Warum Teufel gerne Poker spielen
Eigentlich hatte Skull vom ersten Moment an gewusst, dass seine Idee total bescheuert war. Dass er sich bei dieser dämlichen Angelegenheit nicht halb so genial anstellen würde, wie er es geplant hatte, und dass er begonnen hatte, sich sein eigenes verdammtes Grab zu schaufeln, seit er jenen verhängnisvollen Anruf getätigt hatte.
Dann wiederum, und das musste er ganz unselbstverliebt zugeben, hatte er sich mit einer Raffinesse und Anmut aus der Affäre gezogen, um die ihn die anderen Arcobaleno beneiden würden. Keiner dieser Schwachköpfe hätte bereits an dem bedrohlichen Klopfen an den Pforten seines Anwesens bemerkt, dass Unheil in der Luft lag. Genauso wenig besaß irgendeiner von ihnen die Reflexe, die von Nöten waren, um sich in einer formvollendeten Drehung vor zwei bestimmten jungen Männern zu retten – die in letzter Zeit komischerweise immer zusammen bei ihm aufliefen –, nur um wenige Sekunden später schon als Geisel genommen zu werden.
Aber das gehörte natürlich alles zu einem noch viel größeren Plan, der schlichtweg noch nicht ganz ausgereift war, und der einschlagen würde wie eine Bombe, sofern er ihn denn jemals vervollständigen konnte. Ja, so sah es in Skulls Kopf aus.
Eigentlich redete er sich das alles nur ein, aber das musste man – und vor allem die beiden personifizierten Teufel in seiner Gesellschaft – nun wirklich nicht wissen. Obwohl, wahrscheinlich taten sie das schon. Wenn sie es vorher nicht wussten, dann spätestens seit sie sich mit brutalem Kampfgeschrei auf Skull gestürzt und ihn zu Boden gerissen hatten.
Und warum? Weil das Schicksal ein piercing- und motorradhassendes Miststück war. Natürlich auch, weil Colonnello und Reborn ihre Handlanger waren. Schlichte Nebencharaktere, die in der großartigen, heroischen Odyssee, die sich sein Leben schimpfte, nicht vorkommen sollten. Die es aber trotzdem taten.
Welcher dämliche Autor hatte sich den ganzen Mist eigentlich ausgedacht und Skull so zur absoluten Flasche gemacht?
Jedenfalls muss man etwas weiter ausholen, um dieses doch sehr erbärmliche Kapitel aus Skulls Odyssee zu erzählen. Alles begann an einem sonnigen Samstagmorgen in seinem Anwesen, das ihm die Carcassa Famiglia großzügig überlassen hatte. Ihm war sterbenslangweilig, und wahrscheinlich war genau das der Grund, dass er schließlich zum Telefon griff und eine Nummer wählte, die ihm bisher nur Pech gebracht hatte. Aber wenn einem sterbenslangweilig war, konnte man natürlich auch einen Kampf gegen den Teufel starten.
Zugegeben, Skull konnte sich Schöneres vorstellen, als Colonnello anzurufen, aber was blieb ihm anderes übrig? Außerdem war es ja nicht so, dass er dem anderen in irgendeiner Weise unterlegen war. Sollte sein Plan nach hinten losgehen, hatte er immer noch diverse Ausweichmöglichkeiten. Jedenfalls wollte Skull das glauben, während ihn das dumpfe Piepen des Telefons mit jeder Sekunde nervöser machte.
›Vielleicht‹, schoss es ihm durch den Kopf, ›ist die Idee doch nicht so gut. Am besten, ich lege wieder auf und überdenke das Ganze noch mal. Immerhin ist es noch nicht—‹
»Hallo?« Zu spät. Skull hätte seinen Kopf gerne in die nächstbeste Wand gerammt.
»Ähm, ja... hallo, Colonnello-senpai.«
Stille. Colonnello schien nicht ganz zu glauben, dass Skull freiwillig mit ihm reden wollte.
»Skull?«
»Nein, der Weihnachtsmann.« Oh, gut gekontert. Wäre er wegen seiner Anspannung nicht zur Salzsäule erstarrt, hätte Skull sich jetzt für diese grandiose Antwort anerkennend auf die Schulter geklopft. War ja sonst niemand da, der das tun könnte.
