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Roadtrip

von

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Es endet, ehe es begonnen hat

Mit fertig gepackter Tasche stehe ich an der Bushaltestellte und warte auf Micha. Micha, eigentlich Michael, ist mein bester Freund seit… schon immer. Wir kennen uns schon, seit unsere Mütter sich nach der Geburt im Krankhaus ein Zimmer teilten. Wir waren gemeinsam im Kindergarten, in der Grundschule und nun sind wir gemeinsam auf einem Gymnasium hier in Aschaffenburg. Theoretisch gesehen unternehmen wir alles zusammen: Weiber aufreißen, Saufen gehen und natürlich in unserer freien Zeit sinnlos in der Gegend herumgammeln. So gesehen gibt es uns nur im Doppelpack.

Deshalb freue ich mich auch schon sehr auf das Schullandheim, wenn auch als Einziger in der Klasse. Aber Schullandheim verspricht viele neue Möglichkeiten, mit Micha so richtig auf den Putz zu hauen. Abgesehen davon bietet es mir die Chance, ein wenig Abstand von zu Hause zu bekommen. Meine Eltern, selbsternannte Pädagogen, haben den Sinn von Erziehung nämlich falsch verstanden und einfach einen Drill, ähnlich dem in der Bundeswehr, daraus gemacht.

Während ich noch sinniere, was Micha und ich anstellen könnten, taucht eben jener auf. Oder besser, er brüllt meinen Namen quer über den halben Schulhof („SAAAAM!“) und legt die letzten Meter, die uns trennen, im Laufschritt zurück.

„Bereit für die große Fahrt?“, grinst er mich an und wuchtet seine Reisetaschen neben uns auf den Boden. Ich höre das verdächtige Klirren von Flaschen und ahne, dass das nicht nur harmloses Wasser ist, das er da eingepackt hat. Ich muss grinsen. „Natürlich.“

Und während wir uns gerade richtig doll freuen, dass wir so cool sind, Alkohol mitgenommen zu haben, fährt der Grund vor, der uns das Grinsen förmlich aus dem Gesicht fegt: Herr Köpke. Wir seufzen synchron.

„Warum schicken sie uns diesen alten Miesepeter mit?“, fragt Micha sogleich und wir sehen zu besagtem Miesepeter.

Herr Köpke, seines Zeichens Geschichts- und Mathematiklehrer, ist wohl der strengste Lehrer der gesamten Schule. In eigentlich jeder Stunde findet er einen Grund, mindestens einem Schüler eine Strafarbeit aufzubrummen und generell kann er auch keinen Schüler leiden, begegnet allen mit feindlichem Gesicht und Argwohn. Bei manchen Schülern, wie zum Beispiel uns, ist das vielleicht gerechtfertigt, aber mindestens genauso oft ist das völlig unbegründet.

Zudem ist der gute Mann sicher schon über Hundert. Angeblich 68, aber das glaubt keiner, bei den vielen Falten, die sein Gesicht zieren. Das er noch nicht in Rente ist, ist noch ein weiterer Grund, der deutlich gegen ihn spricht.

„Vielleicht, um uns das letzte bisschen Spaß auch noch zu vermiesen?“

Zumindest das letzte bisschen Spaß, dass wir dem Ganzen zu geben im Stande gewesen wären. Mein Blick fliegt wieder auf Michas Reisetasche. Wenn der Köpke uns beim Saufen erwischt, killt er uns. Ganz sicher.

Ich sehe erneut zu dem Alten, der mit steifen Gliedern aus seinem Wagen – einem alten VW Golf, als könnte er sich nichts Besseres leisten – steigt und mit grimmiger Miene zu uns starrt. Schnell schau ich weg, nicht, dass ich ihm am Ende noch mit seiner Tasche helfen soll.

