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Morbus Amatoris

Liebeskrank
von

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Der Winter hielt Einzug, und er ernüchterte nicht allein die Temperatur, sondern dazu die Erwartungen und Ansprüche. Keine Sonne schien im grau behängten Spätnovemberzenit zu existieren. Hogwarts hatte sich mit Schnee zugedeckt, und seine Schüler in ihren schwarzen Kutten hoben sich von der weißen Fläche ab wie ein Fluss Ameisen. Sie steuerten Hogsmeade an, und in ihrer gewohnten Abgeschiedenheit wusste Tom Riddle nicht mehr in allen Details, wie es Illumina Nyx gelungen war, ihn hierfür zu überreden. Als die Erinnerung dann doch wieder in sein Gedächtnis zurückkehrte, hätte er sie am liebsten gleich wieder hinausgeworfen.
 

In den Drei Besen bestand er auf den einsamsten Tisch, an welchem sie sich gegenübersetzten. Ihre enorme Jacke schien ihren kleinen Kopf verschlingen zu wollen, von dem das Haar dünndrahtig herunterhing. Wo das Fleisch merklich weniger geworden war, hatte die Schminke zugenommen, und ihre von unsichtbaren Gewichten erschwerten Mundwinkel rangen um das verronnene, nur die wenigsten kalt lassende Grinsen. Illumina weinte nie, doch ihre Augen waren tief in die Höhlen zurückgefallen und nun permanent verschattet.
 

Als Tom ihre Bestellung bezahlte, erwischte er seinen Gedanken, sie durch diese triviale Geste entschädigen zu wollen. Sie träumte weiter von ihren utopischen Vorstellungen, welche sie – obschon die Zeichen des Verfalls unübersehbar waren – nicht aufgeben wollte. Er neigte sich über die Holzplatte hinweg und küsste sie. Bedankte sich für ihre hingebungsvolle Loyalität. An den anderen Tischen lachten die Schüler über einen Vorfall in den Theaterproben. Bevor er sich wieder zurücklehnen konnte, umklammerte sie seine Hände, und hätte er über ausreichend echtes Einfühlungsvermögen verfügt, wüsste er nun, dass ihr bei aller Ignoranz der Realität klar war, dass es enden würde.
 

„Ich liebe dich…“
 

Er schwieg. Hob er das Glas Elfenwein hoch genug, verschwand ihre Erscheinung fast hinter der rubinroten Flüssigkeit.
 

„Wieso bist du so abweisend zu mir? Was habe ich falsch gemacht? Ich verstehe es nicht, Tom. Hilf mir, es zu begreifen. Dich zu begreifen. Deine Liebe tut so gut, Tom, wenn du mich küsst und berührst – es ist ganz anders als mit allen anderen Freunden! Ich sehne mich nach dir, aber ich spüre, dass irgendwas zwischen uns steht, und das zerrei…!“
 

Er zischte scharf, und sie verstummte, als hätte er ein Silencio ausgesprochen.
 

Was für ein dummes, wirklich dummes Geschöpf. Hinter dem Namen Illumina Nyx, hinter dem gehässigen Gesicht verbarg sich eine enttäuschende Abhängigkeit. Große Erleichterung umgarnte Tom Riddle, festzustellen, dass er nicht so war, und zugleich traf ihn die Erkenntnis, nicht so zu sein, wie eine niederschmetternde Wahrheit. Es musste wunderbar erlösend sein, nicht die Rolle des Denkers innezuhaben, einfach Tier zu sein, einfach zu leben, einfach zu tun, wonach der Körper verlangt.
 

Fürwahr. Wenn er hinter das Geheimnis kommen wollte, dann durfte er nicht lauschen, wonach es seinen Geist dürstete, denn sein Geist war seine kühl kalkulierende Vernunft, sein barsch bestimmender Mentor. Wenn er das Rätsel lösen wollte, dann musste er seinen Körper fragen.
 

Dafür wiederum galt es, seinen Geist ruhigzustellen. Zu betäuben. Ja: Betäuben. Bloß für Minuten. Länger würde er nicht brauchen, um seinen Körper sprechen zu lassen, denn eines wurde ihm bewusst beim Anblick dieses törichten, treuen Mädchens: Sein Körper wusste, was zu tun war; er hatte es ihm schon einmal sehr nahe gebracht. Doch sein Verstand setzte alles daran, ihn davor zu schützen. Er stieß das Verlangen in Jauche und machte es so zu etwas Abstoßendem. Er appellierte an Toms Gewissen…
 

Hatte sein Verstand Angst, er würde sich wie diese Menschen in der Sucht nach Zärtlichkeit, nach leiblicher Nähe, nach der Verschmelzung verlieren?
 

