Zum Inhalt der Seite

Ta Sho

erste Schritte
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Aufbruch

Als April am nächsten Morgen wieder zu Ramrod zurückkam, saßen ihre drei Männer bereits beim Frühstück und unterhielten sich. Fireball hatte die Navigatorin kurz nach Mitternacht in ihre Wohnung gebracht, gleich nachdem auch Martin und Alessa nachhause gefahren waren. Nach einer kurzen Nacht und einer kleinen Katzenwäsche zuhause hatte sie sich auf den Weg zur Arbeit gemacht. Fröhlich ging sie den Flur zur Küche entlang, bis sie die Stimmen ihrer Freunde und Kollegen vernehmen konnte. Irritiert blieb April vor der Tür stehen. Weshalb waren die drei so ungewöhnlich laut? Worüber sprachen sie bloß? Sie wollte nicht in ein Gespräch platzen, weshalb April nahe der automatischen Tür stehen blieb und erst einmal auszumachen versuchte, worum es in dem Gespräch der Jungs ging. Gespannt spitzte sie die Ohren.

Während Saber pflichtbewusst bereits um kurz vor acht Uhr an Bord gewesen war, hatten Colt und dieses Mal auch Alessandro wesentlich länger gebraucht um zur Arbeit zu kommen. Der Cowboy war ganz einfach nicht aus dem Bett gekommen, der Italiener jedoch war bei seinen alten Mannschaftskameraden auf Besuch gewesen. Konkret hatte er Martin in aller Herrgottsfrühe aufgesucht, am Vortag war er zu verwirrt gewesen, um sich die unglaubliche Geschichte bestätigen zu lassen. Weil er aber nicht nach der Beantwortung seiner dringlichen Frage einfach so hatte gehen können, war er für die Länge eines guten Kaffees geblieben. Irgendwie hatte den Italiener nun zum ersten Mal doch so etwas wie Heimweh ereilt. Gleich nach seiner Versetzung hatte er sich oft zu seiner alten Crew zurück gewünscht, weil Colt ein Ekelpaket erster Güte gewesen war. Aber das hatte sich im Laufe der Monate relativiert. Der dunkelblonde Mann war eigentlich gerne auf Ramrod, nicht nur, weil er in den anderen Teammitgliedern zu guter Letzt auch Freunde gefunden hatte. Vor allem ein Grund hatte Alessandro dazu bewogen, auf Ramrod bleiben zu wollen. Nach der Geschichte gestern allerdings hatte er Magenschmerzen bekommen. Alex hatte sich alles zusammen gezogen, als er von Ramrods Panoramafenster aus zugesehen hatte, wie April mit Fireball weggefahren war. Da hatte sich zum ersten Mal ein Gefühl in ihm breit gemacht, das er nicht verstanden hatte. Alex hatte darüber nachgedacht, dass er den verwöhnten Stoppel in den ersten Wochen nicht ungerne gemocht hatte. Als er von der heimlichen Beziehung erfahren hatte, war die Stimmung zwischen den beiden Männern allerdings gekippt. Seither kam er nicht umhin, dem Captain jedes Mal verächtliche Blicke zuzuwerfen, wenn sie sich begegneten. Beide waren allerdings bisher erwachsen genug gewesen, um sich zu tolerieren wenn sie es mussten, unterschwellig ihrem Unmut Luft zu machen und sich ansonsten aus dem Weg zu gehen. Nun allerdings hatte Alessandro am Vortag zum ersten Mal gesehen, wie es wirklich war, wenn Fireball und April etwas zusammen unternahmen. Bisher hatte er es nicht gewusst, denn er hatte die beiden nie miteinander gesehen. Das alles war seiner Fantasie überlassen gewesen. Wie gesagt, er hatte den beiden jüngeren am Vortag nachgesehen, und irgendwie hatte es ihm nicht gefallen. Weil April zudem bis zum Dienstschluss nicht zurückgekommen war, hatte bei dem Italiener wieder einiges zu schwelen angefangen. Ihm gefiel nach wie vor nicht, was er sah. Die Hintergrundinformation machte es nicht besser.

Als er an diesem Morgen von seinem Abstecher bei Martin zurückkam, hatte Saber natürlich wissen wollen, wo er gewesen war. Das hatte Alessandro nur leider nicht sonderlich geschmeckt, denn April war schließlich auch noch nicht da und hatte sich zu allem Überfluss auch seit fast einem Tag nicht mehr bei ihnen gemeldet. Ehe er sich versehen hatte, fand sich Ramrods Pilot in einem Disput mit Colt und Saber wieder. Schnell ging es dabei nicht mehr um das fehlende Pflichtbewusstsein der Ramrodcrew.

Saber fuhr dazwischen, als Colt den Piloten zum wiederholten Mal beleidigt hatte: „Schluss jetzt, ihr beiden! Kriegt euch ein!“

Doch das Gemüt eines aufgeregten Südländers war noch schwerer zu zügeln, als das eines Scharfschützen, der sich völlig im Recht sah. Saber bekam von Alex einen vernichtenden Blick zugeworfen, ehe er mit einer Handbewegung alles bisher Gesagte vom Tisch wischte: „Ihr beide könnt euch die Heiligenscheine wieder abmontieren. Mit der Vorgeschichte lasst ihr Babyboy auf April los! Dem Jungen sollte man mal Respekt eintröten. Ich wette, er hat unserer süßen Prinzessin wieder irgendwas vom Himmel herunter gelogen, damit er sie flachlegen kann.“

„Jetzt mach aber mal einen Punkt, Pate!“, angekratzt sprang Colt von seinem Platz auf. Er war kurz davor, seinem neu gewonnen Freund eine zu scheuern. Nicht nur, weil er so abfällig von seinem kleinen Bruder sprach, sondern auch, weil er April keinerlei Selbstbestimmung in diesem Punkt ließ. Für den Hutträger ungewöhnlich weit denkend maulte er Alex über Saber hinweg an: „Punkt eins. Nur weil du gestern von unserem Abenteuer vor dem ersten Angriff gehört hast, brauchst du dir nicht einzubilden, dass du irgendwas von dem weißt, was wirklich dort los war! Und Punkt zwei. Von wem sich unsere Prinzessin“ Colt betonte die beiden Worte unmissverständlich: „um den Finger wickeln lässt, überlässt du ihr gefälligst selbst. Dazu gehören immer zwei. Und nachdem die ganze Sache sowieso ordentlich in die Hose gegangen ist, sollten wir froh sein, dass sie zumindest an ihrer Freundschaft arbeiten. So, wie’s das letzte Jahr war, war es einfach nur scheiße!“

