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Kleine Geschichten

Wieso wir tun, was wir tun...
von

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Opfer

Mai 1903, Central City Oberschule
 

„Roy-kun, Roy-kun! Bitte mach’ mir auch eine!“

Umschwärmt von einem halben Dutzend junger Frauen saß er da: Mit schwarzen Haaren und dunklen Augen, charmant lächelnd, wurde Roy Mustang von seinen Mitschülerinnen beinahe wie ein Gott verehrt. Genüsslich langsam zeichnete er einen Transmutationskreis auf ein Blatt Papier, konzentrierte sich einen Moment und legte dann seine Hände auf das Blatt. Blaue Blitze knisterten um seine Hände, das Papier zog sich zusammen und bildete eine unförmige Masse. Im nächsten Augenblick entstand eine filigrane Papierblume. Mit einem weiteren Lächeln überreichte der junge Mann diese Blume der Schülerin, die ihn eben noch angebettelt hatte und ihm nun ein hingebungvolles Lächeln schenkte.

Sofort begannen drei andere junge Frauen, um Roys Aufmerksamkeit zu buhlen. Ehe sich jedoch eine von ihnen durchsetzen konnte, wurde Roy von hinten ein Buch gegen den Kopf geschlagen. Eine junge Frau mit hochgesteckten blonden Haaren und entschlossen blitzenden braunen Augen, deren Schuluniform perfekt saß, war die Übeltäterin.

„Du hast dein Mathebuch vergessen, Roy“, erklärte sie streng und setzte sich mit missbilligender Miene neben Roy, nicht ohne zahlreiche eifersüchtige Blicke der anderen Schülerinnen zu ernten.

„Wie gut, dass du nur zwei Straßen weiter wohnst“, lachte Roy unbekümmert und setzte sich aufrechter hin, um dem Disziplindrang seiner langjährigen Freundin genüge zu tun.

Die jungen Bewunderinnen zogen sich empört murmelnd zurück, aber Riza machte sich nicht einmal die Mühe, von ihren sorgfältigen Unterlagen aufzublicken. Roy lächelte amüsiert in sich hinein und holte seine eigenen Unterlagen aus seiner Tasche.

„Danke, ohne dich hätte ich wieder alle Mädchen mit Blumen versorgen müssen.“

„Du hättest gar nicht erst damit anfangen müssen. Otou-sama hat doch gesagt, dass man Alchemie nicht leichtfertig verwenden soll“, war Rizas strenge Erwiderung.

„Touché“, gestand Roy grinsend und richtete seine Aufmerksamkeit nach vorne, wo der Lehrer gerade an das Pult trat, um den Unterricht zu beginnen.
 

Juli 1903, Central City Militärakademie
 

„Roy! Hey Roy!“

Entnervt seufzend blieb Roy stehen und wartete, bis der junge Mann, der ihn gerufen hatte, zu ihm aufgeschlossen hatte. Maes Hughes, aus Gründen, die Roy auch nach Jahren nicht verstand, Roys bester Freund.

„Roy, ist Gracia nicht wundervoll?“, trällerte Maes, wartete jedoch nicht einmal auf irgendeine Erwiderung, sondern fuhr gleich fort. „Ich war gestern mit ihr im Park und sie hat Apfelkuchen mitgebracht. Sie ist eine fantastische Köchin! Und so bescheiden. Sie wird sicher mal eine wunderbare Ehefrau und Mutter!“

„Wundervoll…“, brummte Roy und schritt forsch aus.

Eilig folgte Maes seinem besten Freund und klopfte ihm auf den Rücken. „Frag’ doch endlich mal Riza nach einem Date!“

„Wieso sollte ich?“

„Ihr kennt euch doch schon so lange, also wieso nicht?“

In Maes’ Augen funkelte es wissend. Roys Interesse an Riza war für ihn unübersehbar – und genauso wenig, dass das auf Gegenseitigkeit beruhte. Nur wollte keiner der Beiden das je zugeben.

„Sie ist nur die Tochter meines Alchemielehrers und wohnt in der Nachbarschaft, mehr nicht.“

„Ja klar.“ Maes seufzte theatralisch, wurde jedoch sofort ernst, als das Gebäude der Militärakademie in Sicht kam. „Also… Kein Rückzug?“

„Kein Rückzug“, bestätigte Roy mit eiserner Miene und blickte zu der wuchtigen Fassade, deren Schmuck reinstem Pragmatismus gewichen war.

Die beiden jungen Männer hatten nie richtig darüber gesprochen, aber sie wussten, dass sie dieselben Beweggründe für ihren Beitritt zur Armee hatten. Roys Sprüche, als Soldat würde er viel Geld verdienen und noch viel mehr Frauen rumkriegen können, waren seinem Hang geschuldet, Riza aus der Reserve locken zu wollen. Bislang war er damit jedoch gescheitert.

