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Rushhour - Sieh mich an

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III

Es war heiß im Wagon, die Luft war schlecht, schräg hinter ihm wurde gehustet. Als Naruto plötzlich das Gefühl hatte, sein Brustkorb wäre völlig eingeschnürt, erkannte er die ersten Anzeichen von Klaustrophobie. Zusammengedrückt wie er war, zwang er sich so gleichmäßig und flach wie möglich zu atmen, und betete inständig, dass diese Fahrt endlich vorbei sein möge. Es waren nur noch drei Stationen bis Shinjuku, aber er hatte so ein gewisses Gefühl, dass die Zeit wieder angefangen hatte zu kriechen, jetzt wo es so unangenehm und drückend eng war.

Zurück in der Realität, Baby.

Naruto konnte die Aussicht auf den fleckigen Hinterkopf und die Schuppen nicht länger ertragen und schloss ergeben die Augen. Sobald er nichts mehr sah, verstärkte sich die Wahrnehmung der gegen ihn gequetschten Körperteile um das Dreifache, aber Naruto ließ die Augen dennoch zu und versuchte sich da hinzudenken, wo niemand hinkam, egal wie sehr er eingezwängt war. Er versuchte, sich auf seinen grummelnden Magen zu konzentrieren und auf den gleichmäßigen Rhythmus seiner Bauchschlagader darunter. Dort, wo es nichts gab außer warmer, träger Schwärze und seinem Puls.

Die mentale Übung sollte eine Art innere Ruhe hervorrufen und ihn vor dem Schlimmsten bewahren, wenn er von der aufdringlichen Nähe völlig überfordert war, so wie im Moment. Sie war ein letzter Ausweg, wenn ihm diese paradoxe Körperkontakt-Verlorenheit-Sache absolut zu viel wurde. Naruto hatte das schon länger nicht mehr machen müssen, aber jetzt wurde es wieder besonders schlimm. Denn dort drinnen, wo es friedlich und still sein sollte, fand er nicht die erhoffte Ruhe, sondern einen dicken drückenden Knoten aus Aufgewühltheit und lauernder Reue. Immer wieder blitzte das Bild von schwarzglänzenden Augen in einem ironisch lächelnden Gesicht auf. So tief war der Bastard also bereits vorgedrungen. Naruto konnte nicht mal mehr diese simple Übung machen.

Einer der Ärzte vom Gesundheitszentrum seiner Uni hatte ihm geraten, diesen Trick zu lernen. Damals hatte er erst ein paar Monate in Tokio gewohnt und kam mit dem krassen Wechsel von seiner kleinen Stadt am Meer, die 600 Kilometer entfernt war und im Verhältnis zu Japans Hauptstadt wie ein kleines beschauliches Dorf wirkte, nicht besonders gut klar. Er schlief sehr schlecht und fühlte sich krank. Schwach, ohne Appetit, irgendwie nicht ganz auf der Höhe. Dabei wurde Naruto nie krank!

Nach wochenlangem Quälen und Nörgeln war er schließlich doch zum Arzt gegangen, und der hatte ihn untersucht und ihm überraschenderweise eröffnet, dass ihm nichts fehle. Körperlich sei er völlig gesund, aber vielleicht sei ja die veränderte Lebenssituation daran schuld. Die Ursache müsse psychologischer Natur sein. Naruto hatte sich gegen diese Diagnose heftig gesträubt, verständlicherweise! Sollte das etwa heißen, er war ein Psychofreak? Sowas wollte er nicht über sich hören, denn er war keiner. Ende aus!

Aber das mentale Training hatte dennoch geholfen. Nach und nach wurde es weniger schlimm, hier zu leben, und irgendwann eigentlich fast normal. Nur heute funktionierte es einfach nicht richtig.

Um ihn herum gab es wieder ein kleines Gedrängel. Vermutlich ein paar panische Leute, die dachten, sie würden es nicht mehr rechtzeitig zum Ausgang schaffen, wenn sie sich nicht jetzt sofort hier durchwühlten. Naruto presste die Augen stur zusammen. Hier konnte sich sowieso niemand bewegen, es war einfach zu eng.

Da spürte er, wie der Druck gegen seinen rechten Arm plötzlich verschwand. Einen Moment lang war da nur Luft, und dann fühlte er, wie jemand anders sich vor ihn schob. Diese Person nahm nicht einfach den Platz des Mannes ein, sondern drückte brüsk auch gleich alle anderen weg, die irgendwie vor ihm standen. Naruto konnte die Berührung auf seiner gesamten Vorderseite fühlen, auf der Brust, am Bauch und sogar an den Armen.

