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Abseits des Weges

Erinnerungen sind wie Fragmente
von

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Erinnerungen im Winter

Normalerweise war Cherrygrove im Winter kein sonderlich schöner Anblick. Die kleine Stadt, fast eher ein Dorf, lag in einer Umgebung, in der es eigentlich nur selten schneite. Im Winter wurde es zwar kalt, die kahlen Äste der Kirschbäume, die dem Ort zu seinem Namen verholfen hatten, ragten wie unheimliche schwarze Finger in den grauen Himmel als versuchten sie diesen um Hilfe anzuflehen, aber es schneite nicht. Oriana wusste sogar, dass Landis als Kind im Winter oft Angst vor dem Baum verspürt hatte, der direkt vor seinem damaligen Fenster stand. Es sah tatsächlich so aus als würde er seinen Ast in Richtung der Scheibe strecken und die Finger beugen als würde er ein williges Opfer mit knorrigen Gelenken herauslocken wollen. Blieb nur noch die Frage, was er danach mit dem Betroffenen tun würde...

Doch der Gedanke entfloh Oriana rasch, da er von ihrer Glückseligkeit verscheucht wurde. In ihrem derzeitigen Zustand spürte sie nicht einmal die Kälte, die sich trotz ihres Mantels und ihrer Handschuhe an ihr festzuklammern versuchte und damit auch erfolgreich wäre, wenn ihre aufgeregten Gedanken sich nicht um gänzlich andere Themen drehen würden und ihr damit die Temperaturen egal sein ließen.

Warum sie nach dem Hören dieser Nachricht zuerst den Weg zu dem Baum hinter Landis' altem Haus gesucht hatte, war ihr unerklärlich, aber sie stellte erfreut fest, dass er ihr zum ersten Mal weniger bedrohlich als früher erschien – und auch weniger bedrückend.

Es lag, davon war sie überzeugt, teilweise daran, dass sie erwachsen geworden war und sich nun nicht mehr von Schatten einschüchtern ließ, da sie gelernt hatte, dass sich in ihnen nichts Gefährliches versteckte. Zum anderen lag es aber auch an dem, was sie soeben erfahren hatte und das erklärte, woher ihr Unwohlsein der letzten Wochen rührte. Es stimmte sie glücklich, vergnügt wie ein kleines Kind beinahe und ließ sie die Vergangenheit erstmals mit einem zufriedenen Lächeln und ohne das drückende Gefühl von Reue betrachten.

Sie wandte den Blick erst von diesem Baum ab, als sie hörte, sie jemand ihren Namen rief. Frediano kam mit vor Sorgen zerfurchtem Gesicht auf sie zugelaufen. Er wäre liebend gern bei ihrer Untersuchung dabeigewesen, wie sie wusste, aber dringendere Angelegenheiten, verbunden mit ihrer Bitte, sich lieber um die Arbeit zu kümmern als um sie, hatten ihn schließlich doch dazu gebracht, sich mit der Kavalleristenschule und deren Problemen zu beschäftigen.

In Wahrheit hatte sie nur Angst vor dem Ergebnis der Untersuchung gehabt und es erst einmal selbst hören wollen, um sich dann zu überlegen, ob und wie sie es ihm mitteilen wollte. Er zeigte es nie, aber sie wusste, dass er doch reichlich sensibel war und das war einer der Gründe, warum sie ihn so sehr liebte und ihn geheiratet hatte.

Auch wenn sie wider Erwarten eine gute Nachricht bekommen hatte, war sie froh darum, allein gewesen zu sein. Immerhin war ihr dadurch die Möglichkeit gegeben, ihm die frohe Mitteilung nun zu überbringen und zu beobachten, wie seine besorgte Miene endlich wieder verschwand.

Als er bei ihr stehenblieb, nahm er hastig ihre Hand in seine. Mit einem Lächeln erinnerte sie sich daran, wie er zu Beginn immer leicht errötet war, wenn sie es wie selbstverständlich bei ihm getan hatte. Inzwischen war er ihre Nähe nicht nur gewöhnt, er suchte sogar nach ihr und das machte sie glücklich – denn welche Frau mochte es schon, wenn der eigene, geliebte Ehemann sich von ihr fernhielt?

„Was hat sie gesagt?“, fragte er atemlos, offenbar nicht im Mindesten erstaunt oder verärgert darüber, dass er sie vor Landis' Haus fand. „Was ist mit dir?“

Vor dem Besuch bei ihrer Ärztin hatten sie nicht darüber gesprochen, aber Oriana wusste, dass Frediano in Sorge gewesen war, dass ihr etwas Schlimmes fehlen könnte. Wann immer seine Zeit es zugelassen hatte, war er dabei gewesen, Fachbücher zur Rate zu ziehen oder mit dem Arztsohn Kenton darüber zu sprechen und dabei war – trotz Kentons Beruhigung – seine Furcht immer größer und größer geworden, wie ein ungewisser Schatten, wenn man diesen zu lang und mit zu viel Fantasie betrachtete.

