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Freunde.

Oder: Vom Punk zum Konformist.
von

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Freunde.
 

„Das macht dann dreizehn Euro vierundsechzig.“

Ich drückte dem Taxifahrer das Geld in die verschwitzte Hand und stieg aus.

Der Hamburger Hauptbahnhof unterschied sich optisch kaum von anderen Bahnhöfen. Grau in grau reihte sich Gleis an Gleis, Menschen hasteten eilig zu ihren Anschlusszügen, ein paar Obdachlose stierten mit glasigem Blick in halbleere Fuselflaschen.

Aus Lautsprechern irgendwo an der Decke dudelte seichte Popmusik.

Gleis sechs … Gleis sechs … Gleis sechs … da!

Durch eine gezielte Schulterbewegung beförderte ich meinen alten, karierten Rucksack auf den Boden und ließ mich auf einer der metallenen Bänke in der Nähe des Gleises nieder.

Fünfzehn Uhr, hatte Nele gesagt.

Nele … meine Sandkastenliebe. Sie und Bieber kannte ich seit dem Kindergarten.

Meine gesamte Jugend hatte ich mit den beiden verbracht, bevor wir durch die Faktoren „Arbeit“ und „Liebe“ getrennt und über das ganze Land gestreut wurden.

Der Gedanke an meine Jugend ließ mich amüsiert lächeln. Erst vor einigen Jahren, an meinem dreißigsten Geburtstag, war mir bewusst geworden, dass wir uns damals sehr idiotisch verhalten hatten.
 

Die Lautsprecher ließen nun einen anderen Song erschallen; ich beschloss, genauer hinzuhören, als ich eine vertraute Stimme erkannte.

Campino, der Sänger der toten Hosen.
 

Mit 15 schrieben wir noch Parolen an die Wand,

Die keiner von uns damals so ganz genau verstand.

Wir waren mit 20 klar dagegen,

Egal was es grad war.

Hauptsache zusammen und mit dem Kopf durch die Wand.
 

Wieder grinste ich. Dieses Lied weckte Erinnerungen.

Erinnerungen an Nele, Bieber und mich, wie wir uns mit vierzehn, fünfzehn Jahren im Badezimmer meiner Eltern gegenseitig die Haare bunt färbten.

Erinnerungen an mein erstes Konzert.

Erinnerungen an die Straßenschlachten am ersten Mai, an denen wir uns rege beteiligt hatten.

Erinnerungen an Anarchiesymbole, mit geklautem Autolack an die Rathauswände gesprüht.
 

… Erinnerungen an ein paar idealistische, egozentrische Jugendliche, die sich selbst im Punk gefunden hatten.
 

Aus meinem Grinsen wurde ein wehmütiges Lächeln. Nun war ich Anwalt und fuhr Mercedes. Ich war einer der Menschen geworden, die ich damals zutiefst verachtet hatte. Ein Konformist, ein Kapitalist.

Ich hatte mich wieder verloren.

Nervös rutschte ich auf der Bank herum. Mit einem Mal fürchtete ich mich vor meinem Treffen mit Nele und Bieber.

Wir hatten uns seit über zehn Jahren nicht mehr gesehen, kaum Kontakt zueinander gehabt. Was war aus ihnen – aus uns – geworden?
 

Und wieder ist ein Jahr vorüber,

und wieder ist mein Bierglas leer.

Und wieder ein paar Falten

und auch 'ne Tätowierung mehr.

Irgendeine Liebe war's irgendwann mal wert.

Werden wir uns jemals ändern?
 

Ich zumindest hatte mich geändert. Sehr. Vom Punk zum Anwalt – nein, eine Veränderung konnte ich ganz sicher nicht leugnen.

Und meine Freunde?

Hatten sie sich geändert?

Waren wir überhaupt noch Freunde?

Oder … Bekannte? Gar Fremde?

Eine helle Frauenstimme zerschnitt meine Gedankengänge.
 

„Hey, ich glaube, ich habe ihn gefunden!“

„Wo?“

„Dort, auf der Bank.“

„Ach Quatsch. Das kann er nicht sein. Guck doch mal, der hat 'ne Glatze!“
 

Ich blickte auf. Ein Mann und eine Frau standen nicht weit entfernt und sahen in meine Richtung; sie brünett, er schwarzhaarig. Beide trugen recht stilvolle, scheinbar teure Kleidung … und einen alten, karierten Rucksack.

Ich stand auf.

Lief auf sie zu.

Schloss beide in die Arme.
 

Wenn wir verlieren, was macht es aus – solange wir noch Freunde sind.

Der Rest der Welt, wir scheißen drauf – weil wir noch Freunde sind.

Wir bleiben, wir siegen – weil wir noch Freunde sind.

Nichts wird uns totkriegen – weil wir Freunde sind.
 

_____________

Das war's. Klingt an einigen Stellen etwas holperig, eigentlich bin ich aber zufrieden.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Rayligh
2009-12-12T21:26:19+00:00 12.12.2009 22:26
Ich kann mich gut in den Typen reinversetzen. Es ist echt merkwürdig, nicht zu wissen was kommt, ob man seine Freunde verlieren wird. Ob es alles so bleiben wird wie es grade ist. Deswegen sehr gut gelungen.
Gut, das DTH zu meinen Favoriten zählen, hat natürlich auch unwesentliche Auswirkungen auf das Ganze.
Aber danke=)
Gruß
Jiyu
Von: abgemeldet
2009-11-25T20:07:17+00:00 25.11.2009 21:07
ich finde das ein sehr gutes thema. die geschichte spiegelt sehr gut die gefühswelt eines jugendlichen wieder, vor allem die aus der punkt/metall/goth-etc szene ^^ vor allem diese zukunftsangst kommt gut rüber ^^ alles in allem: sehr gut
Von:  nufan2039
2009-10-24T08:51:36+00:00 24.10.2009 10:51
- Schöne Visualisierung
- Schöne Verarbeitung des Songs
- Gute Idee mit dem Wandel im Laufe der Zeit
- Nachvollziehbares Gefühl (Zweifel, Angst)

Fazit: Ich finde die Geschichte wirklich gelungen und auch die Idee, dass sich das lyrische Ich so verändert hat, dass sich die Vergangenheit und die alte Freundschaft im Sande verlaufen hat. Ich finde auch wirklich gut, dass seine Freunde sich ebenfalls verändert haben und dennoch ein wenig an der Vergangenheit und auch den alten Idealen festhalten (Rucksack).
Ich finde es nachvollziehbar, komme ich doch jetzt selbst in dieses Alter, in dem Klassentreffen interessant werden. ;)
Auch deinen Stil finde ich sehr schön!



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