Sein erster Reflex war, zurückzuweichen und die Augen noch enger zusammenzupressen. Aber dann merkte er, dass irgendetwas nicht stimmte. Er konnte am Heben und Senken seines Brustkorbs spüren, wie der andere atmete. Da stand ihm jemand direkt gegenüber, so nah, dass selbst ihre Gesichter nicht weit voneinander sein konnten. Er hörte ihn atmen.

Narutos Herz machte einen Satz. Niemand stand so da, nicht mal in einem überfüllten Zug. In einem Club vielleicht, in einem dunklen Schuppen, in einem uneinsehbaren Winkel wie gemacht fürs Fummeln und Rummachen... aber nicht in der Bahn. Egal wie voll es war. Niemand stand Brust an Brust und legte dem anderen den Kopf an die Schläfe. Blies ihm leise ins Ohr, schnupperte an seinem Haar. Das war zu aufdringlich, zu offensichtlich... das war Belästigung...

Naruto war zu perplex um zu begreifen, was hier gerade passierte. Er wusste nicht, was es bedeutete, dass er plötzlich aufatmete, als wäre er ins Freie getreten, weil er plötzlich diesen berauschenden Duft in der Nase hatte. Er wusste nicht wie es sein konnte, dass dieser Duft tief in seine Lungen strömte und mit dem Sauerstoff seiner Atemluft bis ganz hinunter in seine Zehenspitzen floss. Aber eins wusste er, noch bevor er endlich die Augen aufschlug: Sein Unbekannter war wieder da.

Und er presste seinen Körper dicht an seinen eigenen.

Ein warmer Schauer lief ihm den Rücken herunter, der nichts damit zu tun hatte, von allen Seiten zusammengequetscht zu werden. Es kam allein von dem Feuer an seiner Vorderseite, wo er den Druck des anderen auf sich spürte. So wie der andere sich leicht zu ihm beugte, fühlte er die feinen Härchen seiner Wange über seine eigene streichen. Seine Kopfhörer waren verschwunden, und seine blauschwarzen Haare berührten Narutos Gesicht. Sie kitzelten ihn und schimmerten verlockend.

Naruto wollte mehr davon. Er verspürte den Impuls, seine Hände in diesem faszinierenden rauglänzenden Haar zu vergraben und mit den Fingerspitzen über die Kopfhaut zu fahren. Er wollte darüber streichen und bei dem anderen die gleichen Schauer auslösen, die er selbst fühlte. Aber seine Hände waren neben seinen Hüften eingeklemmt.

Ohne nachzudenken, was er da tat, beugte er sich leicht vor und erwiderte den Druck, den der Fremde auf ihn ausübte. Es fühlte sich gut an, sich so aneinander zu lehnen. Es war erregend. Naruto drehte den Kopf ein wenig und atmete in dieses wundervolle Haar, und ihm war, als ginge ein leichtes Zittern durch den Körper des Mannes. Was er mit den Fingern hatte tun wollen, tat er mit der Nasenspitze und strich leicht über den Haaransatz direkt hinter dem leicht geröteten weichen Ohr. Naruto stellte sich vor, wie die gleiche blassrosa Färbung auch das Alabastergesicht seines Unbekannten zierte. Er hörte ihn ein wenig schärfer einatmen, und bestimmt errötete er gerade ein bisschen. Wie als Antwort fühlte er die Lippen des anderen ganz leicht über sein eigenes Ohr streichen.

Narutos Nackenhaare stellten sich auf. Oh Gott was geschah hier mit ihm? Was geschah mit ihnen? Sowas war doch nicht normal. Wie konnte er sich so zu ihm hingezogen fühlen, wo sie noch nicht einmal ein einziges Wort miteinander gewechselt hatten?

Naruto hatte ihn doch ansprechen wollen. Er war sauer gewesen und hätte ihm eine Menge zu sagen gehabt. Aber seine Kehle war wie ausgetrocknet. So sehr er versuchte, sich zu räuspern und das belegte Gefühl auf seinen Stimmbändern loszuwerden, so wenig gelang es ihm. Er brachte nicht einen Ton heraus.