Oriana sah ihm direkt in die Augen, was ihn zumindest ein wenig ruhiger werden ließ. Sein Atem, der aufgrund der Kälte in weißen Wolken austrat, wurde regelmäßiger, aber sein blasses Gesicht bekam keinerlei zusätzliche Farbe.

Er weckte ihr Mitleid, weswegen sie die Antwort nicht mehr länger hinauszögerte: „Sie hat mir gratuliert.“

Doch das schien Frediano nichts zu sagen, er blickte zwar nicht mehr besorgt, dafür aber verwirrt, er wusste ganz offenbar nicht, warum eine Ärztin einer Patientin gratulieren sollte, wollte ihr das aber auch nicht verraten, sondern auf ihre Ergänzung warten – und dass er auf eine solche hoffte, konnte sie im kaum merklichen Zucken seiner Mundwinkel sehen.

Wann genau ihr bewusst geworden war, was all seine kleinen Gestiken bedeuten sollten, wusste sie nicht, aber dafür erinnerte sie sich noch genau an die schelmische Freude, die sie in diesem Moment durchflutet hatte. Es war einer jener Augenblicke gewesen, der sie zu der Entscheidung geführt hatte, ihn heiraten zu wollen und nicht Landis. Und auch im Anbetracht des Verschwindens ihres Jugendfreundes im Anschluss, bereute sie ihre Wahl nicht, denn sie war glücklich mit Frediano und sie verstand ihn auch ohne Worte – und so sagte er ihr mehr, als es Landis je möglich gewesen war.

Mit einem Lächeln zog sie seinen Oberkörper ein wenig zu ihr herunter, damit sie ihm ins Ohr flüstern konnte, worin die gute Nachricht bestand. Es machte sie viel zu verlegen, es ihm direkt ins Gesicht zu sagen, auch wenn das so gar nicht zu ihr passen wollte.

Sie konnte hören, wie er erschrocken die Luft einsog, sie fürchtete sogar, ihn falsch eingeschätzt zu haben, dass er sich gar nicht freuen würde über diese Nachricht.

Doch ehe der Pessimismus Einzug in ihr Gefühlsleben halten konnte, umarmte Frediano sie bereits und drückte sie sacht an sich.

„Das ist ja wunderbar“, hauchte er, in einem Tonfall, den sie noch nie zuvor von ihm gehört hatte.

Sie legte ebenfalls die Arme um ihn und hob den Kopf ein wenig, um die ersten Schneeflocken seit Jahren zu betrachten, die gerade vom stahlgrauen Himmel fielen.

Lächelnd beschloss sie innerlich, dass Schneetage nun die besonderen Tage von ihr und Frediano sein sollten – denn immerhin hatten sie beide an einem solchen erfahren, dass sie Eltern werden würden.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2012-10-15T12:33:29+00:00 15.10.2012 14:33
Endlich! Custos Vitae! Hat mir ganz schön gefehlt, muss ich sagen. Daher bin ich erleichtert und glücklich darüber, dass es dazu immer was zu lesen gibt, wenn mich die Sehnsucht danach mal wieder so richtig packt. X3
Und ich freue mich auch, dass du was mit Ria geschrieben hast. Das lastete dir ja schon länger auf der Seele. :)
Übrigens kommt mir dieser OC sehr, sehr, sehr gelegen. Mehr mag ich an der Stelle nicht verraten, aber auf jeden Fall vielen Dank. Genau so was habe ich gebraucht. ;D
Ich mag das Bild von Ria zu diesem OS sehr gerne. <3
Also gut, ich fange dann mal an. *anfang zu lesen*

> Normalerweise war Cherrygrove im Winter kein sonderlich schöner Anblick.
Jetzt echt nicht?! o___Ô“
Damit wurde mein traumhaft schönes Bild im Kopf zerstört. Q___Q

> lag in einer Umgebung, in der es eigentlich nur selten schneite.
Ach so, ja, stimmt. Ich glaube mich zu erinnern, dass du mir das mal sagtest (weil ich mal fragte, für WwFs glaub ich). Oke, dann ist der Anblick wohl echt nicht so berauschend. D:
Beruhigt mich jetzt aber auch, denn dann kann ich an meinen plänen festhalten. >:D