Aufmunternd klopfte Maes seinem besten Freund auf die Schulter und setzte sich in Bewegung. Ohne das geringste Zögern folgte Roy ihm. Nicht aus Geldgier, nicht aus Blutlust, einzig und allein aus dem Wunsch, jene zu beschützen, die ihm wichtig waren…
 

März 1908, Central City Platz
 

Wortlos überprüfte Roy ein letztes Mal, ob er alles eingepackt hatte, ehe er sich den schweren Rucksack auf den Rücken schwang. Sein Gesicht war eine steinerne Maske. Er freute sich ganz und gar nicht, dass er befördert worden war. Wie sollte er das auch, wo ihm doch ein Krieg bevorstand?

Jahre lang hatten die Auseinandersetzungen in Ishbar angedauert, bis sie schließlich vollends eskaliert waren. Vor sieben Jahren war schließlich der Krieg ausgebrochen, als ein Soldat von Amestris versehentlich ein Kind von Ishbar getötet hatte. Sieben lange Jahre Krieg und kein Ende in Sicht. Die Ishbarier waren ein zähes Volk. In den oberen Riegen des Militärs wurde man ungeduldig, daher hatte man nun beschlossen, die Staatsalchemisten ins Feld zu schicken. Also auch Roy.

Maes war ebenfalls eingezogen worden. Dabei war er davon bisher noch befreit worden, weil er vor einem Jahr Gracia geheiratet hatte, aber jetzt wurden sogar schon zivile Ärzte und Ingenieure zwangsverpflichtet. Das hatte Maes allen Humor ausgetrieben. Roy konnte es nur zu gut verstehen. Immerhin hatte er auch ganz andere Pläne im Sinn gehabt…

Seufzend rückte Roy seine Mütze zurecht und verließ seine kleine Wohnung, die er seit seinem Auszug aus dem elterlichen Haus vor drei Jahren bewohnte. Der Weg die Treppen hinunter zur Straße kam ihm unendlich lang vor. Am liebsten wäre er umgekehrt, aber er zwang sich, mit ruhigen, raumgreifenden Schritten weiter durch die Straßen zum Militärgelände zu gehen.

Am Rande des großen Vorplatzes konnte er Maes sehen, der Gracia umarmt hielt und offensichtlich noch nicht bereit war, sich von ihr zu trennen. In einen der bereitstehenden Laster stiegen gerade mehrere Staatsalchemisten. Roy erkannte Doktor Marco und Lieutenant Armstrong, aber auch Kimbley, einen jener Alchemisten, die in Roys Augen der Ehre dieses seltenen Talentes nicht würdig waren.

„Roy…“

Der junge Mann musste aufpassen, dass er sich nicht zu schnell umdrehte, als er Rizas Stimme hinter sich hörte. Langsam wandte er sich zu ihr um. Auch nach ihrer Schulzeit waren sie immer in Kontakt geblieben. Riza studierte auf Lehramt an der Central City Universität. Ihr Vater war vor einiger Zeit spurlos verschwunden. Vieles um sie herum hatte sich geändert, aber zwischen ihnen hatte sich nicht das Geringste geändert. Auch Roys Gefühle nicht.

Langsam ging er auf Riza zu und blieb direkt vor ihr stehen. Er zwang sich zu einem schelmischen Grinsen. „Ich wusste, dass du kommen würdest.“

„Natürlich“, erwiderte Riza ruhig und ernst. „Irgendjemand muss dir ja sagen, dass du auf dich aufpassen sollst.“

„Keine Sorge, in Ishbar ist gerade Trockenzeit“, ulkte Roy, verstummte jedoch sofort, als er die ernsthafte Verärgerung in Rizas Augen erkannte. Seufzend ließ er das krampfhafte Grinsen fallen und blickte Riza ernst an. „Wenn ich wieder komme, muss ich dir etwas Wichtiges sagen.“

Rizas Gesichtszüge wurden zu seiner Überraschung weicher, als sie sprach: „Ich werde auf dich warten… Also pass’ gut auf dich auf…“

„Das werde ich“, versprach Roy und ließ sich zu einem dankbaren Lächeln hinreißen, ehe er sich umdrehte und zu den Transporter der Staatsalchemisten ging. Respektvoll nickte er Armstrong und Doktor Marco zum Gruß zu, dann setzte er sich auf die unbequeme Bank. Seine Hand fuhr in seine Hosentasche und ertastete ein kleines Kästchen. Seine Geschichtszüge wurden härter, entschlossener.

