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Freundschaft und Liebe

[Sasuke x Sakura | high school AU | jerks to friends]
von

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Sense And Spring


 

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Sakura starrte auf die reißenden Wellen, die im aufkommenden Sturm gegen die kleine Klippe prallten, auf der sie stand. Die Gischt spritze hoch und an ihr vorbei. Sie hatte den Kopf in die Hände gelegt. Hoffentlich hatten sie es jetzt alle verstanden. Sie war nicht schwanger, kein Drogenjunkie und erst recht nicht mit Shikamaru liiert. In keiner Weise und aus keinem Grund. War es so schwer gewesen, das endlich zu kapieren? Zum ersten Mal seit Monaten fühlte Sakura Erleichterung. So viele Missverständnisse, so viele Hetzen gegen sie—das alles hatte endlich ein Ende.

"Nette Ansprache."

"Danke."

Ohne sich umzudrehen, hatte Sakura die tiefe Stimme erkannt. Sie wollte nicht reden, vor allem nicht mit ihm. Ob er weggehen würde, wenn sie ihn darum bitten würde? Wohl kaum. Er setzte immer seinen Willen durch. Also versuchte sie es erst gar nicht.

"Drinnen tobt ein Orkan."

"Soll mir recht sein", gab sie trocken zurück. Der stärker werdende Wind fuhr ihr durchs Haar und sie fröstelte leicht. Vor ihr prallte eine Welle gegen die zerklüftete Steinwand und hinterließ an ihrem Rand flaumige Gischt. "Es sieht schön aus, wenn Wellen gegen die Küste schlagen. Die Gischt wirkt wie Wolken im Wasser."

"Hm", machte Sasuke. Er trat dicht an sie heran, um ebenfalls hinab zu schauen. "Du hast recht. Aber die Wolken im Himmel sind friedlich. Weiß und flauschig. Der weiße Schaum im Wasser sieht aus, als wäre er zerschlagen worden."

Sakura musste lachen. "Das Wort flauschig aus deinem Munde zu hören ist eine verstörende Sache."

Sasuke grinste, doch sie sah es nicht. "Sie reden in der Mensa alle darüber, wie dumm man nicht war, dass man dir nicht geglaubt hat. Sie machen Kiba dafür verantwortlich und auch Karin. Jeder vermutet sie als den wahren Übeltäter."

"Klischee", bemerkte Sakura und fügte hinzu: "Du hältst zu ihr, nicht?"

Sasuke nickte. "Sie ist meine Freundin."

"Tolle Antwort. Deine Patentlösung für alles, hm?"

"Kannst du auch mal einen Satz ohne ein Fragezeichen beenden?"

"Stört dich das etwa? Fragezeichen."

Sasuke fuhr sich durch die vom Wind zerzausten Haare. "War ja klar. Ich kenne dich seit einem halben Jahr. Langsam weiß ich, wie du tickst."

Sakura lachte hohl. "Wow, ein halbes Jahr, was für eine Ewigkeit", meinte sie sarkastisch. Dann besann sie sich. "Du hattest noch nie einen Freund länger als ein paar Wochen. Diesmal war es keine Frage, möchte ich nur anmerken. Ich weiß nicht, wie das ist. In diesem goldenen Käfig zu sitzen, immer auf sein Geld reduziert zu werden. Aber du darfst kein Mitleid von mir erwarten. Meiner Ansicht nach bist du selbst schuld. Wo immer du die Chance hättest, Freunde zu finden, verbaust du dir diese Möglichkeiten in perfekt einstudierter Manier. Auch wenn ich es nicht gerne zugebe, du bist bei uns nicht alleine schuld. Wir waren gewiss nicht die beste Gesellschaft für jemanden wie dich; mit unseren Kommentaren, unseren Vorurteilen und unseren Spielchen."

"Ich weiß, auf was du hinauswillst, Sakura. Und ich danke dir. Für so vieles."

"Dank mir lieber nicht zu früh", versetzte sie mit abwinkender Handbewegung. "Du hast dich nicht verändert. Du bist etwas höflicher, aber im Grunde bist du so wie du warst. Wir haben dir bloß einen kleinen Dämpfer versetzt. Sobald du deinen Abschluss hast, wirst du es vergessen haben. Du wirst wieder der Alte sein, als hätte es uns nie gegeben. Das ist okay. Niemand verlang von dir, dich zu ändern." Nun wandte sie sich zu ihm um und lächelte leicht. "Aber ich danke dir von Herzen, dass du mir Einblicke in dein Leben gegeben hast. Und Einblicke in dein wahres Ich, das gar nicht so schlecht ist, wie du es gerne hättest."

Sie hob den Arm, zögerte kurz und berührte ihn dann doch sanft an der Schulter.

