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Nächte der Obsession

von

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Kapitel 1

Cathal fuhr schlagartig aus dem Schlaf, als der nass-kalte Inhalt des Eimers über ihm ausgeschüttet wurde.

"Verdammt! Spinnst du, Robin?", fuhr er das Mädchen mit dem glatten, braunen Haar, welches ihn gerade so unsanft geweckt hatte, an.

Das war doch unfassbar! Da war man bis zum Morgengrauen unterwegs damit die ganze Bande was zu essen hatte und das war der Dank? Davon, dass sein Schlafplatz nun völlig durchnässt war, ganz zu schweigen.

Seinem besten Freund, Blutsbruder und Komplizen Kai war es immerhin nicht besser ergangen. Wenigstens etwas...

Robin schob ihre Unterlippe herausfordernd nach vorne und sah ihn mehr als nur tadelnd an, setze den ausgeleerten Eimer auf den Boden und stemmte die Hände an die Hüfte.

„Besser, als wenn ihr weiterstinken würdet! Wann habt ihr euch denn, bitte, das letzte Mal richtig gewaschen? Ihr seid selber schuld!“, gab sie ihm zurück und begann dann leicht zu lächeln, während sie ein kleines Stück Seife ergriff, ihm hinhielt und einen alten, abgewetzten Schwamm dazu reichte.

„Aber DAS kannst du doch wohl alleine benutzen, oder?“, fragte sie ihn herausfordernd und ihr Gesichtsausdruck zeigte deutlich, dass sie keine Diskussion dulden würde.

Während Cathal sich leise weiter über die „Weiber“ und ihre verdammten Ansprüche beschwerte, fügte sein bester Freund Kai sich seinem Schicksal verhältnismässig still.

Genaugenommen hatte Robin ja irgendwie Recht, dass sie sich ordentlich gewaschen hatten, war schon eine ziemliche Weile her und Flöhe oder sowas wollte er dann doch nicht bekommen. Offenbar ganz im Gegensatz zu seinem besten Freund. Er wollte, bei aller Freundschaft, nicht wirklich wissen, was sich in Cathals langer, hellblonder Zottelmähne schon alles verfangen hatte…

Unwillkürlich griff Kai sich in seinen eigenen braunen Schopf, der sich durch einen asymmetrischen Haarschnitt Marke Eigenbau auszeichnete. Robin hatte wirklich recht.

Diese hatte sich inzwischen einen alten, beinahe borstenlosen Besen und einen ebenso alten, löchrigen Putzlappen geschnappt und liess ein lang gezogenes Seufzen vernehmen ehe sie anfing den, ebenfalls gut gewässerten, Boden zu wischen und zu trocknen. Sie wischte um die beiden durchweichten Jungs herum und nahm die fleckigen Decken und Laken an sich, um diese auch wieder einmal halbwegs ordentlich zu waschen und dann zum trocknen aufzuhängen. Die Jungs liess sie alleine zurück und kümmerte sich um Cathals Errungenschaften, um für alle eine Mahlzeit hinzubekommen, schliesslich wollte das Essen ja gerecht aufgeteilt werden.

Es mochte nicht ausserordentlich viel sein, aber als Strassenkind musste man nehmen, was man kriegen konnte und im Vergleich zu anderen ging es ihnen doch ziemlich gut.
 

Zur gleichen Zeit, jedoch an einem ganz anderen Ort, bewegte sich Delanos grossgewachsene, schlanke Gestalt auf die Stallungen zu. Die Nacht war jung und wollte schliesslich sinnvoll genutzt sein. Es war ohnehin wieder an der Zeit nach einer Mahlzeit Ausschau zu halten. Das Buch, in das er bis eben vertieft gewesen war, sicher verstauend, das vorbereitete Pferd zum Tor führend und den Mantel zurechtrückend blickte er hinab zu den flackernden Lichtern der Stadt. Ein kurzer Abschied von seiner Blutsschwester Charlotte, ehe er auf das Pferd stieg und dessen Schritte in Richtung seines verheissungsvollen Zieles lenkte.

