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Abseits des Weges

Erinnerungen sind wie Fragmente
von

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Ein bisschen Magie

Dario Caulfield war genervt und das zeigte er auch durchaus deutlich. Seit sie von zu Hause aufgebrochen waren, hatte sich seine Miene kein Stück geändert. Missmutig blickte er durch die Gegend und fuhr sich immer wieder mit der Hand durch den schwarzen Bart, während Claudia ihren Sohn auf allerlei Dinge hinwies, die er durch das Fenster ihrer Kutsche am Wegesrand sehen konnte.

Frediano genoss diesen Ausflug, immerhin unternahmen sie nicht oft etwas gemeinsam, da konnte selbst die gedrückte Stimmung seines Vaters nichts daran ändern. Aber Claudia schien davon doch äußerst abgelenkt zu sein. Immer wieder ging ihr Blick zu Dario hinüber und immer mal wieder öffnete sie den Mund, als ob sie etwas dazu sagen wollte, entschied sich dann aber doch anders und blickte wieder hinaus.

Als Fußmarsch wäre es ein weiter Weg zu dem See gewesen, an dem die Kutsche schließlich hielt, aber wenn man die Strecke fuhr, dauerte es weniger als eine Stunde. Frediano wünschte sich, dass sie öfter dorthin fahren würden, er war gerne an diesem See, aber sein Vater war meist beschäftigt, seine Mutter krank – und allein wollte er auch nicht fahren. Er fürchtete sich nicht, immerhin war er davon überzeugt, dass es keine Gefahr auf dieser Welt geben könnte, die ihm körperlich schaden würde, aber er befürchtete, dass es langweilig sein könnte oder einfach nicht dasselbe. Möglicherweise war es gar nicht der See, den er so sehr mochte, sondern die Zeit, die er gemeinsam mit seinen Eltern dort verbrachte. Selbst wenn Dario schlecht gelaunt war, wie so häufig, wenn sie zusammen unterwegs waren, es war schon ein fester Bestandteil ihrer Ausflüge geworden.

Als die Kutsche hielt, verließ Dario sie als erstes, um danach seiner Frau und im Anschluss seinem Sohn aus dem Gefährt zu helfen. Sein Blick ging missmutig umher, wie jedesmal, wenn ihm wieder einfiel, dass es an diesem See absolut nichts Interessantes zu sehen gab und er nicht einmal der Arbeit nachgehen könnte, so weit weg von seinem Büro.

„Liebster.“ Claudias Stimme durchbrach das eingetretene Schweigen. „Sei nicht so mürrisch. Es wird dir bestimmt noch gefallen.“

Ihre sanfte Zurechtweisung ihres Mannes sorgte dafür, dass dieser sie für einen Moment nur unverwandt ansah. Frediano hätte dafür bereits eine Rüge bekommen, aber bei Claudia ließ er es durchgehen, denn statt etwas darauf zu erwidern, wandte er einfach nur wieder den Blick ab und zuckte mit den Schultern. „Von mir aus.“

Es war Frediano schon oft aufgefallen, aber in diesem Moment wieder einmal verstärkt: Dario war wesentlich weniger streng gegenüber Claudia als er es sonst war, egal bei wem.

Den Hausmädchen war das ebenfalls aufgefallen, sie kicherten hinter vorgehaltenen Händen darüber und diskutierten, was Claudia wohl hinter verschlossenen Türen alles tat, um Dario derart an der kurzen Leine zu halten.

Aber Frediano wusste es besser. Es war nichts, was sie tat, wenn sie allein mit ihrem Mann war, nein, im Gegenteil, sie machte es ganz offen vor allen anderen Leuten, vor jedem, der hinsah – aber kaum einer von ihnen schien das zu bemerken. Dabei war es so offensichtlich, fand er zumindest.

Wenn sie etwas von Dario wollte und er ihr in die Augen sah, murmelte sie etwas, ganz leicht, kaum wahrnehmbar, bewegte sie dann ihre Lippen, worauf ihre blauen Iriden noch strahlender als sonst erschienen. Wenn sie dann wieder verstummte und ihre Augen zur Normalität zurückkehrten, tat Dario alles, was sie wollte, ohne dass es ihm wohl bewusst war.