„Möglich wär’s,“ geht Micha auf meine Aussage ein und zuckt dann mit den Schultern. „Aber wir machen trotzdem Party, nicht?“

Ich nicke - schon alleine, weil er einen wild entschlossenen Blick aufgesetzt hat, der kein Widerwort duldet und ich den Ausflug eh nicht ohne Alkohol überstehen werde - und sehe angestrengt in eine andere Richtung, während ich aus den Augenwinkeln wahrnehme, wie der Köpke seine Tasche im bereitstehenden Bus unterbringt und sich dann mit dem Fahrer unterhält.

Und in genau diesem Moment entdecke ich ihn. Unseren kleinen Emo, auch Jannis genannt.

Ich kenne Jannis schon, da war er noch normal. Aber in der siebten Klasse hatte er sich in einem Anflug von Wahnsinn seine Haare plötzlich schwarz gefärbt und ab da fing es an. In der achten Klasse war die Wandlung zum Emo erfolgreich abgeschlossen und er hatte sich irgendwie selbst vom Rest der Klasse ausgeschlossen. Wobei man das so nicht sagen kann. Es ist nicht so, dass er gar keine Freunde mehr hat. Die Mädels finden ihn nämlich allesamt ‚total süüüüüüüß’ und mit einigen von diesen Fangirlies ist er auch gut befreundet. Gut befreundet. Ich muss schnauben. Kein Wunder, dass alle Welt glaubt, er wäre schwul, wenn er einen Haufen Weiber um sich schart und sie alle nur als gute Freunde betrachtet. Was dem Jungen entgeht, scheint ihm gar nicht klar zu sein – folglich muss er einfach schwul sein!

Micha seines gleichen folgt nun meinem Blick und entdeckt Jannis ebenfalls. „Oh, der Freak ist ja auch schon da,“ meint er so laut, dass es nicht nur ich, sondern ganz sicher auch Jannis hören kann. Dieser reagiert gar nicht, was uns sagt, dass wir da ein wenig Nachhelfen sollten.

Warum er schon hier ist, weiß ich auch nicht. Normalerweise geht er uns tunlichst aus dem Weg und wirklich jeder weiß, dass wir morgens immer die Ersten sind. Nicht, weil wir Streber sind, sondern weil es toll ist, alle, die vorbeiziehen, mit Sprüchen zu bedenken.

Ganz sicher hatte er wieder Stress mit seiner Alten und deren Lover. Um Jannis Familie ragen sich nämlich viele Gerüchte. Mein liebstes ist immer noch, dass sein Alter die Familie verlassen hat, um mit einer Nutte durchzubrennen und seine Mutter sich gleich den nächsten Trottel – sprich, einen totalen Kontrollfreak – ins Haus geholt hat. Was davon wahr ist, weiß keiner. Aber das ist ja das spannendste an der Sache.

Er guckt uns an, als wäre sein Tag bereits jetzt im Arsch, weil wir uns zu ihm bewegen. Recht hat er. Ich schlendere also langsam zu ihm hinüber und frage: „Mit wem gehst du eigentlich in ein Zimmer, Jan? Du hast doch gar keinen, der dich ertragen würde.“

Nun sieht er mich giftig an, wie eine Schlange, kurz vorm Angriff. Das die Emo-Schlange nicht angreift, weiß ich allerdings. Das tut sie nie. „So lange ich nicht mit dir in ein Zimmer muss, kann es mir relativ egal sein,“ kontert er und bleibt dabei betont kühl.

Ich muss grinsen, während sich Micha einmischt: „Versucht er gerade böse zu sein? Uuuuh,“ meint er zu mir und schließt zu uns auf. Dann grinst er Jannis überlegen an: „Sicher kommt er in Einzelverwahrung. Zu den Mädels darf er ja nicht und die Jungs sind sicher auch nicht vor ihm sicher.“

Dann lacht er laut los und ich falle ein. „Vielleicht sollten wir abschließen, nicht, dass er plötzlich in unserem Zimmer steht und kuscheln will,“ setze ich noch einen drauf.