> ragten wie unheimliche schwarze Finger in den grauen Himmel als versuchten sie diesen um Hilfe anzuflehen,
Boah, NEID! O___O
Du hast so schöne Beschreibungen. >.<

> dass Landis als Kind im Winter oft Angst vor dem Baum verspürt hatte, der direkt vor seinem damaligen Fenster stand.
Da hätte ich aber auch Angst gehabt, wenn die Bäume im Winter so unheimlich aussehen. D;
Gut, dass vor meinem damaligen Kinderzimmerfenster kein Baum stand, schon allein wegen den ganzen Insekten im Sommer. >.<
Hach, irgendwie wecken so kahle, unheimliche Bäume in mir immer die Erinnerung an den Film „Poltergeist“ (obwohl mir die Stelle mit dem Baum und dem Gewitter als Kind immer Angst einjagte D;). <3

> was er danach mit dem Betroffenen tun würde...
An solchen Stellen sollte man seine Fantasie wegsperren, ehe sie schlimmes anstellen kann. D;

> Warum sie nach dem Hören dieser Nachricht
Oh, welcher Nachricht? Hat sie da etwa gerade erfahren, dass sie schwanger ist? :3

> dass sich in ihnen nichts Gefährliches versteckte
Dann bin ich wohl doch immer noch nicht erwachsen. D;
Erst gestern Abend, als ich noch Müll rausgebracht habe, wäre ich fast gestorben vor Angst. Aus irgendeinem Grund höre ich immer die unheimlichsten Geräusche, wenn ich im Dunkeln draußen alleine bin und bilde mir immer ein, dass irgendwelche wilden Tiere im Schatten lauern. Das mag sich jetzt albern anhören, ist aber so. Und deswegen hasse ich es, im Dunkeln alleine draußen zu sein. >.<

> woher ihr Unwohlsein der letzten Wochen rührte.
Oh, dann ist sie wirklich schwanger. Wie schön für sie. :3

> als sie hörte, sie jemand ihren Namen rief.
„wie“ jemand ihren Namen rief.

> dass er doch reichlich sensibel war und das war einer der Gründe, warum sie ihn so sehr liebte und ihn geheiratet hatte.
Fredi ist so ein toller Mann. <3
Ich sagte es schon zur Genüge, aber ich bin überaus glücklich, dass er nicht mehr dieser unausstehliche Charakter von früher aus der alten Version von SV ist. Inzwischen habe ich ihn sehr gerne.

> wie er zu Beginn immer leicht errötet war, wenn sie es wie selbstverständlich bei ihm getan hatte.
Wie süüüß! X3
Ist das alles gerade fluffig. <3
Richtig schön. Q///Q

> denn welche Frau mochte es schon, wenn der eigene, geliebte Ehemann sich von ihr fernhielt?
Ich. :,D *hust*
Nein, im ernst, ich mag Nähe nicht. D;
Selbst von meinem Partner/meiner Partnerin nicht, keine Ahnung wieso. Ich persönlich vertrete ohnehin die Auffassung, dass wahre Liebe auch ohne körperliche Nähe auskommen kann. Doch da hat jeder seine eigene Meinung. ^^

> offenbar nicht im Mindesten erstaunt oder verärgert darüber, dass er sie vor Landis' Haus fand
Wie ungewöhnlich für Fredi, und zeitgleich so rührend, denn er scheint sich wirklich Sorgen um sie zu machen. :3

> wenn man diesen zu lang und mit zu viel Fantasie betrachtete.
Wie gesagt: Man sollte in solchen Fällen die eigene Fantasie lieber wegsperren. D;
Aber ich bin gerade absolut gerührt davon, wie viel Sorgen er sich gemacht hat. Sympathie zu ihm ist soeben weiter in die Höhe geschossen. <3

> bereute sie ihre Wahl nicht, denn sie war glücklich mit Frediano
… Jetzt bin ich traurig, wegen Landis. :(
Natürlich freue ich mich für Ria und kann mittlerweile auch verstehen, warum sie Fredi liebt und finde auch, dass sie ein tolles Paar sind. Doch das Landis irgendwie nach seinem Verschwinden aus Cherrygrove so viel leiden muss (zumindest in meinen Augen … man möge mich korrigieren, wenn ich mich irre :,D), stimmt mich traurig. Ich wünschte, Landis könnte genauso glücklich sein.

> und sie verstand ihn auch ohne Worte
Wie bei Lan und No, dann sind sie wahrlich füreinander geschaffen. XD
Nein, Spaß beiseite, das freut mich für Ria. :)
Sie hatte ja immer befürchtet, dass sie gegen Nolan keine Chance hätte und daher finde ich es toll, dass sie nun ihre Person gefunden hat, die sie ohne Worte versteht.