»Was? Hat's dir die Sprache verschlagen?« Langsam blies sich sein Ego wieder auf die gewohnte Größe auf. Als Colonnello ihm darauf immer noch keine Antwort gab, war Skull kurz davor, ihm einige böse Beleidigungen an den Kopf zu werfen. Doch:
»Hey, Reborn.« Scheiße. Sofort wich jegliche Farbe aus seinem Gesicht.
»Skull hat eben nach einer Tracht Prügel gefragt, kora!«
Fast wäre Skull der Hörer aus der Hand gefallen, als er gedämpft das bedrohliche Lachen Reborns hören konnte. Alle möglichen Horrorszenarien spielten sich in Sekundenschnelle vor seinem inneren Auge ab. Seine Idee war wirklich dämlich gewesen! Aber er wäre nicht der gefürchtete Cloud Arcobaleno, wenn er sich nicht wieder selbstständig aus dieser Misere retten könnte.
»Ach, ist das so?« Gesprächspartnerwechsel auf der anderen Seite, Colonnellos amüsiertes Kichern im Hintergrund. Ein leichenblasser Skull kurz vorm Nervenzusammenbruch.
»H-hallo, Reborn-senpai«, murmelte er eingeschüchtert und überlegte angestrengt, wie er dem drohenden Unheil entgehen konnte. »Schöner T-tag heute, n-nicht wahr?«
Er konnte das Schmunzeln des anderen praktisch durch den Hörer sehen. »In der Tat. Darf ich fragen, woher dein plötzlicher Wunsch nach körperlichen Schmerzen kommt?«
Skull meinte zu hören, wie Colonnello in schallendes Gelächter ausbrach, war sich aber nicht ganz sicher. Sein Blut rauschte auf einmal schneller durch seinen Körper, die Gewissheit, gleich einen furchtbaren Fehler begehen zu können, ließ seinen Mund trocken werden.
Jetzt bloß die Ruhe bewahren.
»A-als ob ihr überhaupt in der Lage dazu wärt, den großen Skull zu verwunden! Eigentlich wollte ich euch die Möglichkeit geben, eine Partie Poker mit mir zu spielen, aber eure Unverschämtheit mir gegenüber ist absolut inakzeptabel! Nicht, dass ihr mich je besiegen könntet, aber in meiner grenzenlosen Güte...« Allmählich gingen ihm die Lobpreisungen aus, also beließ er es bei einer dramatischen Pause.
»Gib uns eine halbe Stunde.«
Ob Reborn schon aufgelegt hatte, als Skull der Hörer aus der Hand fiel, wusste er nicht. Wenn nicht, dürften sich nun einige Beleidigungen mehr in seinem Wortschatz befinden.
Diese halbe Stunde zählte zu den schrecklichsten in Skulls Leben. Anfangs war er Flüche schreiend durchs Anwesen gerannt, und als ihm keiner seiner Untergebenen die gewünschte Unterstützung und Aufmerksamkeit entgegenbrachte, wurde er daran erinnert, dass die übrigen Familienmitglieder ihren freien Tag hatten.
Was ein beschissener Zufall. Danke, du Miststück von Schicksal.
Irgendwann war er in hysterisches Gelächter verfallen, konnte nicht mehr aufhören und letztendlich auch nicht mehr unterscheiden, ob er noch lachte oder schon weinte. Dann klopfte es an der Tür und Skull rannte dummerweise gegen eine Wand – aber das war natürlich Teil seines Plans und lag garantiert nicht daran, dass er vor Schreck aufgeschrien und kurzzeitig die Orientierung verloren hatte.
Wissend, dass Colonnello und Reborn seine Tür eintreten oder einfach kaputt schießen würden, wenn er sie nicht hineinließ, war er mit zögerlichen Schritten an die Pforte herangeschlichen und hatte erst einmal abgewartet.
