungen Bleifuß die Geschwindigkeitsbegrenzungen im Auge zu behalten. Martin verstand nach wie vor nicht, weshalb es unbedingt ein solcher Wagen hatte sein müssen, denn ein weniger stark motorisiertes Gefährt hätte es für einen Teenie auch leicht getan. Deswegen kam ihm der Themenwechsel zu abrupt. Als er bemerkte, wie sich das Lächeln des Japaners verzog und er auch noch blinkte, um auf den nächsten Parkplatz zu fahren, standen Martin die Fragezeichen auf die Stirn geschrieben. Er wollte wissen: „Was machst du denn? Ich dachte, du wolltest mir die schönsten Kurven Yumas zeigen?“

„Das war auch der Plan“, gab Fireball unumwunden zu. Er parkte mit gehörig Schwung in die nächstbeste Parklücke ein, zog die Handbremse an und stellte den Motor ab. Flehend blickte er zu seinem Kumpel auf dem Beifahrersitz. Ja, sie hatten ausgemacht, diesen Nachmittag zusammen auf der Rennstrecke zu verbringen, aber gerade war Fireball wichtigeres in die Quere gekommen. Er und April hatten sich lange weder gehört noch gesehen und das behagte ihm nicht sonderlich. Immerhin hatte alles abrupt und ohne klare Ansage geendet. Zumindest Fireball wusste nicht, wo er stand, was seine Beziehung zu April betraf. Er musste es jetzt endlich klären, sonst würde er sich ewig Vorwürfe machen. „Marty, bitte sei mir nicht böse. Ich hab grad April gesehen, sie ist hier in Yuma. Ich muss mit ihr reden.“

Als Martin ihn nur erstaunt ansah, erklärte sich der junge Hitzkopf: „Ich muss es einfach mit ihr klären, damit ich weiß, woran ich bin. …Ich muss einfach.“ Jedermann hätte dem Wuschelkopf in dem Augenblick angesehen, dass es ihm sehr ernst war. Doch nur Martin konnte wissen, wie dringend es für Fireball tatsächlich war. Seit dem Streit hatten April und Fireball kein Wort mehr gewechselt, das war nun mehr als drei Monate her. April war dem Piloten gekonnt aus dem Weg gegangen und der Hitzkopf hatte derweil versucht, sein Leben zu ordnen. Nun schien es Martin, als wäre es Zeit für das klärende Gespräch.

Deswegen nickte er Fireball lediglich verstehend zu und stieg aus dem Wagen aus: „Kein Thema. Ich geh einfach in das nette Café da hinten. Wenn dir der Sinn nachher noch danach steht, können wir immer noch zur Rennstrecke fahren“, Martin schmunzelte plötzlich und gab dem Jüngeren noch den Tipp: „Eins noch, Babyboy. Rede auch wirklich mit April, wenn du sie schon sprechen willst.“

Der Brasilianer wusste, dass Fireball ihn richtig verstanden hatte. Er sollte offen und ehrlich mit April reden, wenn er sie schon um ein Gespräch bat. Das betretene Schweigen des Japaners hatte die beiden schließlich erst in diese Lage gebracht. Martin zwinkerte noch einmal kurz, ehe er den Weg in das Café einschlug. Er war gespannt auf den Ausgang dieser Schlacht.

Shinji nickte und versperrte den Wagen. Dann lief er eilig davon. Er war dankbar, dass Martin ihn ziehen ließ, auch wenn sie sich extra den heutigen Nachmittag freigenommen hatten, um sich mal Abwechslung auf der Rennstrecke zu gönnen.
 

Öde waren diese Shoppingtouren schon, aber keiner ihrer Jungs hatte sich erweichen lassen. Klar, alle hatten sie ein Leben neben Ramrod. Deswegen hatte sich April schließlich doch allein auf den Weg durch Yumas Klamottenläden gemacht. Sie konnte schließlich schlecht einen von ihren drei Jungs dazu zwingen. Seit einer guten Stunde war sie unterwegs und genoss die Sonne, die bereits in der Nase kitzelte und schon der erste Frühlingsbote war.

April stand in dieser herrlichen kleinen Boutique, die sie gerade zufällig entdeckt hatte und sah sich interessiert um. Sie nahm eine weiße Hose vom Kleiderständer und begutachtete sie. Der Schnitt war recht einfach, mit geraden Beinen, also machte sie bestimmt eine gute Figur. Als sie gerade überlegte, ob sie die Hose anprobieren sollte, wurde ihr ein Top in einem dunklen Rotton vor die Augen gehalten. Sie hörte eine vertraute, wenn auch lange Zeit nicht mehr gehörte, Stimme sagen: „Ich glaube, das passt dir.“

Verdattert starrte April auf die Person, die ihr plötzlich als Modeberater zur Seite stand. Es war Fireball. Noch ehe sie richtig reagieren konnte, bat er sie inständig: „Bitte lass uns reden!“

Wortlos griff April nach dem Top und verschwand in einer Kabine. Sie hatte nicht gewusst, wie sie reagieren sollte, also schien ihr eine schnelle Flucht die richtige Variante zu sein, um sich zumindest Zeit zu verschaffen, sich eine Antwort einfallen zu lassen. April schlüpfte in die Umkleidekabine und schloss hastig die Tür. Es war ihr gerade unwichtig, ob Fireball ihr folgte. Woher nur hatte er wissen können, dass sie hier war? April sah an sich hinab und dann auf den Spiegel in der Kabine. Ihr Blick wurde traurig. Seit wann musste sie denn vor Fireball weglaufen? Weshalb nur hatte sie ihren Freund nicht sehen wollen? April gestand sich ein, dass sie lediglich standhaft bleiben hatte können, solange sie ihn nicht vor sich gesehen hatte. Und nun war er ohne Vorwarnung plötzlich vor ihr gestanden, hatte ihr als Modeberater zur Seite gestanden, wie damals. Sie hatte es immer geliebt, ihre freie Zeit mit ihm zu verbringen und auch nun hatte sich dieses Gefühl bei ihr eingeschlichen. Aber es war nicht mehr wie damals. April seufzte und begann sich umzuziehen. Sie nahm die Hose vom Haken und zog sie an, ebenfalls das rote Shirt, das sie strahlen ließ. Es schmiegte sich eng an ihren Körper, bis hinunter zu ihrem Gesäß. Es passte wie angegossen, Fireball wusste also ihre Größe und offenbar auch noch, was ihr stand. April drehte sich, um ihre Rückansicht im Spiegel ausmachen zu können und um zu überprüfen, ob sie von hinten genauso gut aussah, wie von vorne.

Fireball hatte April zuerst verdattert nachgesehen, ehe er ihr gefolgt war. Er wollte nicht gleich nach dem ersten Versuch die Segel streichen. Es war schließlich wichtig. Für den Japaner ging es nicht nur um klärende Worte, es war für sein Seelenheil enorm wichtig zu wissen, wo er und April standen. Und nebenbei war es ein wichtiger Punkt in seinem Leben, den er für ein geregeltes Leben brauchte. Vorsichtig lehnte er sich mit dem Rücken gegen die Kabinentür, hinter der April verschwunden war. Dann begann er zu erzählen: „Ich wollte dich nicht so überfallen. Es ist nur so… Ich hab dich eben gesehen, als ich vorbeigefahren bin und ich muss dich einfach sehen“, er schüttelte über seine letzten Worte den Kopf und berichtigte sich, als er selbst bemerkte, dass seine Wortwahl miserabel war: „Nein, ich muss mit dir reden. Es ist mir wichtig. Bitte…“

In diesem Moment stieß April die Tür auf und drückte Fireball weg. Sie trat heraus und sah zu ihm hinüber, wie er einige Schritte wegstolperte. April wollte wissen: „Wieso sollte ich? Du erzählst mir ja doch nichts.“

Eigentlich machte es April gerade nur davon abhängig, ob sie mit Fireball sprach oder nicht, welches Argument er ihr liefern konnte. Wenn er einen guten Grund nennen konnte, würde sie mit ihm sprechen. Aber dafür musste es ihm auch ernst sein. April hatte in den letzten Monaten dank Alex zu neuem Selbstbewusstsein gefunden und war sich sicher, dass sie einen ehrlichen und auch liebevollen Umgang verdient hatte. Nun war sie gespannt auf die Antwort.