Nun sieht der Emo richtig wütend aus – dabei heißt es doch immer, sie kennen nur eine Emotion: Heulen. Okay, das ist keine Emotion, aber so vom Prinzip her…

„Als wenn ich das Bedürfnis hätte, ausgerechnet in eurem Zimmer aufzutauchen…“ Er macht ein Würggeräusch, dass Michas Stolz wohl kränkt, denn er platzt sofort hervor: „Glaub mir, was du bei mir zu sehen kriegen würdest, würde dich für immer verfolgen.“ Und um diese Aussage zu unterstützen, greift er sich verdeutlichend in den Schritt und bringt nicht nur mich zum Augenrollen. „Sicher ist dein Schwanz nicht mal halb so groß, wie deine Klappe,“ erwidert Jannis und das muss man ihm anrechnen: Mutig ist er.

Okay, wir würden ihm auch nie etwas Wirkliches tun. Wir sind zwar Arschlöcher, aber nicht unmenschlich. In der Parallelklasse gibt es ein paar Typen, die es lustig finden, kleine Emos zu verprügeln. Zu Jannis Glück besitzen sie aber ihr eigenes Exemplar, so dass er weitgehend sicher ist. Also müsste er eigentlich uns gegenüber dankbar sein, dass wir ihn nicht anfassen…

Wahrscheinlich, um unser Gelaber nicht mehr hören zu müssen, stopft er sich nun Kopfhörer ins Ohr und schaltet seinen MP3-Player an. Wir sehen ihm zu, dann packt mich die Neugierde und ich greife nach vorne, um das gute Teil an mich zu nehmen. „Was der Emo wohl so hört?“, wende ich mich wieder an Micha und wühle mich durch die Songauswahl.

Angesprochener schaut mir über die Schulter und meint: „Sicher nur Songs, bei denen er so richtig gut heulen kann.“

„Gib den wieder her!“, fordert mich in dem Moment der Besitzer des Payers auf und funkelt mich zornig an.

„Sekunde, Sekunde,“ winke ich ab und klicke weiter. Ich möchte wirklich wissen, was er so hört, nicht nur, um ihn ein wenig zu ärgern. Wen interessiert nicht, was andere Leute so für Musik hören?

Jannis aber verengt nur die Augen und mit einem wirklich wütenden „Gib ihn her!“ greift er danach und reißt ihn mir aus der Hand, um ihn gleich danach schützend in seiner Faust zu beregen.

„Jetzt stell dich doch nicht so an, man,“ murrt Micha und sieht genervt zu Jan. „Sei kein Spielverderber, Jannilein,“ fügt er hinzu und macht damit sicher alles noch schlimmer. Wenn überhaupt möglich, sieht Jannis nun noch grimmiger aus. Aber was soll’s…

„Gibt schon her. Wir gucken doch nur,“ springe ich Micha bei und greife nach dem Handgelenk des Jüngeren – Jannis ist 16, wir Beide schon 17 – und zerre seinen Arm zu mir. Ich will seine Faust öffnen, aber er hält sie beharrlich zusammen.

„Lass mich los,“ faucht er und versucht, wie ein tollwütiger Hund, seinen Arm aus meinem Griff zu befreien.

„Zeig doch einfach her! Wir machen ihn schon nicht kaputt!“ Ich sehe ihn auffordernd an. Er aber entreißt mir nur mit voller Kraft seinen Arm, stolpert nach hinten und fällt samt mir vorn über, da ich ebenfalls das Gleichgewicht verliere, bei dem plötzlichen Ruck. Krachend landet er auf dem Asphalt und ich auf ihm. Triumphierend grinsend greife ich wieder nach seiner Hand, um den Player an mich zu nehmen.

Während er sich wehrt, umschlinge ich sein Handgelenk und berühre mit den Fingerspitzen gerade tatsächlich den Kunststoff, da fällt ein Schatten auf uns, der zu dick ist, um der von Micha zu sein und eine brummige Stimme ertönt hinter, oder eher über, uns.

