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Götterhauch

Löwenherz Chroniken III
von

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Die Nacht des Jägers

Dunkelheit legte sich wie ein undurchdringlicher Schleier über der Stadt.

Erleichtert atmete er aus, als er das bemerkte. Den Abend hindurch hatte er befürchtet, dass der aufgehende Vollmond seinen Plan zunichte machen würde.

Es war ein unglücklicher Zufall gewesen, der dafür gesorgt hatte, dass ihm nur diese eine Nacht blieb, um alles Geplante in die Tat umzusetzen. Seinem übernatürlichen Glück war es zu verdanken, dass sich nun Wolken daran machten, das helle Licht des Mondes zu verdecken. Mit Sicherheit würde es anhalten, bis er sein Opfer gefunden und die gewünschte Antwort erhalten hatte.

Er stülpte die Kapuze seines Umhangs über, um sein grünes Haar zu verdecken, dann setzte er sich langsam in Bewegung, den bewusstlosen Mann in der Ecke zurücklassend. Der vereinbarte Treffpunkt lag recht weit abseits, weswegen er sich beeilen sollte, wenn er es noch rechtzeitig schaffen wollte. Zwielichtige Kontaktmänner waren nicht sonderlich bekannt dafür, lange zu warten, wenn ihre Geschäftspartner nicht auftauchten.

Weißer Rauch stieg aus den Kanalschächten, an denen er auf seinem Weg zum Hafen vorbeikam, von irgendwoher konnte er den Geruch von frisch gekochtem Kohl wahrnehmen, der dafür sorgte, dass sich sein Magen schmerzhaft verkrampfte. Er verabscheute dieses Gemüse – oder was auch immer es war – abgrundtief, allein beim Gedanken daran wurde ihm schon übel.

So schnell wie möglich verdrängte er diese Überlegungen. Um auch den Geruch erfolgreich ignorieren zu können, ging er innerlich noch einmal den Plan durch.

Dem Kerl vorspielen, ich sei sein Kontaktmann; ihm die Information entlocken; abhauen – Kinderspiel. Falls das nicht funktioniert... improvisieren.

Doch sein unerschütterlicher Glaube, dass alles wie geplant verlaufen würde, ließ nicht eine einzige Sekunde nach. Einmal hatte er vielleicht versagt, weil ihm zu spät klar geworden war, was der Feind plante, aber dieses Mal würde er ihm einen Schritt voraus sein, noch einmal würde er sich nicht so vorführen lassen.

Ein wenig überraschte ihn die Tatsache, dass niemand außer ihm unterwegs zu sein schien. Natürlich war es ganz normal, dass man sich für zwielichtige Geschäfte an abgelegenen Orten traf, doch er hätte dennoch zumindest ein paar Arbeiter oder Betrunkene aus der nahegelegenen Kneipe erwartet – oder zumindest ein paar Banditen, die auf leichte Beute warteten.

Er erreichte den Treffpunkt als erstes und stellte mit einem genervten Zungenschnalzen fest, dass genau dort eine Straßenlampe brannte. Das gelbliche Licht brannte unbarmherzig in seinen Augen und schien ihm sagen zu wollen, dass das ganze Planen vergebens gewesen war.

Aber sofort fiel ihm wieder ein, dass Improvisation ebenfalls auf der Liste stand – damit könnte er gleich anfangen. Leise pfeifend öffnete er mit einem mitgebrachten Schraubenschlüssel die Abdeckung der Stromversorgung. Ein ganzes Bündel an Kabeln wurde sichtbar.

Bah! Wozu braucht diese dumme Lampe so viele von diesen Teilen? Sie soll doch nur Licht spenden – und genau darauf kann ich verzichten.

Der Schraubenschlüssel wurde gegen eine Zange eingetauscht, mit einem Abzählreim suchte er sich ein einziges Kabel aus, das er direkt durchtrennte. Als Ergebnis gab die Lampe ein leises Zischen von sich, ehe sie erlosch und die Seitengasse in Dunkelheit tauchte.

Na bitte. Lampe 0, Russel 1.

Während er die Abdeckung wieder anbrachte, schmunzelte er, als ihm bewusst wurde, mit welchem Namen er an sich selbst dachte.

Ich werde wirklich zu menschlich, das ist langsam unheimlich.

Schließlich steckte er den Schraubenschlüssel wieder ein und blickte sich aufmerksam in der Dunkelheit um. Das Wasser schwappte gegen die Kaimauer, ein beruhigendes Geräusch bei dem er sich am Liebsten hingelegen und geschlafen hätte.

Schlafen? Oh nein, ich werde wirklich immer menschlicher.