"Du wirst niemals die gutmütige Frohnatur sein, die zu sein sicherlich einfacher wäre. Aber immerhin bist du du und bleibst dir treu. Das ist, was zählt, denn es ist eine Eigenschaft, die in unserer Zeit viel zu selten vorkommt. Ich bewundere das an dir und ich wünschte, ich könnte auch einfach ich selbst sein."

Dann ging sie mit so viel melancholischer Erleichterung, dass sie ihr klopfendes Herz gar nicht erst wahrnahm.
 

Sakura stieß niedergeschlagen Luft aus ihren Lungen, um die sich ihre Eingeweide zusammenzogen. Sie dachte nach, wie so oft dieser Tage. Auf dem Nebenbett lieferten sich Sai und Ino einstweilen eine erbitterte Diskussion, derer sie mit halbem Ohr lauschte und die von Temari misstrauisch beäugt wurde.

"Wie wäre es mit einem Liebesfilm?"

"Das ist Klischee."

"Eine romantische Komödie?"

"Langweilig."

"Sai?"

"Ja?"

"Du bist ein schlechter Freund."

"Ich tue mein Bestes."

"Merkt man."

"Könntet ihr bitte aufhören? Ihr kotzt mich an", meckerte Temari zwischen die abgehackte Konversation. "Seit einer halben Stunde geht das schon so! Wie lange seid ihr bitte zusammen? Zwei Monate oder Zwanzig Jahre? Ihr macht mich fertig!"

Ino und Sai sahen erst sich verdutzt an, danach wandten sie sich ratlos an Temari, ehe sie sich wieder einander zuwandten und sich flüchtig küssten. "Wir verstehen uns eben", bemerkte Ino.

"Genau", stimmte Sai nickend zu. "Muss doch nicht immer alles romantisch sein."

"Wohl, wohl. Kitsch ist out."

Das war ein gekonnter Seitenhieb auf Shikamaru, was Temari verärgert zischen ließ. Sie wandte sich mit verschränkten Armen ab und murmelte unverständliche Beschwerden.

Das beleidigte Paar zuckte bloß die Schultern und Ino fuhr fort: "Shikamaru war sowieso nur eine Phase." Dabei hatte sie die Hand auf Sais Knie gelegt. "Inzwischen weiß ich, dass ich nie wirklich auf ihn scharf war. Wer könnte denn schon mit dieser trägen Lustlosigkeit zusammen sein? Nein, ich auf keinen Fall."

"Halt doch mal die Klappe", brummte Temari. "Sakura! Sag doch auch mal was!"

Die Angesprochene drehte sich lethargisch auf dem Bett zu den Streithähnen. "Was ist denn los? Tut mir leid, ich war in Gedanken."

"Sag bloß", meinte Temari sarkastisch. "Ino ist bloß eingeschnappt, weil Shikamaru nichts von ihr will! Und jetzt macht sie ihn runter, damit sich ihr Ego besser fühlt!"

"Gar nicht! Nimm das zurück!"

Doch Temari dachte gar nicht daran. Sie stand auf, ohne Ino eines weiteren Blickes zu würdigen und ging mitsamt der entspannten Stimmung aus dem Zimmer. Sakura beobachtete die Szene erst teilnahmslos, dann erhob sie sich ebenfalls—allerdings mehr wehmütig seufzend denn ernsthaft verstimmt. "Ich geh ihr nach und bieg das wieder grade. Viel Spaß heute Abend im Kino, was auch immer ihr euch anseht."

"Einen Liebesfilm."

"Einen Actionfilm."

"Was heißt hier bitte Actionfilm? Vergiss es!"

"Vergiss du mal lieber deinen Liebesfilm! Ich bin ein Kerl und keine weinerliche Mimose!"

"Wenn du dir nicht den Film mit mir ansiehst, mach ich dich fertig und dann wirst du eine sein!"

Sakura bekam nicht mehr von diesen koketten Diskussionen mit, mit denen sich die beiden immer zu unterhalten wussten. Ino und Sai waren wirklich ein seltsames Paar. Ihre einzige Gemeinsamkeit war die Anzahl der Buchstaben des Vornamens und das I darin. Und trotzdem funktionierte es. Vielleicht war es so vorherbestimmt. In vielen Beziehungen konnte man beobachten, dass die größten Gemeinsamkeiten zu Schwierigkeiten führten und die ärgsten Gegensätze ein Pärchen enger zusammenschweißten. Und dann gab es wieder die Bilderbuchbeziehungen, in denen Gemeinsamkeiten Harmonie und Gegensätze Streit implizierten. Sie hatte sich nie viele Gedanken darüber gemacht—wieso auch? Es hatte sich nie ergeben und sie auch nie interessiert—doch langsam war sie der Meinung, dass kein einziges Sprichwort eine funktionierende Beziehung vorhersagen konnte. Es musste vermutlich einfach passen.