„Was zur Hölle tut ihr da?“

Der Köpke sieht genervt zu uns hinab, die wir da aufeinander über die Straße kugeln und sicher freut er sich in seinem tiefsten Inneren, uns ‚erwischt’ zu haben. Wie gesagt, es ist kein Geheimnis, dass der Köpke kaum einen Schüler mag, aber uns Drei… uns hasst er. Ich glaube, Micha hat von ihm schon mehr Strafarbeiten aufgebrummt bekommen, als alle anderen Schüler zusammen und Jannis findet er glaube ich einfach nur abartig, weil er herumläuft, wie ein Mädchen. Was mich angeht. Ich glaube, ab und an ist er kurz davor, mir mein Grinsen einfach aus der Visage zu prügeln und nur die Konsequenzen, mit denen er dann rechnen müsste, halten ihn wohl davon ab.

„Ach Herr Köpke,“ wirft Micha belustigt ein,“ das ist doch nur Spaß.“ Wahrscheinlich versucht er wirklich gerade, den Köpke milde zu stimmen, aber allein die Tatsache, dass er etwas gesagt hat, scheint den Alten nur noch mehr zu reizen.

Dieser sieht Micha nun abschätzig musternd an, ohne etwas zu sagen, ehe er wieder zu uns blickt. „Nur Spaß,“ wiederholt er in einem wirklich seltsamen Ton. Eine Mischung aus Wut, Vorfreude und Ungläubigkeit. „Danach sieht es mir aber nicht aus.“

„Wirklich Herr Köpke… Wir haben nur das Gleichgewicht verloren.“ Auffordernd sehe ich zu Jannis, aber der ist sicher auch nicht gewillt, Strafarbeiten zu kassieren. Und genau das wird ihm blühen, dann einen Unterschied zwischen Täter und Opfer macht der Köpke nie, schon gar nicht, wenn er weder den einen, noch den anderen leiden kann. Deshalb nickt Jan bestätigend. „Ja.“

„Für mich sieht das nach einer Prügelei aus,“ erwidert der Alte mürrisch und vor allem in einem Ton, der keinen Widerspruch duldet. Ein weiter Grund, doch zu widersprechen. „Nein,“ rufe ich also hastig. „Ich wollte nur seinen MP3-Player sehen und dabei sind wir umgefallen.“

Nun stemmt er die Hände in die Hüften und macht ein Gesicht, mit dem er wirklich irgendwie gefährlich aussieht. „Man fällt nicht wegen einem MP3-Player um.“

Okay, da hat er Recht, aber eine Prügelei war es sicher auch nicht.

„Denkt ihr, ich bin blöd? Ich hab doch gesehen, wie ihr gerangelt habt. Geprügelt habt ihr euch, nichts anderes.

„Wirklich, Herr Köpke,“ springt uns nun wieder Micha bei. „Es sah schlimmer aus, als es war.“

Quer über sein Gesicht geschrieben steht die Abneigung gegenüber dem Lehrer, was diesem zum Glück entgeht, weil er Micha nicht beachtet.

Um uns herum füllt sich der Platz mit den restlichen Schülern. Logisch, denn der Bus soll in fünf Minuten abfahren. Fünf Minuten, in denen wir den Köpke hoffentlich doch noch – dem Wunder der unbefleckten Empfängnis gleich – Milde stimmen können.

„Ich möchte keine Schüler dabei haben, die sich prügeln.“ Aber höchstwahrscheinlich hat Jesus sich gedacht, dass er das einzige Wunder auf Erden bleiben möchte und so geht dieser Schuss nach hinten los. Mürrisch werden wir angesehen. „Der Rest kann in den Bus,“ ruft er dann über den ganzen Platz. „Ihr zwei bleibt hier,“ fügt er an uns gewandt hinzu.

„Was?!“, entfährt es Jannis so hysterisch, dass ich zusammen zucke. Aber er hat ja Recht. Das kann nicht sein Ernst sein. Das bedeutet sicher Erziehungsmaßnahmen – wie meine Eltern allgemein geltende Foltermethoden nennen – in Massen für mich.

