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Die Chroniken von Khad-Arza - Das Blut der sterbenden Welten

Erstes Buch
von

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Der Wille der Geister

Über dem Hochland von Kisara grollte der Himmel leise vor sich hin. Neisa fuhr zusammen, schien sich aber nicht anmerken lassen zu wollen, dass das Grollen sie verunsicherte. Zoras schenkte seiner Begleiterin wenig Beachtung, während er hinter sich spähte. Seit sie die Felsnische wieder verlassen hatten, fühlte er sich verfolgt und wusste nicht genau, wieso. Vielleicht waren es die launischen Geister, die ihm einen Streich spielten. Zuzutrauen wäre es ihnen, stellte er verbittert fest, als er sich wieder nach vorn wandte und Neisa einholte, die voraus ging. In der letzten Zeit waren die Geister mürrisch und nicht wirklich eine Hilfe. Instinktiv suchte er den Himmel nach Krähen ab; nach den eigenartigen Vogelgeistern, die mit ihm sprechen konnten, die ihm die Macht gegeben hatten, halb Thalurien zu vernichten und Karana zu schlagen.

Karana. Ob der wohl noch lebte? Nicht, dass es ihn geschert hätte, aber Neisa würde sicher fuchsteufelswild, wenn sie erfuhr, was er mit ihrem Bruder angestellt hatte. An sich konnte ihm aber egal sein, was Neisa machte... er hoffte, bald ihre Familie einzuholen und sie loszuwerden. Ihre Gegenwart war unbehaglich... abermals konnte der junge Mann nicht genau sagen, weshalb.

Er beobachtete das Mädchen vor sich eine Weile im Gehen, ohne ein Wort zu sagen. Schaudern erinnerte er sich an ihr merkwürdiges Verhalten in der Felsnische und verdrängte die Gedanken an diesen flüchtigen Moment sofort wieder. Karanas Schwester war ein einziges Rätsel. Und das war sie immer gewesen...

„Kannst du nicht lächeln? Du schaust immer so grimmig...“

Er zischte ungewollt heftig bei der Erinnerung an die ersten Worte, die sie als kleines Mädchen je zu ihm gesagt hatte. Nein... zum Lächeln hatte er keinen Grund. Er schwor sich aber verbiestert, dass er es tun würde, wenn das Ungeziefer beseitigt war. Und er würde für sie lächeln... für das Mädchen, das keine Angst vor den Schatten hatte, die er in sich trug.

„Können wir für heute Nacht hier rasten?“, fragte das furchtlose Heilermädchen da gerade und er merkte erst jetzt, dass sie stehen geblieben war. Brummend sah er sich um, während über ihnen der Himmel grollte. Die Geister waren nervös... und er war es auch. Etwas Schlimmes kam auf sie zu. Und es war etwas, das seine Macht bei weitem überstieg.

„Fürchte dich... vor der Finsternis, die aus dem Osten kommt...“, wisperten die Geister und er schauderte.

Aus dem Osten... also doch Ela-Ri, wie die Gerüchte besagen. Das wird ja ein glorreiches Ende für dieses Zeitalter...

Neisa hockte sich auf eine heraus ragende Wurzel eines Baumes und sah sich skeptisch im Zwielicht um. Die Sonne war so gut wie untergegangen; die Frische der Nacht zog jetzt herauf und Zoras verfluchte Karana, weil der Schuld daran war, dass sein Hemd kaputt gegangen war und er jetzt halb nackt durch die herbstliche Pampa rennen musste. Es würde sicherlich keine gemütliche Nacht.

Mit einem Seufzen setzte er sich neben Neisa auf die starre Wurzel und fuhr sich stöhnend durch die Haare.

„Gut... rasten wir hier. Bist du sehr müde?“

„Nein, aber hungrig.“, jammerte sie, „Ich weiß nicht, wann ich zum letzten Mal etwas gegessen habe... macht dir das gar nichts aus?“

„In Holia gibt es selten viel zu essen, mein Körper ist vermutlich mehr gewohnt, zu wenig zu bekommen, als deiner, wenn ich dich so ansehe.“ Das war schlecht ausgedrückt, merkte er, als sie ihn schnaubend trat.

„Willst du sagen, ich sei fett?!“ Warum machten eigentlich nur Frauen so ein Theater um ihr Gewicht?

„Also zumindest hast du mehr auf den Rippen als ich, verhältnismäßig.“

„Das sind meine Brüste und kein Fett, du Vollidiot!“, keifte sie und er hüstelte, ehe er gegen seinen Willen errötete und sich zischend von ihr weg drehte.

„Ich meinte nicht wortwörtlich auf den Rippen...“

„Also findest du, ich sei fett!“, entrüstete sie sich, „Na, besten Dank. Kein Wunder, dass du kein Mädchen abbekommst, wenn du so uncharmant bist!“ Er lachte hohl.