Seine Augen blickten traurig drein, als er wieder zu April aufschloss und erwiderte: „Du fehlst mir. Das zwischen uns ist entsetzlich schief gegangen.“

„Dir fehlt wohl eher etwas anderes“, sie sah ihm dabei geradewegs in die Augen und auf seine nächste Reaktion war sie mehr als gespannt. Denn was sie ihm nun unter die Nase halten würde, war bestimmt nicht sehr erfreulich für ihn: „Und glaub mir, das ist nichts, was du nicht bei einer anderen auch bekommen würdest. Du musst nicht darauf warten, dass ich mit Ramrod lande.“

Obwohl April es nicht ausgesprochen hatte, hatte Fireball doch eine sehr genaue Vorstellung von ihren Worten. Entschuldigend senkte er den Blick auf seine Füße und murmelte: „Das war nie meine Absicht…“

Fireball fand sich gerade in einer Situation wieder, für die ihm die Worte fehlten. Er spürte, das hier war seine letzte, seine allerletzte Chance, das mit April hinzukriegen oder zumindest wieder ihre Freundschaft gewiss zu haben. Er durfte es nicht vergeigen. Fireball durfte nicht kneifen, egal wie unangenehm es auch für ihn werden würde. Er atmete tief durch und sah zu der Frau auf, die er liebte: „Hast du Zeit? Ich möchte in Ruhe mit dir darüber sprechen, April. Bitte…“

April schwieg, ihre Augen allerdings richtete April getroffen in eine andere Richtung. Sie konnte ihn nicht länger ansehen. Da war etwas in seinem Blick, in seiner Mimik und Gestik, das sie verwirrte und unsicher machte. Sie hatte doch eigentlich mit dem Kapitel Fireball abgeschlossen, weshalb also begannen nun ihre Hände zu zittern? Als April bemerkte, wie sie die Kontrolle über ihre Gefühle zu verlieren begann, wandte sie sich von Fireball gänzlich ab. Sie schlug den Weg zurück in die Kabine ein. Schnell schloss sie die Tür hinter sich, atmete tief ein und aus, versuchte sich zu beruhigen. Alles, was sie die letzten Monate zur Seite geschoben hatte, wollte nun herausbrechen. Nichts von alle dem, was sie sich geschworen hatte, würde sie so einhalten können! April fuhr sich mit den Händen über das Gesicht, sie ärgerte sich über ihre Gefühle. Wie viele Stunden hatte sie auf Ramrod damit zugebracht, Alex von ihrem Kummer zu erzählen? Wie lange hatte es gedauert, bis sie eingesehen hatte, dass aus Fireball und ihr niemals ein Paar werden würde? Der Abstand zu ihm hatte April gut getan, doch nun stand mit Fireball und seinen dunklen Augen wieder alles vor ihr, was sie als abgehakt angesehen hatte.

„Wenn du glaubst, es bringt noch was…“, April murmelte selbst nur noch. Sie hoffte, dass Fireball ihr wieder zur Kabine gefolgt war und sie auch gehört hatte. Die Blondine wusste nicht, weshalb sie nun so reagierte, aber sie fühlte sich plötzlich unwohl und ein Stück weit auch hilflos. Aber sie merkte auch, dass sie sich mit Fireball zusammensetzen musste, wenn sie endgültig einen Schlussstrich unter diese unsägliche Affäre ziehen wollte.

Der Rennfahrer nickte, bis ihm klar wurde, dass April das nicht sehen konnte. Also bestätigte er ihr: „Es ist mir wichtig, ja“, er fand etwas von seinem Selbstbewusstsein, das er offenbar abgelegt haben musste, als er den Laden betreten hatte, wieder und lud April schließlich ein: „Lass uns etwas essen gehen. Auf meine Kosten. Wohin du willst.“
 

April hatte wieder einmal ohne Beute ihre Shoppingtour beendet, allerdings saß sie nun in einem netten Café nahe der Boutique. Sie hatte nicht essen gehen wollen, ihr Appetit hielt sich in Grenzen. Aber sie hatte das Café ausgesucht, was ebenso neutraler Boden war, wie ein Restaurant. April hätte nur eines nicht wollen. Mit Fireball auf einem Terrain sprechen, auf dem sie sich wesentlich unwohler gefühlt hätte, wie zum Beispiel seine Wohnung. Sie hatte sich nie sonderlich wohl dort gefühlt, dass er inzwischen umgezogen war, wusste sie nicht einmal.

Als der Kellner die Getränke für beide gebracht hatte, hielt April das Schweigen schließlich nicht länger aus. Sie wusste, dass sie im Grunde keine gemeinsame Basis mehr hatten. Egal wo es zwischen ihnen schief gelaufen war, April bedauerte zumindest eines: „Wann haben wir aufgehört, Freunde zu sein?“

April musterte Fireball. Er sah auf die Straße hinaus, wirkte ruhig und unbeteiligt. Die Blondine seufzte. Sie erkannte den Menschen, der ihr gegenüber saß, nicht wieder. Sie saßen hier zusammen, als würden sie nicht zusammen gehören und das nach Jahren der Freundschaft und einigen Monaten einer Romanze. Das tat April sehr weh. Enttäuscht, dass sie sich offenbar doch nichts mehr zu sagen hatten, nahm sie einen Schluck von ihrem Kaffee.

Fireball hatte dem Kellner kaum Beachtung geschenkt. Er war zu sehr damit beschäftigt, sich selbst nicht im Weg zu stehen. Aber genau das tat er im Moment, und nichts anderes. Er brachte neben April keinen Ton heraus, war nicht fähig, sie anzusehen und dabei war es so wichtig! Fireball war nicht dazu in der Lage, Aprils Frage zu beantworten, er wusste ja noch nicht einmal, wo er anfangen sollte. Einen Moment schloss er die Augen und senkte den Kopf. Martins Worte von vorhin hingen ihm noch in den Ohren. Sie brachten ihn schließlich auch dazu, den Mund aufzumachen. Fireball sah wieder auf, direkt in Aprils enttäuschtes Gesicht. Leise begann er zu sprechen: „Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. So viel ist im letzten Jahr passiert. Ich habe eine schreckliche Zeit durchgemacht und dabei“

April schnitt ihm das Wort ab. Er hatte ihr gerade sagen wollen, dass er dabei die Frau gefunden hatte, die ihm über alles hinweghelfen konnte und dass sie diese Frau war. April schüttelte den Kopf, während sie den Löffel auf ihre Untertasse legte: „Da bist du nicht der einzige! Wir hatten auf Ramrod alle keine gute Zeit, während wir…“, April sah sich um, über ihren Sprung in die Vergangenheit wollte sie an einem öffentlich Ort nicht reden, deswegen blieb sie nach einer kurzen Pause bei ihrer offiziellen Bezeichnung: „verschollen waren. Und danach war es nicht besser. Zumindest für mich nicht! Denn du hast mich ausgenutzt und nach Strich und Faden veräppelt. Ich hatte ehrlich gesagt nicht das Gefühl, dass es dir hier in Yuma schlecht geht.“

Fireball nickte. Er musste April erklären, wie ihm die ersten Monate in der Base zumute gewesen war. Was die Geschichte in der Vergangenheit anging, so nahm Fireball nach wie vor an, dass April wusste, was ihn dort mürbe gemacht hatte. Mit gedämpfter Stimme wollte er sich nun verteidigen und verständlich machen: „Ich würde zurückgelassen zu werden nicht unbedingt unter ‚gut gehen‘ verbuchen. Die Base wollte mich nicht akzeptieren, alles ging drunter und drüber. Meine einzige Rettung waren deine Besuche. Himmel, ja, ich hab gesagt, dass wir Freunde bleiben wollen, aber es hat nicht geklappt“, er machte eine kurze Pause und wollte dann ihre Meinung hören: „Oder wie siehst du das?“