Nach einem angenehmen Ritt erreichte er das Südtor und übergab das Tier an einen der Nachtwächter, von denen er wusste, dass sie in Charlottes Diensten stand. Der würde sich angemessen um die schöne Stute kümmern und das Pferd bereitstehen lassen, wenn er sich zum Rückweg aufmachen wollte.
 

Noch immer schlecht gelaunt und halbnackt, aber wenigstens einigermassen Sauber kletterte Cathal währenddessen über den Schutthaufen, der die Tür zu dem leer stehenden Haus, welches er und seine Bande als Heimstatt auserkoren hatten, halb verdeckte und setzte sich auf ein Mauerstück.

Sein Blick ging in den wolkenverhangenen Himmel, an dem der Mond bereits damit begonnen haben musste, seine Allabendliche Bahn zu ziehen.

"Sieht aus, als würd's heut noch regnen...", meinte er nachdenklich.

Regen war scheisse. Eigentlich mochte Cathal Regen, er liebte das Geräusch, das Gefühl auf seiner Haut, die Art, wie die Luft nach einem Sommerregen roch, aber dennoch. Bei Regen waren kaum Leute unterwegs. Schlechte Voraussetzungen für einen Taschendieb wie ihn. Mit einer sonderlich ertragreichen Nacht war also nicht zu rechnen. Deshalb war Regen eben doch scheisse.

"Da hätt ich mir die Wascherei auch sparen können..."

"Hättest du nicht", lies Kai verlauten, als er sich neben Cathal gegen den Schutthaufen lehnte und dessen Blick folgte. "Du weisst doch, wie Robin ist, Cal. Eine Nacht lang im Regen rum zu sitzen, hätte sie sicher nicht als Ersatz für's Waschen gelten lassen."

Er sah, wie Cathal die Augen verdrehte.

"Für jemanden, der Stundenlang im Regen sitzen kann, bist du echt verdammt wasserscheu…“ Das würde er nie verstehen. Weder das eine, noch das andere… „Und was machen wir heute, wenn schon keine Passanten unterwegs sind?“ Sein Freund zuckte mit den Schultern. Vermutlich würden sie irgendwo in einer heruntergekommenen Hinterhof-Kneipe wie dem Schwarzen Gockel landen. So wie immer, wenn sie nichts mit sich anzufangen wussten.

"Erst mal abwarten. Vielleicht läuft uns ja doch noch jemand mit zuviel Geld über'n Weg..."

Nicht, dass Cathal daran wirklich geglaubt hätte, aber man konnte ja bekanntlich nie wissen...
 

Seine Schritte lenkten Delano die Hauptstrasse entlang, wobei er seinen Mantel nochmals höher ruckte, das Wetter sah nach Regen aus. Er mochte Regen und liebte den Geruch von nasser Erde, aber es würde seine Jagd doch sehr erschweren. Das waren für ihn nicht gerade die besten Aussichten. Er hatte seit fast einer Woche keine angemessene Mahlzeit mehr gehabt und sein Körper würde beginnen zu verfallen, wenn er nicht baldigst daran etwas ändern würde. Das hiess für ihn also: nicht wählerisch sein. Die ersten Tropfen berührten bereits den Boden, was Delano dazu brachte, seine Kapuze aufzusetzen und leicht ins Gesicht zu ziehen. Die Strassen leerten sich zudem zusehends, was seine Laune nicht gerade zu heben vermochte, er würde wohl in den Seitenstrassen weitersuchen müssen, in denen war die Jagd ohnehin leichter zu verbergen. Kaum hatte er diesen Gedanken zu Ende gesponnen, da lenkten seine Schritte ihn auch in die erstbeste Gasse, die von der Hauptstrasse abzweigte.
 