„Wer sagt dir denn, dass ich kein Mädchen abbekäme...?“

„Karana sagt, in Thuran erzählen sie sich, du seist schwul. Oder hättest was mit deiner eigenen Mutter.“ Er errötete heftiger. Was zum Geier, diese Gerüchte waren doch zum Kotzen.

„Ich bin nicht schwul und habe nichts mit meiner Mutter!“, blaffte er sie an, „Wie kannst du es wagen, sowas zu glauben?! Du... du kennst mich doch! Hast du wirklich gedacht, ich...?! D-das wäre das letzte, was ich jemals, jemals in meinem verdammten, beschissenen Leben tun würde! Ich hasse Männer, ich verabscheue Männer, ich würde lieber freiwillig für immer Lorons Schlägerjunge sein als jemals in meinem verfluchten Leben mit einem Kerl...!“ Er merkte, dass er eine ganze Menge sprach, weil Neisa ihn blöd anstarrte, als er das Gesicht flammend wieder zu ihr drehte. Sie räusperte sich, als er verstummte, und errötend blickte er wieder weg und ohrfeigte sich innerlich. Was redete er da? Das ging sie überhaupt nichts an...

Er wollte nicht daran denken. Er spürte jetzt schon beim bloßen Gedanken an diese widerwärtigen Kerle den üblichen Brechreiz, der ihn beinahe hätte würgen lassen...

In die Finsternis mit ihnen! Tod und Verderben über sie, soll Vater Himmels Zorn sie zerschmettern mit aller Macht, die er aufbringen kann zur Strafe... für diese Schande!

„Entschuldige...“, sagte Neisa hinter ihm, „Ich wusste nicht, dass dich... das so extrem aufregt. Ich meine... natürlich habe ich es nicht geglaubt, aber das erzählen die Leute nun mal.“

„Schon gut.“, knurrte er erbost, „Sprich bitte einfach nie wieder darüber. Niemals wieder, verstanden? Der bloße Gedanke daran lässt mich kotzen.“

„Kein Kerl hört gerne, dass er für schwul gehalten wird, aber du reagierst da wirklich heftig...“

„Ich sagte, sprich nie wieder darüber. Hast du Bohnen in den Ohren, Neisa?“

„Wie kommt es, dass du da so empfindlich bist?“, fragte sie naiv und er zischte.

„Halt die Klappe! Das geht dich verdammt noch mal einen Dreck an!“ Jetzt schwieg sie und er war ihr dankbar. Er wollte sich nicht die ganze Nacht mit diesen quälenden Gedanken herumschlagen. Er hatte besseres zu tun.

„Und dann sagst du, ich kenne dich.“, hörte er sie sagen und er linste über die Schulter, um zu sehen, dass sie apathisch nach Süden lächelte, ihn nicht ansehend. „Ich habe doch... in Wahrheit keine Ahnung, wer du bist.“

„Du hast gesagt, ich sei ein guter Mensch. Du hast keine Angst vor mir. Du bist... zu mir gekommen, als wir klein waren. Reicht das nicht?“ Sie schauderte.

„Ich weiß... aber das ist... verblasst und lange her. Seit wir... hier zusammen reisen, habe ich mit jedem Schritt, den ich tue, mehr die Erkenntnis erlangt, dass ich... keinen Schimmer von dir habe.“ Er fuhr zusammen, als er plötzlich spürte, wie sie die Hand auf seinen Rücken legte. Ihre Finger fuhren die Linien der fürchterlichen, hässlichen Tätowierung nach, die er genauso verabscheute wie Männer... ein furchtbarer Schauer jagte ihm durch den ganzen Körper, als er die so sanfte und unschuldige Berührung über sich ergehen ließ... es schmerzte, aber nicht auf der Haut, sondern irgendwo in seinem Geist, irgendwo an einer vergrabenen Stelle, an der das schwarze Loch in seiner Seele pochte und sich von dem Gram ernährte, den er verspürte.

„Ich weiß... nicht, wie es hierzu gekommen ist...“, wisperte sie tonlos und er schauderte erneut, als sie die zweite Hand hinzu nahm und seine nackte Haut berührte, als wäre es vollkommen selbstverständlich, dass sie das tat. „Und ich... weiß nicht... wieso du es so... abgrundtief verabscheust...“, wisperte sie weiter und er schloss keuchend die Augen, als die Bewegungen ihrer Hände seine Haut elektrisierten, als würde sie von ihren Fingern mit Blitzen aufgeladen. Sie war so sanft... sie war es auf eine furchtbare Weise, die irgendwie schmerzhaft war, und er verabscheute sie dafür, dass sie ihn anfasste, und spürte plötzlich gleichzeitig das Verlangen danach, dass sie weiter machte... er wollte mehr, er wollte die Frau, mit jeder verdammten Berührung ihrer kleinen, kalten Finger erregte sie ihn und es widerte ihn an.