Kurz flackerte die Hoffnung in ihm auf, dass es ja doch nur der Postbote sein könnte, oder eine freundliche alte Nachbarin, die ihm Kekse gebacken hatte. Oder vielleicht—
»Mach die verdammte Tür auf! Wir wissen, dass du da bist, kora!«
—die zwei Arcobaleno, die er wenn überhaupt in seinen Albträumen sehen wollte. Warum noch mal hatte er Colonnello angerufen?
Augenblicke verstrichen, in denen Skull darüber nachdachte, ob er sie nun hereinlassen sollte oder nicht. Was sollte schon passieren, wenn er sie da draußen verrecken ließ? Sie könnten allenfalls seine Haustür zerstören.
Von draußen war ein aufgebrachtes Schnauben zu hören. »Okay, jetzt reicht's! Lass mich los, Reborn, ich sorge nur dafür, dass er uns endlich hereinlässt, kora!«
Dann ertönte ein lauter Knall, Skulls Haustür wurde in ihre Einzelteile zerlegt und er war heilfroh, dass er nicht dahinter gestanden hatte. Im Angesicht seiner eigenen Apokalypse konnte er nur gebannt zusehen, wie zwei hochgewachsene Gestalten langsam aus der Staubwolke und den kläglichen Überresten der Tür hervortraten; Colonnello, ein riesiges Maschinengewehr auf der Schulter, ging voran und sah sich wenig interessiert im Anwesen der Carcassa um, während Reborn kopfschüttelnd folgte.
»Das war unnötig, Colonnello«, meinte er belehrend und seufzte kurz.
Der Angesprochene warf ihm nur einen ungeduldigen Blick zu, bevor er sich weiterhin nach Skull umsah. »Jetzt mach dir nicht gleich in dein Armanihemd, Reborn. Diese schlechte Version eines persönlichen Haussklaven hätte die Tür doch nie geöffnet, wenn ich nicht— hey, Skull, wohin des Weges?«
Scheiße. Dabei hatte er gedacht, seine Flucht würde unbemerkt bleiben. Wie ein aufgescheuchtes Reh sah er den beiden Arcobaleno abwechselnd in die Augen, ging gedanklich jeden Fluchtplan durch, der ihm auf die Schnelle einfiel – es waren nicht viele, und letzten Endes entschied er sich dafür, Fersengeld zu geben. Brüllend raste er eine lange Treppe hoch, um möglichst schnell viel Abstand zwischen sich und die beiden anderen zu bringen.
»Ihr kriegt mich nie, haha!« Er klang um einiges verzweifelter, als er beabsichtig hatte. Weiter unten schwankten die Blicke von Colonnello und Reborn zwischen Schadenfreude und Mitleid.
»Colonnello«, gelangweilt steckte Reborn seine Pistole zurück ins Halfter, »wärst du so freundlich, ihn einzufangen?«
Grinsend drückte der Rain Arcobaleno Reborn sein Gewehr in die Hand. »Aber mit dem größten Vergnügen, kora!«
Bevor Reborn das Gewehr richtig fassen konnte, sprintete Colonnello bereits los und murmelte etwas, das bedrohlich nach ›Krakenjagd‹ klang. Reborn zog eine Augenbraue hoch, warf das Gewehr achtlos auf den Boden und setzte Colonnello nach. Nicht, dass der andere vor ihm seinen Spaß mit Skull hatte.
Sein Blut pumpte das Adrenalin mit solch hoher Geschwindigkeit durch seinen Körper, dass Skull zeitweise schon daran dachte, dass er aus dem Fenster springend entkommen und davonfliegen könnte. Im Prinzip wusste er, dass es unmöglich war Colonnello abzuhängen, aber vielleicht war das Schicksal ja zur Abwechslung mal auf seiner Seite.
›Oder auch nicht‹, dachte er bitter, als er einen seiner Peiniger näher kommen hörte und dieser sich mit einem dramatischen Kampfschrei auf ihn warf. Während sie beide zu Boden gingen – er wie am Spieß schreiend, Colonnello lachend – fragte er sich nicht zum ersten und höchstwahrscheinlich nicht zum letzten Mal an diesem Tag, womit er das alles verdient hatte.