„Herr Köpke,“ mache ich einen letzten Versuch, in der Hoffnung, dass ist nur ein Scherz, aber das ist es nicht. „Ihr werdet den Unterricht in der Parallelklasse besuchen, genau wie die Schüler, die nicht mitkönnen.“

„Aber Herr Köpke, das können sie doch nicht machen!“, wirft Micha nun wieder ein. Entgegen der Aufforderung, dass alle in den Bus steigen sollen, steht er noch bei uns.

„Du bist ruhig, sonst bleibst du auch hier!“, wendet sich der Alte nun ungehalten an Micha und deutet dann energisch auf den Bus: „Geh da rein!“

Entschuldigend sieht mich Micha an, ehe er langsam zum Bus schleicht und einsteigt. Ich mache ihm keine Vorwürfe, dass er nicht bei uns bleibt. Seine Eltern sind auch nicht gerade leicht. Und ganz sicher überlegt der Köpke es sich noch anders, wenn wir nur ein ganz leidendes Gesicht machen.

„Ihr könnt jetzt zum Rektor gehen und ihm erklären, warum ihr nicht mitkönnt. Und dann geht ihr in den Unterricht.“

Er sieht uns noch einmal an, während der Fahrer bereits den Motor startet. „Und steht endlich auf!“

Erst da bemerke ich, dass ich noch immer auf Jannis liege und richte mich auf, so dass auch er sich wieder frei bewegen kann. Schweigend sehen wir dem Köpke zu, wie er zum Bus läuft und einsteigt.

Nun rapple ich mich ganz auf und sehe zu, wie sich die Bustür schließt und dieser davon fährt. „Alter… Das ist ein schlechter Scherz, oder?“, wende ich mich dann an Jannis, der neben mir in die Senkrechte kommt. Auch er sieht dem Bus nach.

„Sieht das für dich aus, wie ein Scherz? Normal müsste er spätestens jetzt anhalten und uns einladen.“ Spricht’s, aber der Bus hört es nicht. Stattdessen biegt er um die Ecke und lässt uns zurück.

„Wenn wir uns jetzt beim Rektor melden, ruft der bei uns zu Hause an und dann bin ich so gut wie tot!“ Ich sehe zu Jannis.

„Was soll ich sagen? Der Lover meiner Mum erschlägt mich,“ entgegnet dieser und seufzt.

„Super. Nur wegen eurem Scheiß!“ Er sieht mich grimmig an und ich blicke ebenso zurück. „Was musst du dich auch so quer stellen,“ gebe ich die Schuldzuweisung zurück.

„Ich? Warum konntest du es nicht einfach sein lassen?“ Wütend funkelt er mich an und wir befinden uns in einer Saggasse, wie ich feststelle.

„Komm, das bringt jetzt auch nichts, sich gegenseitig die Schuld zu geben. Es ist einfach dumm gelaufen.“ Ich lasse mich wieder auf den Bordstein sinken. „Was machen wir denn jetzt?“

Jannis zuckt mit den Schultern und lässt sich neben mir nieder. „Uns bleibt nichts anderes übrig, als zum Rektor zu gehen.“

Ich verziehe das Gesicht, ehe ich seufzend nach vorne sehe. Mein Blick fällt auf den alten VW Köpkes. „Ich hab ne andere Idee,“ meine ich dann und springe begeistert auf.

„Die da wäre?“, murrt Jannis und sieht fragend zu mir hoch, während ich bereits nach vorne deute. „Wir fahren ihnen einfach hinterher.“

Nun sieht auch Jannis zum alten VW. „Nicht… dein Ernst?“

Aber wie das mein Ernst ist. Ich strahle ihn an. „Ich hab meinen B-17-Führerschein. Wir kommen also lebend an.“

Jannis aber schüttelt nur den Kopf. „Du willst doch nicht ernsthaft den sein Auto knacken? Abgesehen davon, dass dir zum Fahren die Begleitung fehlt.“

Manchmal ist er wirklich das Abbild von Köpke, der totale Langweiler.

„Ich hab doch dich als Begleitung,“ lache ich und laufe enthusiastisch zum Auto. Nun springt auch Jan auf und rennt mir nach.

„Du weißt genau, dass ich nicht zähle,“ wirft er ein, aber ich ignoriere ihn. Stattdessen besehe ich mir das Auto.