Hör auf, Neisa... ich warne dich., sprach er im Geiste zu ihr, Wenn du so weiter machst, drehe ich mich zu dir um und mache dich hier und jetzt zur Frau, ist mir egal, ob du deine verdammte Blutung noch nicht hattest, du... verdammte Hure!

Er erschrak über seine eigenen Gedanken, ehe er errötete und sich hastig aus ihrem Griff wand, etwas von ihr weg rückend und ihr damit deutlich signalisierend, dass sie aufhören sollte. Verdammt, was dachte er da? Jetzt wurde er schon zu einem Mistkerl wie es die aus Holia waren... färbte letztendlich doch die Umgebung seiner Kindheit auf ihn ab?

Grummelnd erhob er sich und ging ein paar Schritte von Neisa und dem Baum weg.

„Es gibt nichts über mich zu wissen, Neisa. Glaub mir... für dich ist es besser, wenn du nichts davon weißt. Macht dein behinderter Bruder dich nicht schon kaputt genug mit seinem Wahnsinn?“

Er hatte gröber gesprochen als beabsichtigt, fiel ihm auf, als er merkte, wie die Heilerin sich hinter ihm erhob und nach Luft schnappte.

„Kaputt?“, zischte sie grantig, „Behandle mich nicht wie ein kleines Mädchen, das du versuchst zu beschützen, Zoras. Ich habe gesagt, ich fürchte mich nicht vor der Finsternis.“

„Aber ich tue das!“, empörte er sich erbost, „Ich verabscheue sie und ich dachte mir, ich verschone dich damit. Hatte ja keine Ahnung, was du für eine perverse Märtyrerin bist...“ Sie fauchte und er fuhr zusammen, als sie ebenfalls grimmig herum wirbelte.

„Hältst du mich für so unfähig, dass ich der Grausamkeit deiner Worte nicht standhalten kann?“ knurrte sie, „Du... kennst mich genauso schlecht wie ich dich.“

Er sparte sich einen Kommentar auf ihre schnippischen Worte und beobachtete, wie sie davon stampfte, um in irgendeinem Gestrüpp zu verschwinden. Einen Moment fragte er sich, ob er ihr folgen sollte, aber sie blaffte ihn aus dem raschelnden Busch zickig an:

„Untersteh' dich, Zoras Derran, ich weiß genau, was du denkst! Ich will nur pinkeln, lass mich in Frieden!“ Er hüstelte. Gut, es war besser, ihr nicht zu folgen in diesem Fall. Murrend setzte er sich wieder auf die Wurzel von zuvor und rieb sich die kalten Oberarme. Der Winter würde bald kommen... hoffentlich war er Neisa bis dahin los, er musste schließlich noch bevor der Winter da war seine Mutter aus Holia retten... irgendwie. Er hoffte so sehr, dass es ihr gut ging...

Als Neisa zu ihm zurückkehrte, sprach sie wieder kein Wort. Sie war schnell beleidigt, hatte er gelernt, seit er sie mitgenommen hatte... es war eine reichlich dumme Idee gewesen. Sein Instinkt war wohl mit ihm durchgegangen... oder eher irgendwelche Dämonen, die von ihm Besitz ergriffen hatten.

„Ja, und die Dämonen heißen männliche Triebe.“

Zoras drehte den Kopf, als er auf einem tieferen Ast des Baumes, an dem sie rasteten, die Krähe sitzen sah, die er schon beinahe vermisst hatte. Er erinnerte sich rechtzeitig daran, dass Neisa neben ihm saß, deswegen sprach er nur im Geiste mit dem Vogel.

Willst du mich verarschen? Da stehe ich drüber.

„Da würdest du gerne drüber stehen, aber dieser Impuls ist älter als du, Zoras. Denkst du nicht... dass es Schicksal war, dass gerade dieses Mädchen keine Furcht vor dir hat? Denkst du nicht, dass die Geister dafür gesorgt haben, dass sie es ist, die auf dich so anziehend wirkt?“, kicherte der Vogelgeist und Zoras verzog keine Miene. Kurz sah er auf Neisa, die ihm jetzt den Rücken kehrte, mit den Fingern ihre blonden Haare zu kämmen versuchte und nicht so aussah, als hätte sie vor, ihn jemals wieder anzusprechen. Anziehend... verdammt, sie war nicht anziehend, Frauen waren ihm egal. Und dennoch... was war es dann vorhin gewesen, das in ihn gefahren war, als sie ihn berührt hatte?

