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Original Sin

rise above it all.
von

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Wahrheit

Es war ein berauschendes Gefühl, das sie durchflutete - und mit einfachen Worten kaum zu beschreiben. Kazuyas Duft hatte sich in ihrer Nase fest gesetzt und beherrschte nebelgleich ihre Gedanken, dass sich die Schwarzhaarige schwer damit tat, sich auf den kochenden Reis im Topf zu konzentrieren, der sich gemächlich mit Wasser voll sog und gedachte fertig zu werden. Ein Teil von ihr fühlte sich schuldig und sogar missbraucht; aber hatte sie sich nicht selbst auf dieses Spiel eingelassen, um dem Mann, den sie seit Kindheitstagen kannte, die Chance einzuräumen seine gute Seite unter Beweis zu stellen? Es war ein riskanter Schritt, den Jun wagte: nach wie vor. Wenn Kazuya wollte, konnte er sie nach Strich und Faden benutzen und obschon die Tierschützerin eine gewisse Menschenkenntnis besaß, die sie Gut von Böse unterscheiden ließ, so bemerkte sie nicht zum ersten Mal, dass sie in Gegenwart des Hünen leichtsinnig und naiv wurde. Er löste etwas in ihr aus, das sie überforderte und das gleichsam so schön war, dass sie es nie wieder missen wollte. Dabei war es schwer nicht zu vergessen, dass Kazuya eigentlich gefährlich war und sich immer noch auf dem Rachefeldzug gegen seinen Vater befand, der sie früher oder später durch den in der Familie herrschenden Hass entzweien musste. Die Vorstellung war bitter und hätte Jun eine Lösung parat gehabt, hätte sie sich längst daran gemacht, alle Maßnahmen in die Tat umzusetzen, um das Leben des Karatekas, aber auch ihr eigenes Seelenheil zu retten. Kazuya sollte und durfte wegen Heihachi nicht zum Mördern verkommen und der Dunkelheit, die in ihm schlummerte, somit die Überhand überlassen - das war einfach nicht fair. Sie seufzte leise, fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn und schloss für einen Atemzug die Augen, die Erinnerung an die rauen Lippen an ihrem Hals, die ihren Puls zum Rasen animierten und plötzlich eine Frau in ihr weckten, die ihr unglaublich fremd war.
 

Leidenschaft war für die Japanerin nichts neues. Sie empfand Leidenschaft in dem was sie tat, in ihrem Beruf und in ihrer Liebe zur Natur und dem Willen anderen zu helfen; bisher hatte sie allerdings nie eine so alles einnehmende, körperliche Leidenschaft verspürt, die ihr Blut in unbekannte Wallungen versetzte und sie fahrig und blind machte. Ein Schaudern ergriff ihren nackten, in den schwarzen Kimono gehüllten Leib, ein schwaches Lächeln im Mundwinkel, während sie den sich aufplusternden Reis gemächlich im Topf umrührte. Es war nicht gänzlich falsch, was sie getan hat und wenn sie das schlechte Gewissen verdrängte, war die Erfahrung Kazuya buchstäblich erlegen zu sein sogar eine Bereicherung und um nicht zu sagen ein Geschenk. Sie bereute ihre Leichtsinnigkeit nicht, egal wie unbedacht sie sein mochte; in der stillen Hoffnung, dass sich die Schwarzhaarige in dem Mishima-Sohn nicht täuschte.

Mit einem vorsichtigen und von Haarsträhnen bedeckten Blick über die Schulter warf Jun ein prüfendes Augenmerk durch die geöffneten Schiebetüren der Hütte auf die großzügige Veranda, wo altes Stuhlwerk einladend darauf wartete, besessen zu werden. Der Hüne lehnte an dem Geländer, den Rücken unter gekrümmten Ellenbogen unbekleidet durchgestreckt, dass sie jede einzelne Faser seiner Muskulatur während seiner angespannten Haltung erkennen konnte. Narben säumten die Haut hie und da und ließen vermuten, durch was für eine leibhaftige Hölle ihr vermeidlicher Freund in den vergangenen Jahren gegangen sein musste. Dass sie ihn überhaupt zu etwas Menschlichkeit besinnen konnte, verwunderte Jun im Nachhinein, die sich indes mit der Zungenspitze über die Lippen fuhr und sich wieder ganz auf das kochende Wasser konzentrierte. Kazuya hatte allen Grund, Heihachi nach dessen Leben zu trachten, auch wenn sie wusste dass es falsch war.
 