Ob es zwischen Sasuke und Karin auch einfach passte? Der Gedanke versetzte ihr einen heftigen Stich. Wenn es zwischen den beiden gut lief, dann hatte das wohl seinen Grund. Sie war stoisch genug, um sich damit abzufinden. Und sie war egoistisch genug, um das Schicksal dafür zu hassen.
 

Es war alles gesagt und man widmete sich den angenehmen Dingen des Lebens. Um ehrlich zu bleiben, konnte man Lernen kaum zu den angenehmen Dingen des Lebens zählen, doch im Vergleich zu allen verfügbaren Alternativen—Liebesdramen, Anschläge, verhängnisvolle Leidenschaften—besann man sich gerne auf die fundamentalen Aufgaben und auf die Grundidee dieser Schule, die seit Monaten für einige ihrer Schüler keine Stätte der Bildung mehr gewesen war, sondern viel eher ein Vorraum der moralischen Hölle. Aber das war nun vorbei und der restliche Jänner, sowie auch der Februar verliefen langweilig und trist oder mit freundlicheren Worten ausgedrückt: ruhig und friedlich.

Ino und Sai waren—welch Wunder—noch immer ein Paar, das fester denn je zusammen war. Nichts konnte ihre Beziehung erschüttern, wieso auch immer. Auch Naruto und Hinata waren ein Herz und eine Seele und Sayuri machte mit Gaara erhebliche Fortschritte. Temari behielt Stillschweigen über ihren Vorzug gegenüber Shikamaru und Sakura ging das alles am Allerwertesten vorbei. Sie konzentrierte sich ausschließlich auf ihre Prüfungen und den Aufnahmetest fürs Medizinstudium, waren erstere doch bereits in drei Wochen und zweites in zwei Monaten. Ihre seltsamen Gefühle für Sasuke hielt sie dicht verschlossen hinter einer dicken Barrikade aus Büchern. Das funktionierte sehr gut, bis auf die wenigen Minuten, in denen sie Sasuke und Karin zusammen sah.

So verstrich der Februar in ereignisloser Monotonie, ohne dass die Schülerzeitung etwas zu schreiben gehabt hätte. Wer für das Attentat auf Sakura verantwortlich gewesen war, wusste man noch immer nicht—es gab weder zwingende Beweise gegen Karin noch gegen jemand anderen—woraufhin das Interesse dafür abebbte. An eine mögliche Schwangerschaft verschwendete niemand mehr einen Gedanken, ebenso wenig an eine Hochzeit; Sakuras Ausbruch war eindrucksvoll genug gewesen, um die nach Skandalen lechzende Meute für immer zum Schweigen zu bringen.

"Hättet ihr in den letzten Monaten gedacht, dass es noch einmal so ruhig sein würde?", fragte Hinata in die Runde. Sie lernten mit ihren Freundinnen zusammen japanische Geschichte in Inos Zimmer.

"Niemals", antwortete Sakura mit einer wegwerfenden Handbewegung.

"Ärgert es dich nicht, dass Karin nicht bestraft wurde?", bemerkte Ino fäusteschwingend. "Dass ausgerechnet der ach so intelligente Uchiha Sasuke dann auch noch mit ihr zusammenbleibt, weil er nicht kapiert, was für eine Schlange sie ist, finde ich außerdem wirklich bedenklich. Scheint doch nicht so klug zu sein, der Gute."

"Das denke ich weniger", wandte Sakura ein, den Blick auf ihr Buch gesenkt. Wenn Sasuke zum Thema gereichte, versuchte sie immer, sich nichts anmerken zu lassen—was auch immer es war, was man ihr anmerken hätte können. "Ihn interessiert es wohl einfach nicht, was sie tut, solange er mit ihr klarkommt. Solange er ihrer nicht überdrüssig wird und sie sich nichts beweisbar zu Schulden kommen lässt, was seine Meinung über sie zerstört, wird er weiterhin mit ihr zusammen sein, bis das Schuljahr zu Ende ist."

"Und dann nicht mehr, glaubst du?"

"Denk doch mal nach, Temari, wieso sollte er? Er hat dann viel bessere Mädchen zur Auswahl. Der Kontakt wird sich schnell verlieren. Sie verkehren nicht in denselben Kreisen. Sie ist adelig und er der Sohn eines Wirtschaftsmoguls. Sie wohnen in völlig anderen Bezirken, wenn er nicht sogar zurück nach Amerika geht. Wer weiß, was er vorhat. Ich denke jedenfalls nicht, dass Karin in seinem Leben bleiben wird."