> auch wenn das so gar nicht zu ihr passen wollte.
Awwwwww~ So süß! <3

> um die ersten Schneeflocken seit Jahren zu betrachten
Awwwwww~ Q___Q

Das war mal ein richtig schöner, fluffiger OS (auch wenn er mich einerseits wegen Landis traurig stimmt). Und endlich hat Ria mal Aufmerksamkeit bekommen. Und es war, wie immer, herrlich was neues zu CV zu lesen. Ich bin mal wieder beflügelt von diesem Mammutprojekt. Es hat einfach so viel Liebe. <3
Von:  Lianait
2012-09-29T21:57:41+00:00 29.09.2012 23:57
Okay, ich les den OS jetzt auch noch. Immerhin handelt er von Ria! *__*
Keine Ahnung warum, aber ich mag sie irgendwie. :3

> ragten wie unheimliche schwarze Finger in den grauen Himmel als versuchten sie diesen um Hilfe anzuflehen.
Ein geniales Bild. :3

> als würde er seinen Ast in Richtung der Scheibe strecken und die Finger beugen als würde er ein williges Opfer mit knorrigen Gelenken herauslocken wollen.
Die Angst hatte ich als Kind auch vor einem Baum, der vor 'meinem' Schlafzimmer bei meiner Oma stand. Ö_Ö Och konnte oft nicht einschlafen, weil ich dachte, dass mich was von draußen holen kommt. D;

> dieser Nachricht
Ich hab das Gefühl, dass sie schwanger sein könnte. Würde ihre Glückseligkeit erklären. :,D

> dass sie erwachsen geworden war und sich nun nicht mehr von Schatten einschüchtern ließ, da sie gelernt hatte, dass sich in ihnen nichts Gefährliches versteckte.
Sie ist toll und so. T_T *hat heute noch Angst vor den Schatten*
Aber gut, ich würde mich auch nicht unbedingt als 'erwachsen' bezeichnen. xD

> Frediano kam mit vor Sorgen zerfurchtem Gesicht auf sie zugelaufen.
Er ist auch toll. :3

> Er zeigte es nie, aber sie wusste, dass er doch reichlich sensibel war und das war einer der Gründe, warum sie ihn so sehr liebte und ihn geheiratet hatte.
Ich mag die beiden zusammen, aber wie ist das dann später mit Landis? D;

> Als er bei ihr stehenblieb, nahm er hastig ihre Hand in seine.
Awwww~
Ich persönlich finde sowas niedlich. :3

> wie er zu Beginn immer leicht errötet war, wenn sie es wie selbstverständlich bei ihm getan hatte.
Awwwwwwwwwww~~~~
Noch viel niedlicher!
Aber Fredi und Lan und so. D;

> wenn der eigene, geliebte Ehemann sich von ihr fernhielt?
*Gedanken an SV*
Q_____________Q
Arme Ria. D;

> seine Furcht immer größer und größer geworden
Ahnt er schon, dass sie schwanger ist und muss an den Deal mit Vita denken, oder wird das im Reboot dann doch anders?

> Wann genau ihr bewusst geworden war, was all seine kleinen Gestiken bedeuten sollten, wusste sie nicht, aber dafür erinnerte sie sich noch genau an die schelmische Freude, die sie in diesem Moment durchflutet hatte.
Ich finde so etwas auch immer toll und niedlich und so. :3

> sie verstand ihn auch ohne Worte – und so sagte er ihr mehr, als es Landis je möglich gewesen war.
Auf der einen Seite ist es toll, weil ich Fredi mag, aber auf der anderen Seite ist es blöd, weil ich auch Landis mag. Q_Q

> Mit einem Lächeln zog sie seinen Oberkörper ein wenig zu ihr herunter, damit sie ihm ins Ohr flüstern konnte,
Awwww~~
Immer noch niedlich! >//<

> Es machte sie viel zu verlegen, es ihm direkt ins Gesicht zu sagen,
Awwwwwwwwwwwww~~~~~
x///3

> Lächelnd beschloss sie innerlich, dass Schneetage nun die besonderen Tage von ihr und Frediano sein sollten – denn immerhin hatten sie beide an einem solchen erfahren, dass sie Eltern werden würden.
Ein wunderniedliches Ende. :3

Ich fand den OS wunderbasch schön fluffig und ich will ihn anflauschen. ( ._.)
...
(._. )
*in einem unbeobachteten Moment anflausch*
Hehe~ >:3
Äh, ja. :,D Wie gesagt, ich fand ihn sehr toll und wenn ich gleich aus der Dusche komme, hoffe ich, dass mich der Fluff angesteckt hat und ich endlich mal weiterschreibe. :3


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