Er wimmerte kurz, als der andere sich aufrichtete, harsch Skulls Arme packte und auf seinem Rücken verdrehte, sodass er ziemlich wehrlos unter seinem Senpai lag und hoffte, dass das vor ihm Liegende nicht allzu peinlich werden würde. Doch all seine Hoffnungen wurden zunichte gemacht, als Reborn bedächtig die Treppen hoch schritt und schließlich neben dem zufrieden grinsenden Colonnello stehen blieb.
»Nicht einmal eine Minute«, kommentierte der Hitman fast schon anerkennend, bevor er Colonnello sehr zu dessen Unmut auf die Schulter klopfte, »du wirst immer besser.«
›Und immer brutaler.‹ Aber Skulls Meinung war wie so oft nicht gefragt.
Der folgenden Belehrung seitens Reborn lauschte er nicht wirklich. Eher war er damit beschäftigt, sich unter Colonnello in eine halbwegs angenehme Position zu rücken, und da half das arrogante Grinsen der beiden nun wirklich nicht weiter. Sobald Reborn allerdings das Wort ›Poker‹ in den Mund nahm, horchte Skull widerwillig auf. Immerhin war dieses vermaledeite Wort der lächerliche Grund dafür, dass es so weit gekommen war. Das Glitzern in den Augen des Sun Arcobaleno gefiel ihm ganz und gar nicht.
»Na Skully, was sollen wir jetzt mit dir machen?«, fragte Colonnello, der es sich mittlerweile auf dem Rücken seines Opfers bequem gemacht hatte.
Dunkel kichernd hockte Reborn sich vor Skulls Gesicht auf den Boden. »Was für eine Frage. Immerhin hat er uns hierher zitiert, also spielen wir auch ein wenig mit ihm.«
Während Colonnello ihn weiterhin auf den Boden drückte, griff Reborn grob nach Skulls Kinn, zwang ihn aufzusehen und sorgte damit bestimmt gleichzeitig dafür, dass er morgen fürchterliche Nackenschmerzen haben würde. Mit einem bedrohlichen Grinsen lehnte Reborn sich so weit herunter, dass eine seiner Locken Skulls Gesicht kitzelte.
»Oder was meinst du, Kleiner?« Heißer Atem auf seiner Haut. »Eine kurze Partie Poker wird dich schon nicht umbringen.«
Niemals mehr in seinem ganzen, hoffentlich nicht allzu kurzen Leben würde Skull wieder Poker spielen. Und schon gar nicht mit Colonnello und Reborn, die natürlich auf Strip-Poker bestanden hatten. Das war einfach zu viel für seine Nerven.
Selbstverständlich ließ er seine Senpais immer gewinnen, und so machten die beiden jede Partie unter sich aus. Dass keiner der beiden ein Kleidungsstück ausziehen wollte war ebenso klar wie die Tatsache, dass selbst Colonnello nur selten gegen Reborns Pokerface ankommen konnte. Mittlerweile hatte Colonnello bereits Jacke und Shirt, sowie sein Stirnband abgelegt, Reborn musste sich sogar von seinem Hut und seinem Jackett verabschieden, und Skull fror sich in seinen Boxershorts seinen ach so genialen Arsch ab.
Nachdem die beiden anderen die letzte Partie beendet hatten und Reborn schließlich seine Krawatte ablegen musste, zog ein perverses Glitzern in Colonnellos Augen seine Aufmerksamkeit auf sich. Er würde doch nicht...
»Sieht aus, als würdest du nach der nächsten Partie nackt hier sitzen, kora~«
Augenblicklich färbte sich sein Gesicht rot wie eine Tomate – wäre diese Situation nicht so nervenaufreibend für ihn gewesen, hätte er sich darüber beschwert, dass sich diese Farbe mit dem Violett seiner Haare biss – und je anzüglicher sein Gegenüber grinste, desto nervöser wurde er. Auch Reborn musterte ihn mit einem Blick, der ihm gar nicht gefallen wollte. Skull schluckte, wollte sich gar nicht vorstellen, was alles auf ihn zukommen würde, falls er verlor.
Und er würde höchstwahrscheinlich verlieren, so wie all die anderen Partien zuvor auch. Weil das Schicksal ihn immer noch hasste und weiterhin keine Anstalten machte, ein bisschen freundlicher zu ihm zu sein.