"Denken oder hoffen?", murmelte Temari halblaut, doch Sakura ignorierte es. Dann verbesserte sie sich: "Ich stimme dir zu. Egal ob Wunschdenken oder nicht, Sasuke wird sich für sie kein Bein ausreißen. Man kann ihm nur wünschen, dass er irgendwann mal jemanden findet, der seinen Charakter zum Positiven verändert."

Sakura lachte hohl auf. "Man wird seinen Charakter nicht verändern können." Sie fügte jedoch schmunzelnd hinzu: "Aber vielleicht kann die richtige Frau ihn in einem etwas weicheren Licht erscheinen lassen." Sie lächelte selig über diesen Gedanken, der so unwahrscheinlich schien und schlug sich zugleich dafür, dass sie sich insgeheim als diese Frau sah. Zumindest für einen kurzen Augenblick.
 

Mit derartig erfolglosen Gesprächen lockerte man die ultimative Langeweile der Lernerei auf. Meist lenkte Sakura selbst die Themen in diese Richtung, denn danach war ihr Eifer immer wieder aufs Neue geweckt. Nur so konnte sie ihren Gedanken Luft machen, den Gefühlen Raum schaffen, die sie in unbedachten Momenten fehlender Selbstkontrolle innerlich vor sich selbst in die Knie zwangen, wo sie mit schweren Lasten auf den Schultern nicht die Kraft fand, sich zum Lernen aufzuraffen. Aber wenn sie kurz über Sasuke geredet hatte, dann war die Welt wieder gut, die Last nicht mehr da—zumindest für eine kurze Zeit—und sie war wieder sie selbst. Verrückt, wie sehr sie Uchiha Sasuke plötzlich brauchte, um ihr wahres Ich zu finden. Um es zu behalten. Niemals hätte sie das gedacht, nicht einmal geahnt und schon gar nicht gehofft. Es fiel ihr schwer, sich einzugestehen, dass ihr derzeitiges Glück von ihm abhing und er sich offenkundig gerade darum keine Sekunde lang scherte. Es war hart, das zu wissen und doch gleichzeitig genau das Gegenteil der Wahrheit annehmen zu müssen, um nicht in stille Verzweiflung zu verfallen, wo Sakura doch genau darüber in Kenntnis gesetzt worden war, welchen Stellenwert ihr Seelenfrieden oder gar sie selbst bei Sasuke innehatte. Nämlich gar keinen. Ironisch, wie sich die Dinge zu einem Kreis nicht enden wollender, repetitiver Muster schlossen, aus dem es kein Entrinnen gab. Da biss sich die Katze in den Schwanz. Ironisch. Und verrückt. Und so gar nicht nach Sakuras Geschmack, doch sie konnte nichts dagegen machen. Sie war verliebt, mehr noch, sie liebte den jungen Mann, der sie am wenigsten verdient hatte.
 

"Ich muss ein Buch holen…", seufzte sie erschlagen von diesem wirren Gedankengang, der ihr selbst nicht ganz eingehen wollte. Es war Ende März, draußen schien die Frühlingssonne und die Nerven der Abschlussklassen lagen blank. In zwei Wochen waren die Abschlussprüfungen und ausschließlich jeder hatte bisher zu wenig gelernt. Wenn man für sowas überhaupt genug lernen konnte.

"Schon wieder zu viel nachgedacht?", wollte Temari grinsend wissen.

"Hör bloß auf", zischte Sakura und erhob sich mit ächzenden Gelenken. Das stundenlange Sitzen tat ihrem Körper nicht gut. Sie brauchte Ferien—sie, der Superstreber. Und das wollte was heißen. Nun, sie brauchte eher Ferien von sich selbst, aber das ging ja nicht, also nahm sie mit dem Vorlieb, das sie bewerkstelligen konnte. "Mir platzt gleich der Schädel. Ich denke sogar schon im Lehrbuchstil, das ist echt nicht mehr schön."

"Welches Buch brauchst du denn?"

"Keine Ahnung. Das weiß ich, wenn ich da bin", gab Sakura zu. "Aber irgendeines werde ich schon brauchen." Sie zuckte sie Schultern und verließ die traute Runde, die sich, wie so oft, in Inos Zimmer eingefunden hatte.

"Sie braucht doch immer ein Buch", maulte Naruto. "Das kann nicht gut sein. Dieses ständige Denken."

Ino verpasste ihm mit der flachen Hand einen Schlag auf den Kopf. "Das genaue Gegenteil, das du fortwährend praktizierst, ist aber mindestens genauso schlecht!"

"Hey, was soll das, wieso schlägst du mich?", brüskierte sich Naruto, sich die schmerzende Stelle haltend. "Hinata, sag was! Das darf sie doch nicht so einfach!"