Wo waren sie hin, die Worte? Weg, verschollen, ausradiert. Seine Fähigkeit zu Sprechen führte in seinem Hirn einen Veitstanz auf, während die Wörter Purzelbäume schlugen und alles mögliche, was er hätte sagen können, so wild durcheinanderschrie, dass er nicht einmal mehr wusste, welche Sprache das war. Narutos Hirn war völlig blockiert. Er konnte jetzt nicht sprechen – aber er musste es auch nicht. Denn die Art und Weise, wie sie hier so eng aneinandergepresst standen, wie sie sich schon beinahe umarmten, sagte mehr als tausend Worte.

Ich habe mich nicht getäuscht, dachte Naruto immer wieder in seinem sprachunfähigen, aller sinnvollen Satzzusammenhänge beraubten Zustand. Er dachte es nicht in gedanklichen 'Wörtern'. Alles was folgte waren wortlose, unmittelbare Gewissheiten und Gefühle. Es war wie im Traum, wo man Dinge einfach weiß anstatt sie zu denken.

Wir haben miteinander geflirtet, und er ist nicht einfach gegangen. Er ist aufgestanden, um zu mir zu kommen, während wir uns nicht ansehen konnten. Ich bin hierher mitgerissen worden. Er hat sich zu mir durchgequetscht. Ich habe keine Ahnung, wie ihm das gelungen ist. Aber das ist egal. Er ist eigen. Er ist etwas ganz Besonderes. Nein. Jemanden wie ihn gibt es nur einmal auf der ganzen Welt. Und dieser Eine ist zu mir gekommen, um sein Gesicht in meinem Haar zu vergraben, um sich vor mich hinzustellen, als wären wir schon zusammen.

Naruto drückte sich an den stilvollen, teuren Anzug. Die sauber gearbeiteten Nähte, das fehlerfreie Muster des Stoffs, das war keine Meterware. Der absolut knitterfreie Kragen. Ob er unter dem Hemd etwas trug? Ob Naruto seine Nippel spüren könnte, wenn die Knöpfe seines Sakkos offen wären und er sich hineinpressen würde?

Naruto war längst wieder hart geworden, so hart, dass die Jeans unangenehm spannte. Aber er versuchte nicht mehr, es zu unterdrücken. Denn er war nicht der Einzige, der nun endgültig jegliche Selbstbeherrschung aufgegeben hatte. Er konnte den Ständer des anderen deutlich spüren, wie er sich gegen seine Hüften drängte, ihn lockte und reizte.

Dieser Typ... dieser dreiste, unverfrorene Kerl und ich, wir... Naruto streckte unwillkürlich seine Fingerspitzen nach dem anderen aus und landete irgendwo unweit seines Gürtels, ...wir sind ganz gleich. Er ist nicht kalt und nicht unberührbar, nicht innen drin. Innen drin glüht er und hofft... und ist ungeduldig... genau wie ich.

Von der Außenwelt bekamen sie nichts mehr mit. Sie fielen auf. Sie ernteten Blicke, verstohlene. Sie waren zwei, die private Dinge in die Öffentlichkeit trugen. Die keine Kontrolle besaßen. Die sich um nichts kümmerten als sich selbst.

Und so war es ja auch. Sie taten private Dinge. Sie hatten im Moment keine Kontrolle über sich. Und nichts kümmerte sie außer diese unerklärliche Anziehung, gegen die sie beide völlig wehrlos waren.

Naruto fühlte, wie der andere um hin herumlangte, fast als wollte er ihn umarmen. Das war in ihrer beengten Situation nicht möglich, aber auch so war es genug. Irgendwie konnte es Naruto immer noch nicht fassen, dass dieser Mensch seine perfekte Fassade einfach so aufgegeben hatte. Hätte er selbst den Schneid gehabt, so an ihn heranzutreten? Von wegen. Er hatte ihn ansprechen wollen, das schon, aber er konnte ja nicht mal ein paar einfache Sätze sagen.

Aber der andere sprach ja auch nicht. Vielleicht herrschte in seinem Kopf das gleiche Chaos wie in Narutos.

Als der Zug irgendwo hielt und sich hinter Naruto plötzlich eine Lücke auftat, woraufhin er einen überraschten, ungewollten Schritt nach hinten machte, folgte ihm der andere, als klebten sie zusammen. Naruto hatte seine Finger in seinem Gürtel verhakt und zog ihn mit sich, und der andere hielt ihn am Arm fest und ließ sich ziehen. Der intime Kontakt zwischen ihnen brach nie ab. Das Gedrängel und Geschiebe drückte sie hierhin und dorthin, als wären sie eins. Wann immer sie drohten auseinandergerissen zu werden, hielten sie aneinander fest, als ginge es um ihr Leben.

