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Nicht-in-die-Tasche-passen-Monster

Eine Scheibenwelt-Wichtelgeschichte für JoeyB
von

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Es dauerte, bis er in sein Kettenhemd kam. Man bekam den Arm nicht richtig hoch genug, wenn man eine frische Wunde zwischen den Rippen hatte. Außerdem war Kettil nicht so kooperativ, wie er es hätte sein können. Aber Karotte brach Mumms Befehl nicht. Er würde ihm nicht folgen. Er würde seinen eigenen Kampf kämpfen. Nicht nur, weil er es wollte, sondern weil es seine Pflicht war.
 

Es dauerte auch, als er die Treppen nach unten stieg. Der Verband stützte ihn zwar, aber seine Verletzung tat weh. Zurück ins Bett zu gehen und es den anderen zu überlassen, wie Kettil es vorgeschlagen hatte, war keine Alternative.

Von unten hallte Kampflärm herauf. Anscheinend hatte das Nicht-in-die-Tasche-passen-Monster den Eingang gefunden. Jemand krachte durch eines der Geschosse über ihm.

Er verdoppelte seine Anstrengungen.
 

***
 

Viele Wege blieben nicht übrig.

Eine tönerne Schlange von bestimmt einem Dutzend Metern Länge, die einen Kreis um einen schloss, war ein hervorragendes Argument dafür, den einzigen Weg einzuschlagen, der blieb. Die lächelnde und winkende gelbe Tonratte an seinem Hosenbein tat ihr übriges.

Der Gedanke übertrug sich wie von selbst zu Fred, den Trollen und Nobby, der gerade seinen Kopf durch die Tür steckte.
 

Mumm rannte, hängte Fred, Flintstein und Tuff ab und verschwand als Erster hinter der Tür. Fred stolperte hinterher, die Trolle vergrößerten die Tür ein wenig und walzten die Anderen beinahe platt, weil sie nicht ans Anhalten gedacht hatten. Ein furchtbar schabendes Geräusch auf der anderen Seite der Tür bestätigte die Vermutung, dass die Schlange nicht ewig nur einen Kreis bilden würde.

Und das tat eine neue Vermutung auf: Wenn sie nicht ewig einen Kreis um sie ziehen würde, dann passte sie vermutlich auch noch durch die Tür und den Durchgang, in dem sie gerade Schutz suchten.
 

Fred und Nobby dachten dasselbe. Der Weg durch die Tür auf der anderen Seite wurde dementsprechend eng, erledigte sich jedoch, als ein tönerner Riesenkopf hinter ihnen durch den Gang schabte. Panik wallte in allen dreien auf und sprengte alle Rahmen. Mumm fiel, Nobby und Colon hinterher. Es war kein angenehmer Fall, auch wenn er nur auf dem gepflasterten Boden des Innenhofes aufschlug – denn die anderen beiden rammten ihn mit ihrem Gewicht ein paar Zentimeter tiefer. Wenigstens waren es nicht Flintstein und Tuff.
 

„Kommandeur Mumm“, sprach eine Stimme weiter vorn.

Hervorragend. Scheinbar hatte er gefunden, was er gesucht hatte. Es war nur ein furchtbar schlechter Auftritt seinerseits. Ganz ganz toll. Wenigstens rollte Colon von ihm runter.(36)
 

***
 

Bringbunteslicht nickte langsam.

Ja, die Nervenzellen würde er wohl tatsächlich nicht mehr brauchen. Irgendwie würde er den ganzen Körper wohl nicht mehr brauchen. Ein wenig schade war es schon. Er hatte seinen Körper gemocht.

Einen Moment lang musterte er die Gestalt neben ihm. Dunkler Umhang, Knochen ohne Muskeln und Haut darüber und ein Schädel, aus dem zwei blaue Löcher strahlten. Er nickte nicht, aber ja, irgendwie hatte er das erwartet. Uninteressant. Schnell schaute er weiter und fand etwas interessanteres: Den Besitzer der Füße, die er noch vor kurzem durch seine Augen gesehen hatte. Gerne hätte er die Fäuste geballt und auf ihn eingeschlagen, doch das kam ihm ein wenig sinnlos vor.