„Du willst das doch nicht wirklich durchziehen, oder? Das ist illegal!“

„Solange uns keiner erwischt,“ entgegne ich und mache mich an der Türe zu schaffen. „Guckst du, dass keiner kommt?“, will ich wissen und er hält notgedrungen Wache. „Das ist lächerlich, Samuel.“ Schon alleine, dass er Samuel sagt – ich hasse diesen Namen – lässt mich aus Trotz weiter am Auto herumfummeln. „Abgesehen davon, dass du das Auto eh nicht aufkriegst und…“

Ich unterbreche ihn: „Offen!“

Er wirft den Kopf zu mir und sieht mich ungläubig an. „Wie hast du das gemacht?“, quiekt er dann und ich grinse. „Ist doch egal, Hauptsache, es ist offen.“

Ich öffne die Autotüre und lasse mich auf dem Fahrersitz nieder. Im Auto riecht es nach diesen Duftbäumchen. „Aber wir haben doch keinen Schlüssel…“

Jannis hat die Beifahrertüre geöffnet, macht aber keine Anstalten einzusteigen, sondern sieht mich nur tadelnd an Ich überlege, welche Drähte man kappen und aneinander halten muss, um das Auto zu starten, als mir etwas einfällt, was dieses Problem nichtig werden lässt..

„Doch, haben wir. Der Köpke hat mal erwähnt, dass er seinen Ersatzschlüssel im Handschuhfach aufbewahrt.“ Und mit etwas Glück liegt dieser noch immer dort…

„Welcher Trottel lässt seinen Ersatzschlüssel im Handschuhfach liegen?“ Jan schüttelt den Kopf. „Keine Ahnung, der Köpke eben… Er meinte, sein richtiger würde manchmal nicht starten, da hat er den Ersatzschlüssel mitgenommen und ihn dann da liegen gelassen.“

„Was für eine blöde Idee. Und was für eine blöde Idee, das auch noch zu erzählen!“ Von so viel Dummheit geflasht, reißt er nun das Handschuhfach auf und wir starren auf den Schlüssel. „Tatsache.“

„Ist doch nur gut für uns,“ werfe ich ein und grapsche nach dem Schlüssel. Dann steige ich aus, werfe meine Reisetasche auf die Rückbank und sehe Jannis auffordernd an. „Was ist nun? Willst du mit, oder nicht?“ Ich lasse ihm keine Zeit zu protestieren, sondern steige wieder ein und sehe ihn von unten herab fragend an. Er beißt sich auf die Lippe. „Sam, dass ist illegal.“

„Letzte Chance,“ meine ich nur halb singend und greife warnend nach der Beifahrertüre, um sie zur Not selbst zu schließen. „Du kannst auch gerne zum Rektor und ein langes Gespräch mit ihm und deinen Alten führen…“

Nun seufzt Jannis entnervt auf, ehe er seine Reisetasche packt, ebenfalls in den Wagen wirft und einsteigt. „Wir ziehen das jetzt echt durch?“, fragt er mich dann. Ich nicke. „Klar.“ Und dann starte ich den Motor.
 

Ich biege in eine Seitenstraße und schiele dann zu Jannis, der den Inhalt des Handschuhfachs in Augenschein nimmt. „Was interessantes dabei?“, will ich wissen.

„Alles ziemlich unspektakulär. Ein Haufen CDs, voll mit klassischer Musik – der Alte erfüllt auch jedes Klischee – und den Fahrzeugschein hat er tatsächlich auch hier deponiert.“ Er schüttelt den Kopf und ich grinse wieder, während er mit besagtem Schein vor meiner Nase herumwedelt. „Lass uns das Auto verticken,“ lache ich amüsiert.

Er antwortet nicht, sondern wühlt weiter. „Bonbons, Taschentücher und eine Parkscheibe. Mehr ist da nicht.“

Ich schnaube. „Wie langweilig. Hat er gar keine Kondome oder so da drin?“

„Alter… Weißt du, wie eklig das wäre, wenn wir hier Kondome finden würden?“, braust Jannis auf und verzieht das Gesicht, während ich erschaudere. Recht hat er.