Erbost blitzte April ihren ehemaligen Kameraden an und fauchte: „Aber die schnelle Nummer für zwischendurch. Dafür hab ich dir noch gereicht, ja!“

Fireball seufzte frustriert. Das hatte April nun in den völlig falschen Hals bekommen! Wie sollte er dem Mädchen bloß erklären, dass er es nicht so gemeint hatte, wie sie es schlussendlich aufgefasst hatte? Fireballs Hände verschwanden unter dem Tisch, sein Blick wanderte wieder aus dem Fenster hinaus. Gedämpft gab er schließlich zurück: „Nein, keine schnelle Nummer und schon gar nicht zwischendurch“, nun sah er wieder zu der Frau mit den blonden Haaren hinüber: „April, ich hab dich immer vermisst. Mir fehlt etwas, wenn du nicht bei mir bist.“

Es war kaum mehr als ein Gestammel gewesen. Fireball ärgerte sich. Es wäre doch so einfach, ihr zu sagen, dass er sich in sie verliebt hatte und mit ihr zusammen sein wollte. Wieso zum Henker bekam er das nicht auf die Reihe?! Bei Martin und Alessa, bei Colt und Robin und auch bei Saber und June schien alles leichter zu fallen. Diese drei Paare hatten in Fireballs Augen nie Probleme damit, sich ihre Liebe zu zeigen. Wieso konnte er das nicht? Der Japaner schlug die Augen wieder nieder. Es war ganz simpel und einfach ein Drama, was er hier veranstaltete.

April strich sich Strähnen ihres Haares hinter die Ohren zurück und blickte Fireball fassungslos an. Sie war immer noch enttäuscht. Jetzt sogar noch mehr als vorhin schon. Es klang für sie nach fadenscheinigen Entschuldigungen. Seine Sprache war monoton, emotionslos. Mit zusammengezogenen Augenbrauen nahm April schließlich ihren roten Haarreifen ab und schüttelte ihre Mähne. Blitzend blaue Augen stachen zu Fireball hinüber, während sie ihre Haare wieder in Ordnung brachte. Sie kam sich völlig fehl am Platz vor. Es war nicht zu fassen, wie kalt er darüber sprach. April platzte beinahe: „Was glaubst du eigentlich, worüber wir hier reden? Hier geht es nicht um schnöde Berichte. Herrgott, Fireball!“, nun war sie beinahe laut geworden. Stinksauer stand sie auf, ihre Augen füllten sich mit Tränen, denn für Ramrods Navigatorin war nun klar: „Es ist besser, du sagst gar nichts mehr, wenn du es nicht ernst meinst. Danke für den Kaffee!“

April wollte sich umdrehen, einfach weggehen, doch Fireball hatte blitzschnell nach ihrem Arm gelangt. Er war ebenfalls aufgestanden, sein Griff war fest um ihr Handgelenk gelegt und sein Blick duldete plötzlich keinen Widerspruch mehr. Energisch verlangte er von ihr: „Setz dich wieder! Du kannst jetzt nicht einfach gehen.“

April blickte erstaunt auf ihr Handgelenk hinunter, das Fireball fest umschlossen hielt. Dann erwiderte sie seinen Blick. Es war April in diesem Augenblick völlig egal, was die anderen Gäste des Cafés dachten. Für sie war ohnehin alles geklärt. Sie zischte den Wuschelkopf erbost an: „Lass mich los, oder ich schreie!“

„Das wagst du nicht!“, dennoch lockerte er seinen Griff. Fireball hatte schnell bemerkt, dass inzwischen alle Gäste des Lokals auf sie aufmerksam geworden waren und mit großen Ohren etwas von dem Gespräch mitbekommen wollten. Er schluckte hart, als er April in die Augen sah. Wann war ihre Unterhaltung aus dem Ruder gelaufen? Weshalb verhielt er sich wie der größte Vollidiot auf Erden? Langsam ließ Fireball seine Hand sinken, ließ Aprils allerdings nicht los. Er verschränkte stattdessen seine Finger mit ihren. Mit dem Daumen begann er über ihren Handrücken zu streichen. Er glaubte, April nun endgültig verloren zu haben. Seine Augen nahmen einen dunklen Schimmer an, als er sie von April abwandte und auf ihre ineinander verschränkten Hände starrte. Fireball nahm an, dass ein schnödes ‚Ich liebe dich‘ nicht genügen würde. Doch was sollte er ihr sonst sagen? Er hatte versucht, es ihr zu erklären, April hatte ihm das Wort abgeschnitten. Langsam fing er an zu glauben, dass sie ihren Entschluss bereits vor einiger Zeit gefasst hatte. Und zu allem Überfluss musste er auch noch an eines seiner Gespräche mit seinem Vater denken. Dieser hatte ihm damals unterstellt, April hätte ihn auf die Couch verwiesen, weil er betrunken vom Dienst nachhause gekommen war. Sein Vater hatte damals gesehen, was er selbst nicht wahrgenommen hatte. Auch April hatte in dieser Zeit einen besonderen Draht zu Fireball gehabt. Wieso nur hatte sich das geändert? Betrübt murmelte Fireball: „Bemerkst du es denn nicht, April? Alle um mich herum haben es gesehen, noch bevor ich es mir eingestehen konnte. Und nun willst du nichts mehr von mir wissen. Ich hab mir doch selbst jedes Mal in die eigene Tasche gelogen, wenn ich dir gesagt habe, wir würden Freunde bleiben.“

Aprils Augen wanderten zu ihrer Hand hinunter, die Fireball in seiner hielt und zärtlich drückte. Sie hörte seine Worte, aber sie verstand den Sinn nicht. Ihr Herz schlug wie wahnsinnig, es wollte sich nicht beruhigen und sie wusste nicht, ob es ihr Zorn oder Fireball war, der es so schlagen ließ. Nur eines konnte April gerade mit Sicherheit noch sagen. Sie fühlte sich nicht mehr wohl, eine wilde Mischung aus den verschiedensten Gefühlen brach über sie herein. Als sie zu Fireball aufsah, flehte sie ihn an: „Lass mich gehen, Fireball…“

Sie konnte nicht auf seine Worte eingehen, nicht darauf reagieren. Langsam zog sie ihre Hand zurück und blickte zu Fireball auf. Ihre Blicke trafen sich. Zwar nur für einen kurzen Augenblick, doch er hatte April genügt, um das stumme Nicken von Fireball zu erkennen. April wandte ihm den Rücken zu und verließ schnell das Café. Stumme Tränen liefen über ihre roten Wangen, während sie durch die Straßen eilte. April schluchzte und wischte sich die nassen Tränen immer wieder aus dem Gesicht. Liebe tat weh. Jedes Mal ein bisschen mehr. April brauchte Zeit um über Fireball nachzudenken, ob er noch weitere Qualen wert war. Sie musste sich seine Worte durch den Kopf gehen lassen, aus seinen Gesten war sie leider nicht schlau geworden.

Fireball ließ April ziehen. Er biss sich auf die Lippen, bezahlte schweigend die angefangenen Getränke und verließ mit hängen gelassenem Kopf das Lokal. Er hatte April nun endgültig verloren. Gedankenverloren entriegelte Fireball seinen Wagen und setzte sich in den Fahrersitz. Er steckte den Zündschlüssel in das Zündschloss und aktivierte die Systeme. Als die Lüftung und das Radio liefen, sank Fireball in seinem Sitz zusammen und schlug sich die Hände vors Gesicht. Es war desaströs gelaufen! Erst nachdem er sich wieder halbwegs gefangen hatte, rief er Martin an. Schweigend fuhr er seinen Kumpel wieder nachhause.