SETZ DICH LIEBER ODER GEHE WEITER. HIER WIRD ES NOCH SPANNEND UND DAS DARF ICH NICHT VERPASSEN, sagte Tod neben ihm.

Tatsächlich brach einen Moment später die Tür, die von der Straße zum Innenhof führte, auf. Zwei Trolle stolperten herein, drei Menschen blieben erst in der Tür stecken und klatschten dann gemeinsam auf den harten Boden.

SIEHST DU?

Vermutlich hatte er Recht. Bringbunteslicht machte einen Schritt zur Seite und setzte sich neben den Tod.

„Das sind die Trottel von der Stadtwache, richtig?“

Das Skelett nickte.
 

***
 

Seine Faust steckte im Ton.

Das Ding innen hohl sein wie Zwerg ausgenommener, dachte Detritus. Mit einem Ruck befreite er seine Hand, nutzte den Schwung und fiel zur anderen Seite.

Das Nicht-in-die-Tasche-passen-Monster nutzte seinen Schwung ebenfalls und versetzte sich erneut in eine rollende Bewegung. Es traf ihn am Bein, doch er gab ihm nur einen Tritt und beförderte es in die Luft.

Das sein besser als Schlag Zwerg über Netz.
 

***
 

Auf halber Treppenhöhe traf er Grinsi, die gerade nach oben eilte. Sie stoppten alle drei und sahen einander ein. Kettil, der hinter Karotte zum Stehen kam, biss die Zähne aufeinander und schwieg. Er sah Lippenstift, Lidschatten und einen Rock.

„Ich muss-“, setzten beide an und stoppten.

Karotte nickte.

„Ich wollte Dich wecken, Hauptmann. Draußen ist-“

Er nickte erneut.

„Ein Nicht-in-die-Tasche-passen-Monster, das wahrlich in keine Tasche passt. Ich weiß.“

Genauer hatte er es gehört und dann gesehen – aber ja, er wusste, was im Gange war, und dass die ganze Situation nicht sonderlich ideal verlief. Dennoch fühlte er sich ein wenig besser. Man brauchte ihn. Man wollte nicht, dass er oben in seinem Zimmer lag und zusah, man holte ihn. Und dass ausgerechnet Grinsi ihn holen ging, kam ihm gerade recht.

„Grinsi? Was hast Du noch in deinem Labor? Ich brauche etwas, das eine Explosion auslösen kann.“

Die Zwergin überlegte nicht lange.

„Wie groß soll die Explosion sein?“

„Du hast das Nicht-in-die-Tasche-passen-Monster draußen gesehen?“

Sie nickte.

Eine Explosion, die stark genug war, um ein schönes, großes Loch in einen Haufen Ton zu sprengen. Wenn Grinsi sich mit etwas aus kannte, dann damit.

„Du hast höchstens eine Viertelstunde. Nimm Kettil mit.“

„Und was machst Du, Herr?“

„Ich sorge dafür, dass ihr diese Viertelstunde habt. Mir wäre es lieber, wären es nur zehn Minuten.“

Er wartete auf keine Antwort mehr. Er setzte sich wieder in Bewegung und rannte die Treppe hinab. Jetzt war keine Zeit, um in Selbstmitleid zu versinken. Auch wenn er es später bereuen würde, für diesen Moment blendete er den Schmerz aus und überließ dem Adrenalin, das durch seinen Körper pumpte, die Führung.
 

***
 

Irgendwo drückte sich etwas scharfkantiges in seine Rippen.

Mumm versetzte Nobby ein paar nicht sonderlich nette Stöße mit dem Ellenbogen, bis dieser Freds Beispiel folgte. Das Scharfkantige – was auch immer es gewesen war, verlor an Druck. Er hatte das dumme Gefühl, als würde er bluten. Ein denkbar ungünstiger Start.(37)

Trotzdem rappelte er sich auf.(38) Er hätte jetzt gern den Triumph ausgekostet, richtig gelegen zu haben, denn dieser Mann vor ihnen war in der Tat der, den er unter Verdacht gehabt hatte, doch irgendwie wollte dieser sich nicht einstellen. Lag vermutlich daran, dass es noch immer nicht viel zum Triumphieren gab.
 