Von drinnen war ein erneutes Seufzen von Robin zu hören. Die Jungs hatten eindeutig mehr Unordnung hinterlassen, als es sonst der Fall war. Aber jeder musste seine Aufgabe erfüllen, Cathal und Kai waren zwar Chaoten, aber immerhin sorgten die beiden dafür, dass alle, zumindest die meiste Zeit über, genug zu essen hatten, um über die Runden zu kommen. Und es war eben an Robin, für Ordnung, genähte Kleidung und Ruhe in der Familie zu sorgen. Tja ja, die Familie, wenn man diesen bunt zusammen gewürfelten Haufen denn so nennen mochte. Aber es kam Robins Vorstellungen bezüglich der Bedeutung dieses Wortes schon deutlich näher als es vorher, bei ihren Eltern, der Fall gewesen war. Der Gedanke ermutigte sie, sie wollte für die Jungs und Gwen da sein. Immerhin mussten sie zusammen halten, wenn alles so funktionieren sollte, wie bisher.

Während Kai nach drinnen verschwand, um sich ein Hemd zu holen, sass Cathal noch immer auf dem morschen Mauerstück, das Gesicht noch immer dem Himmel zugewandt, scheinbar völlig in Gedanken versunken. In Tat und Wahrheit dachte er allerdings an nichts bestimmtes, genoss einfach nur die ersten Regentropfen auf seinem Gesicht, seinem blossen Oberkörper und seinen nackten Füssen.

Bis ein Geräusch von der nahen Strasse ihn aufschrecken liess.
 

Delano achtete nur wenig auf seine direkte Umgebung, so wirklich war ihm nicht nach Beute-Ausschau zumute. Wenn er erfolglos zurückkehren würde, beziehungsweise eines der Verstecke innerhalb der Stadtmauern anpeilen müsste, könnte er die Jagd auch auf morgen verschieben, wenn mehr auf den Strassen los wäre. Er seufzte und verlangsamte den Schritt etwas, taub für seine Umgebung, nur auf seine eigenen Gedanken und das leise Rauschen des Regens konzentriert.

Der Blondschopf hatte seine Umgebung dafür umso genauer im Blick und als er den Fremden im Umhang an dem Hinterhof, in dem sich „ sein“ Hauseingang befand, vorbei gehen sah, oder vielmehr hörte, war seine Neugier geweckt. Der sah nicht aus, wie jemand, der hier her gehörte.

„Hey Kai, mach hinne, Mann“, rief er seinen Freund leise, aber hörbar ungeduldig. Wenn sie hier noch lange rum sassen, war die vielleicht einzige Gelegenheit des Abends bald über alle Berge.

„Sieht aus, als wären wir dann mal weg. Tschüss Robin, lass das Haus stehen!“, meinte Kai zu dem Mädchen und grinste sie kurz an, ehe er über den Schutthaufen vor dem Eingang kletterte.

„Na endlich… Ich glaube, es gibt heute doch noch was zu tun“, meinte sein bester Freund kaum dass Kai recht draussen war, leise und nickte vage Richtung Strasse.

Um ehrlich zu sein wäre ihm ein einigermassen gemütlicher Abend im Gockel sehr viel lieber gewesen. Das Lokal mochte versifft sein, aber das Dach war immerhin dicht, was seiner Attraktivität im Vergleich zu dem nassen Wetter, durch das sie die nächste Zeit schleichen würden, enorm zuträglich war. Es war ja nicht so, dass Kai nicht verstand, warum Cathal seine „Opfer“ zunächst eine Weile beobachtete, schliesslich liess sich so ganz gut heraus finden, in welchen Taschen sich etwas Brauchbares befand und wo nur Müll zu finden war, aber dennoch…
 