Er würde nicht in Ishbar sterben! Riza würde nicht lange warten müssen…!
 

November 1908, Central City Avenue
 

Ein leises Klopfen hallte durch die dämmrige Wohnung. Höflich, aber bestimmt. Ein Zeugnis der Entschlossenheit der Person, welche schon seit fünf Minuten vor der Tür stand.

Müde strich Roy sich mit beiden Händen übers Gesicht und versuchte zum wiederholten Male, diese furchtbaren Bilder aus seinen Gedanken zu vertreiben. Bilder von Zerstörung und tausendfachem Tod. Bilder von panischen Gesichtern, von verzweifelten Müttern, die ihre Kinder schützen wollten, von entsetzlich verstümmelten Leichen, von brennenden Menschen, weinenden Kindern…

Roy hatte Feuer immer als faszinierend empfunden, aber wenn er nun an Feuer dachte, tauchten die Bilder seiner eigenen Gräueltaten vor seinen inneren Augen wieder auf.

„Roy, ich weiß, dass du da bist! Mach’ bitte endlich die Tür auf!“

Stockend schüttelte Roy den Kopf. Er wollte ihr so nicht gegenüber treten. Er wollte nicht, dass sie ihn so schwach sah.

„Roy…“ Der junge Mann konnte sich nicht erinnern, wann sich diese Stimme jemals so weich wie jetzt angehört hatte. „Roy, ich mache mir Sorgen um dich…“

Roys Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als er hörte, wie sich Schritte von der Wohnungstür entfernten. Er sprang auf die Füße. Nein! Er durfte nicht so weiter machen! Er durfte sie nicht schon wieder enttäuschen. Das hatte er seit seiner Heimkehr aus dem Krieg vor drei Wochen schon zu oft getan!

Hektisch ging Roy zur Tür, schloss sie auf und öffnete sie. Doch der Flur war leer. Riza war bereits fort…
 

Dezember 1908, Central City Avenue
 

Roy saß wie auf glühenden Kohlen. Er hatte das Gefühl, vor lauter Anspannung gleich zu platzen. Umso dankbarer war er, dass Maes nichts sagte, während er den Wagen durch die Straßen von Central City lenkte.

Ohne Maes wäre Roy während der letzten Wochen eingegangen, aber nun hatte er ein neues Ziel. Es war ein schier unmöglicher Plan, aber Roy würde ihn möglich machen…

„Bist du sicher, dass du das willst?“, fragte Maes ernst, als er schließlich vor dem Ziel hielt. „Du könntest auch einfach austreten und dir ein friedliches Leben aufbauen.“

„Nein… Ich werde Führer werden und verhindern, dass es jemals wieder zu so einem Massaker wie in Ishbar kommt. Das ist der einzige Weg!“

Ein anerkennendes Lächeln schlich sich auf Maes Lippen. „Und dennoch willst du diesen einen Plan nicht aufgeben?“

„Ich habe sie schon viel zu lange warten lassen“, erwiderte Roy ruhig und stieg aus.

„Na dann viel Erfolg.“ Maes tippte sich an die Mütze und legte wieder den Gang ein. Roy nickte ihm dankbar zu und ging dann festen Schrittes zum Haus.

Auf sein Klopfen hin öffnete ihm eine ältere Dame, der sofort anzusehen war, dass sie Rizas Mutter war. Respektvoll deutete Roy eine Verbeugung an.

„Hawkeye-san, dürfte ich mit Riza reden?“

„Sicher. Sie müsste gleich fertig sein, aber sie hat nicht viel Zeit.“

„Muss sie zur Universität?“, fragte Roy verwirrt. Wenn er sich richtig erinnerte, war die Universität zu dieser Zeit geschlossen, aber er traute Riza zu, dass sie freiwillig noch zu irgendwelchen Arbeitsgemeinschaften oder dergleichen ging.

Auf seine Frage erntete er jedoch nur einen seltsamen Blick, den er sich nicht wirklich erklären konnte. Wortlos wurde er in den Salon geführt, wo er alleine zurück blieb, während die Hausherrin nach oben ging, um ihrer Tochter Bescheid zu sagen. Um Haltung bemüht, blieb Roy mitten im Raum stehen, konnte jedoch nicht verhindern, dass seine Hand in seine Tasche glitt und zum wiederholten Male das Kästchen ertastete. Als er leichte Schritte auf der Treppe hörte, spannte er sich an…

Im nächsten Moment betrat Riza den Raum. Roy fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen, als sie vor ihm stramm stand und salutierte. Sie trug die Uniform eines Kadetten und ihre Haare waren ordnungsgemäß gestutzt worden. Vor Roy stand keine Lehramtsstudentin, sondern eine Kadettin der Militärakademie!