Vielleicht – und Skull musste sich eingestehen, dass dieser Plan sogar für seine Verhältnis bescheuert war – würde das Schicksal ihn mehr mögen, wenn er sich wie einer der Handlager dieses verlogenen Miststücks verhielt. Er müsste also nichts weiter tun, als sich die Klamotten seiner Senpais anzuziehen und sich wie der letzte Arsch benehmen. Dürfte nicht schwer werden. Fehlte eigentlich nur noch, dass er sich eine Socke nahm, daraus eine Puppe bastelte und damit einen von seinen Senpais nachäffte.
Schnell schüttelte er den Kopf, um diese doch sehr fragwürdigen Gedanken loszuwerden. Auf was für Ideen man kam, wenn man verzweifelt war. Dass die entscheidende Partie bereits angefangen hatte, realisierte Skull erst wirklich, als Colonnello ihm schelmisch grinsend eine Spielkarte – Pik Ass, um genau zu sein – vor die Nase hielt.
»Verloren, Skully~«, flötete er glücklich und deutete breit grinsend auf die lila Boxershorts mit schwarzem Oktopusdruck.
»J-ja? Was i-ist mit der?«, stotterte er hilflos. Am besten so tun, als wüsste man von nichts.
Lasziv grinsend lehnte Colonnello sich vor und legte Skull die Federboa um den Hals, mit der er vor geraumer Zeit zwischen den Partien zu spielen angefangen hatte. Die Tatsache, dass das Ding pink war, machte die Angelegenheit nur noch schlimmer.
»Wenn du willst«, begann Colonnello mit heiserer Stimme, die für Skulls Geschmack viel zu nah klang, »helfen wir dir beim Ausziehen.«
Zum ersten Mal in seinem Leben wünschte Skull sich, Reborn würde seine Drohungen endlich wahr machen und ihn verdammt noch mal erschießen. Doch ein kurzer Seitenblick zu diesem verriet ihm, dass er nicht mehr aus dieser Sache rauskommen würde.
»V-vielleicht«, begann er zaghaft und versuchte sich weit nach hinten zu lehnen, »gibt es andere Wege euch zu... ähm, u-unterhalten?«
So gesehen wusste Skull nicht einmal genau, was Colonnello und Reborn mit ihm vorhatten. Aber wahrscheinlich war das auch besser so, sonst hätte er sein Möglichstes getan, auf der Stelle ohnmächtig zu werden. Bestimmt würden sie niemals versuchen, sich an einem Ohnmächtigen zu vergehen. Wobei... doch, würden sie. Und dieses Wissen wiederum machte die Situation für Skull nur noch schlimmer, denn egal, was er nun schlussendlich tat, er konnte nur verlieren. Und das in vielerlei Hinsicht.
Die zwei Handlanger des nutzlosen Schicksals warfen sich derweil vielsagende Blicke zu, und obwohl diese Skull nicht wirklich beruhigten war er doch heilfroh, dass Colonnello sich wieder zurücklehnte und ihm zumindest das Gefühl gab, wieder teilweise Herr der Lage zu sein.
Erwartungsvoll sah Reborn ihn nach einer kurzen Stille an. »Worauf wartest du dann noch? Fang an.«
Oh, und wie er anfangen würde. Skull würde den beiden schon zeigen, mit wem sie sich angelegt hatten! Und dann tat er – er, der große erhabene Meister Skull – etwas unbeschreiblich Dummes, für das er sich am liebsten noch Jahre später in den Hintern beißen würde. Immer noch schmollend griff er hastig nach Reborns Hut, der zuoberst auf dem Haufen Kleidung neben ihnen lag, und setze ihn auf; der klägliche Versuch einer gelungenen Imitation (für die er nicht einmal eine Sockenpuppe brauchte).