Frediano wusste nicht, was es war, das sie tat oder wie sie es tat und nicht einmal warum. Aber er vermied es auch, sie danach zu fragen, denn in seinem bislang nicht sonderlich langen oder aufregenden Leben von elf Jahren hatte er bereits mehrmals schmerzhaft gelernt, dass zu viele Fragen Konsequenzen nach sich zogen – vor allem wenn sie der falschen Person gestellt wurden.

Claudia lief gemeinsam mit Dario los, Frediano blickte ihnen hinterher. Egal wie er es drehte und wendete, selbst wenn er die beiden so beobachtete, kam es ihm nicht so vor als wären sie eine Familie. Obwohl Claudia nach Darios Arm gegriffen hatte, lief dieser einen Schritt entfernt von ihr, es war fast schon grotesk, wie sie versuchte, den Eindruck eines Liebespaares aufrecht zu halten, während er die Distanz wahren wollte.

Mit langsamen Schritten folgte er ihnen und lief nach kurzer Zeit bereits neben ihnen. Claudia wandte ihm den Kopf zu und lächelte, aber sie bot ihm nicht die Hand an. Möglicherweise aus bloßer Gedankenlosigkeit oder weil sie ihn für zu alt dafür befand, aber für Frediano war es ein deutliches Zeichen, dass sie ihn zumindest nicht im Moment als Teil ihrer Familie sah.

Direkt am See angekommen, hielten sie schließlich wieder inne. Dario riss sich mit einer ruckartigen Bewegung wieder los und ging einige Schritte in eine andere Richtung davon.

„Was ist los mit ihm?“, fragte Frediano.

Die Abweisung seines Vaters war er schon lange gewöhnt, sie schmerzte nicht mehr, aber dass er dasselbe auch mit Claudia tat, war neu. Oder es fiel ihm das erste Mal an diesem Tag auf.

Sie sah ihrem Mann fast schon ein wenig traurig hinterher. „Oh, ich weiß auch nicht. Vielleicht betrauert er noch den Tod von Lady Deirdre. Sie hat ja immerhin sehr... eng mit ihm zusammengearbeitet.“

Ihr Blick wurde augenblicklich finster, als sie an diese Frau dachte. Frediano erinnerte sich an Lady Deirdre als eine freundliche Kavalleristin und Vizekommandantin der Kavallerie. Sie und Dario hatten oft gemeinsam Überstunden gemacht, wenngleich einige der anderen Kavalleristen hinter vorgehaltenen Händen tuschelten, dass die beiden eine Affäre gehabt hätten – Frediano bekam viel von diesen geflüsterten Geschichten mit, allein dadurch, dass er aufmerksam beobachtete, ohne dass er dabei bemerkt wurde.

Vor wenigen Wochen aber war Lady Deirdre tot aufgefunden worden. Viel hatte Frediano nicht über die Umstände ihres Todes erfahren, aber es war als Selbstmord klassifiziert worden, obwohl kein Abschiedsbrief zu finden gewesen war. Dafür erinnerte er sich deutlich an die Reaktion seiner Mutter auf dieser Nachricht, sie war nicht im Mindesten überrascht gewesen, eher zufrieden. Aber sein daraus folgender Schluss, dass sie damit irgendwie in Verbindung stand, wollte ihm gar nicht gefallen, deswegen verwarf er den Gedanken rasch wieder.

„Er wird sich schon wieder beruhigen“, versicherte Frediano ihr, worauf sie zustimmend nickte. „Ja, das glaube ich auch, mein Lieber.“

Claudia lächelte ihm zu und blickte dann genau wie Dario, der mehrere Schritte entfernt wieder stehengeblieben war, auf den See hinaus. Die Wasseroberfläche war vollkommen glatt, nichts sorgte dafür, dass sie sich kräuselte oder Wellen schlug. Ein Anblick, der für Frediano unheimlich beruhigend war, aber seinem Vater sicherlich bald zu langweilig werden würde, so dass er in die Kutsche zurückkehren und darauf warten würde, dass auch die anderen beiden folgten.