Alex krallte die Finger in die Tischplatte und funkelte Colt bitterböse an. Er fauchte: „Ist ja auch kein Wunder! Schaut euch Hampelmänner doch mal an! Blind seid ihr gewesen, beide! Keiner von euch beiden hat irgendwann mal mitgekriegt, dass April heimlich weint. Wenn das Jahr für dich schon scheiße war, dann frag ich mich, wie es erst für April gewesen sein muss?! Mit einem Kerl zusammen zu sein, der sich einen Dreck darum kümmert, wie es ihr geht. Der nimmt ihre Zuneigung als selbstverständlich hin und verschwendet keinen Gedanken daran, ihr welche entgegen zu bringen.“

„Kannst du mal eben fünf Minuten für mich abzweigen, Sandro?“, an diesem Punkt hatte sich April dazu entschlossen, einzugreifen. Hier ging es um sie und Fireball. Aber die drei Sturköpfe in der Küche hatten über sie gesprochen, wie über zwei entmündigte Kinder. April sah Saber und Colt jeweils vorwurfsvoll an, danach blieben ihre zwei blauen Augen auf Alessandro ruhen. Der Italiener war ein guter Freund geworden. Hatte sie gestern noch gedacht, das Lüften ihres Geheimnisses würde für Alex Klarheit bringen, so war sie noch vor dem ersten richtigen Schluck Kaffee eines Besseren belehrt worden. Alex hatte wohl noch weniger verstanden, als sie es gehofft hatte.

Weil der Italiener sie aber nur erschrocken anstarrte, griff sie nach seiner Hand und zog ihn kurzerhand mit sich mit. An Colt und Saber gewandt meinte sie: „Ihr entschuldigt uns mal eben?“
 

„Es ist schön, dass du dir Sorgen machst“, begann April, nachdem sie mit Alessandro im Kontrollraum angekommen war. Unmissverständlich ließ sie ihn aber auch wissen: „aber ich bin kein kleines Kind mehr. Sandro, ich bin froh um den Trost, den du mir seit jeher gespendet hast. Aber ich glaube, ich sollte dir da etwas erzählen.“

Die blonde Navigatorin ging zum Panoramafenster vor. Sie blickte auf das geräumige Flugfeld, das vor Ramrod lag, hinunter. An diesem Morgen herrschte wieder mehr Betriebsamkeit, da zumindest eine Flugstaffel in den Himmel aufgescheucht worden war.

Ohne sich umzuwenden, begann April ihrem Vertrauten zu erklären: „Ich hab irgendwie das Gefühl, dass Turbo zumindest bei dir gestern mehr Verwirrung als Klarheit gestiftet hat.“

Der Italiener hatte sich völlig überrumpelt von April mitziehen lassen. Nun stand er neben seiner Satteleinheit und musterte die Freundin aufmerksam. Was sie wohl alles von seinem Streit mit Colt und Saber gehört hatte? Sein Blut kochte nach wie vor, bei dem Thema kam es ohnehin seit geraumer Zeit immer in Wallung. Alessandro glaubte nach allem, was er bisher über Fireball wusste und was er selbst erlebt hatte, nicht, dass es der kurzgeratene Captain ehrlich meinte. Etwas ruppig unterbrach er April: „Das gestern hat mir nur eines bestätigt, süße Prinzessin.“

Fragend eiste April ihren Blick vom Gebäudekomplex der Air Strike Base 1 ab und ihrem Gesprächspartner zu. Die Blondine ließ einen Arm locker hinab hängen, während sie sich mit dem zweiten am Ellbogen festhielt. So hatte sie die Arme nicht verschränkt, stand allerdings dennoch nicht ganz schutzlos vor ihrem neuen Beschützer.

Alex lehnte sich gegen seine Satteleinheit, kreuzte die Beine und musterte die blonde Frau unverhohlen. Seine Kollegin war hübsch. Darüber hinaus auch noch intelligent, aber in Herzensangelegenheiten blind. Das zumindest glaubte der Italiener. Schließlich kannte er sich damit aus. Er war selbst einmal naiv gewesen und hatte geglaubt, seine Freundin würde für immer an seiner Seite bleiben. Blöd nur, dass sie das während ihrer Beziehung einem anderen versprochen hatte. Er seufzte bei dem Gedanken daran. Seither hatte er keine Beziehung mehr haben wollen. Verraten und verkauft hatte er sich anfangs gefühlt, tat es insgeheim immer noch. Der Schmerz über den Betrug saß bei dem dunkelblonden Mann unglaublich tief. Er ging davon aus, dass es zwangsläufig nicht funktionieren konnte, wenn man sich kaum sah. Alex glaubte auch, dass im Laufe der Zeit auch Saber und Colt sein Schicksal teilen würden. Männer in Uniform hatten auf Frauen anfangs immer einen gewissen Reiz, erst mit dem Zusammenleben zeigten sich die Kehrseiten. Soldaten lebten gefährlich, waren kaum zuhause. Keiner würde ewig auf seinen Partner warten.

Alex knurrte: „Er macht, was er will. Passt was nicht in sein Konzept, macht er es sich passend. Das macht er mit der Base. …Und auch mit dir. Jetzt, nach Monaten kommt er wieder angekrochen, nachdem er dich vorher abserviert hat!“

Aprils Gesichtsausdruck verfinsterte sich bei Alex‘ Worten. Doch sie erkannte auch die Sorgen, die sich hinter seiner rüden Ausdrucksweise verbargen. Der Italiener meinte es gut mit ihr, machte sich Gedanken um ihr Seelenheil. Ein Bisschen ärgerlicher, weil auch sie lange nicht gesehen hatte, was mit ihrem Freund wirklich los war, wischte sie Alex‘ Argumente von sich: „Shinji hat sich genauso zu fügen, wie wir alle. Hätte er eine Wahl gehabt, wäre er bei Ramrod geblieben“, wieder beherrschter, aber auch resignierter fuhr April fort: „Es gibt da etwas, das du wissen solltest, Sandro. Vielleicht verstehst du ihn und mich dann besser.“

„Was gibt’s da noch besser zu verstehen?“, ungläubig richtete sich Alessandro wieder auf. Er verlieh seiner Fassungslosigkeit Ausdruck: „Er macht mit dir, was er will!“
 

Auf Fireball hatte an diesem Morgen wieder eine Überraschung gewartet. Noch vor Dienstbeginn sollte er sich bei Commander Eagle melden. Das hatte der Wirbelwind auch getan. Nun stand er in voller Montur seit geschlagenen fünfzehn Minuten bei Eagles Sekretärin am Empfang und wartete darauf, dass der Commander für ihn Zeit hatte. Er hatte mit seinen Jungs zu einem Trainingsflug aufbrechen wollen, doch nachdem es dringlich gewesen war, hatten an diesem Morgen Olli und Stan das Kommando für ihre beiden Trainingsgruppen übernommen.