"Und ob ich das darf! Würde mich wundern, wenn du es durch die Abschlussprüfungen schaffst! Dass du bei den Vortests überhaupt so gut warst, ist echt ein Wunder! Hinata hätte dir nicht so viel helfen sollen. Wenn Sai und ich lernen, kommt es immer eher zu—"

"Ino!", schalt Hinata sie streng und wandte den Blick betont kühl ab. "Über so etwas redet man nicht in der Öffentlichkeit. Mir liegen meine Noten am Herzen und solange Naruto mit mir zusammen ist, lernt er auch mit mir. Du bist nur eifersüchtig, weil du bloß um einen Grad besser bist als er. Und das bei den Vortestungen."

Ino ballte die Hand zur Faust, besann sich dann aber. Ebenfalls den Blick abwendend, murmelte sie: "Eine Drei ist nichts, mit dem man angeben kann."

Anderswo vertrieb man sich seine Zeit nicht viel anders, wenn auch irgendwie komplett gegenteilig. Bei Karin, Sasuke und Suigetsu herrschte ein Frieden vor, den man nirgends anders finden konnte. Allerorten stritten sich die gestressten Gemüter wegen Kleinigkeiten, wegen Nichtigkeiten oder einfach nur so, um für ein paar Minuten den Blick von den Büchern heben zu können. Nicht so in Suigetsus Zimmer, das eine heilige Stätte willkommender Ruhe und Ernsthaftigkeit geworden war. Hier herrschte Streitverbot und sogar Sprechverbot, solange ein einziger Anwesender die Augen in einem Lehrtext versenkt hatte. Das war das oberste Gebot.

Heute war ein angenehmer, lauer Tag, weshalb Karin die Fenster weit geöffnet hatte und ermüdet den dicken Wälzer beiseitelegte, den sie bereits seit Tagen durchackerte. "Langsam nervt mich das", sagte sie und stand auf, um ihre steif gewordenen Glieder zu lockern. "Wenn ich nicht so hart arbeiten müsste, um an einer guten Universität aufgenommen werden zu können, würde ich das alles abblasen."

"Als ob du nicht sowieso überall mit Handkuss aufgenommen werden würdest", gab Suigetsu beiläufig zurück. "Wir wissen alle, wie scharf sämtliche Dekane darauf sind, die Verwandte der Kaiserin an ihrer Institution zu haben. Alleine dem Prestige wegen würden sie dich mit schlechten Noten nehmen."

"Papperlapapp, das ist nicht wahr. Wir sind hier nicht in Amerika!", empörte Karin sich, wirkte aber gleichzeitig zu höchst geschmeichelt. Sie warf Sasuke einen abwartenden Blick zu, doch dieser ließ sich nicht einmal ansatzweise dazu herab, einen dazu passenden Kommentar abzugeben. "Fein." Sie warf eingeschnappt ihre Haare zurück, ging auf ihn zu und beugte sich hinab. "Für was lernst du gerade?"

"Altgriechisch", sagte er knapp.

"Bitte?"

Er sah nun gezwungener Maßen auf und schlug das Buch zu. "War bloß ein Scherz. Ich lerne für Japanische Geschichte. Diese ganzen Jahreszahlen sind doch unmöglich alle zu merken. Und unnötig obendrein."

"Wohl wahr…", seufzte Karin. "Wieso lernst du überhaupt so viel? Dir kann es doch erst recht egal sein, mit welchen Noten du aussteigst. Nach dem Abschluss wirst du als Vorstandsmitglied das Unternehmen deines Vaters mitleiten und daran dein gutes Geld verdienen."

Sasuke stand nun ebenfalls auf, um sich zu strecken. Er ging an ihr vorbei, ohne sie anzusehen und sah aus dem Fenster auf die azurblauen Weiten des Himmels. "Vielleicht nicht. Vielleicht will ich mein eigenes Leben leben. Ohne das Geld meines Vaters, ohne dessen Berufswahl für mich. Ich möchte studieren. Glaube ich."

"Ach", machte Karin ernüchtert. "Was du nicht sagst. Und woher dieser plötzliche Sinneswandel? Wenn ich mich recht entsinne, hast du es nie darauf angelegt, ein Individualist zu sein."

"Als ob du mich schon so lange kennen würdest."

Karins Gesichtszüge erschlafften. Sie sah kurz zu Suigetsu und bedeutete ihm, zu verschwinden. Er verstand und verabschiedete sich unter einem durchschaubaren, fadenscheinigen Grund.

"Ich kenne dich, Sasuke", sagte Karin steif. Sie trat von hinten an ihren Freund heran und umarmte ihn. "Ich kenne dich besser als jeden anderen. Du bist wie ich, das haben wir bereits geklärt. Du benutzt Leute, betrügst und lügst, um dir deine Vorteile zu sichern."