Claudia seufzte leise und hob ein wenig die Hand, um mit dieser auf das Wasser zu deuten. Bunte Funken begannen von ihren Fingern zu sprühen, zu einer unhörbaren Melodie in der Luft zu tanzen und dann im See zu verschwinden – aber nicht für lange, denn im nächsten Moment begann das Wasser an dieser Stelle zu brodeln und eine Fontäne schoss in die Höhe. Claudia vollführte eine Handbewegung, worauf sich die Säule zu biegen begann, so dass sie wie ein Bogen auf der Wasseroberfläche ruhte, die abspringenden Tropfen reflektierten das Sonnenlicht, worauf sich ein intensiver Regenbogen bildete, der direkt über der Wasserrundung thronte als sei er die exakte Kopie von dieser.

Dario betrachtete das mit großem Interesse, Fredianos Aufmerksamkeit dagegen galt Claudia, deren Lächeln erloschen war, ihr Gesicht verriet, dass es ihr einiges an Anstrengung abverlangte, diesen Zauber aufrechtzuhalten. Ja, es musste ein Zauber sein, davon war er absolut überzeugt, selbst wenn sie es nie aussprach und er sie natürlich nie danach fragen würde. Die Fähigkeit, zu zaubern, war gar nicht so unbekannt in Király, wenngleich nur die wenigsten davon Gebrauch machten. Es galt als anstrengend und wenn man nicht über magisches Blut verfügte, war es ein fast aussichtsloses Unterfangen, brauchbare Ergebnisse zu erzielen.

Als Claudia schließlich erschöpft ihre Hand sinken ließ, verschwand die Wasserfontäne, während der Regenbogen nur langsam verblasste. Aber sie hatte ihr Ziel offensichtlich erreicht, denn Darios Interesse an dem See war wieder geweckt. Frediano hörte, wie er aufgeregt zu murmeln begann, wie er es immer tat, wenn er etwas besonders Tolles beobachtet hatte, aber wie eh und je war für Außenstehende – besonders auf diese Entfernung – nichts zu verstehen.

Claudia dagegen lächelte ihrem Sohn zu. „Na, habe ich das nicht wieder fein hingekriegt?“

Er war versucht, sie endlich zu fragen, wie sie das tat, aber stattdessen nickte er nur und folgte ihr dann zu Dario hinüber, der ihnen dieses Mal nicht auswich. Der Kommandant war immer noch von dem Schauspiel fasziniert und wie Frediano wusste, würde das auch den Rest des Tages anhalten, selbst wenn sie später wenige Schritte entfernt ihr Mittagessen zu sich nahmen, würde sich Darios Gesprächsthema nur darum drehen.

Aber das störte Frediano nicht. Immerhin waren sie alle zusammen, so selten wie das auch vorkam und außer ihnen gab es nur noch den Kutscher, der sich allerdings nicht um sie scherte.

Sie waren in diesem Moment eine Familie – und er ahnte noch nicht, dass es der letzte Ausflug dieser Art sein würde, bevor man ihn nach Cherrygrove abschob, einen Ort, den er bislang nur vom Hörensagen kannte. Somit konnte er diesen Ausflug in aller Ruhe genießen und sich wie so oft nur im Inneren fragen, was mit seiner Familie eigentlich nicht stimmte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2012-03-12T19:15:42+00:00 12.03.2012 20:15
Warum ich mir jetzt ausgerechnet diesen OS als nächstes vornehme? Ganz einfach:
> diesmal bin ich mit dem Ergebnis selbst nicht so ganz zufrieden, man merkt richtig, dass es mir schlecht ging und ich frustriert war, während ich es schrieb.
Deswegen. ^^
Es interessiert mich schon seit dem Erscheinen dieses OSs, ob man ihm wirklich anmerkt, dass es dir nicht gut ging und daher die Qualität anders ist, als sonst. Irgendwie zweifle ich nämlich daran, aber ich versuche trotzdem, es möglichst neutral zu betrachten. ;)
Außerdem wollte ich mir den Lan und Fredi OS bis zum Schluss aufheben~
Dann mal los~ :D *anfang zu lesen*

> Dario Caulfield war genervt und das zeigte er auch durchaus deutlich.
Jedes Mal, wenn ich seinen Namen lese, muss ich einfach gleich an Taras Papa denken und an die Probleme, die er wegen seinem sicherlich gehabt hat. :,D
Ich mag es übrigens, wenn Kapitel so anfangen. Also wenn Kapitel gleich mit einem bestimmten Gemütszustand eines Charakters anfangen, weil man dadurch diesen tollen "Ins-Geschehen-reingeworfen-werden"-Effekt hat. =3
Außerdem stelle ich mir dieses Bild von Dario, wie deutlich genervt er ist, göttlich vor. XD