„Wartest du schon lange, Shinji?“, lächelnd trat der Commander neben seinen persönlichen Schützling. „Entschuldige, ich habe gerade noch das Telefonat beenden müssen.“

„Schon okay. Wenn der Chef ruft, muss man spurten!“, er lächelte leicht, während er Commander Eagles Sekretärin zum Abschied zuwinkte. Schnellen Schrittes folgte er seinem Boss in dessen Büro. Commander Eagle hatte wie immer viele Termine und noch mehr zu tun, Fireball erkannte, dass die Besprechung mit ihm hastig zwischen zwei Termine geschoben worden war.

Kaum hatte Fireball die Tür hinter sich zugezogen, fiel Commander Eagle schon mit der Tür ins Haus. Er wollte von Fireball wissen: „Deine Crew hast du soweit im Griff?“

Aprils Vater fragte das lediglich aus Routine heraus. In den ersten Monaten hatte er diese Frage lieber gar nicht gestellt, er hatte die Antwort ohnehin gekannt. Charles hatte sogar Angst gehabt, den jungen Spund wieder von dem Posten abziehen zu müssen, weil es ganz nach einem Fehlschlag ausgesehen hatte. Gerade noch in letzter Minute hatte Shinji die Kurve gekratzt. Seither allerdings stieg das Ansehen der Base wieder steil an und das Vertrauen in seinen persönlichen Schützling war berechtigt gewesen. Seither stellte der bärtige Kommandant die Frage jedes Mal, wenn er Fireball traf.

Fireball klemmte seinen Helm besser unter dem linken Arm fest, während er schmunzelte: „Noch hat keiner gemeutert.“

„Sehr gut“, lächelte auch der Commander. Da seine Zeit leider begrenzt war, kam er ohne Umschweife zum Thema: „Traust du dich mit ihnen mal vom heimatlichen Hafen weg?“

„Wohin sollen wir?“, etwas überrascht verzog Fireball nun doch das Gesicht. Auf Manöver war er im Augenblick nicht eingestellt. Gerade jetzt, da endlich mal alles halbwegs in geordneten Bahnen verlief. Aber er würde den Marschbefehl befolgen, egal wohin die Reise ging.

Commander Eagle reichte dem jungen Captain ein Memo und erklärte ohne Umschweife: „Ich möchte dich und deine Jungs ins Königreich Jarr schicken. Es wird Zeit, die damals erworbene Koalition zu festigen. Wie wichtig dieses Manöver ist, brauche ich dir wohl nicht zu erklären.“

Shinji schluckte kaum merklich, als er auf das Papier linste. Die Base würde drei Monate nicht in Yuma sein. Vorerst. Eine Option, den Austausch zu verlängern hatten sich sowohl der Commander auch als König Jarred behalten. Das waren ja schöne Aussichten. Fireball faltete das Papier, währenddessen antwortete er mit einem kurzen Nicken: „König Jarred wird das Bündnis erneut aufkündigen, wenn etwas schief läuft“, etwas nachdenklicher wollte er von Commander Eagle wissen: „Weiß der König, wer ihn besuchen kommt?“

Der Commander hatte sich an seinen Schreibtisch gesetzt und noch schnell einige Unterlagen für das nächste Meeting herausgesucht, mit einem Ohr war er bei seinem Captain. Mit einem sanften Lächeln bestätigte er: „Jarred weiß, dass die berühmt berüchtigte Air Strike Base 1 zu ihm kommt. Er hat extra um die beste Einheit gebeten.“

„Toll! Da hab ich glatt noch einen Ruf zu verlieren“, lächelnd, aber doch auch etwas überfordert, kommentierte Fireball das blinde Vertrauen, das ihm Commander Eagle seit geraumer Zeit wieder entgegen brachte. Es gipfelte seit dem ersten Angriff, den er in der Base geflogen hatte, neuerdings in der Bezeichnung, die Base sei wieder die beste Einheit.

Fireball salutierte, er hatte bereits beim Eintreten bemerkt, dass Commander Eagle kaum Zeit hatte, und verabschiedete sich: „Dann pack ich meinen Welpenstall mal zusammen und fackel zur Abwechslung das Königreich ab.“

Commander Eagle sah auf. Wie er so da stand, der junge Captain Hikari, da war er seinem Vater schon sehr ähnlich. Kopfschüttelnd tat der Commander diesen Gedanken ab. Fireball ging seinen eigenen Weg, das war gut so. Er würde seine Aufgabe gut erledigen. Das wusste der Befehlshaber der Sektion West bereits.
 

„Kumpel, dein Navi lässt dich neuerdings verdächtig oft im Stich. Du bist da hinten schon wieder falsch abgebogen“, Colt lachte ausgelassen auf, als Fireball den zweiten Morgen in Folge auf Ramrod eintrudelte.

Auch Saber ließ sich zu einem schelmischen Spruch hinreißen: „Ist dein Heimweh nach uns wirklich so groß geworden?“

Colt und Saber waren gerade damit beschäftigt gewesen, dem Kontrollraum nicht zu nahe zu kommen und hatten sich deshalb mit Haushaltsarbeiten abgelenkt. April und Alessandro hatten sich schon über eine halbe Stunde dort verschanzt. Vor allem Colt fand das bedenklich, doch Sabers Argumente hatten ihn bisher davon abhalten können, einfach hinein zu stürmen.