Wie würde es nun weiter gehen? Ob sie ihr Leben in dieser Einöde einfach genießen konnten? Die Antwort darauf war so bitter wie eindeutig und drückte die Laune der Tierschützerin abrupt auf Kellerniveau. Ihre Existenzen waren nicht nur miteinander verknüpft, sondern unlängst vorherbestimmt; ebenso wie das unheilvolle Gefühl, das Jun nicht mehr los wurde und das ihr entgegen flüsterte, wie wenig Sinn es machte gegen Kazuyas Natur anzukämpfen. Sie wollte nicht gegen das verlieren, was sie nicht sehen konnte und dennoch sagte ihr irgendetwas in ihrer Vorsicht, dass sie bereits verloren hatte; die Schwarzhaarige knabberte nebensächlich auf ihrer Unterlippe, schüttelte zu sich selbst den Kopf und drehte das brodelnde Gas unter der Herdplatte zurück, als sie im selben Atemzug einen heißen Atem an ihrem Ohr spürte, der ihr nicht nur abrupt die Gänsehaut in den Nacken trieb, sondern sie auch erschrocken umfahren ließ.

Der Naturliebhaberin begegnete ein seltens Lächeln, gepaart mit einem feuchten Kuss auf ihre Stirn und einem drängenden Körper an der atemlosen Brust. Jun hatte Kazuya nie als einen Mann gesehen, der aus seinen Gefühlen mehr machte, wie sie lediglich zu bemerken und als eben solche abzustempeln, wenn sie nicht gerade einem tosenden Taifun glichen. Aber gerade jetzt wurde sie eines besseren belehrt, obgleich die Schwarzhaarige vermutete, dass der Hüne die vergangene Zweisamkeit nicht so schnell los lassen wollte, weil sie ihm nicht minder fremd sein konnte wie ihr. Seine Zuneigung würde verfallen und zurück blieb letztlich nicht mehr oder weniger wie der alles zerfressende Hass. Es musste einfach so sein - und die Vorstellung ließ sie frösteln. "Man erntet, was man sät", wiederholte der hoch Gewachsene mit vibrierendem Bariton und dem Anflug von Selbstgefälligkeit auf den glatten Zügen. Jun nahm seine Provokation zum Anreiz, ihm einen tadelnden Schlag auf die Brust zu verpassen. "Als ob du es nicht so wolltest!" Der Mishima lachte auf, wandte sich an die bereit gestellten Reisschalen und angelte nach einer Kelle, um das Essen aus dem Topf in die Schalen zu füllen.
 

"Eigentlich...", begann er besonnen, den Blick auf den Reis gerichtet, den er mit dem zurecht geschnittenen Gemüse bedeckte, "... hatte ich nicht vor mein Versprechen zu brechen. Andererseits," und Kazuyas dunkles Augenmerk bohrte sich mit durchschaubaren Feix in das seiner Gegenüber. "Hatte ich nicht den Anschein, etwas getan zu haben, das du nicht genossen hättest." Wenn er sie in Verlegenheit bringen wollte, war es ihm gelungen, begannen Juns Wangen nämlich zu glühen, was sie einen erschrockenen Schritt zurück weichen und zu einem verhaltenen Schmunzeln animierte. Oh, und wie sie es genossen hat! Wie sich ein Teil von ihr danach sehnte, dass er zumindest für sie zu einem Sünder wurde, wo sie solche Gedankensprünge nicht einmal annähernd von sich kannte. Auch jetzt, die Aufmerksamkeit zaghaft gehoben, musterte sie den Körper Kazuyas intensiver wie zuvor, die Berührungen der kräftigen Hände in ihren Erinnerungen verankert. Sie bereute es nicht, nichts davon. Und je weniger sich Kazuya darüber amüsierte, oder ihr das Gefühl gab sie ausnutzen zu wollen, desto mehr verfiel sie der Wolllust, die nach mehr lechzte. "Es liegt mir fern, dir weh zu tun." Es war ein Wort, das Jun bereits kannte und der Hüne schon einmal an sie gerichtet hat. Kazuya reichte ihr eine der dampfenden Reisschalen, während er sich an seine eigene mehr oder minder zu klammern begann. "Und ich möchte, dass du dir im Klaren darüber bist, dass ich dich sehr respektiere, Kazama Jun. Aber bevor ich mich irgendwo niederlassen kann, muss ich meiner Bestimmung folgen, sonst wird mir nie die Ruhe vergönnt sein, nach der ich mich sehne."