> aber wenn man die Strecke fuhr, dauerte es weniger als eine Stunde.
Ob mit der Kutsche fahren genauso schön ist wie Auto fahren? Hmmm ...
Wenn ja, dann wäre mir eine Stunde viel zu wenig. >.<

> Er fürchtete sich nicht, immerhin war er davon überzeugt, dass es keine Gefahr auf dieser Welt geben könnte, die ihm körperlich schaden würde,
Da ist aber jemand äußerst überzeugt. XDD
Wie kommt er denn darauf? o___Ô

> Als die Kutsche hielt, verließ Dario sie als erstes, um danach seiner Frau und im Anschluss seinem Sohn aus dem Gefährt zu helfen.
Oh, aber er ist ein Gentleman. Hätte ich jetzt nicht erwartet. =)
... Irgendwie ist Fredis Dario so das totale Gegenteil von Taras Dario, ich glaube, das würde ihr gefallen. :,D
Tara: ... Wollen wir tauschen?
Dario: ;_;

> Wenn sie dann wieder verstummte und ihre Augen zur Normalität zurückkehrten, tat Dario alles, was sie wollte, ohne dass es ihm wohl bewusst war.
HEXEREI!!! o___Ô
Tja, Hexen eben. :,D
... Aber ist so was dann überhaupt echte Liebe? Ich meine, selbst wenn man nur dafür sorgt, dem anderen eine bessere Stimmung zu verschaffen, ist das ja Manipulation. Und sobald man seinen Partner manipulieren muss, ist man nicht mehr mit ihm zufrieden und irgendwann schadet das der Liebe, oder?

> aufregenden Leben von elf Jahren hatte er bereits mehrmals schmerzhaft gelernt, dass zu viele Fragen Konsequenzen nach sich zogen
Fredi hatte es wirklich nicht leicht ... =(

> aber für Frediano war es ein deutliches Zeichen, dass sie ihn zumindest nicht im Moment als Teil ihrer Familie sah.
Oha, da herrscht ja eine ganz schön eisige Stimmung in der Familie. .___.

> „Oh, ich weiß auch nicht. Vielleicht betrauert er noch den Tod von Lady Deirdre. Sie hat ja immerhin sehr... eng mit ihm zusammengearbeitet.“
Da ihr Blick im nächsten Satz finster wird, nehme ich an, ich verstehe dieses "eng" richtig?
Uff ... ja, die Stimmung in dieser Familie ist wirklich eisig. Armer Frediano. =(

... Mal ehrlich ... Claudia hat sie umgebracht, oder? o___o

> Claudia seufzte leise und hob ein wenig die Hand [...]
Also mal ehrlich ... die darauf folgende Beschreibung ist ja wohl mal der Wahnsinn. Es verschlug mir glatt den Atem, ich hätte dieses Schauspiel zu gerne in echt gesehen.

> Claudia dagegen lächelte ihrem Sohn zu. „Na, habe ich das nicht wieder fein hingekriegt?“
Awww ... also irgendwie war diese Geste ja jetzt wiederum total süß, im Vergleich zu der kalten Stimmung zuvor. <3

> der sich allerdings nicht um sie scherte.
Der Kutscher ist mir sympathisch. XDD

Also ich weiß nicht, was du hast, mir hat der OS gefallen (er war nicht mal zu kurz, sondern genau richtig von der Länge her). =)
Ich finde, es war ein guter und interessanter Einblick in die Familie von Fredi, besonders was die Beziehung zwischen ihnen anging. Vor allem mochte ich sehr, dass die Stimmung am Anfang wirklich kühl und nahezu trostlos war, bis Claudia mit ihrem Zauber Wärme in die Situation brachte (obwohl es sie angestrengt hat, gerade das fand ich besonders toll daran) und der Ausflug dann doch ein voller Erfolg wurde.
Ich fand Dario irgendwie total niedlich, wie sehr ihn dieses Schauspiel fasziniert hat, hehe.
Jedenfalls fand ich es äußerst interessant. Momentan mag ich es, den einzelnen Beziehungen zwischen den Charas aus CV auf den Grund zu gehen, also wie die einzelnen Figuren zueinander stehen, daher war dieser OS eine besondere Bereicherung. :D


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