"Vielleicht will ich nicht länger so sein."

"Wir sind, was wir sind. Und wir können uns nicht ändern. Wieso willst du anders sein? Dein Leben ist schön. Was kümmert dich die Meinung anderer Leute? Was kümmert es dich, ob du ihnen wehtust, wenn du dadurch glücklich wirst?"

Sasukes Blick verweilte weiterhin starr auf dem Horizont. Er hätte ihr zu gerne geantwortet, doch auf was hinauf? Sie würde seine Meinung nicht gelten lassen. Also beließ er es dabei und fragte sich im Stillen, wessen gute Meinung ihm wirklich am Herzen lag—die der anderen, oder bloß die dieses einen Mädchens?

Karin deutete sein Schweigen als ihren Triumph, was sie dazu veranlasste, sich enger an seine Brust zu schmiegen und mit den Fingern unter sein Shirt zu gleiten. Sie musste sich auf die Zehenspitzen stellen, um das Kinn auf seinen Schultern ablegen zu können und ihm verführerisch ins Ohr zu hauchen. "Wir kennen uns nun schon so lange, Sasuke. Wir sind schon so lange zusammen. Ich will nicht länger warten."

Er antwortete nicht und sie lächelte.

"Es ist Zeit für den nächsten Schritt. Für den entscheidenden Schritt. Sasuke." Karin küsste seinen Nacken, während ihre Finger seine Brust hinab wanderten, das Shirtareal verließen und in seine Hose glitten.

Plötzlich stoppte sie. Sasukes Griff hatte sich um ihr Handgelenk gelegt und zog ihre Hände wieder an die Oberfläche. "Ich muss lernen."

"Weist du mich zurück?", zischte sie wütend und wich zurück. Ihre Augen funkelten ihn verletzt an. "Sag bloß, du bist noch immer scharf auf diese Haruno-Schlampe!"

"Das hat nichts mit Sakura zu tun", zischte er zurück. Wieso er sich angegriffen fühlte, konnte er leicht vermuten.

"Ach, nein? Mit wem dann? Etwa mit mir? Bin ich nicht hübsch genug? Nicht sexy genug? Oder war ich für dich bloß Zeitvertreib, um Haruno zu ärgern?"

"Karin, hör auf mit diesem Blödsinn! Das hat nichts mit dir oder ihr zu tun. Wir sind im Prüfungsstress, wir sind in einen Raum, zu dem jeder sofort Zugang hat. Ich habe keine Lust darauf, mich erwischen zu lassen, bloß weil du dir gerade einbildest, mit mir schlafen zu wollen!"

Karin wich ein weiteres Stück schockiert zurück. "Also schön. Jetzt weiß ich wenigstens, was ich davon zu halten habe. Herzlichen Dank auch. Sag mir Bescheid, wenn du dich wieder normal benimmst. Ich für meinen Teil würde das, was wir miteinander haben, nämlich gerne auf eine höhere Ebene bringen. Weil ich dich liebe."

Damit stürmte sie zornig aus dem Zimmer, in dem sie Sasuke ratlos zurückließ.
 

Sakura war noch nicht weit gekommen, als sie am anderen Ende des Flurs ein rotes, tobendes Monster sah, das einen unschuldig wirkenden Blauhaarigen wütend mit sich zog. Sie konnte unschwer erkennen, dass es Karin und Suigetsu waren. Sie verdrehte hoffnungslos die Augen. Der arme Suigetsu. Er konnte am wenigsten für Karins schlechte Laune. Was sie wohl diesmal verärgert hatte? Sie war von jeher neugierig, was sie stets als Wissbegierde bezeichnet hatte, doch für diese Art von Themen war sie plötzlich sehr wohl zu haben. Sie hätte sich selbst nie zugetraut, dass sie den Mut hatte, Karin zu folgen.

Wieso ihr dabei die Knie zitterten, wusste Sakura nur allzu gut. Sie ahnte, dass es etwas mit Sasuke zu tun haben musste. Was genau sie hoffte zu hören, wusste sie hingegen nicht. Einen fatalen Streit? Eine unbedachte Äußerung, die Sakura Genugtuung verschaffen würde? Alles hätte sie erraten können, bis auf das, was ihre Ohren tatsächlich wahrnahmen.

"Sei nicht dumm! Willst du alles aufs Spiel setzen, bloß weil er heute nicht mit dir schlafen wollte?", fuhr Suigetsu Karin an. Er packte sie am Handgelenk und zerrte sie in eine der vielen Abstellkammern, die so gut wie nie benutzt wurden. Dabei zog er die Türe so fest zu, dass sie unbeachtet wieder aufsprang. Sakura pirschte sich unter seinen geflüsterten Beschwichtigungen weiter vor, direkt vor die Tür, um ja nichts zu verpassen.