Fireball legte seinen Helm auf der Anrichte ab. Seine Augen beobachteten genau, was sich im Raum tat. Auf Colts dämlichen Spruch hatte er eine passable Antwort: „Keine Angst, Cowboy. Mein Navi funktioniert. Ihr seid nur die Ausweichroute, weil meine Jungs noch nicht mit ihrem Training fertig sind.“

Irritiert ließ Saber seinen Lappen in die Spüle sinken und wandte sich zu Fireball um. Er betrachtete den Piloten. Er stand in voller Montur dort, sogar seinen Helm hatte er mit gehabt. Wenn seine Crew noch beim Trainingsflug war, weshalb war der Rennfahrer nicht mit in den Himmel aufgestiegen? Oh, Saber ahnte dabei nichts Gutes. Er lotste sowohl Colt als auch Fireball zum Küchentisch hinüber. Dabei sprach er seine Vermutung aus: „Korrigier mich, wenn ich mich irre. Aber normalerweise sind die Captains mit der Crew in der Luft. Wieso du nicht? Gibt’s Ärger?“

Fireball verdrehte die Augen. War ja klar gewesen, dass Saber nach all den Strapazen und Hindernissen wieder glaubte, er hätte Ärger an der Backe. Das verlangte nach Rache. Also packte der Japaner das Memo, das er von Commander Eagle bekommen hatte, auf den Tisch und ließ seine Freunde wissen: „Ich wollte mit meiner Crew gerade raus, als Aprils Dad mich ganz dringlich sprechen wollte. …Tja, eine halbe Stunde später sitz‘ ich nun hier und darf euch sagen, dass ich wieder wegversetzt werde“, er machte eine kunstvolle Pause um die Reaktionen seiner Freunde zu beobachten. Tatsächlich guckten die beiden etwas bedröppelt aus der Wäsche. Fireball schob den Zettel zu Saber hinüber: „Und zwar gleich mit der gesamten Mannschaft ins Königreich Jarr. Für zumindest drei Monate. Ich bin mir noch nicht ganz sicher, ob es eine Ehre ist, oder ein böses Omen.“

Colt stieß sich den Hut aus der Stirn und pfiff kurz. Das war definitiv wieder mal eine Überraschung mit ungewissem Ausgang. Der Cowboy sah von dem Zettel auf und zu seinem Hombre hinüber. Er war sich nicht sicher, ob das Manöver eine so gute Idee von Commander Eagle war. Der Knirps da drüben hatte es doch erst vor einigen Wochen geschafft, ein richtiger Captain zu werden und sein Leben in den Griff zu kriegen, da standen wieder Veränderungen ins Haus.

Saber schien ähnliche Gedanken zu haben. Denn er nickte sorgenvoll: „Da kann man nur hoffen, dass sich die Geschichte nicht wiederholt. …Siehst du dich der Sache gewachsen, Fireball?“

„Muss ich wohl, ansonsten geht das Bündnis mit König und Prinzenröllchen wieder den Bach runter. Daran möchte ich dann nur ungern schuld sein.“

Colt verzog die Augenbrauen. Sabers Worte hatten ihn sehr verwundert. Der Schotte war umsichtig, das war er immer gewesen, aber die Befürchtungen, die er nun hegte, machten auch Colt nervös. An diesem Morgen war schon einiges auf Ramrod los gewesen, seit gestern war stetig wieder mehr Unruhe in das Schiff gekommen. Und daran war der kleine Wirbelwind nicht unschuldig. Colt griff nach dem Zettel, den Saber endlich frei gab. Er wollte es selbst sehen. Vielleicht zerschlugen sich dann zumindest seine Bedenken. Die von Saber waren mit dem Wisch erst einmal ordentlich angeschwollen.

Fireball rieb sich über seine Handgelenke, unnötigerweise. Seine Augen blickten kurz auf Colt, ehe er Saber ansah. Seine beiden Freunde. Oft und lange waren sie mit Ramrod unterwegs. Anfangs hatte er sich von ihnen verlassen gefühlt. Den Draht zu Saber hatte er zwar nie völlig verloren, aber der Kontakt zum Schwertschwinger war im letzten Jahr auch kontinuierlich weniger geworden. Mit Colt hatte sich Fireball im letzten Jahr so gut wie nie außerhalb des Oberkommandos getroffen. Er hatte nie die Zeit für einen Abstecher bei seinem Kumpel und seiner Freundin gefunden. Eine Schande eigentlich. Aber vielleicht wurde es jetzt endlich wieder besser. Er brauchte keine Angst mehr zu haben, denn es gab keine heimliche Beziehung mehr, die hätte auffliegen können. Fireball lehnte sich in die Lehne. Er versicherte seinen Freunden, als er ihre steigende Besorgnis wahrnahm: „Keine Angst, Leute. Unkraut vergeht nicht. Das Manöver wird schon schief gehen.“

Der Scharfschütze reichte endlich das Dokument wieder an seinen Besitzer weiter. Er musterte seinen Kumpel, ehe er sich selbst und auch den edlen Schotten aufheitern wollte: „Sag mal, täuschen mich meine Äuglein, oder bist du am Ende doch noch mal groß geworden?“

„Das macht der Keks auf der Brust, Cowboy!“, Fireball zwinkerte, dabei wies er auf das Emblem der Air Strike Base, das doch noch irgendwie auf seinen roten Kampfanzug gefunden hatte und ihn als Boss der Einheit identifizierte.

„Na, mir ist lieber, du nimmst deine Hundemarke mit zu dem Manöver“, leicht schmunzelnd antwortete Colt seinem Freund. Sie konnten über diverse Knackpunkte ihrer Reise in die Vergangenheit endlich lachen. Der Hundewitz und auch das Keks- und Krümeldesaster waren für alle Beteiligten lustig geworden. Nun stand der Lockenkopf unvermittelt auf und langte über den Tisch. Er strubbelte Fireball durch die immer noch wilde Mähne und lachte: „Nicht, dass du dort ausbüchst und sie dich einsperren, weil du keine Marke hast, Welpe!“

Lachend schlug der Hitzkopf die Hand vom seinem Kopf. Er ließ Colt wissen: „Selbst wenn ich verloren gehe, bleib ich nicht lange im Heim. Der Welpenblick zieht ungemein.“

„Soso“, nachdenklich rieb sich Saber das Kinn, ehe er in den Spaß mit einstieg. Mit seinem ihm eigenen kühlen Humor: „Davon habe ich nichts gemerkt. Der zieht wohl nur bei April, ansonsten hätten wir schon mal anderes von Stan über eure Abstecher ins Nachtleben zu hören bekommen.“

„Stan ist nicht immer dabei, wenn ich unterwegs bin“, verschwörerisch zwinkernd konterte der ehemalige Rennfahrer. Er wollte sich nicht sofort in die Karten schauen lassen, was die Frauengeschichten betraf. Saber und Colt würden ohnehin ziemlich schnell merken, dass sich seit Ramrod da nicht wirklich viel verändert hatte.