„Was du begehrst an ihr ist etwas, das viel... tiefer und weiter zurück reicht.“, klärte ihn der Vogel amüsiert auf, „Es ist der eine, bestimmte Teile deiner Seele, der den einen, bestimmten Teil ihrer Seele begehrt... weil die Geister es so gewollt haben.“ Zoras runzelte bei diesen Worten die Stirn.

Ein... Teil meines Geistes?

„Du hast einen Namen.“, sagte der Vogel und schlug flatternd mit den Flügeln, blieb dabei aber auf dem Ast sitzen. „Einen Lebensgeist, den deine Mutter dir bei deiner Geburt verschafft hat. Du hast einen starken Namen... einen mächtigen Geist, deswegen bist du ja fähig, uns zu beherrschen... Zoras.“ Der junge Mann brummte kaum hörbar, um Neisa nicht auf sich aufmerksam zu machen, ehe er den Blick von der Krähe abwandte. Sein Lebensgeist... vielleicht war das der Schlüssel zu all den Rätseln, die er noch im Kopf hatte. Sein Blick glitt wieder zu Neisa. Oder vielleicht war sie es auch... das war der Moment, in dem er sich wünschte, dass sie bald zu schmollen aufhörte und wieder mit ihm sprach. Er fragte sich, was für einen Teil ihres Geistes er angeblich begehren sollte... und was bedeutete das, dass es ein Instinkt war, der weiter zurück lag? Er hasste diese Rätsel...

Seufzend wandte er den Blick nach Süden, Neisa ignorierend. Über ihnen grollte der Himmel noch immer... der Schatten kam. Und er kam rasch. Sie mussten sich beeilen...
 

Neisa war Heilerin; ihre Aufgabe war das Heilen, sie konnte nicht im selben Ausmaß die Geisterstimmen hören wie Zoras als Schwarzmagier... aber sie spürte die Schatten genau wie er, als sie die nächste Nacht unter freiem Himmel zwischen den Wurzeln des Baumes verbrachten. Und es raubte ihr wie auch ihrem Weggefährten den Schlaf, und am nächsten Morgen hatte sie Kopfschmerzen.

Der Himmel war zugezogen und grollte über ihnen, als sie ohne weitere Worte zu verlieren den Baum verließen, der ihnen in der Nacht etwas Schutz geboten hatte, um weiter nach Norden zu ziehen.

„Wo genau sind wir eigentlich, weißt du das?“ war das erste, was die Blonde Zoras wieder fragte, nachdem sie schon eine ganze Weile unterwegs waren. Er sah sie verblüfft an, neben ihr her gehend, und sie seufzte und sah sich um. „Ich meine, hier sind überall Büsche und Geröll! Und weiter? Bist du sicher, dass das die richtige Richtung ist?“

„Mein Instinkt sagt mir das zumindest und der hat mich bisher noch nie getäuscht. Vertrau mir.“ Ohne noch weiteres zu sagen ging er starr voraus und ließ sie etwas hinter sich zurückfallen. Neisa seufzte skeptisch; sie vertraute ihm, aber sie fragte sich, ob sie es zurecht tat. Sie hatte es ihr Leben lang grundlos getan, fiel ihr jetzt auf, noch nie hatte sie sich Gedanken darüber gemacht, warum sie im Gegensatz zu allen anderen, die sie so kannte, weder Furcht noch Abscheu verspürte, wenn sie auf ihn traf. Er war etwas verbiestert, ja, aber er war kein von Grund auf schlechter Mensch. Auch, wenn Karana immer etwas anderes behauptete... Karana konnte da nicht objektiv sein.

„Ich will, dass du dich von Zoras Derran fernhältst, Neisa. Weißt du, was in seinem Kopf vorgeht? Nein. Weißt du, ob er dich im nächsten Moment aufspießen wird? Nein. Ich glaube, Zoras ist als Kind in den Schatten gestürzt... auch, wenn du sagst, dass er zu dir immer höflich war, er ist und bleibt eine Bestie und ist gefährlich. Merke dir das... ich bin nicht immer da, um dich zu beschützen, törichte Gans.“

Sie ballte unmerklich eine Faust, als sie an die Worte ihres Bruders dachte... gefährlich? Sie fürchtete sich nicht... das hatte sie nie. Stirnrunzelnd beobachtete sie Zoras wieder von hinten und betrachtete das bizarre Muster auf seinem nackten Rücken, wie sich die Linien leicht verzerrten, während er sich bewegte. Es war unheimlich, aber es war es auf eine faszinierende Weise. Es war wie beim Gewitter... auf der einen Seite wusste sie instinktiv genau, welche Gefahr von ihm ausging, auf der anderen Seite zog es sie unterbewusst in seinen Bann, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte. Das junge Mädchen schauderte kurz und wandte den Blick von ihm ab, den er nicht bemerkt zu haben schien, während sich auf ihre Wangen eine ungesunde Röte schlich. Sie hasste es... warum musste sie immer so verräterisch rot werden, wenn sie es wagte, an unanständige Dinge zu denken?

