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Zeitlos -♠-

100 Storys -1-
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Lichtlos

Mit deinen rauen, dreckverschmierten Händen nimmst du eines der alten Streichhölzer und entzündest es. Die Flamme lodert auf. Mit einer raschen Bewegung hältst du das Streichholz an den Docht der großen, weißen Kerze. Du erweckst sie zum Leben und gibst ihr einen Platz auf dieser Welt. Der eben noch kalte Wachs erwacht. Es ist nicht länger starr und leblos. Nein, er beginnt wirklich zu existieren. Die kleine Flamme ist das Elixier der Kerze und lässt sie das sein, was auch immer sie sein will. Eben war sie noch so friedlich brennend auf dem Nachttisch gewesen, doch du nimmst sie auf und führst sie auf eine kleine Reise. Du nimmst sie mit durch das Schlafzimmer, durch die fernen Welten des Wohnzimmers, hindurch durch die Traumlandschaft der kleinen Küche. Sie erfreut sich daran, nicht mehr die ganze Zeit an einem Fleck zu sein, sondern mehr zu sehen, von dem Ort, an dem sie erwachte. Doch der Weg, den du mit ihr gehst ist voller Gefahren. Ein Windzug, der unter der alten Holztür hindurch gelangt, droht sie auszupusten. Schützend hältst du die Hände vor die flackernde Flamme und rettest die Kerze vor dem sicheren Untergang. Und sie spendet dir dafür Licht und etwas Wärme. Sie gibt dir einen Grund, nicht aufzugeben und zu fliehen, denn sie leuchtet dir deinen Weg. Ohne dieses warme Licht wärst du verloren an einem dunklen Ort wie diesem, sieh es ein! Und sie wäre verloren, wenn du sie allein lassen und sich selbst überlassen würdest. Denn ohne deine schützenden Hände würde sie vergehen. Und ihr Licht würde erlöschen.

Doch du passt auf und lässt sie nicht im Stich.

Oder?

Oder…

Eine unachtsame Bewegung deinerseits. Noch im Fallen erlischt ihre Flamme und als sie auf dem harten Steinboden aufkommt besudelt sie alles mit weiß-grauem Wachs. Verendet liegt sie dort, in ihrem eigenen Blut. Nur weil du nicht hingesehen hast. Nur weil du eine Sekunde lang unaufmerksam warst! Du hast sie einfach fallen lassen. Hast mich einfach fallen lassen. Der Wachs, das Kerzenblut, bedeckt die Stelle zwischen dir und mir, als würde er uns beide trennen. Ich sehe in deinem Blick, dass du es nicht wolltest. Aber du hast es getan. Und du sollst es wissen.

»Du hast mich getötet, Mami…«



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  _-THE_JOKER-_
2012-08-07T15:36:41+00:00 07.08.2012 17:36
Ich gebe zu der Perspektivenwechsel hat mich erst verwirrt, aber dann fand ich ihn gut.
Eine wirklich rührende kleine Geschichte, mein Gott die arme Kerze, sie tut mir so Leid.
Mehr habe ich auch gar nicht zu sagen, schlicht und einfach süß. hat mir sehr gefallen.

jöker
Von:  w-shine
2012-06-19T17:32:12+00:00 19.06.2012 19:32
Uuuhm...
Also entweder wechselt du einfach ganz dreist kurz vor Ende die Perpektive und deine Kerze spricht plötzlich mit uns, nachdem wir sie vorher nur aus der Außensicht gesehen haben oder diese Geschichte hat noch eine ganz andere Ebene.

Wie auch immer!
Die Wanderung mit der Kerze durch den Raum hast du schön beschrieben und auch wie die beiden Schicksale voneinander abhängen - Licht spenden und Schutz geben.
Und dann der tragische Tod der Kerze, wegen der Unvorsicht. Das Wachs als Kerzenblut zu bezeichnen, gefällt mir übrigens sehr gut!

Alles, was ich rein an der Form zu bemängeln gehabt hätte, wurde schon genannt - glaub ich...