Delano genoss derweil die kühle Luft und die Tatsache, dass der Regen die menschlichen Gerüche der Stadt weitestgehend dämpfte, schliesslich waren warme oder gar schwüle Nächte hier kaum auszuhalten, insofern man es wagte, durch die Nase zu atmen. Er hauchte einmal und lächelte leicht, sein Atem war so kalt, wie die Umgebung und dem entsprechend nicht zu sehen, aber bei dieser Witterung und der nächtlichen Dunkelheit fiel das ohnehin kaum auf, ausser sein Gegenüber wäre darauf hin geschult, Wesen der Nacht zu erkennen und zu entlarven. Er rechnete jedoch nicht damit, einer solchen Person zu begegnen, nicht bei diesem andauernden Regen. Es waren ohnehin kaum mehr Menschen auf den Strassen unterwegs, da machten diese Seitengassen keine Ausnahme.

Nur aus diesem Grund fiel ihm nach einer ganzen Weile auf, dass man ihm folgte. Anfangs wollte er sich dem noch entziehen und selber zum Jäger werden, doch dann entschied er sich, in kindlicher Verspieltheit, jedoch dagegen und würde seine Verfolger weiterhin dulden. Schliesslich könnte es sich ja auch letzten Endes um appetitliche Happen handeln.

Der Regen jedoch, machte es auch Delano schwerer genau zu erkennen, wie viele es waren, die seiner Spur folgten. Er vermutete zwei bis drei Personen, aber solange keine Waffe gegen ihn gerichtet wurde, würde er sogar mit vier bis fünf Gegnern zurecht kommen können, insofern diese keine richtigen Kampferfahrungen hatten.

Er seufzte leise, liess seine menschliche Gesellschaft mal näher kommen und dann hängte er sie kurzweilig wieder ab. Dieses Katz- und Mausspiel würde er wohl eine ganze Weile durchhalten, denn er musste sich selber eingestehen, dass er neugierig auf seine Verfolger war und suchte eine Möglichkeit, sie genauer in Augenschein nehmen zu können.

Er wusste, dass wenn er einen der Verfolger genauer unter die Lupe nehmen wollte, es nötig werden würde, die Gruppe zu trennen. Mit einem innerlichen Seufzen bewegte er sich dann zu einem Ort hin, wo die wenigsten des Nachts noch umherwandern wollen, oder es wagen. Er wollte es sich jedoch nicht nehmen lassen, dass ihm wenigstens einer seiner Schatten auch bis dorthin folgt und liess sich dazu hinreissen, dem einen zu faszinieren, eine unfaire Fähigkeit, mit der man normalerweise seine Beute gefügig machte, aber es war ja in diesem Fall durchaus zutreffend, dass es sich um eine Beute handelt.

Er erreichte nach längerem Fussmarsch seinen Zielort, atmete tief durch und genoss den Geruch von feuchter, frisch aufgewühlter Erde, es hatte wohl erst kürzlich eine Beerdigung gegeben. Ihm nur recht, er liebte diesen Geruch.
 

Schon vor einiger Zeit war Kai der Gedanke gekommen, dass es kaum einen Zweck hatte, den Unbekannten noch länger zu verfolgen, und das lag nicht nur daran, dass er nass bis auf die Knochen war. Doch als besagter Fremder schliesslich auf den Friedhof einbog und Cathal auch noch Anstalten machte, ihn im gebührendem Abstand zu folgen reichte es ihm wirklich.

"Vergiss es, keine zehn Pferde bringen mich nachts auf den Friedhof!", meinte er, als er Cathal am Arm zurück hielt.

Dieser verdrehte die Augen. Als ob ein Friedhof so dermassen schrecklich wäre. Nichts als ein paar Steine und ‘ne Menge Erde, vielleicht hier und da ein welkes Blümchen, mehr war da nicht...

Aber sein bester Freund war abergläubisch wie die Nacht finster.

"Jetzt schieb keine Panik, is doch alles halb so wild...", versuchte er ihn halbwegs zu beruhigen.