„Schau mal, ob er hinten irgendwo eine Karte hat,“ trage ich ihm dann auf und Jannis schnallt sich ab und beugt sich nach hinten. Kurz darauf hat er eine solche in der Hand und macht es sich wieder auf seinem Sitz bequem.

Er klappt sie auf, studiert sie einige Zeit, ehe er meint: „Wir sind hier… und wo genau wollen wir hin?“

Tja und dann versuchen wir uns krampfhaft an den Namen des Kaffs zu erinnern, zu dem der Bus aufgebrochen ist, haben aber letztlich keine Ahnung mehr. Fakt ist, dass ich nicht ewig in die grobe Richtung fahren kann, sondern ein genaues Ziel brauche, was jetzt ein wenig schwierig wird. Aber no rik, no fun.

„Weißt du, wie lustig das wird, wenn wir da auftauchen – in Köpkes Auto?“, will ich nach einiger Zeit des Schweigens wissen.

„Er wird uns töten,“ stellt Jannis sogleich fest. Seine Miene verhärtet sich. „Weißt du, dass ist vielleicht doch keine gute Idee…“

„Willst du jetzt noch kneifen?“, frage ich ein wenig enttäuscht. Ehrlich gesagt habe ich keine Lust, ohne ihn zu fahren und den Ärger ganz alleine einzukassieren.

Aber Jan seufzt nur. „Ich will nicht umdrehen, aber ich will da auch nicht auftauchen.“ Er zerknittert die Karte. „Ist doch alles scheiße! Wir wissen ja nicht mal, wo wir hin müssen!“

„Das einzige, was an der Sache scheiße ist, ist Köpke. Wir sollten seine Schrottkiste einfach an den nächsten Baum fahren!“, stimme ich wütend zu.

Wegen dem Alten Sack sind wir in so einer misslichen Lage.

Nun fängt Jannis zu lachen an. „Darf ich vorher aussteigen?“, fragt er dann in einem erneuten Lachanfall und ich muss grinsen: „Mit gefangen, mit gehangen.“ Dann lache ich auch wieder und deute auf die Karte. „Gibt es einen Ort, wo du unbedingt schon mal hin wolltest?“

„Der einzige Ort, zu dem ich gerne mal gehen würde, ist das Meer. Da war ich noch nie.“

Noch sind wir in Aschaffenburg. Ich überlege, wie lange man von hier wohl quer durch Deutschland braucht, wenn man keine Autobahn nutzen kann. „Kiel soll schön sein,“ meine ich dann.

„Kiel liegt an der Ostsee,“ wirft Jan ein. „Schade, dass wir da nicht hinkönnen.“

Ich sehe in sein Gesicht, in welches groß und breit ‚Sehnsucht’ geschrieben steht und fasse einen Entschluss. „Wieso können wir nicht? Lass uns das tun. Lass uns nach Kiel fahren!“

Jan blickt mich an, als wäre ich debil. „Ist das dein Ernst?“

Ich nicke. „Ja man. Wir fahren jetzt an die Ostsee. Das ist doch viel cooler, als irgend so ein Kuhkaff.“

„Alter… du bist so verrückt,“ meint Jan und dann grinst er. „Kiel.“

Danach müssen wir erst Mal lachen, ehe ich nach einer Wendemöglichkeit suche. „Auf nach Kiel,“ singe ich, während ich zurücksetze und wieder in entgegengesetzte Richtung fahre.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Tajuja-chan
2013-01-09T14:03:08+00:00 09.01.2013 15:03
Heyo =)
Ich hab beschlossen erstmal mit den Kommis hier weiter zu machen ;D