Wie angenommen, kam die Erkenntnis bei Colt schneller als einem lieb sein konnte. Er ging zum Kühlschrank hinüber, weil er sich und seine Kumpels mit etwas zu trinken versorgen wollte. Dabei grinste er vor sich hin: „Du wirst immer ein Naivchen bleiben, Turbofreak. Ich hab schon gehört, dass du die Chancen, die sich dir bieten, nicht mal siehst. Stans Unterricht nützt bei dir augenscheinlich überhaupt nicht.“

Fireball versuchte sich zu verteidigen. Aber das war wie immer nicht so einfach, schließlich hatte Colt den berüchtigten Nagel wieder einmal auf den Kopf getroffen. Er war in dieser Hinsicht naiv ohne Ende. Und so lange eine gewisse Blondine einen so großen Platz in seinem Herzen einnahm, wie sie es auch jetzt noch tat, würde er nie ernsthaft auf die Pirsch gehen. Aber das musste hier niemand wissen. Er grinste, schielte dabei aber mit leicht roten Ohren zur Decke: „Ich hab’s vorhin schon mal gesagt, Stan ist nicht immer dabei. Und dabei schon gleich gar nicht.“

Während Colt Fireballs Reaktion nicht sehen konnte, bekam Saber das sehr wohl mit. Ein leichtes Lächeln stahl sich davon. Eigentlich wäre es schon mal ganz interessant zu wissen, wie es bei Fireball und April zugegangen war. Bei seinen Gedanken wurde selbst Saber plötzlich verlegen. Das ging niemanden etwas an, schimpfte er sich in Gedanken. Trotzdem blieb es eine interessante Vorstellung.

„Das war mir schon klar, dass Stan da nicht dabei ist!“, unverhohlen lachte Colt auf. Oh, er liebte es, Fireball so aufzustacheln. Schwungvoll kam er mit den Getränken wieder an den Tisch und trieb dem jungen Japaner gleich die dunkelste Röte ins Gesicht: „Aber vergiss beim Blümchensex nicht das Licht auszumachen.“

Fireballs Kopf ging bei der Hitze, die ihm gerade aufstieg, gleich in Flammen auf. Colt und auch Saber lachten nun lauthals. Das war doch zu komisch. Gemein, wie Colt nun sein konnte, setzte er beim Anblick von Fireballs hochrotem Kopf noch eins drauf: „Au backe!“, er stieß Saber leicht in die Seite: „Ich merke, wir hätten unserem Hombre irgendwann mal doch das mit den Bienchen und den Blümchen erklären sollen. Er steht ja total daneben. Kein Wunder hat das mit unserer Prinzessin nicht geklappt!“

Mit dem letzten Satz hatte Colt allerdings eine unsichtbare Grenze überschritten. Fireball ließ sich viel gefallen, vor allem in Bezug auf seine Naivität dem weiblichen Geschlecht gegenüber, aber über die Beziehung zwischen April und ihm durfte niemand urteilen. Weder in Bezug auf deren Intimität oder deren Leidenschaft oder sonst noch etwas. Fireballs Gesicht verfinsterte sich, er biss wütend die Zähne aufeinander. Ungeheuerlich ruhig hakte er das Thema ab: „Was zwischen April und mir war, geht niemanden etwas an! Sag so etwas nie wieder, Colt.“

Colt und auch Saber blieb bei dieser Reaktion das Lachen im Halse stecken. Es war wohl noch zu frisch, um darüber Scherze zu machen. Das merkte Colt nicht nur an Fireballs Worten, sondern auch daran, dass der Pilot Anstalten machte, zu gehen. Nun war es Saber, der Colt anstieß. Mit einem eindeutigen Auftrag im Blick wies der Schotte seinen Freund an, das augenblicklich wieder gerade zu biegen. Nur wie er das anstellen sollte, besagte der stumme Befehl nicht. Colt schluckte unbehaglich. Au weia! Er hatte sich so darüber gefreut, mit Fireball wieder einmal zu kabbeln, dass er dabei meilenweit über das Ziel hinaus geschossen war. Der Hutträger stand ebenfalls wieder auf. Er entschuldigte sich aufrichtig: „Ich hab es nicht so gemeint, Fireball. Du kennst mich doch, ich rede immer bevor ich denke!“

„Das ist mir auch schon aufgefallen!“, April und Alessandro waren gerade gemeinsam eingetreten. Sie hatten nicht gehört, worum es gerade gegangen war, was wohl auch besser war. Der Italiener hatte auch so einen Kommentar abgeben können. Dabei hatte er Fireball unbewusst unterstützt.

Grimmig, weil er von Colts Worten ziemlich getroffen worden war, nickte er Alex zu: „Dauert auch nicht wirklich lange, bis er das erste Mal Blödsinn verzapft!“

Alles andere schluckte Fireball hinunter. Es war ohnehin schon an der Zeit zu gehen. Fireball griff nach seinem Helm, ehe er die rechte Hand zum Gruß hob und einigermaßen versöhnlich lächelte: „Ich muss dann mal weiter. Eventuell sehen wir uns heute Mittag in der Kantine.“

Kaum schloss sich die Tür hinter Fireball, zeigte April mit dem Finger auf Colt und forderte von Saber eine Antwort ein: „Will ich wissen, welchen Bock der da grad geschossen hat?“

Alessandro hatte sich noch kurz nach dem Captain umgewandt und sah nun auf die verbliebene Runde. Er und April hatten die drei doch vorhin bis in den Kontrollraum lachen gehört. Was hatte die Stimmung innerhalb weniger Minuten zum Kippen gebracht?