Martin hatte beim Telefonat schon bemerkt, dass das gewünschte Ergebnis des Gesprächs zwischen April und Fireball nicht eingetreten war. Als er zu Fireball in den Wagen gestiegen war, hatte dessen Blick Bände gesprochen. Der Brasilianer senkte mitfühlend die Augen. Es war schade um April und Fireball. Er hatte viel und oft darüber mit Alessa gesprochen. Klar, sie beide kannten lediglich Fireballs Standpunkt, aber bei Ramrods Besuchen in Yuma hatten auch Colt und sogar Saber manchmal aufschlussreiche Sätze fallen lassen. Vor allem der Cowboy schien ebenfalls von den beiden als Paar begeistert zu sein. Martin waren die Regeln im Oberkommando mittlerweile ziemlich egal geworden, er hatte gesehen, was passieren konnte, wenn Gefühle mit dem Pflichtbewusstsein nicht vereinbart werden konnten. Er hielt diese Regeln nun deshalb für eine unnötige Verkomplizierung.

Als Fireball vor Martins Wohnung hielt, musterte er den jungen Captain noch kurz. Er schnallte sich ab und brach schließlich das Schweigen im Wagen. Einfühlsam legte er Fireball eine Hand auf die Schulter und versuchte ihn aufzumuntern: „Schlaf mal ne Nacht drüber, Babyboy… Und wenn dir der Sinn nach Reden steht, ruf mich an.“

Fireball seufzte, wischte dabei Martins Hand kraftlos von seiner Schulter. Er nickte: „Das mach ich, Marty. Aber ich glaub, das muss ich erst einmal selbst verdauen.“

Mit einem mulmigen Gefühl verließ Martin den Wagen und machte sich auf den Weg zu seiner Wohnung. Da es erst früher Nachmittag war, würde er noch einige Stunden alleine sein. Martin beschloss deshalb, die Zeit sinnvoll zu nützen.

Der Rennfahrer fädelte sich wieder in den laufenden Verkehr ein, wusste allerdings nicht so recht, wohin mit sich. Er hatte nicht den Wunsch, nachhause zu fahren. Was sollte er denn dort, alleine? Zur Arbeit wollte er allerdings genauso wenig fahren, dort hätten ihn seine Kollegen bloß gefragt, ob er sich nicht von seiner Arbeit loseisen konnte. Und irgendwie hatte Fireball auch keine große Lust auf die Rennstrecke. Er war innerlich aufgewühlt. In einem solchen Zustand sollte man kein unnötiges Risiko eingehen, das war dem passionierten Bleifuß dieses Mal klar. Also reihte er sich erst einmal stadtauswärts ein. Es würde ihm nicht schaden, wenn er sich ein ruhiges Plätzchen suchte, an dem er nachdenken konnte.
 

April hatte erst einmal den Weg nachhause eingeschlagen. Sie freute sich auf ihre eigenen vier Wände, in denen sie ungestört nachdenken konnte. In ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken, ihre Gefühle waren ein Tropensturm, der sie innerlich aufwühlte. Schnell schloss sie ihre Wohnungstür auf, schlüpfte hinein und kickte, noch während sie die Tür wieder schloss, ihre Schuhe in eine Ecke. Ihre Handtasche ließ April auf dem Sideboard neben dem Eingang liegen. Gedankenverloren schlich sie in die Küche und holte sich etwas zu trinken aus dem Kühlschrank. Mit einer Wasserflasche in der Hand ging sie ins Wohnzimmer hinüber. Geradezu bedächtig öffnete sie den Verschluss. Wieso nur waren sie sich so fremd geworden? April stiegen wieder die Tränen in die Augen. Sie vermisste den alten Fireball, der vor Eifer und Leidenschaft beinahe überschäumte, dem man die Herzenswärme ansehen konnte. Sie hatte immer zu deuten gewusst, was in Fireball vorging. Aber das war vorbei, lange schon. Fireballs Ausdruck war mittlerweile verschlossen, wirkte so manches Mal auch hart auf April. Sie sank auf die Couch, zog die Beine auf die Sitzfläche und legte eine Decke über ihre Füße. Aus dem stürmischen Feuerball war ein kühler Eiszapfen geworden. Jegliche Emotion war aus seiner Stimme verschwunden, an seinem Blick konnte man nichts mehr ablesen. April hatte sich heute gefühlt, als hätte sie gegen eine Wand aus kaltem Stein geredet. Fireball hatte ihr zwar gesagt, dass er sie vermisste, aber sie hatte es nicht spüren können. Ihr schien es, als wäre es Fireball mittlerweile gleichgültig, wenn sie sich nichts mehr zu sagen hatten. Aber dann hatte er sie nicht gehen lassen wollen, hatte ihre Hand gegriffen. April würde es nie im Leben zugeben, aber in dem Augenblick, als er seine Finger in ihre verschränkt hatte, hatte ihr Herz für einen Schlag ausgesetzt. Es war eine zärtliche Geste gewesen. Verwirrt schüttelte April den Kopf. Es war alles so mühsam, was mit Fireball zu tun hatte! Was sollte sie nur tun? Dieses Mal wollte sie nicht mit Alessandro darüber reden, plötzlich war ihr in den Sinn gekommen, dass der fesche Italiener Fireball nicht kannte. Er würde ihr nicht helfen können. Aber wer konnte es dann?

Am nächsten Morgen hatte April zumindest eine Idee, wen sie fragen konnte. Nach dem Frühstück zog sie sich an und machte sich auf den Weg zur Base. Kurze Zeit später stand die blonde Frau in Freizeitklamotten und ihren Haaren zu einem Zopf geflochten in den Hangartoren und sah sich suchend um. Wie sah er denn überhaupt aus? April konnte sich kaum an den Mann erinnern, den Stanley bei dem Telefonat vor einigen Monaten erwähnt hatte. Das geschäftige Treiben in den Fliegerhallen erschwerte ihr das Suchen zusätzlich, weil sie immer wieder den Überblick verlor. April hielt sich entschlossen an ihrer Handtasche fest und ging auf den nächstbesten Piloten zu, der ihren Weg kreuzte. Wieso sollte sie hier lange herumstehen und nach einem Phantom suchen, an das sie sich selbst kaum erinnern konnte? Immerhin hatte sie Martin erst einmal wirklich gesehen und es war gut möglich, dass ihre Erinnerung sie täuschen wollte. April erfragte sich also den Weg zu Martin und fand ihn schließlich auch. Pflichtbewusst bei seiner Maschine, die die Nr. 2 auf dem Flügel trug.

April atmete tief durch und räusperte sich, um auf sich aufmerksam zu machen. Als sich der dunkelhaarige Mann zu ihr umdrehte, lächelte sie ihn höflich an: „Man hat mir gesagt, ich würde Martin hier finden.“

Zuerst lächelte Martin noch, doch als er erkannte, wer ihn hier aufsuchte, verschwand sein Lächeln und machte einem erstaunten Gesichtsausdruck Platz. Er nickte auf Aprils Frage hin leicht: „Steht vor dir“, er war sich nicht sicher, was Aprils Erscheinen zu bedeuten hatte. Fireball hatte Martin bisher noch nicht erzählt, was am Vortag passiert war. Aber es war Martin höchst suspekt, dass Ramrods Navigatorin ausgerechnet ihn aufsuchte. Der Brasilianer fragte ebenso höflich wie April kurz zuvor nach dem Grund ihres Erscheinens.

