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So finster wie die Nacht

von

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Flucht

Kapitel 20

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Flucht
 

Ryan wunderte sich ein wenig über sich selbst. Wunderte sich darüber, wieso er sich darauf eingelassen hatte. Aber die Nachrichten der Frau hatten so verzweifelt geklungen, dass er gar nicht anders konnte, als sich in die Höhle des Löwen zu begeben.

So stand er nun mit seinem Rover an der verabredeten Stelle und war dennoch am Zögern.

Die erste Mail hatte nur angefragt, ob er das Amulett gefunden hatte und ob sie es bitte zurückhaben könne. Er wusste noch, wie sehr ihm das Blut in den Adern gefroren war, als er den Namen „Mona“ gelesen hatte.

Natürlich hatte er sofort seinen Bruder angerufen und ihm davon berichtet.

Sie waren sich einig darüber gewesen, dass er ihr antworten sollte, und so hatte Ryan eine E-Mail zurückgeschickt und Mona tatsächlich bestätigt, dass das Amulett gefunden worden war und sie es sich die Tage abholen kommen konnte.

Was dann geschehen war, war noch wesentlich seltsamer gewesen: Sie hatte Ryan um Hilfe gebeten. Die näheren Umstände hatte sie ihm nicht erklärt, sie hatte ihn nur gefragt, ob er zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort auf sie warten könne.

Nun, jetzt stand er hier, was seine Antwort darauf klar machte. Und diesmal wusste Jason nichts davon.

Ryan seufzte. Er hoffte, dass er kein zu großes Risiko eingegangen war.
 


 

Ich kann sie einfach nicht ausstehen, schoss es Mona durch den Kopf, als sie sich erneut unter einem Hieb von Katherine wegduckte, aber dennoch einen Schnitt am Oberarm hinnehmen musste, der nicht nur den Ärmel der Bluse zerschnitten hatte, sondern auch eine Wunde hinterlassen würde, die länger zum Heilen brauchte.

„Du bist ganz schön hinterhältig. Benutzt einfach eine Klinge aus Silber!“, knurrte Mona wütend. Sie selbst war unbewaffnet, was in dem Fall ein deutlicher Vorteil für Katherine war.

„Wie ich schon sagte – Lionel gab mir die Erlaubnis, dich zu Not auch mit Gewalt zu holen!“, gab Katherine zurück. Das Silbermesser sagte genug darüber aus, wie viel Gewalt Katherine anzuwenden versuchen würde.

Mona war froh, dass sie ihr Kleid gegen die Hose getauscht hatte – in dem Kleid hätte sie niemals die Bewegungsfreiheit gehabt, die sie in diesem Kampf brauchte.

Beim nächsten Angriff Katherines gelang es ihr zwar schon etwas besser, dem Dolch auszuweichen, doch büßte sie dafür eine Strähne ihres gelockten Haars ein, was deutlich machte, wie wütend Katherine war – und vor allem, dass die Klinge noch schärfer war, als sie aussah!

Es war eigentlich nur pures Glück, dass Katherine genau in dem Moment, in dem sie erneut auf Mona zustürmte, leicht stolperte. Das gab der Schwarzhaarigen einen kleinen Moment Zeit, in dem sie ihre Gegnerin mit einem Tritt in den Bauch außer Gefecht setzen konnte – zumindest für wenige Augenblicke. Aber diese Augenblicke reichten für Mona aus, sich ihren Computer zu schnappen und so schnell zu laufen, wie sie konnte.

Jeder Läufer wäre neidisch über die Schnelligkeit gewesen, die Mona hatte, aber für einen Vampir war das nichts und sie wusste, dass Katherine sie sofort verfolgen würde.

Was Katherine nicht wusste, war, dass Mona nicht ganz so dumm war, wie man im Orden vielleicht von ihr dachte. Sie hatte sich Hilfe geholt.
 


 

Eine schnelle Bewegung erregte Ryans Aufmerksamkeit und dann sah er sie, wie sie auf ihn zurannte, einen kleinen, schwarzen Kasten unterm Arm und in einer Geschwindigkeit, die er der Frau niemals zugetraut hätte.