Unanständige Dinge... hüte dich, Neisa. Du bist noch keine richtige Frau... es ist für dich verboten bis du deine erste Blutung erlebt und das Ritual durchgestanden hast.

Sie fragte sich nebenbei, wer wohl für sie der erste Mann sein würde. Es war die Aufgabe ihres Vaters, einen geeigneten dafür auszuwählen... da es in Neisas Bekanntenkreis keine Männer gab, die nicht ihre Brüder oder Tayson waren (und der kam ja mal gar nicht in Frage, erstens war er dämlich und zweitens kein Schamane...), würde das sicher schwer werden. Sie schauderte abermals bei dem Gedanken, letzten Endes mit irgendeinem hässlichen Penner im Bett landen zu müssen – ihr Vater sollte sich ja Mühe geben, Himmel!

„Oh nein, ich werde ganz sicher nicht mit irgendeinem widerlichen, alten Knacker mein Ritual machen!“ empörte sie sich und merkte erst, dass sie laut gesprochen hatte, als Zoras ruckartig stehenblieb und sie fassungslos anstarrte.

„Moment mal!“ keuchte er, als sie ihn ansah, „W-was hast du denn für Gedankensprünge, eben waren wir noch bei der Umgebung!“

„Aber ich bin noch ein Mädchen.“, jammerte die Blonde, „Und wenn es soweit ist, soll es einer machen, der hübsch ist!“ Zoras stöhnte.

„Ist das nicht nebensächlich, so lange er dir nicht zu sehr wehtut? Ich habe dich für weniger oberflächlich gehalten.“

„Na, hör mal, würdest du gerne mit einer alten, faltigen, fetten Frau schlafen?“ Er seufzte.

„Um ehrlich zu sein hätte ich so eine derjenigen vorgezogen, die es wirklich gemacht hat.“ Sie blinzelte. Moment, was redete er da? Hatte ihn ein Ungeheuer zum Mann gemacht, dass er so frustriert darüber sprach? Karana war so angetan gewesen, als er aus Janami zurückgekehrt war... Neisa hatte geglaubt, allen Männern gefiele dieses traditionelle Ritual, immerhin war es für sie nicht schmerzhaft...

„Wirklich?“ stammelte sie so nur perplex über seine Antwort, „Das... das ist ja fürchterlich. Ich will keinen alten, faltigen, fetten Mann, der mich zur Frau macht!“

„Solange dein Vater fleißig genug ist, dir einen zu suchen und es nicht selber macht, sei froh...“ stöhnte er, und sie errötete und schnappte nach Luft.

„Wie bitte?! Mein Vater würde doch nicht mit mir schlafen!“

„Es gibt Männer, die tun sowas.“ Sie hüstelte. Ja, stimmte, da war ja Dasan Sagal. Zum ersten Mal fiel Neisa auf, dass es wirklich ekelhaft war, unter welchen Umständen ihre Freundin Niarih gezeugt worden war... Neisa verzog das Gesicht und schauderte wieder.

„In meiner Familie ist das verboten. Karana und Vati dürfen das nicht. Simu ist ja nicht mit mir blutsverwandt, aber... aber den will ich auch nicht, er ist riesig!“ Jetzt errötete ihr Begleiter und räusperte sich.

„Das... wollte ich jetzt nicht wissen.“

„Ja, wirklich, das ist beängstigend.“

Warum reden wir jetzt über Simus Penis? Warum reden wir überhaupt immer über Sex?!“ regte Zoras sich auf, „Wir sollten endlich weitergehen, d-das macht mich ganz verrückt!“ Das Mädchen zeigte ein dämonisches Lächeln, das sie gar nicht geplant hatte.

„Du hast recht, wie obszön. Vielleicht sollten wir uns gegenseitig inbrünstig die Kleider vom Leib reißen und uns aufeinander stürzen wie die Tiere, dann hört es sicher auf.“

Moment, was sagte sie da eigentlich? Das hatte sie nicht sagen wollen! Sie spürte einen stechenden Kopfschmerz und fasste stöhnend nach ihrer Schläfe, als Zoras sie schon mit offenem Mund anstarrte und kein Wort heraus brachte.