Doch seine Bedenken über seine schleichend einsetzende Menschlichkeit, wurden alsbald von dem Mann zerstreut, den er hatte treffen wollen.

Leicht gebückt bewegte er sich auf den Treffpunkt zu, Russel rollte mit den Augen.

Noch auffallender geht es wohl nicht mehr, oder?

Misstrauisch hielt der Mann inne, als er bemerkte, dass die Lampe nicht brannte.

Ungeduldig wartete Russel einen Moment, doch der Mann bewegte sich kein Stück mehr, starrte stattdessen nur die erloschene Straßenlampe an als könne er nicht begreifen, was er da sah.

„He, Idiot!“, fauchte der Wartende, als ihm der Geduldsfaden riss.

Der Mann zuckte zusammen, Russel winkte ihn zu sich. „Komm endlich rüber, ich hab nicht ewig Zeit!“

Da sich der andere immer noch bewegte, fürchtete der Wartende, dass seine Ungeduld ihn verraten hatte, doch da kam der andere bereits auf ihn zu. Der Geruch, den er mit sich brachte, war eine Mischung aus Alkohol und Erbrochenem, Russel rümpfte die Nase. Da die Gasse aber dunkel war und er außerdem immer noch die Kapuze tief ins Gesicht gezogen hatte, konnte der andere das nicht sehen.

„Tschuldige“, nuschelte er. „Aber man kann hier nie sicher genug sein. In letzter Zeit treiben sich hier ein paar fragwürdige Kerle herum und stecken ihre Nasen überall rein.“

Fragwürdig, huh? Na ja, ich wurde schon als Schlimmeres bezeichnet.

„Hast du alles?“, fragte Russel, ohne näher darauf einzugehen.

Der andere suchte bereits in seinen Taschen nach den Papieren, Russel sah sich bereits am Ziel – doch plötzlich hob der andere wieder den Blick und musterte seinen Gegenüber. „Moment mal...“

Russel wollte sich mit einem verzweifelten Seufzen an die Stirn greifen, kämpfte den Drang aber nieder und tat so als wäre nichts. „Was ist los?“

Der Mann kam ein wenig näher, instinktiv trat Russel zurück, um der Geruchswolke zu entgehen, bevor er sich doch noch übergeben würde. Schockiert stellte er fest, dass der andere an ihm zu schnüffeln begonnen hatte, direkt danach folgte ein leises Knurren. „Du bist einer von denen...!“

Russel trat erneut einen Schritt zurück, er wusste, dass es bereits zu spät war, noch etwas zu verleugnen oder zu fliehen, weswegen er sich auf einen Kampf vorbereitete.

Die Person vor ihm stieß ein abgehacktes Bellen aus – doch statt Russel anzugreifen, fuhr er herum und rannte davon.

Er fluchte heftig und folgte ihm sofort.

Der andere war überraschend schnell, doch Russel ließ sich davon nicht abhalten. Auch wenn seine Zuversicht, was den Plan anging, nicht eingetroffen war, so verließ sie ihn bei dieser Verfolgungsjagd dennoch nicht.

Heftige, plötzliche Windstöße warfen den fliehenden aus der Bahn, doch er richtete sich immer wieder auf, um weiterzurennen. Offenbar fürchtete er wirklich um sein Leben und begriff dabei nicht, dass jede weitere Sekunde, die diese Verfolgung anhielt, nur dazu beitrug, Russels Wut zu steigern.

Ich kriege dich so oder so – und wenn ich dich habe, kriegst du eine Abreibung!

Tatsächlich blieb der Fliehende schließlich erschöpft liegen, wohl aber nur, weil er am Ende der Kaimauer angekommen war und ihm kein Fluchtweg mehr blieb. Er richtete sich ein wenig auf und kroch rückwärts, bis er mit dem Rücken am Geländer angekommen war, das verhindern sollte, dass man einfach ins Hafenbecken stürzte.

In einigen Schritten Entfernung blieb Russel wieder stehen. Er zog sein Schwert hervor und deutete mit der Spitze direkt auf das Herz des anderen. Die angstvoll geweiteten Augen schielten auf die Klinge. Aufgrund seines Verhaltens hätte Russel diese Person als eine Art Hundemensch eingestuft, doch er sah aus wie ein vollkommen normaler Mensch, keinerlei Fell, nicht einmal Schlappohren oder zumindest eine derart charakterliche Nase. Doch sein Geruchssinn schien dennoch ausgeprägt genug, um ihn selbst in der Dunkelheit erkennen zu können – möglicherweise befanden sich Hundemenschen in der Verwandtschaft. Hastig verwarf er die Überlegungen.