"Halb so wild?" Kai musste sich beherrschen, nicht laut auf zu lachen. "Es is gefährlich nachts auf nen verdammten Friedhof zu gehen, das weisst du doch. Du könntest die Toten wecken, so dass sie aus ihren Gräbern steigen! Und auf dem Friedhof haben die Toten die Macht über die Lebenden!", erklärte er dann ernst.

Gwendolyna hatte ihm davon erzählt und als Zigeunerin und Hellseherin musste sie es schliesslich wissen.

Cathal jedoch gab sich unbeeindruckt. "Ja, ja, schon klar... Trotzdem will ich wissen, was der Kerl da mitten in der Nacht zu schaffen hat. Du kannst ja hier warten."

Damit liess er seinen Freund stehen, schlüpfte durch das schmiedeeiserne Tor des Friedhofs und huschte in den Schatten einiger naher Bäume um sein "Opfer", welches sich seinem Blick mittlerweile entzogen hatte, erneut ins Auge zu fassen.
 

Leise bewegte Delano sich hinter einen alten Lebensbaum, welcher wohl auch schon bessere Zeiten gesehen hatte und lauschte den leisen Stimmen seiner Verfolger. Er konnte zwar nicht verstehen, worum ihre Unterhaltung ging, es schien jedoch eine kleine Diskussion zu sein, was er aus der schnellen Abfolge von Worten entnahm. Er lächelte leicht und wich noch weiter hinter den Baum zurück, ehe er seine Gestalt für das menschliche Auge auflöste und nur noch als ein Schatten in die Dunkelheit gepresst verweilte. Er genoss es richtig, diesen Menschen überlegen zu sein, auch wenn er immer wieder seine Meinung kund tat, dass solche Methoden doch unsportlich wären und er sie nicht nötig habe, aber mittlerweile ging es ihm nicht mehr um die Mahlzeit, die sich da bot, sondern um ein Spiel, was er mit allen Mitteln zu gewinnen suchte. Er wartete bis sich sein Opfer weiter auf diesen Ort der Ruhe wagte um sich hinter dieses zu bewegen und seine Gestalt, insofern beide alleine waren, wieder massiv und sichtbar werden zu lassen.

Erneut musste er innerlich lächeln, sein Verfolger war noch recht jung und von ansehnlicher Gestalt, es erschien Delano nun eine gute Entscheidung gewesen zu sein, das Ganze von einer Jagd zu einem Spiel werden zu lassen. Er näherte sich dem jungen Mann leise, für einen Menschen nicht wahrzunehmen, ehe er das Wort an ihn richtete.

"Ein schöne Nacht, nicht wahr?"

Einen Moment lang glaubte Cathal, sein Herz würde stehen bleiben, als er unvermittelt und noch dazu von hinten angesprochen wurde, allerdings schnellte sein Puls lediglich schlagartig in ungeahnte Höhen, so dass ihm ein allzu frühzeitiger Tod gnädiger weise erspart blieb. Instinktiv fuhr er herum und machte fast sofort darauf einen ebenso instinktiven Schritt zurück, als er sein vermeintliches Opfer vor sich sah. Wo zum Teufel kam der Kerl auf einmal her?

Er versuchte, seinen rasenden Herzschlag und seinen gleichermassen beschleunigten Atem unter Kontrolle zu bringen, in der Hoffnung, wenigstens einen klaren Gedanken fassen zu können. Wie er sich ehrlich eingestehen musste, bekam er es doch etwas mit der Angst zu tun, wusste nicht, wie er auf das unvermittelte Auftauchen des Unbekannten reagieren sollte.