„Du hättest nicht herkommen sollen, Kommandeur Mumm“, sagte Herr Schweiß.

Er klang nicht sonderlich heroisch oder böse, als er das sagte. Nicht einmal gelangweilt. Eher mitleidig.

„Ich habe herkommen müssen. Du bringst meine Leute um.“

„Karotte Eisengießersohn hat geschnüffelt. Hättest Du dich da raus gehalten, hättest Du dein Leben wie gehabt weiter leben können.“

„Aber ich hätte so nicht weiter leben wollen.“

Mumm stellte beruhigt fest, dass Herr Schweiß sich anscheinend gerne reden hörte. Ansonsten wäre er bereits Geschichte gewesen. So aber hatte er noch ein wenig Zeit. Nicht viel, vermutlich, aber genug, um die Lage zu peilen. Der Innenhof war leergeräumt. Flintstein und Tuff standen in seiner Nähe, scheinbar irritiert genug, um nicht auf die Idee zu kommen, dass ein kaputter Herr Schweiß ein guter Herr Schweiß war. Nobby und Fred waren bei ihm. Hinter ihm schlängelten sich ein Dutzend Meter Ton aus dem Durchgang. Eine zusammengesunkene Gestalt weiter hinten erkannte er erst verspätet.

Scheinbar hatte Herr Schweiß bereits, was er wollte.

„Nun wirst Du gar nicht mehr leben, Herr Mumm.“

Das sah Mumm anders. Aber im Gegensatz zu seinem Kontrahenten wusste er, wann er genug geredet hatte. Er zog sein Schwert und rannte los.
 

***
 

Kettil hatte Karotte aufhalten wollen – allein schon, weil er ihn mit dieser … dieser … Dieser zurück ließ – aber Grinsi hielt ihn davon ab.

„Du hast ihn gehört. Wir haben eine Viertelstunde. Weniger. Ich brauche fünf Minuten, um zusammen zu suchen, was ich brauche und noch einmal fünf, um sie so zusammen zu mischen, dass sie das tun, was ich will. Willst du die anderen fünf darüber streiten, dass wir ihn nicht gehen lassen dürfen oder dass ich einen Rock trage? Ich nicht.“

Kettil öffnete den Mund, aber schwieg.

Ohne ihn loszulassen rannte Grinsi los.
 

***
 

Irritierte Blicke folgten ihm, als er die letzten Treppenstufen hinter sich brachte, kurz stehen blieb um durchzuatmen, und dann die Eingangshalle durchquerte. Scheinbar hatte sich doch noch nicht ganz herumgesprochen, dass man ihn einschalten wollte.

Der Boden zitterte und er hörte, wie mehrere Wachen weiter ins Gebäudeinnere flohen. Er verübelte es ihnen nicht. Allerdings würde sich diese Flucht nicht lohnen, wenn sie hier verloren. Trotzdem. Dafür hatte er jetzt keine Zeit.

Die Tür war aus den Angeln gebrochen und gab den Blick auf den Platz vor dem Gebäude frei. Er sah es. Anscheinend hatten seine Kollegen es geschafft, es vom Wachhaus weg zu locken. Und sie kämpften noch.

Das waren die einzigen guten Nachrichten.

Er wollte nicht zählen, wer nicht mehr stand. Und er brauchte nicht zählen, wer noch stand, weil es kontinuierlich weniger wurden.

Ein Obergefreiter schlug den Weg ins Wachhaus ein, stoppte aber, als er ihn sah.

„Hauptmann Karotte!“

Er zog sein Schwert. Dann verließ er den Schutz des Gebäudes.
 

***
 

Etwas Schweres traf seine Schulter und schleuderte Mumm aus seiner Bahn. Er wusste nicht, was genau ihn getroffen hatte, aber andererseits wusste er auch nicht, wo oben und wo unten war.

Irgendwo brüllten Tuff und Flintstein, dann schlug Ton auf Stein. Den Geräuschen nach zu urteilen erhielten die beiden nach ihrem Angriff eine kostenlose Flugstunde. Etwas klirrte.