Sam und Micha sind ja schon fies und so ~
Warum hat eigentlich jeder ein Problem mit Emos? Die wollen doch auch nur verstanden werden =)
Wassn Lehrer... Muss der in dem Alter nich mal in Rente???
Klauen die einfach mal son Auto XD
Und das auch noch von dem schlimmsten Lehrer aller Zeiten, also ich hab ja auch manchmal bescheuerte Einfälle, aber sowas? XD
Das sich Sam aber so schnell wandelt und auf einmal freundlich zu Jannis is find ich etwas seltsam, aber ok =)


Zitate =) :

"Wir sind zwar Arschlöcher, aber nicht unmenschlich." - Wenigstens wissen sie wie scheiße sie eigentlich sind XD

"Aber höchstwahrscheinlich hat Jesus sich gedacht, dass er das einzige Wunder auf Erden bleiben möchte und so geht dieser Schuss nach hinten los." - Wie kommst du immer auf solche Sprüche? XD

LG Tajuja-chan =)
Von:  FreeWolf
2011-05-06T11:09:08+00:00 06.05.2011 13:09
Wie Micha und Sammy gehts mir mit max. XD° Hab ich das ma erzählt? XD
Egal. XD Das ist putzig >w<
Ach ja. xD die Jungens und der Alk. *grins* Woran erinnert mich das nur..? ;) Die coolen Säue.. XD
*rofl*
Köpke erinnert mich an meinen.. oô meinen alten Ital-Prof. XD Bei dem konnte auch keiner sagen, ob er jetzt 10 ist oder 100. XD

Hach, moppt die Emos und so. *fähnchen verteil* XD°
>>..und das muss ich ihm anrechnen: Mutig ist er.
Schöner Satz ^^V

Köpke ist doof. XD° Aber die Idee der beiden ist entweder wundertoll, oder aber so dumm wie kaum einmal zuvor. *droplol*
Aber generell mag ich solge.. Jah, Roadtrip-STories einfach. Besonders, wenn's so ist wie jetzt: schon fast Sommer und bella Italia vom Süden her ruft und so~ x3

*rofl* Kondome im Leherauto? XDD Oje, Bilder in meinem Kopf.. x,x


<<„Alter… du bist so verrückt,“ meint Jan und dann grinst er. „Kiel.“>>
Das.. sagt einfach alles aus. >o< Krieg ich den Satz geschenkt? *lieb guck* ;D

*flausch*
Lad weiter hoch, Hasi >o< Ich will wissen, was die noch so erleben.- XDD
Von:  LichterSchrei
2011-04-27T22:38:26+00:00 28.04.2011 00:38
Yeah, ich mag diese Roadtrip-Stories total! Und generell dieses Reise-Freiheit-Feeling^^
Und dass die beiden ans Meer wollen ist ja wohl klar! xD da wollen doch alle hin..oder nach Berlin bzw Hamburg.
Den VW-Bus hätte ich dem ach-so-spiessigen Lehrer gar nicht zugetraut^^ aber er passt. Ich schätze mal, wenn die beiden nur Landstraße fahren, dass der Trip mehrere Tage dauert, oder?
Bin auch gespannt wies weitergeht ^-^ sowas ist echt toll *-* würd ich auch suuupergerne machen, jetzt, nachdem das Abi gelaufen ist, einfach ins Auto und losfahren..
Lg^^
Von:  Taku_goes_Rawrr
2011-04-27T19:03:33+00:00 27.04.2011 21:03
Also ich finds witzig :D anfangs fand ich Samuel nicht gerade so sympathisch, aber gegen Ende ist er doch ganz ... amüsant :D Auch wenn ich nicht verstehen kann wie man mit einem (fast) Fremden, den man nicht mag, ein Auto klaut & einfach mal so drauf los fährt. Ich würds nicht machen xDDDD Aber, ich mag seinen verrückten Charakter :D & die Idee mit dem Roadtrip find ich cool - mal etwas anderes x3 Ich bin gespannt wie es weiter geht :D
Von:  _haiiro_
2011-04-27T18:34:00+00:00 27.04.2011 20:34
ich mags :DD aber so blauäugig kann man doch nich sein zu denken sie können einfach mal in einem geklauten auto nach kiel fahren und noch nich mal den richtigen führerschein haben :'D


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