Und dabei sahen sie sich kein einziges Mal an. Es war, als hätten sie vorhin während dieses langen, unglaublich komplexen Blicks schon genug gesagt. Narutos Kopf war noch immer leicht nach links gedreht und ruhte auf der Schulter des anderen. Und das Gesicht des anderen, den er schon jetzt zu verstehen schien wie einen Freund aus Kindertagen, wich nicht von seinem Platz an seinem rechten Ohr und seiner Schläfe.

Die Regeln der Zeit waren völlig außer Kraft gesetzt. Wie sie immer wieder herumgeschoben wurden, kam es Naruto vor, als wären sie nichts als zwei Blätter im Wind, die ohne Willen und Ziel irgendwohin getragen wurden und mit den anderen Blättern einen kreisenden Tanz aufführten. Manchmal in Bewegung, manchmal ganz still.

Und es war, als könnte Naruto auf einmal wieder atmen. Die ganze Beklemmung, die ihm vorhin die Luft abgeschnürt hatte, war fort. Denn es fühlte sich an, als würde er von dem anderen gegen alles andere abgeschirmt. Irgendwie war er in dessen magischen Kreis hineingezogen worden, der ihn so unempfindlich gegen alles machte, was außerhalb war. Vorhin hatte sich Naruto über diesen unsichtbaren Kreis geärgert, der stand wie eine Festung, doch jetzt war er plötzlich selbst davon umschlossen. Er war irgendwie ein Teil davon. Sie waren dort zusammen und bildeten eine gemeinsame Schutzzone.

Es fühlte sich merkwürdig an, es so auszudrücken, aber... Naruto fühlte einen höchst sonderbaren Aufruhr in seiner Magengrube, ...aber es ist, als wären wir beide zusammen um ein Vielfaches stärker als jeder allein. Uns kann nichts mehr etwas anhaben.

Auf einmal musste Naruto heftig schlucken, um den faustgroßen Kloß in seiner Kehle herunterzuwürgen. Auf dem Weg was genau zu hoffen befand er sich hier eigentlich? Es gab x Millionen Singles, aber die Chancen, in einer Millionenstadt einen Partner zu finden, waren doch stets geringer als auf dem Land. Man hörte es so oft: Die besten Aussichten bieten noch die Arbeit, gemeinsame Freunde oder Partnervermittlungen. Man macht Koch- oder Sprachkurse und hofft, dort jemanden mit den gleichen Interessen zu treffen. Man definiert einen kleinsten gemeinsamen Nenner. Man ist realistisch und abgeklärt. Naruto glaubte doch auch nicht mehr, auf dem Weg von A nach B jemandem zu begegnen, der sein Leben verändern würde. Oder?

Nein, du triffst deinen Partner nicht in der Bahn. Du triffst ihn im Fitnessstudio, über Bekannte, übers Internet. Werde endlich erwachsen, Naruto. Du glaubst an Vorsehung? Du hältst es für so etwas wie eine Fügung, dass du in diesem Zug bist und nicht im nächsten? Sei doch nicht naiv. Dass du da am Fenster gestanden hast und nicht mit dem Rücken zur Bank? Dass du ausgerechnet heute keine Musik hast, die dich deine Umgebung sonst immer völlig vergessen lässt? Ich kann dir sagen, was das alles bedeutet: Außer der Tatsache, dass du ein weltfremder Kindskopf bist, bedeutet es gar nichts.

Es ist Verblendung zu glauben, dass du hier bist, weil ihr euch treffen solltet. Es gibt kein Schicksal, und es gibt auch kein Ding wie Liebe auf den ersten Blick. Solche Sachen redet man sich hinterher ein, wenn die Chance verpasst ist, wenn man es doch nicht gewagt hat, den anderen anzusprechen, weil man nicht mehr so unerfahren ist oder weil man Angst hat, enttäuscht zu werden. Wenn man den Blickkontakt gebrochen hat und nicht mehr wagt, noch einmal hinzusehen, und dann ist der andere plötzlich fort, und dann denkt man, wer weiß, was daraus hätte werden können, vielleicht habe ich die eine Chance, die Liebe meines Lebens zu finden, vertan...