»Ciaossu, mein Name ist Reborn und ich bin das wohl größte Arschloch, das auf Erden wandelt. Im Prinzip bin ich nur gut darin, Leute herumzuschubsen – ganz besonders den großartigen Skull, vor dem ich eigentlich einen unglaublichen Respekt habe. Und weil ich furchtbare Komplexe habe, verstecke ich mich hinter einem Hut und meiner Knarre, damit niemand merkt, dass ich mir nichts sehnlicher wünsche als eine Umarmung.«
Skull versuchte, all das in einer tiefen, reborntypischen Stimme zu sagen, doch irgendwo zwischen ›Respekt‹ und ›Komplexe‹ konnte er sich das Lachen nicht mehr verkneifen. Überlegen grinsend sah er zu Colonnello und hoffte, an dessen Reaktion zu erkennen, ob ihm die Imitation gelungen war oder nicht. Doch Colonnello starrte ihn nur entsetzt an, während er unbewusst von Reborn wegrutschte.
Es machte Skull wütend, dass diese Idioten seinen exquisiten Humor nicht verstanden, also winkte er ab, verschränkte die Arme vor der Brust und sah mit hochrotem Kopf zur Seite. »Vaffanculo, vai a farti«, murmelte er aufgebracht und fragte sich, ob er nicht doch ein wenig zu weit gegangen war. Vorsichtig linste er unter der Hutkrempe hervor und bekam fast einen Herzinfarkt, als er Reborns harten Gesichtausdruck sah. Sobald der Hitman sich langsam erhob, wollte Skull sich entschuldigen und um Gnade winseln, aber seine Stimme versagte komplett.
»Gerne doch, Kleiner«, schnurrte Reborn dunkel, und als Skull bewusst wurde, dass das eine Antwort auf seinen unbedachten Ausruf war, entwich ihm ein viel zu weibliches Fiepen.
Hilfesuchend ruckte sein Kopf in Richtung Colonnello, doch dieser war wieder das Arschloch, als das Skull ihn in Erinnerung hatte und deutete mit seinem Finger einen imaginären Schnitt durch seine Kehle an; ein Zeichen, welches Skull viel zu deutlich zeigte, dass er eine Grenze überschritten hatte. Ein Schaudern lief durch seinen Körper, und angesichts des Teufels, der sich vor ihm aufbaute, konnte Skull nicht mehr mit Gewissheit sagen, ob das von der Kälte oder von der lähmenden Angst kam.
»A-aber Reborn-senpai«, zitternd krabbelte er rückwärts, um der Wut des anderen zu entgehen, »d-das war doch nur ein Scherz. Ein Scherz, verdammt!«
Sein Bitten schien bei Reborn allerdings auf taube Ohren zu stoßen. Der Hitman verringerte den Abstand zwischen ihnen und trat mit einer Wucht gegen Skulls Brust, die dieser nie für möglich gehalten hatte. Mit einem kläglichen Aufschrei ging er zu Boden, doch Reborn dachte nicht daran, seinen Fuß vom Körper des Cloud Arcobaleno zu nehmen.
»Aber natürlich war das ein Scherz. Hast du nicht gehört, wie Colonnello und ich gelacht haben?« Musste ihm entgangen sein.
Nun meldete sich auch Colonnello zu Wort, schlenderte beinahe gelangweilt auf die beiden zu. »Also wirklich, Skully, wie kannst du uns unterstellen, wir hätten deinen Witz nicht verstanden?«
Immer noch grinsend hockte sich Colonnello neben Skulls Kopf, schnappte sich ein Ende der gottverdammten Federboa und fuhr damit versucht lasziv über die Brust seines Opfers. Skull verfluchte sich dafür, dass ihm das sogar ansatzweise gefiel.
»Wir wollen uns nur für diese amüsante Art von Unterhaltung bei dir revanchieren.«
Der Druck auf seiner Brust ließ nach, doch stattdessen wanderte der Schuh immer weiter nach unten. Als er schließlich mit ansehen musste, wie sich Colonnellos Finger dem Bund seiner Boxershorts immer weiter näherten, zog er sich Reborns Hut tief ins Gesicht.
Alles, was er noch wahrnahm, war das neckende Kitzeln der pinkfarbenen Federboa, Reborns tiefes Kichern und ein leichter Luftzug, als Colonnello sich an seinen Boxershorts zu schaffen machte.