„Das... das... hast du nicht ernsthaft gesagt.“

„Ähm... nein.“

„Gut... ich... ich dachte schon, ich sehe Dämonen...“ Ein lautes Donnern aus dem Himmel ließ sie beide empor sehen und Neisa keuchte, als es schon wieder zu regnen begann. Das Wetter steigerte ihre Kopfschmerzen nur und zischend wandte sie sich ab, um Zoras verlegen den Rücken zu kehren. Was machte sie eigentlich? Wieso sagte sie Dinge, die sie nicht mal gedacht haben wollte? Irgendein tief in ihrem Inneren vergrabener Instinkt musste es gewesen sein... ein Instinkt, der sich so verboten vertraut anfühlte... und der sie irgendwie erregte, als sie länger daran dachte. Japsend schüttelte sie den Kopf, eilte dann an Zoras vorbei und weiter nach Norden – sie musste wirklich damit aufhören, das gehörte sich nicht für eine vornehme Dame... schon gar nicht für ein Mädchen wie sie.

Aus der Ferne ertönte ein weiteres Grollen und noch etwas anderes vernahmen die beiden jetzt aus südlicher Richtung; irgendwo in der Ferne raschelte das Gestrüpp auf unnatürliche Weise. Das Knacken von Zweigen am Boden war zu hören, auf die jemand oder etwas trat, und Zoras griff nach Neisas Arm, um sie etwas weiter nach Norden zu ziehen.

„Was ist das?“ keuchte das Mädchen perplex und der Schwarzhaarige zischte leise, ehe er seine Dolche aus seinem Gürtel zog.

„Keine Ahnung, aber wenn es jemand wagt, uns anzugreifen, kann der was erleben.“

„Tut deine Verletzung schon nicht mehr weh, die ich halbwegs geheilt habe?“

„Ich habe schon Schlimmeres erlebt, Neisa. Halt die Klappe, jemand kommt auf uns zu... und ich bin mir recht sicher, dass es ein Mensch ist.“ Neisa schauderte und trat hinter ihn; sie hatte keine Angst, sie war nicht alleine. Wenn es jetzt Loron war? Nein – es war sicher jemand anderes, jemand, der wie sie nach Norden wollte... vielleicht jemand aus ihrer Familie.

„Karana?!“ japste sie schon in der freudigen Erwartung, ihren Bruder bald zu sehen, als die Schritte eilig auf sie zu gehastet kamen und das Gestrüpp, durch das sie sich auch schon gekämpft hatten, bedrohlich zu rascheln und zu wackeln begann.

Alles würde gut sein! Wenn sie wieder bei ihrer Familie war, würde alles gut sein, diese bizarren Gedankensprünge und diese frevelhafte Erregung in ihr würden aufhören... oh ja, sie hoffte wirklich, dass es Karana wäre...
 

Zoras war nicht erpicht darauf, Karana schon wieder an der Backe zu haben. Erst recht nicht, wo er mit seiner Schwester hier war. Karana reagierte unnatürlich empfindlich darauf, wenn irgendjemand Neisa zu nahe kam... das galt insbesondere für ihn und Loron. Zoras konnte es ihm nicht verübeln... hätte er eine Schwester, würde er sie auch beschützen wollen. Aber er konnte sich nicht vorstellen, dass Karana so schnell wieder auf den Beinen sein und ihre Spur aufgelesen haben könnte... er war vollkommen außer Gefecht gewesen, als Zoras ihn in Lorana zum letzten Mal gesehen hatte. Wobei, vielleicht war diese schwarze Wildkatze, die ihn mitgeschleift hatte, ja Telepathin...? Er umklammerte nervös seine Waffen und stierte erbost nach Süden bis zu dem Moment, in dem sich das Gestrüpp vor ihnen wirklich teilte – heraus kam nicht Karana, dafür eine ganze Gruppe anderer Spinner.

„Moment... Simu?!“ platzte es schon aus Neisa heraus, und Zoras wusste nicht recht, ob er vielleicht vor Erleichterung stöhnen sollte, weil es nicht Karana war... Simu war friedfertig. Neisas blonder Bruder hatte nie jemandem ein Leid getan, soweit Zoras ihn kannte... vor dem hatte er wirklich nichts zu befürchten.

Ehe er weiter denken konnte, stürzte das Heilermädchen an ihm vorbei und hing im nächsten Moment an Simus Hals. Der blonde Mann umarmte sie mit derselben Erleichterung, sicher war er froh, sie lebend zu finden. Bei ihm erkannte Zoras eine junge Lianerin und erstaunlicher Weise Asta Zinca... was hatte die denn hier verloren?

„Zoras!“ schnappte sie da auch schon, und er hustete und zeigte auf die junge Frau.