Aber ich stehe hier und habe ihn bei mir! Ich habe ihn gefunden! Ich habe wieder hingesehen!, warf Naruto der Stimme in seinem Kopf entgegen und rüttelte fast an dem Gürtel zwischen seinen Fingern. Ich habe keine Angst–!

Und damit riss er sich endlich los, um dem Mann in die Augen zu schauen.

In genau diesem Moment ging das hektische Gedrängel wieder los. Völlig versunken in die Berührung, die fast eine Umarmung war, und in sein inneres Zwiegespräch hatte Naruto keine Ahnung, dass sie direkt vor die Tür geschoben worden waren. Dass er selbst mit dem Rücken zum Ausgang stand. Narutos Bewusstsein war ganz bei seinem Gegenüber mit der porzellanweißen Haut und der beinharten Erektion, die durch den Stoff seiner Hose gegen Narutos eigene drückte. Es war für die Außenwelt unerreichbarer als im Tiefschlaf. Es hatte keine Ahnung, wo sie sich befanden und welches Unheil auf sie wartete, wenn er nicht achtgab.

Aber dieses kleine schwarze Loch in seinem Hirn wusste es.

Shinjuku, Shinjuku desu.

Das kleine schwarze Loch, das alle Automaten besitzen, weil sie sonst nicht funktionieren können. Das übernimmt, wenn alle anderen Instanzen entschieden haben, dass sie nicht funktionieren wollen, weil irgendwo jenseits des Grabens der Schimmer eines anderen, besseren Lebens aufleuchtet. Das kleine schwarze Loch, das die Kontrolle über den Körper an sich reißt, wenn der Rest vom Dienst suspendiert ist.

Und so ließ Narutos Hand reflexartig den Gürtel los, als er die verhängnisvolle Durchsage hörte, und sprang rückwärts nach draußen. Wie im Schockzustand stolperten seine Beine auf den Bahnsteig und in Richtung Ausgang, ehe er überhaupt richtig begriff, warum diese Wärme und dieser Herzschlag, der gegen seine Brust gepocht hatte, plötzlich weg waren.

Sie waren längst auseinandergerissen, Naruto war längst in den Sog der zu den Rolltreppen drängenden Fahrgäste geraten, als er realisierte, was er Fatales getan hatte. Mit schreckgeweiteten Augen versuchte er zu stoppen und umzudrehen, warf sich unter lauten Rufen, dass er zurück müsse, der zum Ausgang strömenden Menschenmenge entgegen und versuchte fieberhaft, seinen namenlosen Mann in der Masse auszumachen. Verzweifelt suchte er nach ihm, aber längst hatten sich andere Menschen in den Zug geschoben. Purer Horror ergriff Naruto, als seine Augen ihn nicht fanden. Er durfte ihn nicht verlieren–!

Doch da ertönte das dumpfe Zuschlagen der Türen, und als er sich endlich wieder zurück zur Kante gekämpft hatte, war der Zug längst losgerollt. Naruto rannte daneben her, schlug gegen die Scheiben und schrie, und er dachte er müsse sterben, weil er doch bereits verstand, dass er verloren hatte.

 

* ~ * ~ *
 

Millionen von Menschen begeben sich täglich auf ihre vorgegebenen Wege, sei es in den Zügen der Yamanote-Linie, in Tokios U-Bahnen oder sonstwo in den Metropolen dieser Welt. Und glauben sie nicht irgendwie alle, in den flüchtigen Auszeiten von der Einförmigkeit des Alltags, dass ihr Leben auch anders hätte verlaufen können, aufregender, erfüllter, nicht nur in der unabänderlichen Vergangenheit, sondern auch in der Zukunft? Wollen sie nicht alle umarmt und geliebt werden und spüren, wie besonders und hoch geschätzt sie sind? Sehnen sie sich nicht alle nach dem einen Menschen, der sie wie ein Zwillingsstern begleitet, aufrecht hält und zu neuem Leben erweckt, selbst wenn sie ihren Traum vergessen und ihre Augen geschlossen haben?

Naruto war bloß einer von ihnen.

Aber als er dort an der Kante stand und dem längst verschwundenen Zug nachstarrte, wusste er ehrlich nicht, ob er lachen oder weinen sollte, weil er seinen Einen tatsächlich gefunden hatte. Gerade eben hatte er noch gedacht, dass sein Leben jetzt vorbei sein müsse, so abrupt und endgültig waren sie getrennt worden. Doch das war es nicht, ganz und gar nicht. Er war wirklich, wirklich froh, den anderen getroffen zu haben. Denn jetzt fing sein Leben erst richtig an.