Saber murmelte beinahe: „Du willst es nicht wissen.“

Colt kratzte sich an der Stirn. Er konnte das Gesagte nicht einfach so stehen lassen. Colt würde sich auf immer und ewig schlecht fühlen, wenn Ramrod wieder zu einer Mission aufbrach, bevor er sich mit seinem Kumpel wieder vertrug. Nein, da nahm er lieber gleich die Beine in die Hände: „Hey, ähm… Ich komm gleich wieder!“
 

„Fireball! Warte mal einen Augenblick!“, Colt kam gerade an Ramrods Rampe an, als er Fireball am Fuß der Rampe erspähte. Wie wild fuchtelte er mit den Händen in der Luft herum und hoffte, dass sein kleiner Hombre ihm noch schnell zuhörte.

Schwungvoll machte Fireball am Absatz kehrt. Eigentlich hatte er nicht sauer sein wollen, aber Colt war ihm zu nahe getreten. Er knurrte die Rampe hinauf: „Was ist denn noch?!“

Noch schneller als vom Aufenthaltsraum fand er nun von Ramrod runter. Colt rannte die Rampe hinunter zu seinem Kumpel. Sein Scherz war ordentlich daneben gegangen. Das war eigentlich nie seine Absicht gewesen. Der Scharfschütze hatte gedacht, der junge Captain würde das dumme Geschwätz leicht ertragen und mitlachen können. Aber er hatte sich mächtig geirrt. Er gestand sich ein, dass er sich nach den letzten Monaten einfach zu sehr darüber gefreut hatte, dass wieder alles halbwegs im Lot war und auch der Reifenschänder wieder öfters zu Ramrod fand. Aber anscheinend war da nicht wieder alles in Butter. Colt musterte seinen kleinen Bruder. Wenn er es nun falsch anpackte, würde der kleine Fuji vor ihm nicht nur heiße Luft spucken, sondern auch Lava. In Fireballs Gesichtszügen erkannte Colt die Anspannung und auch den Zorn, den er mit seinem Scherz heraufbeschworen hatte.

„Ich wollte mich für vorhin noch einmal entschuldigen. Ehrlich, Hombre, ich dachte, es wäre schon okay für dich.“

Fireballs Griff um den Helm wurde fester, seine Augen verdunkelten sich und schimmerten einen winzigen Augenblick. So schnell würde es wohl nicht in Ordnung für ihn sein. Gefühle für April waren immer noch da, die konnte er einfach nicht wegrationalisieren. Fireball schluckte den Knoten, der sich auf seine Brust legen wollte, hinunter und nickte Colt grimmig zu: „Ich mach über deine offenbar nicht folgenlosen Abende mit Robin auch keine Witze. Das hat was mit Anstand zu tun, Cowboy.“

Colt zog den Hut verlegen tiefer ins Gesicht. Den Spiegel vorgehalten zu bekommen, war auch ihm unangenehm. Aber es war heilsam. Brüderlich klopfte er Fireball auf die Schulter, er hatte durchaus erkannt, wie schwer ihm bei April tatsächlich ums Herz zumute war. Er zwinkerte ihm verschwörerisch zu: „Anstand ist mir neu. Aber ich glaub ja, dass du, wenn du dann mal ein bisschen mehr Wolf als Schaf bist, das mit dem einen weiblichen Geschlecht sicher hinkriegst.“

Fireball duckte sich unter dem Arm hindurch. Ertappt stotterte er: „Das war schon. Und wie du siehst…“

„Ich rede ja davon, dass du noch ein wenig mehr Wolf als Schaf werden sollst, rede ich ja“, Colt ließ keinen Zweifel daran, dass es später vielleicht mal besser passen würde. Wer sollte das besser wissen, als er selbst. Jeder wurde älter, jeder lernte dazu und manchmal änderten sich die Umstände. Team Ramrod war genauso wenig in Stein gemeißelt, wie die Zusammensetzung der Base oder der Krieg gegen die Outrider. Der musste irgendwann mal zu Ende sein.

Colt meinte es definitiv nur gut mit ihm, das wusste Fireball. Schon wieder ganz versöhnlich verabschiedete er sich endlich von seinem Freund: „Noch mehr Wolf wäre schon zu viel des Guten. Bin ja schon Leitwolf“, Fireball wandte sich ab: „Ich muss, Colt. Wir sehen uns heute Mittag!“

Colt blieb noch so lange stehen, bis Fireball nicht mehr zu sehen war. Er lehnte sich mit dem Rücken gegen den hydraulischen Pfeiler, der die Rampe öffnete und wieder verschloss. Es mochte sich viel im letzten Jahr verändert haben, einige Dinge allerdings waren gleich geblieben. Und einige würden sich so schnell auch nicht ändern. Colt dachte an April, während er Fireball hinterher sah. Die erste Liebe würde man nie vergessen, er hatte seine erste Freundin schließlich auch bis heute nicht vergessen. Ein mildes Lächeln huschte über Colts Lippen. Nichts war in Stein gemeißelt. Vor allem ihre Zukunft nicht. Das wusste Colt ganz sicher. Sie hatten es immerhin geschafft, ihre Gegenwart zu verändern, wie leicht konnte man da seine Zukunft beeinflussen? Noch viel leichter! Grinsend stieß sich Colt ab und ging zu seinen Kameraden zurück. Er ließ die Zeit arbeiten und würde mal beobachten.
 

Der Leitwolf hatte ein Händchen für Timing. Kaum hatte er den Hangar betreten, trudelte auch seine Crew nach und nach ein. Er schickte sie, wie sie waren, in den Besprechungsraum hinunter, Stan und Oliver zog er sich gleich zur Seite. In knappen Worten beschrieben sie, wie sich ihre Gruppen beim Trainingsflug geschlagen hatten. Fireball nickte zufrieden. Beruflich lief endlich alles wie am Schnürchen. Er hatte eine eingeschworene Mannschaft, die nun auch mit ihm zusammen arbeitete. Eingeschworen waren sie auch davor gewesen. Als der letzte seiner Piloten zum Besprechungsraum aufgebrochen war, gingen auch Fireball, Stan und Oliver hinein. Der große Kroate schloss die Tür und blieb daneben stehen. Stan lehnte sich neben ihn und Martin, der ebenfalls hinten stehen geblieben war.