Für einen Sekundenbruchteil glaubte die Angesprochene einen flehenden Unterton zu bemerken, einen mit dem er sich von der bittersüßen Last freikaufen wollte, die ihn im goldenen Käfig der Polizistin gefangen hielt. Natürlich, sie konnte ihn schließlich nicht daran hindern, seinem Vater gegenüber zu treten. Sie hatte es vor Kurzem aus purem Glück geschafft und sollte dieses Mal kläglich daran scheitern, oder?

Oder etwa nicht?
 

"Ich werde zu dir zurück kommen", Kazuya blinzelte, rückte näher an Jun heran, bis sich ihre Schultern berührten und lächelte so zuversichtlich, dass es schmerzte. "Dann kannst du mir beibringen, ein völlig neues Leben zu leben; das würde ich sehr begrüßen. Du scheinst viel vom Leben zu verstehen." Der Mishima-Sohn hatte nie die Absicht zu bleiben, sich dem Gefühl von Freiheit hinzugeben. Die Japanerin begriff langsam, dass er nach wie vor um jene Freiheit kämpfte, auch wenn sie den Kampf nicht sehen konnte und keine Ahnung hatte, in welcher Runde sich der Karateka inzwischen befand. Doch irgendwie, so gefährlich es war ihn gehen zu lassen, war Jun naiv genug anzunehmen, dass er auch wieder zu ihr zurück kam. Also zwang sie sich zu einem Nicken, überbrückte die aufquellende und hilflose Traurigkeit mit einem freundlichen Zwinkern und beugte sich zu den Essstäbchen, wo sie ein Paar dem Hünen reichte, bevor sie sich mit dem anderen selbst daran machte, ein bisschen von dem Reis zu essen. 

"Und ich werde auf dich warten", erklärte sie kompromissbereit, wobei sie sich die Frage nach seiner genauen Abreise verkniff. Wie sie Kazuya einschätzte, war er jemand der Abschieden gerne aus dem Weg ging - nicht zuletzt rang er sich seine Silben derart schwer über die rauen Lippen. "Dieses Mal werde ich zurück kommen, verlass dich darauf. Ich weiß jetzt, worauf es ankommt und ich weiß, wie ich meinen Vater besiegen kann." Das Grinsen hellte seine ernste Mimik ein bisschen auf. "Wie heißt es doch? So stark ein Sturm auch tobt, einen Berg wird er nie in die Knie zwingen." Nun war es an Jun, die lachte. "Weise Worte für jemanden, der sich sonst in tiefes Schweigen hüllt." Kazuyas Augen funkelten voller herausfordernder Häme, den Mund verstopft mit Reis, der ihm das Kontern verwehrte. Hoffentlich irrten sie nicht, hoffentlich konnten sie diesen letzten Kampf wirklich für sich entscheiden.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Amy-Sama
2012-10-11T12:26:27+00:00 11.10.2012 14:26
Ach, Herzschmerz Baby!!!
So toll geschrieben.
Bin echt gespannt wie es weiter geht.
aufjedenfall bleibt es spannend *_*
Von:  Lexion
2012-10-10T13:42:43+00:00 10.10.2012 15:42
*seufz*
Und da ist sie die Nadel die meine rosarote Seifenblase mit einem Rosamunde Pilcher Ende zum platzen bringt...
Trotzdem hoffe ich das es gut ausgeht! Hoffentlich gibts für die beiden einen Weg ohne, dass Kazuya ersteinmal einen Vulkan von innen sehen muss <_<
Ich mochte das Kapitel! Es war wirklich schön zu lesen^^

LG Lex
Von:  Ran_Angel
2012-10-10T06:23:22+00:00 10.10.2012 08:23
Ein sehr schönes Kapitel ^^
Ich bin sehr gespannt was auf die beiden noch zu kommt...
Mach weiter so! *daumen hoch* ^-^

LG
Ran
Von:  fahnm
2012-10-09T23:43:53+00:00 10.10.2012 01:43
Hammer Kapi^^
Schreib bitte schnell weiter.
Von:  Ling-Xiao
2012-10-09T21:25:16+00:00 09.10.2012 23:25
wow das ist echt stark.
es wäre nur zu schön, wenn sie ihr leben wirklich miteinander hätten in ruhe verbringen können.
*Seufz*
ich bin wirklich gespannt wie es weiter geht.

LG Ling-Xiao


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