„Ich weiß, dass du da bist“, wisperte er. „Irgendwo da draußen. Und ich werde Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um dich wiederzufinden.“

 

 

* ~ * ~ *
 

Und wer weiß, vielleicht war es ja tatsächlich möglich. Jene, die sich Realisten nennen; die zu viel Wirklichkeit erfahren haben, um ihr noch abschwören zu können; die die niederschmetternde Stimme von Wahrscheinlichkeiten und seelenloser Empirie hinter sich wissen; sie würden womöglich nicht an jemanden wie ihn glauben. Doch für alle Träumer und Romantiker, wie Naruto tief drinnen selbst einer war, würde er aufstehen, er selbst sein und kämpfen.

 

 

 

 

 

* ~ * ~ OWARI ~ * ~ *

 

 

a/n: Diese Geschichte hat ein offenes Ende und lange, lange stand hier, dass ich irgendwann eine Fortsetzung schreiben möchte. Aber eigentlich ist dieses Ende schon perfekt, denn es entzündet genau das Gefühl, das ich haben wollte. Für mich und für euch hoffentlich auch. Vermutlich hab ich es deswegen nie hingekriegt, ernsthaft mit dem Fortsetzen anzufangen ... Also, ein großes SORRY an alle, die wollten, dass es weitergeht. Rush Hour ist und bleibt dieser Oneshot. 

 

 

 



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Kommentare zu diesem Kapitel (12)
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Von:  jyorie
2014-01-30T15:43:46+00:00 30.01.2014 16:43
Hallo ^.^

oh ho ... für jemand der Platzangst hat, war Naruto aber recht entspannt
gewesen, aber ich kenn das auch manchmal, wenn man ne Jacke anhat,
vergessen die vorm Autofahren auszuziehen und es dann irgendwo juckt
oder zu heiß wird, da könnte man glatt aus der Haut fahren, wenn man sich
nicht bewegen kann, das Ding nicht los wird, aber man Autofahren muss.

Ich fand den Gedanken schön, das der Fremde kommen ist und die beiden
den Kontakt genossen haben, das sich Naruto die Blicke nicht nur eingebildet
hat, sondern, das was dahinter war. *seuftz* du hast ihre kleine Ruheoase und
das Kuscheln sehr schön beschrieben.

Man war richtig wie Naruto mit eingelullt und hat die Ruhe gespürt und dann,
das war so krass, wie Naruto einfach ausgestiegen ist, ohne an etwas zu denken.
Ein richtiger Bruch.

Ich hoffe, Sasuke hat das Rufen gehört, oder das Naruto ihn noch gesucht hat.
Oder das er ihn eben noch mal finden wird.

Liebe Grüße
Jyorie

Von:  GOTTHEIT
2012-07-24T13:54:53+00:00 24.07.2012 15:54

HIMMEL UND HÖLLE!

Ich kann dazu nur sagen - ich hab's verschlungen.
Die FF wurde mir empfohlen und zurecht!

Und ganz ehrlich. Ich finde, dass die FF keine Fortsetzung braucht. Falls du schon eine geschrieben hast, ists geil (da hab ich was zu lesen), aber im Grunde ist die FF in diesem Format wirklich perfekt. Es ist ein offenes Ende und ich dachte, du reißt mir das Herz aus der Brust, als du die Stelle beschrieben hast, an der die beiden voneinander getrennt wurden, aber die Geschichte bedarf keiner Fortsetzung.

Ich habe nichts weiter zu sagen als: perfekt.

Ich hoffe meine Augen dürfen sich anderer FFs von dir erfreuen, daher gehe ich jetzt stalken.