Nun verschwand auch Aprils Lächeln, als sie die Skepsis in Martins Unterton bemerkte. Sie senkte verschämt und unsicher den Blick und wollte leise wissen: „Du bist doch Fireballs Freund, oder?“

Es war April peinlich, nicht selbst genau zu wissen, mit wem sich ihr ehemaliger Kollege hier auf Yuma die Zeit um die Ohren schlug. Hätte ihr Stan damals am Telefon nicht gesagt, dass der laufende Meter namens Fireball seine freie Zeit, wenn überhaupt, dann mit Martin verbrachte, dann wüsste sie nun nicht einmal das. April stand also vor Martin, einem stattlichen Mann, der in etwa Sabers Alter hatte, und kam sich vor, als würde sie vor Scham gleich im Boden versinken. Aber wenn es stimmte, was Stan gesagt hatte, dann war dieser Pilot vor ihr die einzige Chance zu ergründen, was mit dem Mann los war, der ihr das Herz brach und so verschlossen war.

Das klang aber nicht ganz überzeugt! Martin verzog fragend das Gesicht. Wie konnte es nur passieren, dass April nicht wusste, mit wem Fireball rumhing? Er musste den Impuls unterdrücken, den Kopf schütteln zu wollen. April würde sonst vielleicht auf die Idee kommen, sie wäre damit gemeint und nicht der kleine Tiefflieger. Apropos kleiner Tiefflieger. Da passte wohl einiges nicht zusammen. Martin lehnte sich gegen seinen Jet, verschränkte die Arme vor der Brust und lächelte schließlich freundlich. Er wollte April nicht verschrecken: „Das kommt ganz drauf an, worum es geht. Aber solltest du nicht eigentlich Babyboy suchen?“

Verwirrt sah April zu Martin hinüber. Babyboy? Im ersten Moment fiel ihr nicht ein, dass Fireball hier in der Base diesen Spitz- und vielleicht sogar Codenamen bekommen hatte. April wurde in ihrer Haut immer unwohler. Mit jeder Minute mehr, denn sie merkte immer schmerzlicher, dass sie gar nichts mehr von Fireball mitbekam, seit er in Yuma stationiert worden war. April nahm all ihren Mut zusammen. Sie bat Martin eindringlich: „Nein, ich muss mit dir reden. Es geht um euren Babyboy und ehrlich gesagt bist du der einzige, der mir hoffentlich irgendwie weiterhelfen kann. Hast du Zeit für mich?“

Schnell entschlossen nickte Martin und stieß sich von seinem Jet ab. Vielleicht konnte er den beiden doch unter die Arme greifen und manches klären. Denn eines hatte Martin inzwischen verinnerlicht: Fireball war nicht die Sorte Mensch, die sehr offen war. Er ließ April wissen: „Ich sag ihm nur kurz Bescheid“

Entsetzt riss April die Augen auf und schüttelte heftig den Kopf: „Nein! Bitte nicht. Er soll nicht wissen, dass ich hier bin.“

April hatte sich fest vorgenommen, zuerst die unendlichen Tiefen mit Martins Hilfe zu ergründen und hoffentlich schlauer daraus zu werden. Erst dann wollte sie Fireball wieder unter die Augen treten. Sie hatte sich kaum hierher in den Hangar getraut, lediglich, weil sie darauf vertraut hatte, dass Fireball im Büro im ersten Stock saß, hatte sie ihren Mut zusammengekratzt und war eingetreten. Hoffentlich verstand Martin Aprils Einstellung.

Und tatsächlich. Der Brasilianer nickte verständnisvoll, erklärte April aber im selben Atemzug: „Ich muss ihm trotzdem kurz Bescheid geben, dass ich weg gehe. Er ist der Boss und ich möchte nur ungerne meinen Kopf verlieren.“

Martin wies April an, schon einmal nach draußen zu gehen, er ging solange ins Büro hoch um sich abzumelden und kam später nach. Der Brasilianer flunkerte Fireball schnell was vor, von wegen dringende Familienangelegenheit und eine gute Stunde Abwesenheit, dann lief er die Treppen schon wieder hinunter und hinaus aus den Fliegerhallen.
 

Vorsichtshalber hatte Martin mit April das Gelände des Oberkommandos verlassen. Schließlich konnte man nie wissen, ob Fireball nicht doch irgendwo um eine Ecke geschossen kam. Um komplett auf Nummer sicher zu gehen, ging Martin mit April zu sich nachhause. Dort konnten sie ungestört sprechen. Ihm war sehr wohl bewusst, dass es der blonden jungen Dame unangenehm sein könnte, bei ihm zuhause am Küchentisch zu sitzen, allerdings war Martin in der Eile nichts Besseres eingefallen.

Wie er angenommen hatte, saß April kurze Zeit später beklommen auf dem Stuhl, wusste nicht recht wohin mit ihren Händen und ihren Augen. Mal prüfte sie die Küchenschränke, dann sprangen sie weiter zum Herd, aus dem Fenster hinaus, zu Martin hinüber und auch in den Vorraum. Kurzum, April war mehr als nur nervös. Martin hatte das schnell bemerkt. Obwohl es ihn wunderte, denn immerhin galt April als der weibliche Star Sheriff schlechthin. Keine Frau im Oberkommando war mutiger und selbstbewusster als sie. Angeblich. Über Martins Lippen huschte ein leichtes Lächeln. Sie mochte mutig sein, aber in Herzensangelegenheiten mindestens genauso feige wie Fireball. Der dunkelhaarige Brasilianer brachte April eine Tasse an den Tisch und schmunzelte verständnisvoll: „Hier hast du was, woran du dich festhalten kannst.“

Dankbar nickte April und nahm die Tasse an. Sie wartete, bis Martin sich gesetzt hatte, ehe sie zu ihm hinüber sah. Sie fühlte sich seltsam, zwischendurch hatte sie sogar die Flucht ergreifen wollen, immerhin war es eine bescheuerte Idee einen Fremden um Hilfe zu bitten. Aber nun saß sie hier, wurde freundschaftlich bewirtet und verständnisvoll behandelt. Das nahm April etwas das Unbehagen. Sie nahm einen Schluck vom Kaffee und nickte dann in den Raum: „Du hast dich gemütlich eingerichtet.“

„Alles das Werk meiner Alessa. Frauen haben in der Regel ein Gespür für ein kuscheliges Heim. Ich lasse ihr da freie Hand“, Martins Augen nahmen einen warmen Schimmer an, als er von seiner Verlobten sprach. Hach ja, sie war der Lottosechser, den man für Geld nicht kaufen konnte. Schmunzelnd fügte er hinzu, um April auf ihr eigentliches Problem zu bringen: „So eine weibliche Unterstützung hätte Babyboy auch mal nicht in der Wohnung geschadet. Totales Drama mit ihm. In der Wohnung auf dem Gelände hat er’s nicht mal fertig gebracht, alle Umzugskartons auszupacken, bis er wieder umgezogen ist. Und jetzt fehlt seiner neuen Bleibe auch immer noch der letzte Feinschliff.“

April runzelte verwirrt die Stirn. Sie blickte Martin mit großen, fragenden Augen an. Er war umgezogen? Hatte sie das richtig verstanden?

Martin sog angespannt die Luft zwischen den Zähnen ein und stieß sie dann wieder aus. Er konnte den Impuls gerade noch so unterdrücken den Kopf schütteln zu wollen. Etwas verständnisvoller erklärte er April: „Shinji ist vor ungefähr zwei Monaten in die Stadt umgezogen. War Teil seines Selbstheilungsprogrammes. Vierundzwanzig Stunden am Tag in der Base zu sein hätte ihn beinahe um den Verstand gebracht. Ist ´ne schöne Wohnung, gar nicht weit von hier. Aber wie gesagt, der letzte Schliff fehlt ihr noch.“

Aprils Augen starrten in die Tasse, die sie fest umklammerte. Sie hatte nicht gewusst, dass Fireball umgezogen war. Wie denn auch?! Das letzte Mal hatten sie sich an jenem Morgen gesprochen nachdem sie vor dem Pub einen unschönen Streit ausgetragen hatten. Und überhaupt bestätigte ihr Martin mit diesen wenigen Sätzen, was sie tief in sich gespürt hatte. Fireball war ein Fremder für April geworden. Nichts von alle dem, was Martin ihr gerade erzählt hatte, hatte sie gewusst.