„Major Mustang?“

Roy rang um seine Fassung. Rizas formelle Begrüßung machte alles zunichte, was er sich für diesen Besuch eigentlich vorgenommen hatte. Riza würde seine Untergebene sein, wenn sie die Akademie abgeschlossen hätte – und er bezweifelte nicht, dass sie das mit Bestnote schaffen würde. Aber das hieß auch, dass es verboten war. Sie würden Vorgesetzter und Untergebene sein. Niemals mehr…

„Major?“

„Ja…“ Mühsam rief Roy sich zur Ordnung und suchte schließlich Rizas Blick. „Wieso hast du das getan? Warum bist du der Akademie beigetreten?“

Ernst und entschlossen blickte Riza ihm in die Augen, während sie ihm antwortete: „Weil jemand auf dich aufpassen muss… Roy…“

„Weißt du, was das bedeutet?“, fragte Roy und bemühte sich dabei, die Haltung zu wahren. „Das wird viele Opfer bedeuten…“

Für einen Moment blickte Riza ihm noch in die Augen. Für einen unbeschreiblichen Augenblick hatte er das Gefühl, es gäbe doch noch eine Chance. Dann straffte Riza die Schultern wieder und die altbekannte Entschlossenheit trat in ihren Blick.

„Manchmal muss man Opfer bringen, um das zu tun, was einem wichtig ist, Major. In der Alchemie wird das doch äquivalenter Tausch genannt, oder?“
 

September 1914, East City Hauptquartier
 

Äquivalenter Tausch… Bis heute war Roy sich nicht sicher, ob es das wirklich war. Es gab Tage, an denen er drauf und dran war, einfach aufzugeben, aber paradoxerweise war es dann ausgerechnet Rizas Beistand, der ihn davon abhielt. Sie passte wirklich auf ihn auf. Er fühlte sich sicherer und stärker mit ihr an seiner Seite. Auch an Tagen wie diesen…

„Lieutenant Colonel Mustang, es ist Zeit zu gehen. Der Zug nach Central City fährt in einer halben Stunde.“

Wortlos erhob Roy sich und folgte First Lieutenant Hawkeye aus dem Büro, in welchem er mehrere Jahre lang die Geschickte in East City geleitet hatte. Nun war er zurück nach Central City beordert worden – und mit Rizas Hilfe würde er dort irgendwann Führer werden…



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Coronet
2012-04-08T18:45:58+00:00 08.04.2012 20:45
Hey :)
Zu aller erst: Mir gefällt dein Schreibstil sehr!
Die Story war, bis auf die Sprünge, sehr angenehm zu lesen.
Mir gefällt die Art, wie du die Beziehung der beiden darstellst ohne dabei zu sehr in das Kitschige abzudriften.
Das Einzige was ich zu bemängeln hätte wären die Unstimmigkeiten mit dem Original, aber es ist ja schließlich eine Fanfiktion also kann ich damit leben.
Alles in allem ein sehr schöne Oneshot :)
Liebe Grüße,
Coronet
Von: abgemeldet
2011-12-14T17:12:37+00:00 14.12.2011 18:12
Hey :)
Hab diese Geschichte eben gefunden und hab sie regelrecht verschlungen ^-^
Der Schreibstil insgesamt gefällt mir wirklich sehr gut.
Aber es ist wahr, dass so einige Details/Dinge einfach nicht zur original Story passen. Dennoch finde ich das Verhältnis, welches du zwischen Riza und Roy beschreibst interessant und wunderschön beschrieben! Deine FF ist wirklich gut zu lesen und die Art des Schreibens ist auch wundervoll.
Mach also weiter so! Ich wünsche dir viel Spaß beim schreiben :)
Liebe Grüße,
Sai
Von:  __AlibabaSaluja
2011-03-30T22:01:30+00:00 31.03.2011 00:01
Uh eine wirklich süße Idee :3 aber man merkt eben doch dass das Wissen der anderen Mangas fehlt (Vor allem band 15) aber gerade das macht die FF so süß. Weil sie was neues ist :3 Der Stil gefällt mir sehr gut ^^ Es war zwar holprig zu lesen durch all die Sprünge aber...es gibt nen schönen Eindruck wie die Beziehung sich entwickelt hat ^^ Schade nur das Roy die eine Frage nie stellen konnte ._. Obwohl ich denke dass das Heiraten an sich erlaubt wäre ö_ö vill wäre sie nur nicht direkt unter seinem Kommando. Aber es passt so zur Story >///<!

Mit ganz lg Nano :3


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