„Was hast du mit deinen Haaren angestellt, du siehst ja zum Schießen aus!“

„I-ich bin weggelaufen!“ jammerte Asta, „Bitte bring mich nicht wieder nach Holia... ich hatte seit Tagen schon diese Angst, wenn wir dich endlich einholen... bitte lass mich fort gehen!“

„Jetzt mal langsam.“, stöhnte der Schamane und sah das apathische Lianermädchen blöd an, das aussah, als wäre es bekifft, betrunken oder hypnotisiert, und sich nicht vom Fleck rührte. „Wer ist denn das?“

„Ich habe keine Ahnung, sie heißt Eneela, sie ist wohl eine Freundin von Simu... ich habe die beiden getroffen, als ich aus Holia weggelaufen bin, und netterweise wollen sie mich nach Yiara mitnehmen... weiter weg kann ich ja wohl momentan schlecht von Kamien!“ Zoras musterte Lorons Schwester zweifelnd.

„Du bist ja barfuß, frierst du nicht an den Füßen?“ murmelte er beunruhigt und sie schüttelte heftig den Kopf.

„M-mir geht es... gut... ich wusste nicht, dass du dich um mein Wohl sorgst...“ Er seufzte.

„Tue ich auch nicht wirklich...“ Er wurde von Simu und Neisa unterbrochen, die ihre Begrüßung wohl beendet hatten und sich jetzt zu ihm drehten. Ehe Neisa etwas sagen konnte, sprach ihr Bruder ein wenig verstimmt.

„Sprich, Zoras. Was sollte das hier werden, wenn es fertig ist?“

„Ich wollte deine Schwester ihrer Familie nach bringen in Richtung Yiara, das ist alles. Aber da du jetzt schon hier bist, darfst du gerne den Rest übernehmen, dann kann ich nämlich zurück.“ Der Blonde schwieg eine Weile und wirkte nur mäßig überzeugt.

„Erst fackelst du unser Dorf ab – und ein Dutzend andere davor – und dann willst du plötzlich heldenhaft meine Schwester retten? Hat dir jemand ins Gehirn gehustet oder woher der Sinneswandel?“

„Du hast Lorana angezündet?!“ schrie Neisa schon schrill, sodass Asta und die Lianerin zusammenfuhren, und Zoras zischte.

„Ich hatte keine Wahl, Neisa, ich wollte nicht, dass Arlon meiner Mutter die Kehle aufschneidet, verdammt! Das haben wir doch schon geklärt!“

„Nicht, dass du das Feuer gelegt hast!“ keuchte sie und Simu brummte sie an.

„Wer soll das denn sonst gemacht haben, denkst du, Arlon macht einen Regentanz und beschwört zufällig einen Blitz?“ Sie schnappte erbleichend nach Luft und der Schwarzhaarige schenkte ihrem Bruder einen bohrenden Blick.

„Was immer ihr denkt. Ich habe Neisa nichts angetan und hatte es auch nicht vor. Wenn ihr mich jetzt entschuldigen würdet, ich werde nach Kamien gehen und meine Mutter holen. Gehabt euch wohl.“

„Warte!“ rief Simu, als der Schamane seine Dolche einsteckte und sich von ihm abwandte, „Du hast meine Frage nicht beantwortet. Woher der Sinneswandel?“

„Loron wollte sie ficken, da dachte ich, das verdient sie nicht, und habe sie mitgenommen.“, seufzte er, „Reicht das?“

„Ist das wahr, Neisa?“ hörte er Simu fragen und das Mädchen antwortete irgendetwas, was Zoras murrend ignorierte.

„Ist das Kreuzverhör jetzt beendet?!“ zischte er, „Kann ich jetzt gehen?“

„Hast du zufällig Karana gesehen, als du in Lorana warst?“ fragte Simu ungeniert weiter, „Er ist nämlich verschollen...“

„Keine Ahnung, wo er ist. Glaub mir, das ist das Letzte, was mich interessiert.“ Zoras wandte sich noch einmal um und sah Neisa an, vor der er den Kopf neigte. „Lebe wohl, Neisa. Und pass in Zukunft etwas auf deine Zunge auf, du redest viel Unsinn, wenn der Tag lang ist.“ Sie zischte nur, offenbar noch immer erbost über das Feuer, aber er drehte sich schon ab und nickte Asta zu. „Dich werde ich wohl nicht wiedersehen. Leb du auch wohl... ich wünsche dir ein besseres Leben. Das hast du verdient, Asta.“ Er tätschelte ihr den Kopf und die Frau errötete heftig, ehe sie den Kopf neigte.

„Du wirst mich nicht verpetzen bei meinem Vater?“

„Davon hätte ich nichts, sei also unbesorgt. Ich habe dich... nirgends gesehen.“ Er wandte sich auch von ihr ab, seufzte noch einmal und machte sich dann an den langen, beschwerlichen Rückweg. Es war ein komisches Gefühl, so plötzlich die Richtung zu wechseln... eben war er noch mit Neisa nach Norden gegangen. Er hoffte, dass Pakuna wohlauf war...