GOTTHEIT

Von:  Tamuh
2011-11-20T02:17:54+00:00 20.11.2011 03:17
Ahh eine sehr schöne FF!
Ich hab sie mir in eins als Gute-Nacht-FF durch gelesen, und bin sehr begeistert ^^ Wobei es mit müdigkeit etwas schwer war, die manchmal langen ausführlichen Beschreibung zu lesen, aber alles zusammen war wirklich toll.
Ich hoffe doch, das die Fortsetzung immer noch in Planung ist >< Die beiden können doch nicht so alleine bleiben! Da läuft doch noch was!
:3
Von:  Rockjunkie
2011-05-23T21:54:48+00:00 23.05.2011 23:54
Wow, ich bin total baff. Ich hätte jetzt wirklich nicht damit gerechnet, dass ich nach zig Fehlgriffen heute noch auf so eine FF stoßen würde. o.o
Dein Schreibstil ist ja der Wahnsinn - ich hab total gefesselt gelesen. Mich hats wirklich reingesogen in die Geschichte. Gott, das war irr ^^'' Ich bin noch immer ein wenig durcheinander, muss ich sagen x)
Du hast da irgendwie geschafft etwas total Wirkliches mit etwas komplett Surrealem zu verbinden und das dann auch noch total greif- und fühlbar gemacht.
Wahnsinn!
Mein Gott, mir hat's beim Ende grad ein bisschen das Herz rausgerissen. Die müssen sich wiedersehen! Oh man, ich hab grad das Gefühl, ich hab das irgendwie selbst ein bisschen durchlebt, so blöd das jetzt klingt x)
Du meine Güte, dein Talent ist echt unglaublich! Irre. ^^
Ich hoff total schwer auf eine Fortsetzung!

Liebe Grüße,
Rockjunkie
Von:  ayumi-can
2011-04-16T12:28:52+00:00 16.04.2011 14:28
du hast wirklich einen tollen schreibstil und man kann sich so richtig in die story hineinversetzen...mir standen schon die tränen in der augen als naruto sasuke losgelassen hat. *auf die knie geh* bitte bitte schreib schnell die fortsetzung, ich muss einfach wissen wie es weiter geht...nimmt sasuke den nächsten zug zurück und findet naruto an bahnsteig oder treffen sie sich im supermarkt? bitte ich muss es wissen...kannst du mir bitte~ bescheid sagen wenn die fortsetzung on ist...*hundeblick* bitte~
Von:  Trollibaer
2010-10-18T09:32:54+00:00 18.10.2010 11:32
Hallo,
entlich mal eine Beschreibung der Zugfahrt in Tokio, die ich nur aus Fensehberichten kenne, die einem geradezu abrät mit zu fahren, denn wie groß ist die Warscheinlichkeit auf Sasuke zu treffen.

Super Schreibstill!!!!!!!
lg
Trollibaer
Von:  Bi_Kawaii_x3
2010-09-02T14:59:29+00:00 02.09.2010 16:59
Huii, das is echt Wahnsinn!! :D
Die FF is SPITZE! Ich liebe deinen Schreibstil!! :)
Ich hoffe doch das die Fortsetzung bald on is. Und bitte schreib mir ne ENS wenns so weit ist, ok?^-^
Arigatou~
LG Bi
Von:  FreakyFrosch1000
2010-08-25T09:18:13+00:00 25.08.2010 11:18
WOW!!!"sprachlos"
diese FF war echt fantastisch!!!!
wie du die Sinneseindrücke die Gefühle all das beschrieben hast war echt klasse!!!!
bin ich froh das eine Fortsetzung geschrieben wird^^
bitte sag mir dann bescheid!!
Lg freakyfrosch
Von:  kobito
2010-08-24T20:44:06+00:00 24.08.2010 22:44
Oh mein Gott!Das war mit abstand eine der allerbesten stories, die ich je gelesen hab. Ich weiß gar nicht, was ich noch dazu sagen soll.
Ich bin hin und weg...
Dein Schreibstil und die Gefühle, die du übermittelst...wahnsinn!
Und vor allem, weil sie dabei nicht ein einziges Wort miteinander gewechselt haben.

Mir gefällt vor allem wahnsinnig gut, wie du die Bahnfahrt beschreibst. Du warst schon mal in Tokyo, stimmts? XD
Ich war vor kurzem dort und hab das genau so erlebt, wie du das in deiner story erzählst.

Ich warte dann mal gespannt auf die Fortsetzung und hoffe, du schreibst mir wenn es soweit ist. =)

Ganz liebe Grüße
Von:  BlackTiger
2010-08-23T19:17:10+00:00 23.08.2010 21:17
na gott sei dank ist die Fortsetzung in Planung, sonst würde ich dich jetzt dazu zwingen ^^
Ich weiß gar nicht was ich jetzt neues schreiben sollte, denn auch dieses Kappi ist absolut genial .. und dein Schreibstil erst! :D

Ich warte also mit Spannnung auf die Fortsetzungen!

lg blacky



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