„Wirst du mir jetzt zuhören?“

Die Person winselte erschrocken, was Russel einfach mal als Ja nahm, weswegen er fortfuhr: „Gut, ich werde dich das nur einmal fragen: Wo ist der Göttliche?“

Sofort verengten sich die Augen des anderen, misstrauisch blickte er ihn an. „Du bist einer von denen, du solltest das doch wissen, oder?“

Russel erwiderte darauf nichts, sondern hob stattdessen das Schwert. „Raus mit der Sprache! Ich habe gehört, es lebt sich ziemlich schlecht mit einem gespaltenen Schädel.“

Beide lieferten sich ein Blickduell, sie zeigten sich gleichermaßen entschlossen, der eine zu schweigen, Russel, dies zu bestrafen. Die Hand des Schwertkämpfers begann zu zittern. „Sag schon!“

Der andere bemerkte das leichte Zittern sofort und grinste selbstgefällig. „Du wirst mir ohnehin nichts tun, das kannst du nicht.“

Russel hätte ihm zu gern zugestimmt, aber noch mehr Schwäche konnte er sich nicht erlauben. „Ich kann eine ganze Menge tun, glaub mir.“

Er hob das Schwert noch ein wenig höher. „Deine letzte Chance.“

Der andere grinste unvermindert, er zeigte nicht den kleinsten Hauch von Furcht.

Okay, das war's.

Mit einem wütenden Schrei ließ Russel die Klinge herunterfahren bis sie auf Widerstand stieß – und er sie augenblicklich losließ.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  MarySae
2011-07-21T20:28:41+00:00 21.07.2011 22:28
Sehr spannender Einstieg, muss ich sagen.
Auch wenn ich noch nicht viel (bis gar nichts XD) von dem verstehe, was da gerade passiert ist, so hat es mich doch neugierig gemacht.

Ich fand es gut, dass du einige witzige Bemerkungen eingestreut hast, die die sonst so ernste und verschwörerische Situation etwas aufgelockert haben.
So kommt nicht gleich diese typische Gangsta- Situation rüber ^^

Dein Schreibstil gefällt mir ebenfalls echt gut.
Flüssig und durch die gute Wortwahl einfach zu lesen.

Werde bei Gelegenheit versuchen auf den neuesten Stand zu kommen ;)
LG; Linami :3
Von:  sunny12
2010-09-16T15:10:36+00:00 16.09.2010 17:10
hey!
der prolog klingt ja schonmal sehr gut und macht neugierig auf die nächsten kapitel.
russel scheint eine interessante person und vor allem kein mensch zu sein, wenn er bemerkt, dass er immer menschlicher wird. mich interessiert ja, wer oder was er dann in wirklichkeit ist.
ich werd auf jeden fall auch die folgenden kapitel lesen und bin jetzt schon sehr darauf gespannt.
lg sunny12
Von: abgemeldet
2010-09-15T15:12:33+00:00 15.09.2010 17:12
Yay, es ist on! :D
Du hast nun so viel davon geredet, da muss ich einfach anfangen zu lesen.
*total neugierig ist*

> Was ist ein Gott schon wert, der all seine Anhänger über die Klinge
> springen lassen will?

Dieser Satz erinnert mich inhaltlich sehr an InAku. ♥

> um sein grünes Haar zu verdecken
Ich liebe grüne Haare. =3

> Falls das nicht funktioniert... improvisieren.
Improvisieren ist immer eine gute Idee. *nick*
Der Typ hat schon jetzt Charakter, alleine schon wegen der Sache mit dem Kohl. Dabei ist das doch sooo lecker. XD

> Na bitte~ Lampe 0, Russel 1~
Hihi, ich finde ihn schon jetzt sympathisch. Ich mag seine Gedanken. ^-^

> „Raus mit der Sprache! Ich habe gehört, es lebt sich ziemlich
> schlecht mit einem gespaltenen Schädel.“

Teepo: So ist's richtig! Der Kerl weiß worauf es ankommt! *nick*

Der Prolog verspricht auf jeden Fall, dass es noch sehr interessant werden wird. =3
Und Russel scheint ja kein gewöhnlicher Mensch zu sein (wenn man seinen Gedanken glauben kann, hehe ^^). Wer oder was er wohl ist? Und wer ist der Göttliche? Und wie wird es jetzt weitergehen?
Du siehst, mein Interesse wurde geweckt und ich werde diese Geschichte weiterhin verfolgen. *-*
Außerdem gefällt mir Russel (auch wenn noch kaum kenne, aber mir gefällt seine Art ^^), ich will mehr von ihm sehen. ♥
Oh, und das Lied "Thrice – Musicbox" gefällt mir. X3


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