Ryan hatte sie sofort erkannt – die schwarzen Locken und das recht hübsche Gesicht, die blutroten Augen. Es gab keinen Zweifel mehr für ihn, sie war die Frau auf den Bildern des Medaillons.

„Das ist also Mona“, murmelte er, bemerkte aber im selben Moment, dass sie tatsächlich verfolgt wurde – ganz so, wie sie in ihrer Mail schon befürchtet hatte.

Er öffnete ihr die Beifahrertür und war froh darum, dass er den Motor seines Rovers angelassen hatte.

Die Frau sprang in sein Auto, zog hastig die Tür zu und rief ihm ein „Fahr los!“ entgegen, noch bevor ihre Verfolgerin sie erreichen konnte.

Eilig trat Ryan auf das Gaspedal und tat, wie ihm geheißen.

Monas Atem ging schnell, beruhigte sich aber recht zügig, dennoch sprach sie kein Wort, bis Ryan selbst etwas sagte.

„Wohin soll ich dich bringen?“, fragte er sie. Das war das einzige, was sie ihm in der Mail nicht geschrieben hatte. Er spürte ihren Blick auf sich, dann hörte er sie leise kichern.

„Ich bin dumm“, sagte sie. „Darüber habe ich mir überhaupt keine Gedanken gemacht. Ich wollte einfach nur weg.“

Darauf wusste Ryan erst mal nichts zu antworten. Nicht nur, dass sie ihn fast schon spontan an diesen düsteren Ort mehrere Kilometer von London entfernt bestellt hatte – nein, sie wusste nicht mal, wohin sie wollte. In was für einer Hölle war sie nur gewesen, dass sie solche Worte wie einfach nur weg sagte?

„Es tut mir Leid. Ich wusste mir einfach nicht anders zu helfen. Niemand sonst wäre für mich da gewesen. Ich danke dir“, sagte sie nach mehreren Minuten des Schweigens.

Obwohl er seinen Blick bisher fest auf die Straße vor sich geheftet hatte, sah er sie nun kurz an, bevor er sich wieder aufs Fahren konzentrierte.

„Du bist ein Vampir, nicht wahr?“, fragte er dann schließlich völlig unvermittelt.

Mona war von dieser Frage mehr als überrascht. Sie hätte nicht gedacht, dass Ryan so schnell darauf kommen würde. Es folgte wieder eine kleine Weile des Schweigens, bis sie ihm schließlich eine Antwort gab.

„Ja.“

Ryan stieß den Atem aus, von dem er bis jetzt nicht mal bemerkt hatte, dass er ihn angehalten hatte. Eigentlich hätte ihn das nicht mehr überraschen sollen, aber es fiel ihm doch schwer, daran zu glauben, dass es Hexen und Vampire wirklich zu geben schien.

Wieder Stille. Keiner von beiden traute sich, etwas zu sagen, bis Ryan schließlich einen Entschluss fasste.

„Du wirst von anderen Vampiren verfolgt.“ Das war keine Frage.

„Ja. Es gibt etwas, das ich tun muss und dass mich die Vampire niemals tun lassen würden. Deshalb musste ich nun endgültig fliehen.“

Ryan fragte nicht, was es war, was sie tun musste. Es würde wichtig genug sein, wenn sie sich zu einer Flucht hinreißen ließ, die sie das – nun ja – „Leben“ kosten konnte.

„Versprichst du mir, uns nicht einfach zu beißen, zu töten oder dergleichen zu tun?“

Wieder spürte er ihren Blick auf sich. Dann hörte er ihr entschlossenes „Ja.“

„Dann nehme ich dich erst mal mit nach Hause.“
 

Katherine kreischte dem Auto vor Zorn hinterher und verfolgte es eine Weile, bis sie es schließlich doch noch aus den Augen verlor, als es zu regnen begann. Sie gab die Verfolgung auf.

Es war wichtiger, Lionel davon zu berichten, dass Mona entkommen war. Es gab genug Vampire in London, die herausfinden konnten, wo Mona sich verkroch.