"Dumm? Für wen hältst du dich? Es geht nicht darum, dass er nicht mit mir schlafen wollte—es geht darum, wieso er es nicht tun wollte!", fauchte Karin zurück. Es entstand eine kleine Pause, ehe ihr Gegenüber fortfuhr.

"Der Grund? Er hat ihn dir sicherlich genannt. Ich würde auch nicht mit meiner Freundin am helllichten Tag hinter einer unabgeschlossenen Tür schlafen wollen; noch dazu hinter Wänden, durch die man alles hört! Nicht so kurz vor dem Abschluss. Jeder Nerv liegt blank, da verspürt kein normaler Mensch den Drang zur Erotik. Und du auch nicht!"

Karin biss sich auf die Lippe. Sie senkte ihre Stimme bedrohlich, sodass Sakura draußen Mühe hatte, ihrem schnellen, zischenden Wortschwall folgen zu können. "Jetzt hör mir zu, du Vollidiot, es geht kaum darum, ob er sich der Erotik hingeben will oder nicht! Es geht darum, dass ich etwas brauche, um ihn behalten zu können!"

"Nicht das schon wieder! Karin, bitte, hör endlich auf! Du machst nicht nur sein Leben kaputt, sondern deines obendrein!"

"Das ist nicht wahr!", behauptete Karin empört. "Ich liebe ihn. Wenn wir diese Schule verlassen haben, wird er mich vergessen. Für ihn bin ich nicht mehr als ein willkommener Mädchenschreck, um ihn aus seiner Misere zu befreien, gut auszusehen. Seit er mit mir zusammen ist, hat ihn keine mehr angeschmachtet. Aber wir wohnen in unterschiedlichen Vierteln, vielleicht sogar bald in unterschiedlichen Städten—Gott weiß, an welcher Universität er studieren wird! Ich kann ihn nicht so einfach gehen lassen."

"Also willst du ihn erpressen? Karin, das ist kein Spiel mehr!", beschwor Suigetsu sie, doch sie schien strikt den Kopf zu schütteln. "Hör mir zu, Karin, das kann alles sowas von in die Hose gehen! Der Spaß hat aufgehört, als du Haruno dieses Zeug in den Drink geschüttet hast! Ich weiß, dass du das nicht wirklich wolltest, aber wenn es jemand herausfindet, bist du dran! Dann ist dein Leumund dahin und du kannst niemals Rechtsanwältin werden! Belass es einfach so, wie es ist, bitte!"

"Du verstehst das nicht", versetzte Karin ungerührt. "Ich will Sasuke. Und ich werde dafür sorgen, dass er bei mir bleibt."

"Erpressung ist kaum die richtige Möglichkeit", stellte Suigetsu fest. "Wer sagt dir, dass er sich erpressen lässt? Ein Foto, das ihn beim Sex mit seiner Freundin zeigt, ist kaum ein geeignetes Druckmittel."

Karin fuchtelte wild mit ihren Händen umher. Zumindest vermutete Sakura das, denn plötzlich fiel etwas scheppernd zu Boden. "Das vielleicht nicht, aber wenn ich das Foto erst einmal habe, werde ich ihm drohen, es mit einer hübschen kleinen Geschichte an die Zeitungen zu verkaufen. Ich werde einfach etwas erfinden—eine Schwangerschaft, eine Affäre, etwas in der Richtung. Das hat schon einmal geklappt, wie du weißt."

"Ja", sagte er, setzte aber nach: "Aber die Miya-So Monthly ist nicht die Japan Times und Miya-So ist nicht ganz Japan! Das alles ist viel größer. Hier war es ein Streich, der ein wenig ausgeartet ist, aber in der echten Welt nennt man das Betrug, Erpressung und im schlimmsten Fall Rufmord! Dafür kannst du ins Gefängnis gehen!"

"Ich mach das schon, okay? Misch dich einfach nicht ein."

Sakura ahnte das Ende des Gesprächs herbei und drehte sich leise auf den Zehenspitzen um, um so leise und schnell als möglich ein Versteck hinter einer Ecke zu finden. Das konnte einfach nicht wahr sein! Karin hatte gerade ein komplettes Geständnis abgelegt und sie hatte damit gedroht, Sasuke zu erpressen! Sakuras Herz klopfte wie verrückt. Sie musste schwer schlucken, doch ihre Kehle fühlte sich trocken und staubig an, als könne sie nie wieder ein Wort sagen. Aber sie musste! Sie musste Sasuke warnen! Also rannte sie los. Was blieb, waren Schritte, die in den leeren Gängen verhallten, und Zweifel, ob Sasuke ihr auch nur annähernd glauben würde.
 