„Zoras!“ rief Simu ihn noch einmal, als er schon zehn Schritte getan hatte, und der Magier drehte abermals sein Gesicht herum, um Neisas Bruder anzusehen. Der Blonde verneigte sich knapp. „Ich danke dir, dass du... meiner Schwester geholfen hast. Ich spreche auch im Namen meiner Eltern, du hast was gut bei uns.“

„Nein, wir sind quitt!“ sagte Neisa barsch und Zoras schauderte, als ihn der Blick aus ihren tödlichen, verbiesterten Augen traf. Sie war wirklich sauer... „Er hat unser Dorf zerstört, erinnerst du dich? Das hast du... vielleicht wett gemacht. Jetzt sieh zu, dass du verschwindest.“ Der Schwarzmagier musste kurz grinsen. Ja... das wollte er ja schon die ganze Zeit.

„Mit Vergnügen tue ich das, Prinzessin Neisa.“, waren seine kaltherzigen, letzten Worte an sie, ehe er ihr seinen verunstalteten Rücken kehrte und sie, Simu, Asta und die schweigende Lianerin hinter sich zurück ließ.

Auf in den Schatten des Südens zurück... ins Land des Verderbens, das er so hasste.
 


 


 

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Simu hat den Penis of doom! xD



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Kimiko93
2011-06-24T22:50:20+00:00 25.06.2011 00:50
GAAAAAAH!

Kinners, ich liebe euch. Ich herze dieses Kapitel. Ich herze Zoras Vogel (Flachwitz!). Ich herze Simus Penis. Irgendwie. Äh, arme Eneela. Ich leide mit ihr. Mehr, als ich dachte. Hust.

(Und da war ein typischer "Und warum reden wir gerade über Simus Penis?"-Moment... Hab ich mit ner Freundin ständig...)

So. Ich glaub, ich les dann mal hier weiter... Oder so... Vielleicht... Ach, keine Ahnung.

Ich herze Neisa. Neisa ist toll. Und biestig. Und... Fierce. Denglish ftw. Und ich HERZE, HERZE, HERZE Realistisch!Zorchen. Ganz ehrlich. Boooah. Du hast einen weiten Weg hinter dir seit diesem unsäglichen One Shot ö.ö

Und... Gaaaah! Die Spannung! Diese Tension! Diese UST! HAAAAACH *__________*

Und omfg, Neisa zeigt jetzt schon ihre versaute Seite, yaaay! Das mochte ich ja an ihr, dass sie es nicht so PuritySue-mäßig über sich ergehen lässt sondern alles will und anfängt <3 muhahahaha. Und das sogar ohne dabei aufgeschlitzt zu werden. Du hast abermals einen langen Weg zurückgelegt.

Und zum Schluss noch ein Yay für den allwissenden Vogel, der MEINE IDEE erwähnt! Yay!
Von:  -Izumi-
2010-11-28T17:27:19+00:00 28.11.2010 18:27
Yai, Kapi <3
Mochte. Also, ich mag so wie so diese Gespräche zwischen Zoras und Neisa, die sind so voller Andeutungen und so...
Ich meine, wenn man Buch 0 kennt, dann ist das ja so dermaßen awww >///<
Ich mag das voll <3 Sie gehen ja auch schon richtig ab, sie tatscht ihn an und er denkt sich, "Heartz?!" XD
Aber am Besten war eindeutig:
>„Das... wollte ich jetzt nicht wissen.“
>„Ja, wirklich, das ist beängstigend.“
>„Warum reden wir jetzt über Simus Penis? [...]"
Ich hab mich ja so weg gelacht XD Ich meine, du magst Simus bestes Stück scheinbar echt, du erwähnst es so gern!
Aber ehrlich gesagt... ich mag es auch XD (das verstehe wie man will).
Na ja, schade dass diese Wanderung jetzt vorbei ist... aber immerhin ist Neisa jetzt wieder wohlauf, bzw. war sie so wie so, aber immerhin ist sie jetzt bei jemanden aus ihrer Familie, so XD
Herz <3
Von:  Decken-Diebin
2010-11-28T13:03:39+00:00 28.11.2010 14:03
„In meiner Familie ist das verboten. Karana und Vati dürfen das nicht. Simu ist ja nicht mit mir blutsverwandt, aber... aber den will ich auch nicht, er ist riesig!“
xDDDDDD Nein, wie geil... ich hab mich soooo weggeschmissen xDDD Und dann noch dein Kommentar: "Simu hat den Penis of doom!" xDD Aber wo Neisa Recht hat, sie Recht, wie war das, neunzehn Zentimeter? XDDDD
Hach nee, das heitert den Tag auf. Super. (:
Zoras und Neisa sind jetzt schon cool, diese perversen Andeutungen und alles xD
Und dass Zoras da immer mit den Krähen spricht, mag ich irgendwie <33


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