Im Stillen ärgerte sich Katherine jedoch auch darüber, dass sie die Einzige gewesen war, die auf Mona angesetzt worden war. Gab es nicht noch genug andere Vampire im Orden, die ihr dabei hätten helfen können? Dann wäre die Vampirin vielleicht nicht entkommen.
 

Lionel war nicht gerade glücklich darüber zu hören, dass Mona tatsächlich entkommen war – und noch weniger glücklich war er über die Tatsache, dass ihr offenbar ein Mensch geholfen hatte bei ihrer Flucht.

So weit war es also schon gekommen, dass es Menschen gab, die Vampiren halfen!

Er hegte einen Verdacht, um welchen Menschen es sich handeln könnte, aber sicher war er nicht. Das würde er erst herausfinden müssen. Genauso, wie er herausfinden musste, wie Mona es geschafft hatte, von ihrem Zimmer aus solch eine Flucht zu planen.

Irgendwie musste sie ja auch mit dem Menschen kommuniziert haben!

Erst als er näher darüber nachdachte, fiel ihm ein, dass Eve ihm von diesem Ding erzählt hatte, das sich Mona gekauft hatte. So ein neumodischer Schnickschnack, den die Menschen erfunden hatten und mit dem er noch nie zurechtgekommen war. Wie hießen die Teile noch gleich? Lionel hatte keine Ahnung, wie diese Kästen funktionierten und eigentlich wollte er es auch gar nicht so genau wissen, aber er fragte sich, ob es damit möglich war, mit anderen Leuten zu sprechen.

Ein tiefer Seufzer entkam ihm. Diese verfluchten Menschen und ihre verdammte Technik machten alles viel, viel komplizierter!
 


 

Sophia war sehr erschrocken gewesen, als Amanda ihr erklärte, was mit Lilian geschehen war. Die Seherin! Niemand hätte je geglaubt, dass es wieder eine Seherin geben würde, nachdem die Letzte vor über hundert Jahren spurlos verschwunden war.

Und ausgerechnet ihre Tochter sollte die nächste Seherin sein?

„Wir müssen ihre Magie abschirmen“, hatte Amanda gesagt. „Sie wird sonst sämtliche Feinde damit anlocken!“

Nun saßen die beiden älteren Hexen neben der auf dem Boden liegenden Lilian und führten das Ritual durch, das bewirken sollte, dass die starke Magie der Seherin nicht mehr zu spüren war. Das Ritual war furchtbar kompliziert, aber es war auch das einzige, was die beiden für die junge Hexe tun konnten.

Als sie schließlich fertig waren, war Sophia völlig erschöpft und sie fürchtete, die ganzen Wachsflecken niemals wieder aus ihrem schönen Teppich rauszubekommen. Die Kerzen, die sie für das Ritual gebraucht hatten, waren beinahe völlig heruntergebrannt und das Wachs hatte sich gut auf dem Boden verteilt.

Auch Amanda schien erschöpft zu sein, aber trotz ihrer 76 Jahre war sie noch erstaunlich fit.

„Darf ich mich nun wieder bewegen?“, fragte Lilian, die schüchtern zu ihrer Großmutter schaute und sich sofort aufsetzte, als sie diese nicken sah.

Sophia erhob sich aus ihrer unbequemen Haltung und ging schließlich in die Küche, um Getränke zu holen, die ihnen allen sehr gut tun würden.

„Gut, das George diese Woche auf Geschäftsreise ist“, sagte Amanda, als sie Sophia folgte. „Er konnte diesen ganzen ‚Hexenkram’ nie ausstehen, nicht wahr?“

George war Sophias Ehemann und Lilians Vater. Er war Anwalt und legte mehr Wert auf stichhaltige Beweise und konkrete Aussagen. Mit der Hexerei hatte er einfach nichts am Hut. Zwar wusste er von den Dingen, die da in seinem Haus manchmal abliefen und er tolerierte sie aus Liebe zu seiner Familie, aber das hieß nicht, dass er die Magie mögen musste.

