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Visionen im Spiegel

von

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Prolog

„Mayu…“

Eine Kerze flackerte.

Das wenige Licht reichte kaum aus, um den kleinen Raum zu beleuchten. Alles jenseits der Gitterstäbe lag im Dunkeln. Die Wände der Zelle waren mit Bücherregalen gesäumt. Sie waren ausnahmslos alt, viele davon längst nicht mehr lesbar.

Ein kleiner Tisch befand sich ebenfalls in der Zelle, auf ihm stand die Kerze. Sie spendete zusätzlich zu dem bisschen Licht ein wenig Wärme.

Ein junges Mädchen saß vor dem Tisch.

„Mayu…“, flüsterte sie.

Immer und immer wieder.

Ein Vogel, gefangen im Käfig.
 

Rei fuhr hoch.

Ein Alptraum.

Nur ein Alptraum.

Langsam beruhigte sie sich. Sie wusste, wer das Mädchen in ihrem Traum gewesen war. Obwohl sie nur ein Foto von ihr gesehen hatte, wusste sie, dass es Keis Nichte Mio war.

Kei…

Mio..

Die beiden waren weg. Fortgegeistert.

Die Vorfälle im Haus des Schlafes waren Rei nur zu gut in Erinnerung geblieben.

Es machte sie immer noch nervös, auch wenn es jetzt schon vier Monate zurücklag. Sie und Miku versuchten weiterzuleben.

Mussten weiterleben.

Für die, die es nicht mehr konnten.

„Yuu.“

Tränen sammelten sich in Reis Augen.

Ein Krachen ließ sie hochschrecken. Schnell wischte sie ihre Tränen weg und stürzte aus dem Zimmer.

„Miku? Ist alles in Ordnung?“, fragte sie nach ihrer Mitbewohnerin.

„Alles Bestens, alles Bestens! Ruri hat nur eine Vase umgeworfen.“, rief Miku hoch. Sie klang verärgert und als Rei die Treppen hinunter kam, sah sie die Scherben und den nassen Boden. Sie fischte einen Fetzen von der Anrichte und begann die Scherben wegzuräumen, während Miku ihre Katze Ruri, die die Scherben äußerst interessant fand, hochhob und in den Vorraum trug.
 

„Lass nur, ich mach das schon“, sagte sie zu Rei als sie zurückkam und drückte ihr einen Packen Werbeprospekte in die Hand. Dazwischen lag ein dicker Brief.

Während Miku noch mit den Scherben beschäftigt war, besah Rei den Brief. Er war an Yuu andressiert.

Inzwischen hatte sie es über sich gebracht, seine Bekannten über seinen Tod zu informieren, doch offenbar hatte sie jemanden vergessen.

Sie warf einen Blick auf den Absender und erstarrte.

Kei Amakura.

„Das kann doch nicht…!“

Hektisch öffnete sie den Brief und begann zu lesen.
 

Lieber Yuu,

wie du weißt, wollte Mafuyu auf eigene Faust nach Junsei Takamine suchen. Nun scheint auch er verschwunden zu sein. Ich hoffe, dass er bald wieder auftaucht. Es wäre ein schwerer Schlag für seine Schwester, ihn auch noch zu verlieren.

Von Mafuyu habe ich erfahren, dass kurz vor Takamines Verschwinden eine Liste angeblich verfluchter Häuser und Schreine zusammengestellt wurde. Seitdem er sich nicht mehr meldet, habe ich mich ein wenig umgehört und mir wurde diese Liste zugespielt. Darunter befindet sich ein Schrein, mit dem ich nicht viel anfangen kann. Folklore war doch immer dein Gebiet, deshalb wollte ich dich darum bitten, dir das anzusehen. Einiges habe ich selbst inzwischen herausgefunden und dir zusätzlich zu Mafuyus auch meine eigenen Notizen geschickt.
 

Viele Grüße,

Kei Amakura
 

Rei suchte nach einem Datum, wann der Brief geschrieben oder abgeschickt worden war. Tatsächlich wurde sie fündig, der Brief war auf vor zwei Jahren datiert, aber erst jetzt zugestellt worden.

Sie atmete tief durch.

Ein Brief von Kei, der fortgegeistert war, an Yuu, der verstorben war, über Mafuyu, der verschwunden war.

Sie erschauderte. Das war auf eine seltsame Art und Weise unheimlich.

Dann schüttelte sie ein Notizbuch aus dem Umschlag. Es war relativ klein und dünn.
 

„Rei? Ist alles in Ordnung? Du siehst blass aus.“

Mikus Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Sie machte sich immer Sorgen um Rei, das war damals, nach Yuus Tod, so gewesen und jetzt war es genauso.

Inzwischen verließ sie das Haus wieder regelmäßig und arbeitete, auch wenn sie nicht viele Aufträge annahm.

Sie lächelte.

„Alles in Ordnung, es ist nichts.“

Rei brachte Keis Brief und Notizbuch in ihr Zimmer und verstaute beides dort in der Schreibtischschublade. Dann gesellte sie sich zu Miku um zu frühstücken.
 

Das Klicken einer Kamera durchbrach die Stille. Er betrachtete das Foto, auf dem sich langsam ein Bild zeigte. Ein grausames Bild, voll Blut. Ein Mädchen, in alle dem Blut. Ihr Blick war traurig, in den Händen hielt sie einen runden Spiegel. Ihre langen, schwarzen Haare fielen glatt über ihre Schultern. War ihr Kimono blutig oder von roter Farbe?

Er konnte es nicht sagen.

Der Rahmen des Spiegels war gesprungen, es fehlten Teile. Was wohl passierte wenn er sie einsetzte? Würde etwas Schreckliches geschehen? Würde er das Mädchen aus ihrem Spiegel befreien können? Oder sollte er vielleicht doch noch mehr Nachforschungen über diesen Schrein anstellen, bevor er die Spiegelscherben holte?

Er war unsicher.

Doch diese Entscheidung musste wohl noch warten, denn er hörte Schritte. Sie klangen immer näher.

Ein Lächeln umspielte seine Lippen, doch es sah bitter aus. Er hatte schon viel erlebt, doch seit er diese Kamera hatte, hatte er viele schreckliche Dinge gesehen. Doch waren sie nie mehr gewesen als bloße Bilder, die ihn nie beachtet, nie bemerkt hatten.

Aber nicht hier.

Hier war er bemerkt worden.

Und nun waren sie hinter ihm her.

Die Schritte wurden lauter.

In seinen Ohren dröhnte es.
 

Endlich hatte Rei etwas Zeit. Kurz nach dem Frühstück hatte ein Kunde angerufen und so hatte sie die letzten Stunden ziemlichen Stress gehabt. Nun holte sie Keis Notizbuch aus der Schublade und begann den Inhalt zu überfliegen.

Einige der Seiten waren mit Kopien aus sehr alten Büchern beklebt, die Ränder in Keis enger Schrift beschrieben. Sie erkannte kurze Notizen und Verweise zu anderen Seiten, Büchern oder Dokumenten. In der Mitte war ein Foto eingeklebt.

Rei stockte der Atem.



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