Er fragte sich nicht, was es war, sondern rollte auf die Seite. Aus der Bewegung kam er wieder in den Stand. Herr Schweiß zog sein Schwert aus dem Boden.

„Dachtest Du, dass es so einfach wäre, Herr Mumm?“

„Nachdem Du eine Horde Kobolde dazu gebracht hast, zwei Tonnen Ton zu steuern?“, knurrte Mumm und dachte: Natürlich nicht. Aber man wird doch wohl hoffen können.

Auch jetzt hoffte er wieder, vornehmlich darauf, dass Herr Schweiß vergaß, wie man ein Schwert richtig herum hielt, während er redete.

„Es ist einfach, wenn man ihnen eine Hierarchie gibt, weißt Du?“

Leider vergaß Herr Schweiß nicht, wie man ein Schwert richtig herum hielt. Er hob seines und schlug zu.
 

***
 

Hierarchie brachte dem Nicht-in-die-Tasche-passen-Monster in der Dunkelgasse wenig. Immerhin – sie hatte ausgereicht, um ein Loch in die Außenwand von Bringbunteslichts Wunderlichtmanufaktur zu reißen und die Böden der ersten und zweiten Etage dazu zu bringen, ihren neuen Aufenthaltsort im Erdgeschoss zu wählen. Aber gegen vier Trolle, die größer waren als es selbst(39), scheiterte selbst die beste Hierarchie, wenn der Ton nicht hart genug war.

Detritus schlug zu und wo er traf, da war kein Ton mehr. Die Hand noch immer in dem Ding, begann er, sich zu drehen. Gravitation und Schwerkraft erledigten den Rest. Löss freute sich beinahe, als ein ziemlich löchriges Tonnilpferd auf ihn zuflog. Er sprang nicht, sondern hob einfach nur die Hand. Die Menge buhte.(40) Trotzdem änderte sich die Flugbahn des Monsters nicht mehr. Ton brach, als er sich um Löss' Hand schob. Mehrere Kobolde beschlossen, dass es jetzt an der Zeit war, auf Hierarchie und Besitzer zu pfeifen, und beendeten das Spiel. Durch das Loch nahe des Kopfes verließen sie das sinkende Schiff – oder so ähnlich – und nahmen die Kraft, die sie dem Tonkörper verliehen, mit.

Dieser, nun steuerungslos, taumelte auf Ivorit zu, der bereits in Pose stand, um ihn weiter zu schlagen, beschloss aber bereits in der Luft, dass es für eine stabile Konstruktion zu wenig Ton und zu viele Löcher und Risse gab.

Blaue Tonscherben rieselten zu Boden und formten interessante Muster.

Die Menge jubelte.

1:0 für Team Troll.(41)
 

***
 


 

(36) Dies ging nicht von ihm selbst aus, denn er sah gerade kleine Tonschlangen vor dem inneren Auge herumschlängeln. Viel mehr lagen sowohl Nobby als auch Mumm unter ihm. Das wiederum hatte gewissermaßen eine Wirkung wie ein kleiner Berg.
 

(37) Wobei das den Start kaum noch ungünstiger machen konnte, denn diesen Pegel hatte Mumm längst erreicht. Immerhin – er war auf einen Innenhof geflohen, in dem ein Verbrecher auf ihn wartete und hinter ihm befand sich eine tönerne Schlange, die nicht so aussah, als würde sie sich vegetarisch ernähren.
 

(38) Es blieb ihm auch nicht viel anderes übrig, wenn er nicht als Mitternachtssnack für ein Nicht-in-die-Tasche-passen-Monster enden wollte.
 

(39) Zumindest, wenn Detritus sich auf die Schultern der Anderen stellte.
 

(40) Ihrer Meinung nach war das hier viel zu einseitig. Dass Detritus und seine Trolle gerade ihr Leben retteten, war zweitrangig.
 

(41) Detritus Gedanken dazu waren in etwa wie folgt: Es sich zahlen aus ab und an zu spielen schlag Zwerg in die Luft gegen Trolle vom Zukunftschweinelager.



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