Alles, was er wollte, war, in Erfahrung zu bringen, ob es der Wahrheit entsprach, dass ein ohne Liebe entstandenes Kind selbst keine empfinden kann.
 

Lächerlich.
 

Liebe ist wie gehen, sprechen, denken. Man macht es mit dem Körper – also mit etwas, das jeder Menschen zeit seiner Geburt besitzt. Man kann es nicht nicht können.
 

„Ich werde lieben.“
 

„Was?“
 

„Illumina“, hauchte er und ließ eine präzise abgestimmte Dosis Hilflosigkeit in seine Stimme einfließen, welche ihm unmittelbar ihre komplette Aufmerksamkeit sicherte. „Ich will dir alles geben, wonach du mich fragst – ich würde es gerne, doch ich fürchte, ich schaffe es nicht allein. Ich habe Angst…“
 

Dieses Geständnis überraschte sie sichtlich.
 

Er ließ es wie seinen letzten Atemzug klingen: „Hilf mir.“
 

Unglauben füllte ihre Augen. Dann Entschlossenheit. Eine unehrliche Entschlossenheit, eigentlich mehr eine willenlose Trance. „Das werde ich. Tom. Ich werde dir helfen. Warte. Ich werde uns etwas zu trinken holen…“
 

Dummes, hässliches Mädchen.
 

Zu einer Zeit, da alle Ameisen längst wieder zurück in ihrem schwarzen Hügel zu sein hatten, flackerte in einem Zimmer des Gasthauses der Schein eines Lumos-Zaubers auf, wie er nur von einem durchschnittlichen Schüler beschworen werden konnte. Riddle fiel rückwärts auf einen Stuhl und starrte hinauf. Er konnte nicht mehr stehen. Hervorragend. Sein Kopf protestierte, doch er hatte ihm das Maul aufgerissen und ihm alles eingeflößt. Nun schwappte die Masse hinter seinen Augen hin und her und machte es ihm unmöglich, sich gerade zu halten. Die Vernunft war ertränkt. Der Stolz war ertränkt. Die Schranken unter der tosenden Flut eingebrochen. Illumina stand vor ihm wie Ophelia, mit entblößter Schulter – eine Vorstellung allein für ihn. „Keine Angst, Tom, keine Angst. Ich helfe dir…“ Hinter dem wässrigen Schleier erkannte er ihr nervendes Gesicht kaum. Eine Gestalt ohne Identität beugte sich zu ihm herab, streichelte seine Schläfen, fuhr durch sein Haar, küsste ihn. Sie streifte den Mantel von seinen Schultern, zog am Schal, bis er sich selbstständig löste, rau um seinen Hals wanderte, dass es sich nach etwas Lebendigem anfühlte. Schob ihre Hände über seine Arme. Setzte sich auf sein Bein. Presste sich an ihn. Nie war er einem Mädchen so nahe gewesen, nicht einmal Illumina. Da wirkte ein fremder Druck auf seine Brust, von außen, und abermals bemächtigte sich seiner jener heiße Schwindel, der alles, was jenseits der Kontaktstellen lag, als unwichtig bestimmte. Illumina bewegte sich auf ihm, als bangte sie ständig, herunterzufallen, und atmete nicht weniger heftig als er. Ihre Lippen lungerten an seinem Mund herum, als würden sie in ihm verschwinden wollen, aber irgendetwas fehlte.
 

Lust ist ein absonderliches, perverses, aber geiles Gefühl. Wollte er diese äußerst starke Empfindung evozieren, musste er ihr eine Grundlage errichten, ein Fundament, bestehend aus der mächtigsten Emotion, die ihm bis jetzt bekannt war.
 

„Meinen Namen… Sag’… meinen Namen!“
 

Hass.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Daikotsu
2011-03-06T18:42:50+00:00 06.03.2011 19:42
Wieder vollkommene Verwirrung. Erst so, dann so...
Gna
Ich weiß kaum etwas zu schreiben, ich muss lesen...
Und die Alte soll weg >.<//


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