Aber sie wollte es nicht so enden lassen. Nicht so! April wollte einfach nicht glauben, dass die räumliche Trennung sie zu Bekannten gemacht hatte, dass sie nichts mehr gemeinsam hatten. Sie wollte nicht einsehen, dass ihre Gefühle nur entstanden waren, weil sie sich auf Ramrod nicht aus dem Weg gehen hatten können und mangels Alternativen nur Fireball übrig geblieben war. Nein! Trotzig schloss April die Augen und dachte an ihre Zeit in der Akademie zurück. Fireball war damals einer ihrer besten Freunde gewesen, ein Sonnenschein und Beschützer. Sie hatte doch erst auf Ramrod erkannt, wie viel sie für ihn empfand. Es konnte nicht einfach alles Einbildung gewesen sein! April schluckte die Tränen hinunter, die in ihr aufsteigen wollten. Fireball konnte sich einfach nicht so sehr geändert haben, dass sie keine gemeinsame Basis mehr hatten.

Als Martin bemerkte, welcher Knoten sich auf Aprils Brust legte, entschied er sich, nicht erst auf ihre Fragen zu antworten, wenn sie gestellt wurden. Der Brasilianer wusste ohnehin, weshalb April ausgerechnet zu ihm gekommen war. Mit einem lockeren Spruch wollte er Aprils aufkeimende Traurigkeit verscheuchen: „Ich merke, Mister Workaholic hat vergessen, euch auf Ramrod seine neue Adresse zu geben. Dafür kann er eine ordentliche Housewarmingparty schmeißen.“

Nachdem er Aprils dankbares Lächeln bemerkt hatte, fuhr Martin etwas ernster fort. Er sah endlich die andere Seite der Medaille und spürte, dass es an ihm war, für den entscheidenden Ruck zu sorgen. Zur Hölle mit dieser Regel! Sein Captain und der weibliche Navigator litten doch nur, weil der Kleine krampfhaft versucht hatte, sich an die Gesetze des Oberkommandos zu halten und es dank seines Herzens nie wirklich geschafft hatte. Martin griff ermutigend nach Aprils Hand: „Ich weiß, was los ist, April. Shinji und du…“ er suchte nach den richtigen Worten. So recht wollte ihm keine nette Umschreibung einfallen, wieso war auch Alessa nicht da, wenn Feuer am Dach war? Also blieb er bei den höflichsten Floskeln, die ihm in den Sinn kamen: „Ihr habt euch ineinander verliebt und eine Zeit lang die Regeln unterwandert. Wenn du mich fragst, ist die Liebe immer noch da, nur habt ihr haufenweise Probleme. Allen voran ein gewisser Herr Hikari, der lieber sterben würde, als ein Wort über seine Gefühle zu verlieren.“

Etwas erschrocken weiteten sich Aprils Augen, ihre Hand zog sie sofort zurück und verbarg sie unter dem Tisch. Mit Martin sprach Fireball also! Maßlos enttäuscht murmelte sie: „Er hat es dir also erzählt.“

„Nö“, wie aus der Pistole geschossen antwortete Martin darauf. Der kleine Tiefflieger hatte ihm ja wirklich nichts erzählt. Er erklärte der enttäuschten und auch traurigen Frau, die es in seine Küche verschlagen hatte, was wirklich dazu geführt hatte, dass Martin es wusste: „Ich bin von selbst darauf gekommen. Wie gesagt, Shinji will niemanden wissen lassen, was los ist. Und ehrlich gesagt, hätte ich nicht meine Alessa mit ihrer sagenhaften Menschenkenntnis, ich hätte vielleicht eine Vermutung, aber keine Gewissheit.“

Wieder schwieg die Blondine betroffen. Sie schluckte und wandte den Blick zur Tischplatte hinab. Martin und vor allem auch dessen Freundin, Alessa, schienen so viel zu wissen. Mehr als sonst jemand. Fireball hatte also zu ihnen mehr Vertrauen als in sie. In Aprils Brust zog sich ein Knoten zusammen.

Alles, was er sagte, machte seinen Gast nur noch trauriger. Martin konnte wieder beobachten, wie April noch ein Stückchen ihres Herzens brach. Das war nicht gut, ganz und gar nicht. Kurz entschlossen stand Martin deswegen auf und entschuldigte sich: „Ich merke, ich kann nichts sagen, was dir hilft. Also gib mir bitte eine Minute und ich besorge jemanden, der es kann.“

Mit dem Telefon in der Hand verließ Martin seine Küche. Auch, wenn er es nicht übertrieben gerne tat, er musste seinen Captain von der Arbeit loseisen. Nichts leichter als seiner dreisten Lüge von vorhin noch eins drauf zu setzen. Da würde der junge Japaner wenigstens Beine bekommen. Tatsächlich hatte Martin Fireballs Sorge und seine baldige Anwesenheit gewiss. Etwas ruhiger und positiver eingestellt betrat er nach dem Telefonat wieder die Küche, in der April immer noch am Tisch saß und vor Kummer einzugehen schien. Martin betrachtete April einen Moment lang. Er hatte sie hübscher in Erinnerung. Naja, zumindest bildete sich der Brasilianer das ein. Aber vielleicht war es der Kummer, der Aprils Antlitz fahl und eingefallen wirken ließ. Mit einem leichten Seufzen ließ sich Martin wieder auf seinen Stuhl nieder und begann abermals mit April zu sprechen: „Ramrod ist nicht wirklich oft hier, oder?“

Als ob Martin das nicht selbst genau wüsste. Aber zumindest war es ein neutraler Gesprächseinstieg und April wurde vielleicht von sich aus etwas gesprächiger. Tatsächlich blickte April wieder zu ihm hinüber. Sie musterte den Brasilianer ebenfalls kurz, während sie ihm antwortete: „Nein, nicht unbedingt. Wir schneien alle paar Wochen mal in Yuma rein. Ist besonders für Saber und Colt nicht berauschend.“

Martin nickte verstehend: „Sie haben Frau und Kind hier.“

„Colt sieht seine Tochter nicht gerade oft“, begann April zu erzählen. Es fiel ihr jedenfalls leichter über die Misere ihrer Freunde zu sprechen, als über ihre eigene. Saber und Colt hatten ihre Partnerinnen hier in Yuma und konnten sie nur alle paar Wochen besuchen. Für sie musste der lange Aufenthalt überall im Neuen Grenzland ungleich schlimmer sein. Sie selbst hatte schließlich niemanden hier, der auf sie wartete und sie brauchte.

April und Martin unterhielten sich über Colt, Saber und auch Alex, solange sie auf ihren Besuch warteten. Besonders über Alex konnte Martin viel berichten, auch über Frauengeschichten plauderte der Brasilianer einiges aus, was der Italiener den Star Sheriffs von Ramrod bestimmt noch nicht erzählt hatte. Alessa war mit Alex‘ ehemaliger Freundin befreundet gewesen und hatte noch vor dem armen Italiener gewusst, dass er bald wieder Single werden würde. Martin erzählte April gerade von dieser Trennung auf Raten, als er die Ohren spitzte. Hatte er gerade die Eingangstüre gehört?

Schnell atmend stieß der junge Captain kurz darauf die Küchentür auf und entschuldigte sich: „Es ging nicht schneller…“, dann traf sein Blick den von April und dem Hobbyrennfahrer blieb das Herz stehen. Seine Hände sanken am Körper hinab und er murmelte beinahe vorwurfsvoll: „Das ist der familiäre Notfall?“ Fireball war überrumpelt, nach dem gestrigen Tag hatte er eigentlich nicht das Bedürfnis, April zu sehen.

Noch stand er in der offenen Tür, unschlüssig darüber, ob er gleich Kehrt machen sollte oder die Chance zu nützen, die Martin ihm gerade verschafft hatte. Schließlich gab er sich einen Ruck und trat in die Küche. Es konnte nicht mehr schlimmer werden, aber vielleicht konnten sie zumindest ihre Freundschaft retten.