„Mutter, nun mach ihn nicht wieder schlecht. George ist mir ein guter Ehemann und auch ein guter Vater.“

„Wohl kaum“, höhnte Amanda. „Er ist doch so gut wie nie zu Hause!“

Etwas heftiger als beabsichtigt stellte Sophia die Gläser auf die Arbeitsplatte der Küche.

„Lass es! Wir haben wichtigere Dinge zu tun, als über meinen Mann zu lästern!“

Amanda sah schuldbewusst zu Seite und nickte. „Ja, du hast Recht. Wir müssen umgehend den Zirkel informieren. Sie werden schon gespürt haben, dass es wieder eine Seherin gibt.“

„Was bedeutet es genau, das ich nun die Seherin bin?“, fragte Lilian, die ihrer Mutter und Oma gefolgt war.

„Du bist die mächtigste Hexe des Zirkels, vielleicht sogar ganz Großbritanniens. Du bist die einzige Hexe, die in der Lage ist, die Vergangenheit und Zukunft zu sehen. Solche Sachen.“

Lilian erschauderte. Solch eine Macht sollte sie nun haben? Warum ausgerechnet sie? Sie war doch nur eine Schülerin! Hätte nicht ihre Mutter oder eine der anderen Hexen des Zirkels diese Kraft bekommen können?

Ihre Mutter drückte ihr ein Glas mit Orangensaft in die Hand und scheuchte sowohl sie als auch Amanda zurück ins Wohnzimmer, damit sie sich auf die Sofas setzen konnten, was deutlich bequemer war, als in der kleinen Küche herumzustehen.

Die späte Uhrzeit störte keine der drei. Lilian würde am nächsten Tag nicht zur Schule gehen, das war ihnen allen klar. Trotz des anstrengenden Rituals waren sie alle zu aufgeregt, als dass sie hätten schlafen gehen können.

„Wie konnte die Magie der Seherin auf Lilian übergehen?“, fragte Sophia. Das war die Frage, die sie wohl am meisten beschäftigte.

„Ich bin mir nicht sicher“, antwortete Amanda. „Normalerweise wird die Macht nur von Seherin zu Seherin weitergegeben und die alte Seherin lehrt die Neue, wie sie die Macht benutzen muss und sie kontrolliert.“

„Ist es möglich, Magie irgendwie einzusperren? In einen Gegenstand zum Beispiel?“, fragte nun Lilian. Hatte es etwas mit dem Medaillon zu tun?

„Ja, durchaus. Man kann Magie in spezielle Edelsteine verschließen. Das ist recht schwierig und nicht jede Hexe kann das, aber es ist möglich.“

Sophia wechselte einen Blick mit Lilian und nickte. Daraufhin holte Lilian eine goldene Kette mit einem hübschen Anhänger aus ihrem Zimmer.

„Hier“, sagte sie, als sie das Schmuckstück ihrer Oma gab.

„Ah, ist das die Kette, von der du mir am Telefon erzählt hast, Sophia?“, fragte Amanda und Sophia nickte bestätigend. „Ja, das ist sie.“

Lilian zog sofort eine Schnute. „Du hast das Oma erzählt?“

Ein Lächeln zierte Amandas Lippen, als sie das Medaillon öffnete und die Bilder betrachtete.

„Sie verschwand noch lange Zeit, bevor ich geboren wurde, aber ich habe bei meiner eigenen Mutter einmal ein Bild von ihr gesehen. Ich erinnere mich ganz genau daran. Die Frau auf diesen Bildern war die letzte Seherin.“
 

Fortsetzung folgt...



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Taroru
2010-11-27T14:31:00+00:00 27.11.2010 15:31
>.< wir könnt ihr nur an so einer stelle aufhören!
das geht doch nicht, nein nein nein.....
es ist so super geschrieben XD monas flucht war klasse *lach* irgendwie wirklich überraschend, aber es passt zu ihr ^^ bin echt begeistert XD
und lilian... gott ich kann sie verstehen XD ich würde auch erstmal zweifeln, an mir selbst und so ^^
und wie geht das jetzt weiter? wie ist das mit mona? und warum lilian (ihr da mal zustimm, warum) ?? und und und und?
ich werde mich wohl in geduld üben müssen ;p


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