Wenig gelassen hatten die Piloten zur Kenntnis genommen, was ziemlich bald auf sie zukommen würde. Shinji blickte in eine ganze Reihe von Gesichtern, die empört und überrumpelt zumindest den stummen Protest ausdrückten. Leise seufzend legte er das Memo zu seinem Helm und den Handschuhen seiner Rüstung auf den Tisch. Mit dieser Reaktion hatte er durchaus gerechnet. In den letzten Jahren hatte die beste Kampfjeteinheit als einzige das Privileg genossen, fix auf Yuma stationiert gewesen zu sein. Es würde schwer werden, ihnen einen mehrmonatigen Aufenthalt im Königreich Jarr doch noch schmackhaft zu machen.

Besonnen begann er zu argumentieren, als aus dem stummen Protest allmählich ein lauter wurde: „Wir befinden uns nach wie vor im Krieg, das Bündnis zum Königreich Jarr ist ziemlich wackelig. Wir können es uns nicht leisten, aus Bequemlichkeit in Yuma zu bleiben“, verständnisvoll fügte Fireball hinzu: „Ihr habt Freunde und Familie hier, das weich ich. Keiner wird die vollen drei Monate bei Jarred verbringen, das verspreche ich euch. Es wird sich eine Möglichkeit finden, damit ihr regelmäßig Heimaturlaub bekommt.“

Martin sank indes innerlich zusammen. Er würde Alessa eine ganze Weile nicht sehen, das sagte ihm nicht zu. Aber zumindest war die Zeit der Trennung überschaubar. Der Brasilianer stieß sich von der Wand ab. Er und seine beiden Kollegen mussten nun mit gutem Beispiel voran gehen. Ansonsten hätten sie gleich eine ganz grausame Diskussion.

Als Fireball offener Protest um die Ohren wehte, hielt Martin plötzlich inne. Er war bereit gewesen, für Ruhe zu sorgen, doch stattdessen blieb er erstaunt stehen und lauschte der Reaktion. Fireball Tonfall wurde mit einem Mal scharf und duldete keinerlei Widerspruch mehr: „Das war keine Einladung zu einer Kaffeefahrt, sondern ein Marschbefehl! Wer ein Problem damit hat, kann gerne zuhause bleiben und sich um einen neuen Job kümmern. Ich brauche in meiner Crew niemanden, der nicht bereit ist, für den Frieden zumindest zu reisen. Da seid ihr bei mir wirklich an der falschen Adresse.“

Oli nickte grimmig und entschlossen. Diese Worte hatten dem Kroaten genügt. Er würde zusammen mit Stan und Martin die nötige Rückendeckung stellen. Nüchtern wollte er nur noch wissen: „Wann geht’s los, Captain?“

Manchmal hatte auch der Kroate das Gefühl, dass seinen Kameraden der Ruhm der Einheit das Gehirn vernebelt hatte. Sie waren doch hier nicht beim Wunschkonzert! Er warf Stan und Martin einen Blick zu, wenn nötig, wäre es schön zu wissen, dass auch die beiden seiner Meinung waren. Während er Stan die Vorfreude bereits an der Nasenspitze ansehen konnte, nahm er bei Martin ein Zögern wahr. Kopfschüttelnd stieß er ihm den Ellbogen in die Rippen und versuchte, Martin aufzuheitern: „Deine kleine Hexe stiehlt dir in der Zeit schon keiner.“

Martin verzog mürrisch das Gesicht. Das alleine war es nicht. Seine Alessa würde sich schon von niemandem stehlen lassen. Dafür kannte er sein Herzblatt zu gut. Aber drei Monate war verdammt lange und der Ort fürs Manöver geschichtlich negativ vorbelastet. Man konnte Fireball im Moment zwar nicht ansehen, welche Meinung er zum Manöver hatte, aber der Brasilianer ahnte dabei nichts Gutes. Über zwanzig Jahre war das letzte Manöver im Königreich her und es hatte übel geendet. Martin sah noch einmal zu seinem Boss vor und schluckte. Die nächste Bewehrungsprobe, ganz klar. Schließlich aber nickte Martin auf Olivers Feststellung hin: „Das will ich auch hoffen. Ist schließlich mein Herzblatt.“

Nun begann sich die Crew aufzulösen. Alles war besprochen worden, die Details zu Abflug und Unterkunft würden in den nächsten Tagen folgen. Die drei Männer blieben schließlich übrig, bis als letzter Fireball zu ihnen stieß. Er verzog die Lippen zu einem verunglückten Lächeln: „Na, meine Damen? Wartet ihr auf eine Extraeinladung?“

„Nope“, Stan holte Kaugummi aus seiner Brusttasche hervor. Er hielt dem Captain die Packung hin und grinste unverhohlen: „Mach dich mal wieder locker.“

Martin schüttelte missbilligend den Kopf: „Er meint, das war schon okay, so wie du’s gemacht hast.“

Ohne zu zögern bediente sich Fireball an Stanleys Kaugummi und gab die Packung anschließend an Oliver weiter. Nachdem auch der Kaugummi im Mund verschwunden war, blitzten seine Augen schelmisch auf. Er konterte: „Wenn ich noch lockerer werde, hab ich Urlaub.“

„Ist dann aber ein ziemlich steifer Urlaub!“, Stan lachte. Er zwinkerte Fireball zu und verabschiedete sich vorläufig. Auch Oliver ging zurück an seine Arbeit.

Stan hatte den Nagel wieder mal zielgenau auf den Kopf getroffen. In Windeseile hatte er Fireball die Anspannung angesehen. Deswegen hatte er auch versucht, ihn mit seiner Bemerkung wieder auf den Boden zu bringen. Nachdem Stan von der Beziehung zwischen April und Fireball erfahren hatte, war ihm einiges klar geworden. Genau genommen wunderte ihn seit diesem Tag gar nichts mehr. Aber er hatte sich auch einmal mehr für seine Prüfung am Anfang geschämt. Inzwischen kannten sich Crew und Captain besser. Stan, Oliver und vor allem aber Martin noch ein Stückchen besser als der Rest. Aus den beiden ärgsten Widersachern in der Einheit waren starke Befürworter geworden. Und auch Freunde. Der Schwede nahm Fireball inzwischen gerne auf seine Touren durch die Bars mit. Es war mehr als nur heiter, wenn die beiden zusammen unterwegs waren.
 