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Kommentare zu diesem Kapitel (11)
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Von:  Kerstin-san
2015-09-07T15:43:15+00:00 07.09.2015 17:43
Aloha,

tja, wie kommen die ganzen Leute jetzt auf einmal drauf, dass es Karins Schuld war? Sie ist ja schließlich ein Insiderinformant und hat nicht überall offen rumerzählt, dass Sakura schwanger ist.
Und woher wissen die, dass es ein Attentat war? Sakura hat ja schließlich von einem Schwächeanfall wegen zuviel Schulstress gesprochen. Das passt alles nicht so ganz zusammen..

Tja, ansonsten verläuft das Kapitel bis zum Ende hin ja eher ruhig. Karins toller Plan ist ja mehr als wackelig und ich teile Sakuras Bedenken, dass Sasuke so einer abstrusen Geschichte glauben schenken wird, aber man kanns ja mal probieren.

Liebe Grüße
Kerstin

Von:  L-San
2013-04-30T14:31:21+00:00 30.04.2013 16:31
Hi Five. ;D

Ich nähere mich ja bald dem Ende. ;D
Wow, immer noch beeindruckend, wie viel du da geschrieben hast.
So viel könnte ich nicht in einer FF schreiben. Chapeau. ;D

Ich habe hier wirklich noch kaum was zu sagen. Alles hab ich ja schon in den letzten 25 Kommentare gesagt. Wenn ich mir das so anschaue, dann ist das unglaublich von mir, so fleißig zu sein. ;DDD

Okay, also das Kapitel war wie immer interessant.
Böser Cliffhanger hast! Macht sich natürlich immer gut.
Bis zum nächsten Mal.

;D
Antwort von:  4FIVE
30.04.2013 17:30
Und wie fast immer, bekommst du eine Reaktion: Ich muss dich hier ja bald zu meinem besten Leser ernennen! Du bist auf jedenfall der kontinuierlichste und konstruktivste.

Ich kann es heute auch nicht glauben, wie viele Wörter A.A hat. Dabei habe ich viel wieder herausgestrichen! Mein FF Rekord liegt bei 125.000 Wörtern bei einer IzumoxOC FF, die ich nie online gestellt habe, also nochmal ne Ecke mehr. Aber ich habe vor, den Rekord von A.A in puncto Wortanzahl mit 'Evenfall' zu überbieten!

Liebe Grüße,
Five
Von:  HaiFraeulein
2011-10-10T17:33:42+00:00 10.10.2011 19:33
Ich hoffe die Pause findet irgendwann ein Ende Q_Q
Leider total unter Entzug...
Von:  NaxLu
2011-08-15T12:34:51+00:00 15.08.2011 14:34
ey, wieder mal cool geworden.
Der arme Sasuke. Der tut mir leid.
Ich hoffe er glaubt Sakura ein bisschen wenigstens.
Ich freue mich schon drauf es weiter zu lesen. :)

Lg Nami
Von: abgemeldet
2011-08-01T08:49:55+00:00 01.08.2011 10:49
Wow, langsam ist es ja echt bald aus. Schon deine zweite, die bald zu Ende ist. Ich wünsch dir noch alles Gute für die letzten kaptieln, viel Durchhaltevermögen und noch Kreativität!
Wor sehen uns im nächsten Kap.

LG
Von:  Hina09
2011-07-27T17:41:59+00:00 27.07.2011 19:41
Kariin :(
So eine blöde kuh....
Immer will sie alles kaputt machen.
Bin echt gespannt wie es weiter geht.

Lg Hina09
Von:  Katalina
2011-07-25T23:23:05+00:00 26.07.2011 01:23
Ein seeeehr gutes Kappi..
ich will wissen, was jetzt dannach kommt :DDD
mach weiter so ;D
lg
Keiko_
Von:  Kleines-Engelschen
2011-07-25T22:24:40+00:00 26.07.2011 00:24
ein klasse kapi. karin scheint jetzt entgültig einen rad abzuhaben..
schreib bald weiter

greetz
Von:  fahnm
2011-07-25T19:59:04+00:00 25.07.2011 21:59
Jetzt dreht Karin völlig durch.
Sie muss in ihre Schranken verwiesen werden.
Freue mich schon aufs nächste kapi^^
Von:  HaiFraeulein
2011-07-25T19:40:30+00:00 25.07.2011 21:40
Oh krass, wie Karin abgeht XDDD
Das schockiert einen richtig..
Aber umso mehr wird mein psychologisches Interesse geweckt..
wieso sie das tut, was sie durchgemacht hat, dass ihr Sasuke und ihr Ruf nun so wichtig sind *_*"
Nur schade, dass dieses Kapitel etwas kurz geraten ist >_<;
freu mich schon aufs nächste!


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