Wortlos schloss Martin die Tür und wandte sich dem Schlafzimmer zu. Wo er schon mal zuhause war, konnte er auch für Ordnung sorgen. Vor allem aber würde ihn das Aufräumen außer Hörweite von April und Fireball bringen und ihn davon abhalten, sich einzumischen.

Der Japaner warf der geschlossenen Tür noch einen bedeutungsschweren Blick zu, dann lehnte er sich gegen die Anrichte und verschränkte die Arme vor der Brust. Fireball hatte sich abgehetzt um zu Martin zu gelangen, hatte sich während der Fahrt hierher die schlimmsten Szenarien ausgemalt, aber das alles war nichts im Vergleich zu dem gewesen, was hier wirklich auf ihn gewartet hatte. Was war nur zwischen dem gestrigen Nachmittag und heute Morgen passiert, dass April bei Martin am Küchentisch saß und offenbar nach ihm verlang hatte? Fireball wagte einen Blick zu April hinüber. Sie schwieg und fühlte sich an ihrem Platz nicht wohl.

„Ich hab ein ähnliches Gesicht gemacht, als ich zum ersten Mal hier war“, vielleicht brachte er mit etwas Humor und Smalltalk ein Gespräch in Gang. Fireball konnte sich schon vorstellen, weshalb April hier war. Obwohl ihre Worte vom Vortag sehr eindeutig gewesen waren. Zumindest für ihn.

April sah tatsächlich zu ihm auf. Ihr Blick verriet ihre Irritation über seine Worte. Also erklärte er mit einem leichten Lächeln: „Alessa hat mich zum ersten Besuch hier gezwungen, nachdem ich sie hartnäckig einige Monate vertröstet hatte. Ich saß beim Abendessen dort, wo du jetzt sitzt und wusste nicht, wohin mit mir. Ich war an diesem Abend ziemlich fehl am Platz, aber Martins bessere Hälfte wollte mich unbedingt dabei haben. Ich hab den beiden einen romantischen Abend ruiniert.“

April beobachtete Fireball, während er erzählte. Er hielt die Arme noch immer schützend vor der Brust verschränkt, zumindest aber sah er sie an und sprach ruhig mit ihr. Aber er war distanziert, hielt April auf Abstand. Das gefiel dem weiblichen Star Sheriff gar nicht. So fühlte sie sich von ihm zurückgewiesen. In April regte sich so etwas wie Widerstand und Trotz. Er betonte doch immer, wie wichtig sie ihm war, aber zeigte es nicht. April ballte die Hände zu Fäusten und begann Fireball herauszufordern. Heute würde sich ihre Situation klären, April wollte es so. Also hob sie stolz den Kopf und antwortete: „Das mit den romantischen Abenden bekommst du auch wo anders ziemlich gut hin“, sie seufzte plötzlich betrübt und deutete auf ihn: „Sieh dich doch nur an. Du sagst, ich würde dir sehr wichtig sein. Aber Fakt ist, du hältst mich auf Abstand. Du lässt mich nicht in deine Nähe und du vertraust dich mir nicht an. Wenn wir uns sehen, geht’s immer nur um das Eine, aber nie wirklich um uns. Du redest nicht mit mir! Himmel, ich wusste noch nicht mal, dass du umgezogen bist.“

Jetzt war es doch wieder passiert. April hatte angefangen, sich aufzuregen. Aber das war auch kein Wunder. Sie nahm sich Fireballs Verhalten sehr zu Herzen und es schmerzte sie. April hatte Fireball in ihr Herz gelassen, er sie aber offenbar nicht in seins.

„Ich hätte es dir schon noch erzählt“, schwach verteidigte sich der Rennfahrer.

„Wann?! Wenn ich vor deinem alten Appartement gestanden hätte und mir jemand völlig Fremdes die Tür geöffnet hätte? Wahrscheinlich hätte ich dich dann telefonisch nicht einmal erreichen können, weil du deine Nummer auch gewechselt hast, ohne mir das zu sagen.“

Fireball stieß sich von der Anrichte ab. So würden sie nie zu einer Lösung kommen, das wusste der Captain. Aber auch er konnte aus seiner Haut nicht heraus. Eingeschnappt, weil angegriffen, konterte er sarkastisch: „Deswegen gehst du neuerdings nicht mehr ran, wenn ich dich anrufe. Du kennst die Nummer nicht!“, er hasste solche Gespräche. Sie zehrten an Nerven, die er nach wie vor nicht hatte. So ging das nicht weiter! Fireball verbannte seinen Pony aus seinen Augen, während er April etwas hilflos erklärte: „Ich bin immer noch ich, April. Was willst du denn bloß? Du wusstest, worauf du dich mit mir einlässt. Und wir wussten beide, dass wir es nicht dürfen.“

„Das bist du nicht! Du bist nicht mehr so wie damals!“, April fuhr auf. Ihre Stimme gewann an Schärfe und Lautstärke. Das blonde Mädchen stand auf, schob den Stuhl schwungvoll zur Seite. April funkelte ihn an: „Seit unserer Reise in die Vergangenheit bist du nicht mehr der selbe! Du glaubst, alles mit dir selbst ausmachen zu müssen, siehst die Gefühle der anderen überhaupt nicht. Für uns hat sich mit deiner Versetzung auch einiges geändert“, April schrie schon beinahe. Aber es tat ihr gut, den Frust, der sich über die letzten Monate angestaut hatte, raus zu lassen. Allerdings hatte sie dabei nicht bedacht, dass sie auch in Martins Wohnung Mithörer haben könnten. Zwar unfreiwillige und auch nur Martin, aber auch der Brasilianer hatte vieles nicht gewusst, wovon er nun zu hören bekam.

Martin hatte die Ohren gespitzt, als er April bis ins Schlafzimmer hören konnte. Das war nicht reden. Reise in die Vergangenheit? Martin hielt in seiner Bewegung inne, er musste sich verhört haben. Das musste er sich eingebildet haben. Dennoch war er hellhörig und dummerweise auch neugierig geworden. Achtlos warf er das Kissen aufs Bett zurück und schlich in den Flur. Worum ging es in diesem Streit gerade?

Fireball beugte sich über die Stuhllehne und schnaubte. Dieses leidige Thema schon wieder. Irgendwie schien alles zusammen zu hängen und ihre Reise in die Vergangenheit der Auslöser für ihr momentanes Unglück zu sein. Er funkelte April an: „Hör auf, davon zu reden! Ich… Wie soll ich mit jemanden darüber reden, wenn ich noch nicht mal verstehe, was da passiert ist?!“, er versuchte nun mit der Brechstange vom Thema abzulenken. Fireball griff einfach ihren nächsten Vorwurf auf und fuhr wieder in eine aufrechte Position auf. Er wurde ebenfalls lauter: „Von wegen, ich würde eure Gefühle nicht wahrnehmen! Denkst du, ich wüsste nicht, wie viel du jedes Mal wieder geheult hast, wenn du im Badezimmer verschwunden bist? Ich bin doch nicht blöd und blind bin ich erst recht nicht.“

„Warum zum Henker hast du mich dann nie getröstet?!“, plötzlich standen der taffen Navigatorin die Tränen in den Augen. Bitter enttäuscht fuhr sie ihn an: „Du Esel weißt genau, dass ich mich schlecht fühle und kommst nicht einmal auf die Idee, mich in den Arm zu nehmen? Wie egal bin ich dir eigentlich?“

Gleich sah April rot. Es war ihr ziemlich egal, dass er vom Thema abgelenkt hatte, denn im Nu waren sie bei einem anderen Streitthema angekommen. April war nicht nur enttäuscht, es kränkte sie, dass er ihre Bedürfnisse gekannt hatte und dennoch nicht darauf eingegangen war. Oh, sie hatte es gewusst! Sie war nur eine weitere Nummer in seinem schwarzen Buch! April kam auf Fireball zu, ihre Augen stachen glitzernd zu ihm hinüber: „Wie kalt ist dein Herz nur geworden? Ich fass es ganz einfach nicht, dass du seelenruhig deiner Arbeit nachgehst, obwohl du weißt, dass ich mich vor Unglück kaum im Spiegel betrachten kann?!“