Der lächelte sein Gegenüber mit geschlossenen Lippen an, suchte dessen Blick und versuchte so normal zu erscheinen, wie es ihm in seiner teuren aber immerhin schlichten Gewandung möglich war. Er machte einen Schritt auf Cathal zu, das Lächeln beibehaltend. Delano konnte den Herzschlag seines Gegenübers förmlich hören und genoss dieses Überraschungsmoment aus ganzer Seele. Unbewusst schwenkten seine Gedanken hin zu einem der Bücher, die er letzten Winter gelesen hatte. Ein Buch, in dem es um das romantische aufeinandertreffen einer holden Maid und eines finsteren Vampirs ging. Die ganze Szenerie erinnerte ihn daran, der Regen, der erschrockene Mensch, welcher ohne es zu wissen, einem gefährlichen Raubtier gegenüberstand. Delanos Erinnerungen wurden dann jedoch dadurch getrübt, dass er solche Momente bereits mehr als nur einmal erlebt hatte und keiner war erfüllend gewesen. Ob er sich hinreissen lassen sollte, es erneut auf [ietwas mehr ankommen zu lassen? Sein Gegenüber gefiel ihm und wenn er es nicht versuchte, so würde er wohl nie finden, wonach sein Herz so sehr begehrte.

"Ich sagte, eine schöne Nacht, nicht wahr?"

Cathal zwang sich innerlich zur Ruhe. Vermutlich hatte er den Fremden wegen seines dunklen Umhangs im Schattend er Bäume einfach nicht bemerkt, als er sich gerade diesen Ort als Aussichtspunkt gewählt hatte. Zu dumm aber auch...

"Wenn man auf Regen steht, ja...", antwortete er endlich und seine Stimme klang längst n icht so sicher, wie er eigentlich wollte.

Der Fremde nickte leicht auf Cathals Anmerkung hin. Liess den Blick kurz über die Gräber, Bäume und Statuen wandern, welche vom Regen benetzt waren und seufzte leise.

"Ich liebe Regen, es ist... als ob die Welt gereinigt wird, die Erde beginnt zu leben, sie duftet. Pflanzen beginnen zu wachsen und Tiere haben zu Trinken."

Seine Stimme klang ein wenig abwesend, hatte er doch leicht zu träumen begonnen. Bisher erschien ihm alles richtig, beinahe perfekt. Er sah dann wieder zu Cathal, erneut das Lächeln formend.

"Du bist mir doch nicht zufällig gefolgt, oder?"

Bei diesen Worten wurde sein Blick ein wenig tadelnd, aber auch herausfordernd. Er wollte zu gerne wissen, wie sein Gegenüber reagiert, wenn es erkennt, dass es nicht unbemerkt geblieben war.

Zunächst musterte Cathal ihn skeptisch, versuchte, unter der dunklen Kaputze etwas zu erkennen, während er den Worten den Fremden lauschte. Er musste sich allerdings bemühen, nicht die Augen zu verdrehen. Bei aller Liebe zum Regen, man konnte es mit der Lobpreisung desselben auch übertreiben...

Die nächsten Worte seines Gegenübers liessen ihn allerdings stutzen. Er war also bemerkt worden. Dann war es vermutlich alles andere als ein Zufall, dass er nun allein mit einem Fremden auf einem verlassenen Friedhof stand.

Mit Schrecken stellte er fest, dass er die Position des Jägers, wenn überhaupt, nur kurzzeitig inne gehabt hatte. Eine äusserst beunruhigende Erkenntnis.

Dennoch versuchte, er sich kühl zu geben.

"Und wenn schon. Wem ich aus welchen Gründen folge ist meine Sache...", antwortete er vorlaut und wandte sein Gesicht von dem seines Gegenübers ab.

Eine unfreundliche Haltung, mit der Delano nicht gerechnet hatte. Sein Lächeln erstarb entsprechend, was sehr deutlich machte, dass es sich dabei ohnehin nur um eine eingeübte Maskerade gehandelt haben musste.

"Insofern ich der Verfolgte bin, geht es mich sehr wohl etwas an."