Kaum zwei Wochen später stand der Abreisetermin für die Ari Strike Base fest und rückte in greifbare Nähe. Die Unterkünfte waren ebenso fixiert worden, wie die Aufgaben, die die Piloten im Königreich zu erfüllen hatten. Wo immer es ihm möglich gewesen war, hatte Fireball seiner Mannschaft Zugeständnisse gemacht, bei einigen Dingen allerdings war er stur und hartnäckig geblieben. Absichtlich hatte er sich um Appartements für seine Crew gekümmert. Eine Militärbaracke kam für ein langes Manöver wie dieses nicht in Frage und Hotelzimmer befand der Captain für zu luxuriös. Auch er würde da keine Ausnahme bilden, wie einige anfangs gezetert hatten. Zwei Tage vor Abreise hatte Fireball dann auch noch seine Crew dienstfrei stellen lassen. Sie sollten sich in Ruhe auf die Abreise vorbereiten und sich verabschieden.

Fireball saß am vorletzten Nachmittag in seinem Büro und traf die letzten Vorbereitungen. Er segnete alle Berichte ab, arbeitete den letzten Papierkram auf und versuchte, einen ordentlichen Arbeitsplatz zu hinterlassen. Der junge Wuschelkopf wusste nicht, weshalb er es tat, aber es kam ihm so vor, als wäre ein sauberer Schreibtisch wichtig. Er sortierte sogar Unbrauchbares und Unnützes aus, stellte die wirklich persönlichen Dinge auf einem Eckchen zusammen. Skeptisch besah er schließlich sein Tun. Er war doch nur einige Monate nicht hier, aber er sortierte seinen Arbeitsplatz aus, als würde er gar nicht mehr zurück kommen! Fireball kratzte sich an der Stirn. Unfassbar! Das ging gar nicht. Fireball ließ alles stehen und liegen und flüchtete erst einmal vor seiner Arbeit. Vielleicht war eine Pause im Moment ganz hilfreich um wieder klar im Kopf zu werden. Offenbar hatte ihn die Erinnerung seines Vaters unbewusst wieder heimgesucht.

Auch auf Ramrod war bald zu allen Mitgliedern vorgedrungen, dass die Base ausrückte. Für ein persönliches Goodbye war leider mal wieder keine Zeit geblieben. Colt und Saber waren sich einig, das Manöver durchaus kritisch zu beäugen. Es war eine großartige Gelegenheit, sein Können unter Beweis zu stellen, aber auf der anderen Seite nagte auch der Schatten der Vergangenheit unerbittlich düster an der neuen Aufgabe. April hatte Fireball noch am gleichen Tag, als sie davon erfahren hatte, die Leviten gelesen und ihn über Hypercom stundenlang belehrt. Alles, was ihre erste große Liebe zu dem Thema zu sagen hatte, war zwar durchwegs ein Kompliment für die Crew von Ramrod gewesen, aber das beruhigte Aprils Nerven dennoch kaum. Sie hatte ihn stattdessen sofort getadelt, er könne sich nicht blind darauf verlassen, dass Ramrod im Notfall helfen könne. Aber da hatte April auf japanischen Granit gebissen. Mal wieder.

Alex hatte die darauf folgenden Tage alles sacken lassen, was passiert war. Dabei hatte er vermehrt angefangen, seine Kollegen zu beobachten. Positiv war dem italienischen Hitzkopf aufgefallen, wie seine drei Freunde nicht mehr abrupt das Thema wechselten, wenn er den Raum betrat. Kaum zu glauben, aber tatsächlich hatte ihm der kurzgeratene Stoppel das Leben an Bord erheblich erleichtert. Alessandro saß nun abends öfters mit Colt am Fuß von Ramrods Rampe und unterhielt sich mit ihm. Die beiden Männer krachten zwar nach wie vor immer mal wieder zusammen und befetzten sich, aber alles in Allem konnten sie sich gut leiden. Wenn sie sich unbeobachtet glaubten, machten sie sogar heimlich gemeinsame Sache. Ihr Sinn für Humor verband Colt und Alex dann doch mehr, als alles andere sie hätte trennen können. Das freute nicht nur den Piloten. Alessandro fühlte sich endlich völlig akzeptiert. Der Italiener hatte aber auch begriffen, dass er sich auch mit Babyboy befassen musste. Manche Fäden und Verbindungen liefen bei ihm zusammen. Wollte Alessandro nicht nur gute Kollegen, sondern ebenso verlässliche Freunde auf Ramrod haben, musste er den Japaner akzeptieren und auch verstehen. Bei nächster Gelegenheit würde er ein Bier ausgeben müssen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Reblaus
2013-10-11T21:43:32+00:00 11.10.2013 23:43
Wahnsinn, die Wartepausen lohnen sich immer wirklich, ich bin immer noch hin und weg von der/den Storys. Auch bleibst Du Deinem Schreibstil treu, das können nur wenige über einen so langen Zeitraum, zwar verbessern sich die meisten , aber Du hast schon auf hohen Niveau angefangen... Ich bleibe Dir erhalten und werde mich weiter bemühen die versprochenen Kommentare nach und nach abzuliefern.

hier in diesem Kapitel gefällt mir besonders, wie April erwachsener geworden ist. Von Alessandro hat sie sich nicht einfangen lassen, aber was sie ihm sonst noch erzählt, kann ich mir leider im Moment nicht denken. Ich freue mich , daß sie sich mit Fireball wieder langsam besser versteht.
Der Einsatz in Jarr ist der Hammereinfall, schlechthin. Ich bin so gespannt was da alles auf Fire zukommt und ob vielleicht da noch die ein oder andere Situation kommt die mit dem ersten Teil Deiner Geschichte korreliert. In Jarr gibt es bestimmt auch noch den ein oder anderen, der auf der Base zu Zeiten des Vaters von Fireball dort dienst getan hat.
Von Colts Familie, die er ja nun hat , erfährt man leider zu wenig. Und zu Saber könnte es auch noch etwas mehr sein, aber , wie immer bei Deinen Kapiteln , ist das Jammern auf hohem Niveau.
Von:  Sannyerd
2013-09-24T21:07:34+00:00 24.09.2013 23:07
Juhuu es geht weiter *jubel*


Zurück