Ihre Augen wurden immer wässriger, und alles was Fireball tun konnte, war seine zu schließen und sich etwas von ihr abzuwenden. Er hatte immer geahnt, dass die Untätigkeit und sein Unvermögen April an sich heran zu lassen, einmal zum Problem werden würden. Die Quittung bekam er gerade dafür serviert. Seine abwehrende Haltung von Vorhin wurde nun auch steif. Seine Zähne pressten sich aufeinander, sodass April deutlich seine Kieferknochen hervortreten sehen konnte. Als er seine Augen wieder öffnete, gab er ihr zu verstehen: „Ich konnte mich selbst kaum im Spiegel ansehen.“

Mit einem Mal entspannte sich Fireballs Haltung, er ließ die Hände sinken und setzte sich auf den Stuhl. Er sah an sich hinab und staunte wieder einmal darüber, dass er wirklich Militärklamotten trug. Viel hatte sich verändert, vor allem für ihn. Und der wichtigste Mensch in seinem Leben hatte das am eigenen Leib zu spüren bekommen. Die Worte, zu denen er sich nun durchrang, waren das erwachsenste, das er jemals getan hatte. Fireball bat April, sich auch noch einmal zu setzen und beherzigte Martins Rat nun auch mit all seinen Konsequenzen: „Du warst immer an meiner Seite, wenn ich dich gebraucht habe, Süße. Das war in der Akademie so, das war auch auf Ramrod nie anders. …Du hast mir viel Angst genommen, mich in meinen Ansichten und auch Absichten bestärkt. Die Reise in die Vergangenheit hätte ich wohl kaum überlebt, wenn du nicht gewesen wärst. Als“, Fireball musste schwer schlucken um den Kloß in seinem Hals wieder los zu werden: „Vater verbrannt ist, da…“

Er wusste nicht, wie er verständlich machen sollte, was damals passiert war. Fireball hatte seiner Mutter nie zugehört, wenn sie ihm etwas von Seelenwanderung erzählt hatte. Er hatte es als Aberglauben abgetan, für Weibergeschwätz gehalten. Nun wünschte er sich, zumindest zu wissen, wie seine Ai diesen Vorgang nannte. Seine Augen suchten nach Aprils. Ohne Mühe erkannte er ihre gekränkte Haltung. Sie wollte ihm nicht so recht glauben.

„…Da hat auch dein Herz zu schlagen aufgehört“, ergänzte April Fireballs Zögern. Sie schloss die Augen und nickte dabei kaum merklich. Sie blickte wieder zu ihm hinüber und machte ihm deutlich: „Seit diesem Augenblick bist du nicht mehr derselbe. Und ganz schlimm ist es mit deiner Versetzung zur Base geworden. Ich dachte, das wäre nur vorübergehend, eine Art Kulturschock, den du verarbeiten musst. Aber das war es nicht. Das wird sich nicht mehr ändern. Du wirst dich nicht mehr ändern.“

Aprils Resignation war deutlich zu spüren. Fireball griff nach Aprils Hand, umschloss sie beinahe zaghaft. Auch er nickte, wollte ihre Worte allerdings noch ergänzen: „Es war schon etwas mehr als ein Kulturschock. Alles war so fremd. Ist es immer noch. Ich hatte Sehnsucht nach etwas Vertrautem, nach dir. Versteh bitte, du solltest kein Lückenbüßer sein, niemals. Irgendwie hab ich in der Base wohl auch sowas wie Verstand entwickelt, der mir immer eingetrichtert hat, dass es gegen die Regeln ist, was wir machen. Ich bin hin und her gerissen.“

Sie zog ihre Hand unter seiner wieder hervor, während er sprach. April empfand wieder diese Enttäuschung in sich. Für sie bedeuteten seine Worte, dass ihm der Job wichtiger war als sie. Das war eine bittere Erkenntnis und tat weh. Sie sah auf die leere Hand des Japaners, die sich sofort schloss, nachdem sie ihre hervorgezogen hatte.

Fireball biss sich auf die Lippen. Er konnte nichts festhalten, nichts was ihm wichtig war, bei sich behalten. Entmutigt, aber nun sicher, das richtige zu tun, sank er im Stuhl hinab und strich sich die Fransen seiner störrischen Haare aus dem Blickfeld: „Meine Gefühle für dich sitzen sehr tief, April. Aber ich fürchte, es sollte nicht sein. Vielleicht ist es auch nicht die richtige Zeit“, er schluckte wieder merklich. Der Gedanke an Zeit war mittlerweile für Fireball nicht nur einer an einige Jahre, sondern auch an mehrere Leben. Aber das machte eine Trennung von April nicht besser. Fireball murmelte: „Deine Freundschaft ist mir sehr wichtig, Süße. Haben wir eine Chance, unsere Freundschaft wieder zu kitten, wenn unsere Beziehung schon so ein Desaster war?“

April stand auf. Verstohlen wischte sie sich die Tränen aus den Augen, Fireball sollte sie nicht weinen sehen. Er würde sie ja doch wieder nicht trösten. Leise schniefte die Navigatorin von Ramrod. „Es sollte nicht sein“, wiederholte sich mit brüchiger Stimme. Es klang endgültig. April fühlte sich schlecht, es tat weh, es nun zu hören. Ja, sie hatte es schon befürchtet, aber nun, da sie Gewissheit hatte, saß die Enttäuschung unglaublich tief. Tief in ihrem Herzen hatte sie wohl bis zuletzt gehofft, dass er um sie kämpfen würde. Aber das tat er nicht. April sah auf Fireball hinab. Wieder musste sie die Tränen aus ihren Augen wischen. Sie war ihm noch eine Antwort schuldig. Aber konnte sie diese jetzt schon geben? April konnte nicht sagen, dass ihre Freundschaft wieder zu kitten war, sie wusste es doch nicht! Die junge Frau ging zur Tür und schniefte: „Wir sollten uns eine Zeit lang nicht mehr sehen, Shinji. Vielleicht finden wir dann wieder einen freundschaftlichen Zugang zueinander“, sie drehte sich ein letztes Mal zu ihrem ehemaligen Freund: „wenn du das Trauma vom Tod deines Vaters verarbeitet hast und dass du in seine Fußstapfen trittst.“ Ihr Blick wurde fester, als sie bemerkte, wie Fireball zu Widerworten ansetzte: „Sag jetzt nichts. Ich weiß, dass du das nie wolltest und du dich auch jetzt noch dagegen sträubst, aber du solltest dich damit abfinden, dass du der Sohn von Captain Hikari bist.“

Sie verließ den Raum und stieß beinahe mit Martin auf dem Flur zusammen. April lächelte den Brasilianer tapfer an. Es erinnerte sie an ihre erste Begegnung in der Base, als sie aus dem Büro gelaufen war, weil Saber sie an den Abflug von Ramrod erinnert hatte. Sie verabschiedete sich mit einem vielsagenden Satz von Martin: „Dieses Mal hat er nichts zu verstecken. Pass mir gut auf unseren Helden auf.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2012-11-01T16:44:45+00:00 01.11.2012 17:44
Vor Ewigkeiten hab ich diese FF angefangen, auch die Teile, die zeitlich davor handelten. Ich war begeistert und enttäuscht, dass es lange nicht weiter ging. Nun schau ich hier wieder mal rein und siehe: es geht weiter! Das freut mich ungemein, und ich hoffe, dass die Muse auch weiterhin fleißig zu dir spricht;o)!
Von:  CharmedWitch
2012-09-12T07:41:40+00:00 12.09.2012 09:41
Oh, schön es geht weiter!
Vielen Dank dafür :)




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