Die zuvor noch so sanfte, verträumte und ruhige Stimme war nun eher ein schneidendes Schwert, welches mit Sicherheit auch zu verletzen wusste. Ohne sich noch weiter zu äussern umrundete er Cathal schnellen Schrittes und schnitt ihm so den Weg zum Friedhofstor ab. Er musterte nun sein Gegenüber präzise und berechnend, beinahe tadelnd. Er seufzte dann, das war eindeutig nicht, wie in den Büchern beschrieben, sollte es wieder nur ein Wunschdenken von Delano gewesen sein, dass es dieses Mal anders werden würde? Nun, es war anders, die Abweisung und die Unhöflichen Gebaren waren dieses Mal schneller gekommen, als erwartet.

Cathal schreckte ob des plötzlich veränderten Tonfalls unwillkürlich zurück und wurde sich schmerzlich bewusst, einen -möglicherweise fatalen - Fehler begangen zu haben. Hätte er nur auf Kai gehört...

Dennoch erwiderte Delanos berechnenden, tadelnden Blick mit purem Trotz. Er dachte nicht daran, vor irgendwem zu kuschen.

"Als ob einer wie du meine Beweggründe überhaupt verstehen würde...", murmelte er mehr zu sich selbst.

"Beweggründe, nun wir alle haben Gründe für unsere Taten... daher wirst du jetzt meine bestimmt verstehen..."

Delano zog unter seinem Umhang ein Schwert hervor und hielt die Klinge in Cathals Richtung. Sein Blick war finster und seine gesamte Haltung machte mehr als nur deutlich, dass er mit der Waffe umzugehen wusste.

"Und nun, werden wir beiden zusammen einen Spaziergang machen, ausser du willst, dass ich… andere Massnahmen ergreife."

Delanos Tonfall behielt das Schneidende bei, was durch die glänzende Klinge nur noch an Gewalt gewonnen hatte. Er würde sein gegenüber jetzt einfach mitnehmen, sollte er schreien oder sich gar wehren wollen, würde er ihn betäuben können, aber noch wollte er diesen Schritt umgehen, solange es möglich war. Ihm gefiel das Äussere des Burschen, der vor ihm stand und wenn dieser schon nicht als Gesellschaft dienen konnte, so wäre er doch eine reizende Mahlzeit für ihn und seine Schwester.

Besagter Bursche war drauf und dran, in einem Anflug von ungesund-dummer Furchtlosigkeit, Widerworte zu geben, besann sich dann aber eines Besseren und nickte gehorsam. Vorerst würde er wohl nicht viel mehr tun können...

Innerlich erfreut darüber, dass es doch nicht zu Handgreiflichkeiten kommt, lenkte Delano Cathal in die Deckung des alten Lebensbaumes. Nach aussen hin behielt er die kalte Fassade aufrecht, die er gezeigt hatte, als er das Schwert demonstrierte. Er rang jedoch in seinen Gedanken mit sich selbst, ob es wirklich klug wäre, den Kerl so mitzunehmen, oder ob er ihn vielleicht doch lieber ins Land der Träume schicken sollte. Er wog das Für und Wider beider Positionen ab und entschied sich für das Letztere.

Ein Schritt nach vorne, ein Schlag in den Nacken und ein fester Biss hatten diesbezüglich noch nie ihr Ziel verfehlt. Delano festigte dann die Betäubung noch indem er seine, über die Jahrzenten erlernten, vampirischen Gaben nutzte, damit Cathal in einen langen, tiefen Schlaf verfiel. Er würde erst im Schloss wieder erwachen.
 

Kapitel 1

-Ende-
 



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Khaosprinzessin
2010-10-27T11:43:52+00:00 27.10.2010 13:43
Ohooo was wird Delano denn mit ihm machen, wenn er im Schloss ist?! Jetzt bin ich gespannt.
Das Kapitel ist sehr schön geschrieben. Auch die wechselnden Sichtweisenfind ich super. So kriegen beide Charaktere ihre verdiente Aufmerksamkeit^^ und es lässt sich ganz leicht lesen.
Bin schon aufs nächste Kapitel gespannt.

See ya in hell, beast


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