LG Shine
Von:  sunshishi
2012-02-19T14:48:28+00:00 19.02.2012 15:48
>Schreibzieher-Kommentar<


Der Titel hat mich hergelockt^^ Mal sehen, was mich erwartet... Die "rauen, dreckverschmierten Hände" sind ja schonmal ein vielversprechender Anfang.

Du erweckst sie zum Leben und gibst ihr einen Platz auf dieser Welt.
Der Satz gefällt mir sehr gut. Vielleicht könntest du noch spezifizieren, wo genau der Platz ist.

Der eben noch kalte Wachs erwacht.
Es heißt: das Wachs.

Nein, er beginnt wirklich zu existieren.
Da es sich weiterhin auf "das Wachs" bezieht, heißt es: "es beginnt".

Eben war sie noch so friedlich brennend auf dem Nachttisch gewesen,
Öhem... "war gewesen"? Also, das kannst du bestimmt besser...

hindurch durch die Traumlandschaft
An sich mag ich diese bildhafte Wanderung durch das Haus sehr gern, aber du wiederholst dich ständig bei "durch". Und in diesem Satz gleich doppelt mit "hindurch durch". Vielleicht können sie das Wohnzimmer "passieren" und die Küche "durchqueren"? Hm, bleibt das erste "durch"... Eventuell "verlässt" du das Schlafzimmer.
Du nimmst sie mit beim Verlassen des Schlafzimmers, passierst die fernen Welten des Wohnzimmers, durchquerst die Traumlandschaft der kleinen Küche.

den du mit ihr gehst ist voller Gefahren.
Komma zwischen "gehst, ist".

auf dem harten Steinboden aufkommt besudelt sie
Komma zwischen "aufkommt, besudelt"

Nur weil du nicht hingesehen hast. Nur weil du eine Sekunde lang unaufmerksam warst!
Bei beiden Sätzen ein Komma zwischen "Nur, weil".

Das Ende gefällt mir sehr gut. Es ist poetisch, bildhaft und sehr emotional. Grandios^^

Insgesamt ein Text zum Nachdenken und philosophieren, ohne dass es zu verwirrend wird - so wie ich es mag^^ Deine Charaktere bleiben zwar weitestgehend "namenlos", aber man kann die Hintergründe fast erahnen und sich dadurch eine eigene kleine Geschichte im Kopf zurecht basteln. Sehr schön.


~present for you~
by SuShi
Von: abgemeldet
2011-08-10T08:19:56+00:00 10.08.2011 10:19
öhm zu früh abgeschickt.

hinter dme letzten Absatz sollte natürlich stehen:
Klitzekleiner Fehlerteufel:


(oder soll der falsche Artikel darauf hinweisen, dass die Kerze nicht mehr länger ein ES ist sondern quasi DER Sohn derjenigen, die sie angezündet hat?

Dann würde ich DER und ER auch irgendwie hervorheben, damit das deutlicher rauskommt.
Von: abgemeldet
2011-08-10T08:17:21+00:00 10.08.2011 10:17
Faszinierende Geschichte.
Es ist schön, ungewöhnlich....mystisch, wie du der Kerze Leben einhauchst.
Ihr eine Persönlichkeit verleihst.

Im letzten Satz stört mich dieses - Mami -, irgendwie passt das nicht rein, und lässt mich überlegen, ob es hier wirklich "nur" um eine Kerze geht, oder ob sie doch eine Metapher für etwas tiefgründigeres steht.
Oder doch nur als Zeichen dafür, dass die Frau, als Mutter des Kerzenscheins anzusehen ist, weil sie ihr das "Leben" geschenkt hat.
Beides interessante Aspekte..
Aber irgendwie störts mich.
Es ergibt sich daraus eine extrem gruselige Wendung, finde ich *gänsehaut hab* ;D,
von meiner Seite aus, eine super Geschichte die gerne für die nächste Runde für die Geschichte des Monats vorschlagen würde!
Einfach weil sie alles andere als gewöhnlich ist.



Das eben noch kalte Wachs erwacht. Es ist nicht länger starr und leblos. Nein, er beginnt wirklich zu existieren.


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